Es begann in einer Kirche. Priester und Messdiener sind am Weg. Ein besonderer Sonntag, denn der NDR überträgt live. Der Technik interessierte Jugendliche, der jetzt in die St.Marienskirche im weißen Messdienergewand mitschreitet und die liturgische Handglocke in der Hand hält, staunt über die Organisation und Details der technischen Verwandlung eines Ortes in einer Rundfunkübertragung. Und er gibt den Klangtakt vor. Ein Auftakt, der sich in der späteren Moderation, Gestaltung von über 4000 Sendungen fortsetzen soll…
Dazu kommen viele Begegnungen, Moderationen, Erlebnisse, Erfahrungen mit Musik wie legendäre Konzertübertragungen, etwa des Live-Aid Konzert 1985 (internationales Benefizkonzert in London Wembley zugunsten der Afrika Hilfe), und weitere Interviews, Berichte und features. Ebenso ist die Moderation des ESC Eurovision Song Contest (seit 1997) ein jährliches highlight.
Das Buch, das ein wunderbares Zeugnis autobiographischer Musik-, Kultur- und Zeitgeschichte ist, besticht wie begeistert in kompakter, spannender Erzähl-, wie Informationsform. Es ist ein großartiges Eintauchen in Bühne, Zeit, Leben, Gesellschaft, das Erinnern oder neu Kennenlernen, in jedem Fall mehr erfahren lässt über die faszinierende Welt moderner Musik wie moderner Technik und die Entwicklung und Möglichkeiten medialer Begleitung, Präsentation und Impulsen.
Ebenso ist es ein Miterleben eines besonderen Berufsbildes mit vielen Interviewhighlights (etwa David Bowie, Keith Richards, Yoko Ono), das in Vielfältigkeit, Kreativität wie Herausforderung beeindruckt.
„Ein wunderbares biographisches Meisterstück moderner Lebens-, Musik- und Gesellschaftsgeschichte!“
„On Air“ Peter Urban. Erinnerungen an mein Leben mit der Musik. Rowohlt Verlag
Lieber Markus, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich wohne an vier Tagen der Woche in Nauen, kurz vor Berlin. An den übrigen drei Tagen bin ich in Hannover. An den Wochentagen tagsüber der Juristenberuf, im Homeoffice in Nauen oder im Büro in Hannover. Und viele Bahnfahrten.
Das Schreiben entfaltet sich vor allem am Abend. In Nauen, in meinem Arbeitszimmer, habe ich dann das Gefühl, sowohl nahe Berlin zu sein und zugleich in der Weite der brandenburgischen Landschaft.
Auch Vereinsaufgaben sind ein Teil des Abends. In Berlin bin ich Vorsitzender des Creative Writing Group e.V., ein über 30 Jahre alter, englisch-deutschsprachiger Literaturverein. In Hannover bin ich im Vorstand des Autor:innenzentrum Hannover e.V., wir sind in kurzer Zeit 80 Mitglieder geworden. Abends kommen also Vorstandstreffen oder Veranstaltungen hinzu.
Das ist der Grundrhythmus in jeder Woche. Lesungen, wie beispielsweise am kommenden Sonntag für eine neue Anthologie, sind dann das eigentliche Salz in der Suppe.
Markus Witte, Autor
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Mir kommt hierzu folgendes in den Sinn. Werten kommt in sehr ruhigen Zeiten auf den ersten Blick keine existenzentscheidende Rolle zu. Manchmal werden sie dann fast für austauschbare Accessoires gehalten. Zeiten, in denen existenzielle gesellschaftliche Umbrüche vonstattengehen, hat es, vor allem in Westdeutschland, lange nicht gegeben. Der russische Krieg in der Ukraine bringt lange verdrängte existentielle Fragen an uns als Gesellschaft auf den Tisch. Das gilt erst recht, wenn wir uns gedanklich in die Situation der Ukrainer versetzen. Welche Rolle spielt Deutschland bei der Unterstützung der Ukraine? Und wie ist es um die gesamte Sicherheitsarchitektur bestellt? Derart existenzielle Fragen stellen sich übrigens erstmals Ost- und Westdeutschland nach der Wiedervereinigung gemeinsam. Werten kommt in diesen Zeiten eine besondere Bedeutung zu. Werte werden jetzt besonders wichtig.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Freiheitswerte und Kunst sind untrennbar miteinander verbunden. Kunst, sofern sie sich nicht einer feststehenden Meinung andient, steht daher für die generelle Freiheit als solche. Für die Freiheit, eine andere Meinung oder einen anderen Lebensstil haben zu dürfen. Für die Freiheit, eine andere oder gar keine Religion haben zu dürfen. Die gegenwärtige Situation zwingt uns als Gesellschaft dazu, Werte und Kunst nicht nur neben dem Alltag in einem Paralleluniversum zur Schau zu tragen. Werte und damit auch Kunst sind unvermittelt zu Akteuren geworden. Sie können die Gewichte in den entscheidenden Fragen, vor denen die freie Welt jetzt steht, in die eine oder in die andere Richtung bewegen. Vielleicht wird die Kunst zum Zünglein an der Waage. Kunst, die nicht nur Accessoire sein will, darf sich hierbei nicht wegducken. Die Kunst muss diese Rolle annehmen.
Was liest Du derzeit?
„Jeder Aufbruch ist ein kleiner Tod“ von Ivana Sajko, aus dem Kroatischen übersetzt von Alida Bremer. Der Protagonist erzählt auf einer langen Zugfahrt nach Berlin. Dieses Denken im Takt des Ratterns des Zuges trifft mein Lebensgefühl.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Worte sind Taten“ (Wittgenstein)
Vielen Dank für das Interview lieber Markus, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Markus Witte, Autor
Zur Person_Markus Witte, geboren 1975 in Parchim (Mecklenburg-Vorpommern). Autor und Jurist. Wohnt in Nauen (Brandenburg) und Hannover. Lyrik und Kurzgeschichten, deutsch und englisch. Zuletzt zwei Gedichte in der Lyrik-Anthologie „Der Amelia Earhart Pfannkuchen“ (Moloko Print 2022). Zudem Fotografie und Fotoausstellungen. Die Grafik von Markus Witte „L VE“ als Teil der Originale-Drucks „More Money“ (42 Künstler, Herausgeberin Jo-Anne Echevarria-Myers, Auflage 100 nummerierte Originale) ist in der Sammlung der Harvard University Fine Arts Library und des Museum of Modern Art in New York (MOMA).
Der Tag ist vorgegeben für Johanna. Morgens die Arbeit im Stall für das junge Mädchen. Dann der Kirchgang. Aber da ist auch die Musik. Und diese fasziniert, trägt, bricht das Tägliche, Drückende.
„Ein Weibsbild, das sich für Musik interessiert“, sagt der Organist. Sie bleibt und sieht seinem Spiel zu. Ein besonderer Raum öffnet sich…sonntags…
Es ist 1936. Dunkelheit zieht auf…
1983. Getrud muss zum Fußball. Mit zum Fußball. Der Bruder spielt. Sollte spielen. Aber Tric o tronic ist im Moment interessanter für ihn. Der Fußballplatz gehört zur Welt. Muss sein im ländlichen Sein. Jeder hat da seine Rolle. Im Feld und rundherum. Und jede auch.
Doch dann spielt Gertrud unerwartet mit und es passiert…
„Der Ball bleibt vor mir liegen. Ich seh ihn an und lauf los…“
Da sind die Zahlen. Die Köpfe an der Bluse. Die Bierflaschen. Die Münzen. Alles hat eine Ordnung, an die sich Marianne hält und halten muss. Alles muss bereit sein. Gemacht sein. Tag für Tag.
„Manche Leute hatten Hobbys. Sie hatte Arbeit…“
Das Dorf. Das Wirtshaus. Das Leben dreier Frauen zwischen ihrer Rolle und ihren Träumen. Wegen und Ausweglosigkeiten. Über die Zeiten hinweg…
Silvia Pistotnig begeistert mit ihrem neuen Roman „Die Wirtinnen“ mit einer famosen Erzählkraft, die in Spannung, Humor und Erschütterung von der ersten Seite an packt und dem Leben von Großmutter, Tochter und Enkelin im Kosmos des ländlichen Wirtshauses über die Zeiten gebannt folgen lässt.
Es ist literarisch sensationell, wie die in Kärnten geborene Schriftstellerin einerseits den Roman konzeptionell in biographischen Zeitebenen anlegt und damit Reflexion und Kritik von Rolle und Gesellschaft genial wie einmalig umsetzt und anderseits wie Sprache in solch intensiver Unmittelbarkeit Biographie, Zeit, Gesellschaft lebendig macht. Hier setzt Pistotnig zweifellos neue Maßstäbe, indem Sprache gleichsam mit Rhythmus und Bildintensität von Musik und Film verbunden wird und so ein fesselndes Leseerlebnis kreiert. Hier wird mit Sprache im Kontext von Zeit, Ort unglaublich authentisch gearbeitet und „aufs Maul geschaut“, dass es gleichsam ein Dabeisein in Gasthaus, Kirche, Fußballplatz ist. Dies in Verbindung von Zeit- und vielfältigen gesellschaftsphilosophischen Reflexionsebenen und Impulsen so umzusetzen, ist einmalig und zeigt welch literarische Konzeptionskraft Pistotnig besitzt. Das ist beste Avantgarde!
Ebenso ist die sprachliche Intensität der Darstellung menschlichen Lebens in Enge und Einsamkeit, Tränen und Hoffnung hervorzuheben, die an die großen Traditionen des Neuen Kärntner Liedes im Sprachrhythmus von Melancholie, Witz und Sehnsucht erinnert und diese selbstbewusst wie genial fortführt.
„Silvia Pistotnig ist so nah an Sprache und Leben, dass es unter der Haut brennt! Genial und sensationell!“
„Die Wirtinnen“ Silvia Pistotnig. Roman.
Wien, Verlag Elster & Salis, 2023.
360 Seiten, Hardcover, € 24,70.
ISBN 978-3-03930-046-4.
Silvia Pistotnig, Schriftstellerin _ Wien
Zur Person: Silvia Pistotnig, 1977 in Kärnten geboren, ist Autorin und Redakteurin. Sie hat Kommunikations- und Politikwissenschaften in Wien studiert, wo sie heute mit ihrer Familie lebt.
»Die Wirtinnen« ist ihr vierter Roman. Zuvor veröffentlichte sie »Teresa hört auf« (2021) und »Tschulie« (2017, beide im Milena Verlag). 2010 erschien ihr Debüt »Nachricht von Niemand« (Skarabaeus Verlag).
Pistotnig wurde u. a. mit dem Projektstipendium des Bundes und dem Literaturförderpreis des Landes Kärnten ausgezeichnet.
Lieber Jörg Piringer, Du hast 2020 am Bachmannpreis, pandemiebedingt online, teilgenommen. Wie kam es zu Deiner Teilnahme und wie gestaltete sich Deine Vorbereitung? Welche Erwartungen hattest Du?
ich schrieb im jänner 2020 den text und schickte ihn an einige jurymitglieder:innen. danach hörte ich lange zeit nichts. dann war pandemiebeginn und irgendwann kam die meldung, dass der bachmannpreis dieses jahr nicht stattfinden würde. ich war enttäuscht. auch weil die restliche situation aufgrund der seuche nicht gerade lustig war.
ein paar tage (wochen?) später die meldung, dass der bachmannpreis doch stattfinden würde. online. bald danach kam der anruf von Nora Gomringer. ich war in meinem atelier. am vortag hatte ich nach drei tagen grübeln meine bewerbung für eine dissertationsstelle zurückgezogen. ich fühlte mich bestätigt und euphorisch, fuhr mit dem fahrrad auf den wilhelminenberg, um dort in der sonne zu liegen.
Im Verlauf der Bachmannpreisgeschichte gibt es immer wieder Veränderungen im Setting und des Ablaufes. Radikal anders war es 2020. Wie war es damals bei Dir und wie hast Du das Setting, die organisatorische und kollegiale Begleitung bzw. Kommunikation erlebt? Gab es auch direkte Begegnungen?
Lydia Haider hatte die idee, die sache gemeinsam zu begehen und daher schlug ich vor, mein atelier zu nutzen. die beschränkungen waren gerade wieder etwas gelockert und so kamen zu den lesungen und diskussion freund:innen und kolleg:innen. der kühlschrank war mit getränken gefüllt. der beamer auf die grosse weisse wand gerichtet. wir diskutierten, lästerten, lobten und feuerten uns und alle die es verdienten an.
Gab es im Vorfeld der Veranstaltung Kontakte zu den Mitlesenden und der Jury und wie war der Kontakt während der Lesungstage?
mit Lydia Haider und Laura Freundenthaler gab es realen kontakt. mit einigen der anderen lesenden haben wir nach der letzten lesung ein zoom-treffen gemacht.
Wie gestaltete sich die Auswahl für die Lesungstermine und wann hast Du gelesen?
die lesungen waren voraufgezeichnet. die auslosung der lesetermine war also mehr eine show für das publikum.
Wie hast Du Dich unmittelbar auf Deine Lesung vorbereitet? Wo hast Du gelesen? Welche organisatorischen Vorbereitungen gab es?
ich hab in meinem atelier gelesen. da nur das kamerateam vor ort war, war es ziemlich entspannt.
ich bereite mich in regel nur wenig auf eine lesung oder eine performance vor. ich schreibe die texte ja und weiss daher was drinsteht.
der text heisst kuzushi und ist eine abgeschlossene (oder vielleicht doch nicht?) erzählung über das netz und die erfahrungen meiner generation damit.
Wie gestaltete sich die Jurydiskussion zu Deinem Text. Wie hast Du diese persönlich erlebt und wie beurteilst Du diese? Hast Du Dich auch in der Diskussion zu Wort gemeldet?
ich war der letzte an diesem tag und ich hatte den eindruck, dass die jury schon etwas müde war. dementsprechend seicht kamen mir einige wortmeldungen vor. dennoch nahm ich eher einen positiven eindruck bei der jury wahr.
an mich wurde eine frage gestellt, die ich beantwortete. darüberhinaus wollte ich in diesem moment nichts sagen.
Mit welchem Feedback und persönlichen Emotionen hast Du den online Diskussionsort danach verlassen?
ich war erleichtert, dass es vorbei war. meine freund:innen und kolleg:innen gaben mir sehr schönes feedback. auf twitter schrieben die leute auch allerhand. in zeitungen erschienen artikel, die nicht ganz fürchterlich waren.
Online Lesung _ Jörg Piringer; online Jury, Moderation Christian Ankowitsch _ ORF Studio Klagenfurt
Wie hast Du die Zeit unmittelbar nach der Lesung verbracht und was war für Dich da wichtig? Gab es Gespräche danach mit Jury, Mitlesenden?
wir gingen in den kongresspark bier trinken. gespräche mit der jury waren keine möglich, da sie nicht im kongresspark war. oder keine lust auf bier hatte.
Welche Reaktionen gab es nach Deiner Lesung und wie gestalteten sich für Dich die weiteren online Lesungstage und die Preisverleihung?
für mich war danach alles vorbei und ich hörte mir die anderen lesungen mit interesse an. also die meisten.
die preisverleihung? was soll ich schon sagen? dass ich nicht gewann, war natürlich ein skandal. aber da ich die meisten preise auf dieser welt nicht gewinne (weil ich zb nicht einreiche), bin ich das schon gewöhnt.
Nora Gomringer hat mir ihren vorbereiteten laudatio-text später per video privat vorgelesen und ich fand, dass ich schon alleine wegen dieser schönen ansprache hätte gewinnen müssen.
OnlinePreisverleihung _ Bachmannpreis 2020 _ ORF Studio Klagenfurt _ So 21.6.2023Wörthersee
Welche Erinnerung hast Du in Abstand und Resümee an den Bachmannpreis? Welche Erfahrungen hast Du da gemacht?
ich habs nicht bereut. lieber wäre es mir gewesen, es wäre nicht mitten in der pandemie gewesen. aber das war nicht absicht.
Wie hat die Teilnahme am Bachmannpreis Deine weitere schriftstellerische Laufbahn beeinflusst?
sicher nicht negativ. aber ich kann das schwer trennen von der pandemiebedingten verstärkten aufmerksamkeit für elektronische kunst und literatur.
Gibt es noch Kontakt zu Mitlesenden, Jury, Journalisten*innen oder Bezugspersonen in Klagenfurt?
hauptsächlich zu jenen, die ich schon zuvor kannte und schätzte. aber auch ein paar neue bekanntschaften.
Würdest Du noch einmal am Bachmannpreis teilnehmen?
vielleicht. eventuell. sicher nicht. ja. keine ahnung.
Was wünscht Du Dir für den Bachmannpreis?
ich hätte mir erwartet, dass wir alle, die die show in den jahren 2020 und 2021 am laufen hielten, eine einladung nach klagenfurt bekommen, um dort im sommer 2022 im garten abzuhängen und baden zu gehen. für 2023 ists jetzt schon ein wenig spät, um eine einladung auszusprechen, aber wir kommen auch 2024 auf kosten des orf und trinken die bar leer. unbegrenzte getränkebons erwarten wir selbstverständlich auch.
Was möchtest Du den Teilnehmer*innen 2023 mitgeben?
ich glaube, teilnehmer:innen sollten sich keine illusionen machen, was der bachmannpreis ist. eine literaturshow. davon kann man profitieren. es kann aber auch ungut sein.
aber das wissen sie warscheinlich eh.
ich glaub, sie brauchen meine weisheiten diesbezüglich eher nicht.
Welche aktuellen Projekte gibt es derzeit für Dich?
im moment lese und performe ich mein buch günstige intelligenz. ich kann es sehr empfehlen. es ist käuflich zu erwerben.
ich arbeite auch an neuem, aber darüber möchte ich noch nichts sagen.
Jörg Piringer, Schriftsteller _ Wien _ Bachmannpreisteilnehmer 2020 _ Foto _ Station bei Bachmann Wien 6_20.
Vielen Dank für das Interview, lieber Jörg Piringer, und alles Gute!
Bachmannpreis _ Rückblick _Interview:
Jörg Piringer, Schriftsteller _ Wien _ Bachmannpreisteilnehmer 2020
Zur Person _ Jörg Piringer, Schriftsteller
born in 1974. currently living in vienna, austria. member of the institute for transacoustic research. member of the vegetable orchestra. radio artist. sound and visual poet. musician. master degree in computer science.
selected works
1997 der name des bruders – political computergame
1998 founding of das erste wiener gemüseorchester – the vegetable orchestra founding of the institut für transakustische forschung – institute for transacoustic research. myzel – selbstorganisation in vernetzten welten – internet online-game
1999 hearings – organisation and participation at the institute for transacoustic research digitale dichtung – sample poetry. digital sound poetry
2000 internet poetry – webpage: audiovisualinteractive poetry
2001 hyPoem – a dynamic interactive environment for typographic hyperpoetry wieder.sprechen.lernen. – a radiopoem for orf-kunstradio electronic music and interactivity – master thesis
2002 soundpoem one – interactive soundpoem maybe manifesto – text/video/sound-performance
2003 transacoustic research – founding of the record label and project at the forum stadtpark, graz, austria
2004 vokál – solo cd spambot – text/video/sound-performance transakustik a bis z – performance series
2005 arts birthday 2005 – radio show with the institute for transacoustic research & alien productions futuristic linguistics – electronic soundpoetry performance
2006 soundpoems 4 & 5 – interactive soundpoems nam shub web – online textprocessing installation
2008 artist in residence at stadtmühle willisau (CH) nam shub web installation – realtime printer installation three ideophones – exhibition, performance and 10“ record for onomatopee (NL)
2009 rumor has it – literary net-art installation abcdefghijklmnopqrstuvwxyz – text/sound-videoperformance
2010 abcdefghijklmnopqrstuvwxyz for iPhone – sound poetry application for iPhone
2011 unicode – minimal typographic video RepeatAfterMe – commission for the Open Space blog of SFMOMA. c.zero – text/sound-videoperformance
2012 konsonant – sound poetry application and mp3 album
2013 impulsantwort – radio piece for „literatur als radiokunst“ (orf) coded poetry – algorithmic poetry performance
2015 tiny poems – generative poetry for iPhone & smart watch letter singles – minimalistic sound poetry album
2016 nanotext – generative device poetry for tiny displays tractatus infinitus VR – virtual reality poetry unicode forever – generative video installation in public space ich/meines/mir/mir – dataperformance and radio play
2018 datenpoesie – performance and book
2019 darkvoice – performance and album partikel – interactive text/sound-installation
2020 QuarantineArtTV – online performances for the global house arrest age
grants, artist residencies, prizes
pépinières européennes pour jeunes artistes residency at grizedale, uk AiR_Port residency at forum stadtpark, graz, austria mira lobe grant together with elffriede prix de l’atelier de création sonore radiophonique 2003 honorary mention digital musics and sound art prix ars electronica 2010 prize of honor FILE PRIXLUX 2010 (são paulo) content award vienna 2010 media art grant by the austrian ministry for arts and education 2012 ZKM AppArtAward 2012 (karlsruhe) residency at moks 2013 (estonia) hautnah award 2014 by the austrian broadcasting corporation (vienna) outstanding artist award 2015 fr media art by the austrian federal chancellery lime_lab prize 2016 (graz)
Exhibition, Festivals and Performances (selection)
la voix libérée @ palais de tokyo 2019 – paris, fr wien modern 2018 – wien, at mutations / creations @ centre pompidou 2018 – paris, fr art.poetry.space 2018 @ ursula blickle lab – karlsruhe, de 101 mediapoetry festival 2018 – st. petersburg, ru oslo internasjonale poesifestival 2017 – olso, no la palabra en las periferias de la tecnología 2017 – madrid, es Text-World-World-Text 2016 – graz, at typemotion (national taiwan museum of fine arts) 2015 – taiwan, tw donaueschinger musiktage 2014 – donaueschingen, de bratislava sound poetry festival Ô 2014 – bratislava, sk kapittel festival 2013 – stavanger, no tokyo sound poetry festival 2012 – tokyo, jp literatur und strom 2012 – stuttgart, de poetry festival 2011 – berlin, de e-poetry 2011 – buffalo, usa reVox 2010 – madrid, es medienturm graz 2010 – graz, at poetry 2010 – santander, es la bás biennale 2010 – helsinki, fi kunstraum n.ö. 2010 – vienna, at club transmediale 2009 – berlin, de artMart 2008 – vienna, at onomatope 2008 – eindhoven, nl you own me now until you forget about me 2008 – ljubljana, slovenia live at palais de tokyo in 2007 – paris, fr poems between pixels and programming 2007 – rio de janeiro, br e-poetry 2007 – paris, fr biennale des poètes 2007 – paris, fr zebra 2006 – berlin, de aluCine 2006 – medellin, colombia piksel06 – bergen, no videobardo06 – buenos aires, ar file 2006 – sao paulo, br e-poetry 2005 – london, uk audiatur 2005 – bergen, no moving patterns 2005 – new york, usa transakustik a bis z 2004 – vienna, at incubation 04 – nottingham, uk erratum – paris, fr off the record “sound ARC” – paris, fr p0es1s. digitale poesie 2004 – berlin, de experimentalclub 03 – madrid, es abstraction now – vienna, at e-poetry 2003 – morgantown, usa mikrokino 2003 – belgrade, serbia stuttgarter filmwinter 2003 – stuttgart, de artmedia 2002 – buenos aires, ar proposta 2002 – barcelona, es viper 2002 – basel, ch 5th int. meeting of experimental, sound & visual poetry – buenos aires, ar impakt 2002 – utrecht, nl krikri 2002 – ghent, be FILE 2002 – sao paulo, br ELO state of the arts – los angeles, usa diagonale 2002 – graz, at
Beim Milchkaffee schaue ich, was es in der Welt Neues gibt, am Vormittag schreibe ich per Hand, am Nachmittag erledige ich Dinge digital. Der Abend ist der Kultur und dem sozialen Leben vorbehalten.
Nora Lachmann, Schriftstellerin
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Freundschaften, Familie, Freundlichkeit sich selbst und anderen gegenüber.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Ich glaube, es ist ganz grundsätzlich wichtig, das Denken in Gegensätzen und Ideologien zu überwinden, damit gemeinsam nach Lösungen gesucht werden kann.
Kunst ist immer ein Spiegel; Literatur kann Zugänge eröffnen zum Anderen, Fremden, weitet den Blick, regt zur Auseinandersetzung an mit dem Eigenen und dem Fremden, zeigt die Welt, zeigt uns in all unseren Widersprüchen. So wird sie wahrhaftig, lädt Verstand und Gefühl zu mehr Offenheit ein, die wir brauchen, um Veränderungen zu leben.
Was liest Du derzeit?
Rachel Cusk: Coventry; aus dem Englischen von Eva Bonné
Javier Marias: Tomás Nevinson; aus dem Spanischen von Susanne Lange
Ulrike Hermann: Das Ende des Kapitalismus
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Unbekleidet kann die Wahrheit verletzlich, unansehnlich und schockierend sein; übertrieben aufgemacht wird sie zur Lüge.” (Rachel Cusk: Coventry)
Vielen Dank für das Interview liebe Nora, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Nora Lachmann, Schriftstellerin
Zur Person_Nora Lachman, geboren in Berlin. Ummauert aufgewachsen — erst Bücher und dann die Ferne entdeckt. Immer zurückgekehrt. 2014 erschien der Roman „Die Quintessenz von Staub”. Seit 2019 im Vorstand des Netzwerks Freie Literaturszene Berlin. Passionierte Fahrtenseglerin und Reisende mit dem Blog Positionsmeldung: http://www.noralachmann.de
Foto_Claudia Haarmann
22.3.2023_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.
Chefredakteurin Ana Marwan, Bachmannpreisträgerin 2022, begeistert mit einem wunderbaren relunch der führenden österreichischen Literaturzeitschrift und verbindet darin Literatur, Kunst, Leben, Gesellschaft, Geschichte auf spannende und vielfach impulsgebende Weise. Es ist ein Lese- wie Reflexionsgenuss!
In der aktuellen Ausgabe bildet die Mitte ein „literarischer Reiseführer Österreich“, der Text und Persönlichkeiten vorstellt und einen sehr gelungenen Ein- wie Ausblick in aktuelle Textlandschaften des Gastlandes bei der Leipziger Buchmesse gibt. Weiteres sind interessante Essays – Kulturbrief, Erinnerung, Literatur und Kritik – wie Rezensionen, Trends literarische Reiseführer wie gegenwärtige Bestandsaufnahme.
Eine große Leseempfehlung und mit Spannung ist auch die weitere Entwicklung dieser literarischen Institution neugierig zu erwarten! (Vielleicht auch in Verbindung zu Bildender Kunst?)
„Ana Marwan kam, sah und begeistert mit einem selbstbewussten relaunch wie großartigen Autoren:innenteam!“
Ana Marwan _ Schriftstellerin, Bachmannpreisträgerin 2022 _ Chefredakteurin und Herausgeberin „Literatur und Kritik“ Foto _ Klagenfurt 6/22/Walter Pobaschnig
Walter Pobaschnig 4_23
Zur Zeitschrift
Die österreichische Literaturzeitschrift „Literatur und Kritik“ wurde 1966 federführend von Gerhard Fritsch gegründet. Seit 1991 hat die Redaktion ihren Sitz in Salzburg und wurde 32 Jahre vom Verleger Arno Kleibel und dem Schriftsteller Karl-Markus Gauß, der zum Jahresende 2022 sein Amt als Herausgeber und Chefredakteur zurücklegte, herausgegeben. „In seiner über 30-jährigen Redaktionstätigkeit hat dieser der Zeitschrift Renommee, unverwechselbares Profil und hohes Niveau gebracht. Dieses hohe Niveau konnte er über drei Jahrzehnte halten“, äußert sich Arno Kleibel zur Entscheidung von Karl-Markus Gauß.
Ab dem Jahrgang 2023 gibt Arno Kleibel die Zeitschrift mit der Autorin Ana Marwan, die zuletzt mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet wurde, heraus. Sie verantwortet „Literatur und Kritik“ als alleinige Chefredakteurin. Die erste Ausgabe 2023 mit der Doppelnummer 571/572 hat den Schwerpunkt „Neuanfänge“ und enthält sieben Rubriken: „Kulturbrief“, „Literatur und Kritik“, „Korrespondenzen“, „Wissenschaft erzählt“, „Fundstück“, „Kritik und Literatur“ und „Kritik der Kritik“.
Ein „Kulturbrief“ eines*einer nicht deutschsprachigen Autors*Autorin ist in jeder Ausgabe enthalten. Der Rubrik „Literatur und Kritik“, die weiterhin bewährten, aber auch neuen Stimmen eine Plattform bietet, wird inhaltlich ein übergeordnetes Schwerpunktthema vorangestellt. Neu sind die Rubriken „Korrespondenzen“, „Wissenschaft erzählt“, „Fundstück“ und „Kritik der Kritik“. Sie öffnen den Raum für unterschiedliche Themenbereiche aus der Wissenschaft, literarisch bearbeitet, Neu- oder Wiederentdeckungen von Schriftstücken aller Art oder kritische Auseinandersetzung mit Positionen der Literaturkritik. Einige Rubriken variieren, sind aber in Abständen wiederkehrend. Weitere, in den kommenden Ausgaben enthaltene Rubriken, sind „Umfrage“, „Komisch, dass …“ und „Erweiterung der Sprache“. Besprechungen von Büchern ausschließlich österreichischer Autor*innen oder Herausgeber*innen bleiben Bestandteil jeder Ausgabe.
Ein Anliegen der Zeitschrift ist, „die Vielseitigkeit zeitgenössischer österreichischer Literatur und ihre immer weiter miteinander verwachsenden Gattungen aufzuzeigen und abzubilden“, sind sich Arno Kleibel, Verleger des Otto Müller Verlages, in dem die Zeitschrift seit 1991 erscheint, und Chefredakteurin Ana Marwan einig.
„Literatur und Kritik“ erscheint in fünf Doppelnummern pro Jahr. Die erste Ausgabe des Jahrgangs 2023 ist ab 14. März in ausgewählten Buchhandlungen erhältlich. Die zweite Ausgabe (573/574) erscheint in erhöhter Auflage mit dem Schwerpunkt „Österreich“ zur Leipziger Buchmesse Mitte April 2023.
Die Zeitschrift wird in annähernd dreißig Staaten gelesen.
Preise
Der Preis eines Doppelheftes beträgt € 10,-, im Jahresabonnement € 40,-, für Student:innen und Schüler:innen gegen Vorlage einer Bestätigung € 30,- zuzüglich Versandkosten.
Das Abonnement verlängert sich automatisch, wenn die Kündigung nicht bis zum 31.12. des laufenden Jahres erfolgt!
Zur Person_Sonja Crone *1982 in Speyer am Rhein lebt in Oberwil bei Basel.
Sie studierte Theaterwissenschaft, Germanistik und Allgemeine Literaturwissenschaft mit dem Schwerpunkt Gräzistik an den Universitäten in Basel, Bern und Leipzig.
Sie ist Lyrikerin, bildende Künstlerin und Lektorin (im Rahmen dieser Tätigkeit gibt sie auch Lyrikcoachings). Ihre Texte wurden bisher in zahlreichen Anthologien, z.B. in Versnetze_14 und 15 auf Onlineplattformen (wie ehemals http://www.fixpoetry.com) und in Literaturzeitschriften, u. a. in Der Dreischneuß, Der Maulkorb, Kalmenzone, Stadtgelichter und erostepost publiziert.
Im Mai und Juni 2021 waren ihre Gedichte auf dem Basler Poesietelefon zu hören.
2021 gewann sie den 2. Preis beim Lyrikwettbewerb der Künstler-Gilde Esslingen.
Gott gibt es nicht, hast du gesagt, damals, mit dreizehn,
Im Krieg: angefangen Zigaretten zu rauchen. Bleibt heute dein Name im
Viereck, gestorben ausgerechnet an einem dritten Oktober. 1997,
Es schneit; ein Kreuz wolltest du nie.
Pelzmäntel und Steppjacken, ich fröstele,
Espenlaub, seit heute Morgen schon, Tamagotchi und
Aufgebrochene Haselnüsse für die Eichhörnchen, meine Füße sind nass.
Chrysanthemen, Cerinthen im Strauß, Akeleien,
Eltern und Großmutter und Tante und Onkel.
Auf dem Findling: der Ort deiner Geburt.
Ceaușescu, sage ich,
Hat gesagt, jede Frau soll sieben Kinder gebären.
Also Ceaușescu; sie lachen, wenn ich seinen Namen falsch ausspreche,
Noch immer ein bisschen schief. Wir machten
Campingurlaub in Calais; und du, der Schneider, arbeitetest bei Wöhrl.
Er starb an Weihnachten, du hast es im Fernsehen gesehen.
Ursula Kirchenmayer, 4.4.2023
Ursula Kirchenmayer, Autorin
Give Peace A Chance_Akrostichon for peace:
Ursula Kirchenmayer, Autorin
Zur Person_Ursula Kirchenmayer, geboren 1984 in Lugoj, Rumänien, lebt mit ihrer Familie in der Nähe von München. Sie studierte Literarisches Schreiben in Leipzig und gewann zahlreiche Literaturwettbewerbe. Ihre Texte erschienen in Zeitschriften und Anthologien sowie im Rundfunk, u.a. in BELLA triste, poet, STILL und auf SWR2. ›Der Boden unter unseren Füßen‹ ist ihr erster Roman
Ursula Kirchenmayer, Der Boden unter unseren Füßen. Roman. dtv.
Eine junge Familie, eine Nachbarin und das Recht auf ein Zuhause Kurz vor der Geburt ihres Sohnes finden Laura und Nils die lang ersehnte Altbauwohnung, das Glück scheint perfekt. Wäre da nicht die psychisch kranke Nachbarin aus dem Erdgeschoss. Ungefragt legt sie ihre Hand auf Lauras Bauch – und alles verändert sich. Als sie eines Tages sogar die Wohnungstür eintritt, beginnt ein Kampf, auch um Gespenster der Vergangenheit und die eigenen Ideale. Wer hat die größere Daseinsberechtigung, wer mehr Anspruch auf Wohnraum in einem System, das nicht allen gerecht werden kann?
In ihrem Debütroman wirft Ursula Kirchenmayer drängende Fragen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens auf und porträtiert ebenso einfühlsam wie schonungslos die Verletzlichkeit junger Eltern in der Großstadt. »Niemals zu klar und mit einem fesselnden Feingefühl für die Ängste und Ansprüche der jungen Mittelschicht legt Ursula Kirchenmayer mit diesem Roman den Finger in gleich mehrere Wunden.« Alina Herbing
Ursula Kirchenmayer, Der Boden unter den Füßen, dtv Verlag _ Originalausgabe 400 Seiten _ 2023
ISBN: 978-3-423-28313-7 EUR 23,00 [DE] – EUR 23,70 [AT] ET 12. Januar 2023 , 1. Auflage Format: 12,5 x 19,6 cm Sprache: Deutsch
Der Roman „Malina“ (Ingeborg Bachmann, 1971) ist in drei Kapitel aufgebaut _ „Glücklich mit Ivan“ _ „Der dritte Mann“ – „Von letzten Dingen“ _ in denen das Leben einer Frau in Glück, Leiden und Verschwinden dargestellt wird. Im Fotoshooting wird der Roman im szenischen Dialog ins Bild (Fotonovel) gesetzt.
Liebe Susanna Klein, wir sind hier zum thematischen Fotoshooting „Malina“ (1971), Roman von Ingeborg Bachmann, in Schönbrunn. Sind Dir die Orte hier vertraut?
Ja und nein, vertraut ist übertrieben. Als ich noch im 6.Bezirk gewohnt habe, war ich öfters hier zum Spazieren.
Du bist wie Ingeborg Bachmann als Künstlerin nach Wien gezogen. Was bedeutet Dir Wien und welche Erfahrungen hast Du hier als Künstlerin gemacht?
Ich bin zum Studieren nach Wien gezogen und mit einer kleinen Unterbrechung geblieben. Ich fühle mich sehr wohl in Wien, es gibt alles, was ich zum Leben brauche. Natur, Kultur, und Kaffeehäuser.
Gibt es in Deinen Kunstprojekten auch Bezüge zur Literatur?
Bis jetzt nicht, aber wer weiß was noch kommt.
Welche Bezüge und Zugänge gibt es von Dir zu Ingeborg Bachmann und dem Roman Malina?
Ich bin wie die Romanfigur eine Frau und an Männern interessiert, aber ich bevorzuge monogam zu leben. Ich fand es sehr interessant den Roman zu lesen. Gleichzeitig auch verstörend und sehr bewegend.
Wie aktuell ist der Roman heute?
Ich denke sehr aktuell. Wir haben heutzutage die Wahl frei zu wählen, wie wir leben, es stellt sich allerdings die Frage wie man das aushält.
Wie war Dein Weg zur Kunst und welche Schwerpunkte hast Du in Deinen Kunstprojekten, was sind Deine derzeitigen Projektpläne?
Ich bin über Mode, Kommunikationsdesign & Illustration in der Malerei gelandet. Ich male Bilder und verwende hierfür unterschiedliche Techniken und Materialien, gerne auch Fundstücke. Die Werke sind abstrakt haben aber dennoch einen Bezug zur Natur und man kann in ihnen Landschaften, Muster oder Zeichnungen und Zeichen erahnen.
Was ist Dir in Deiner Kunst wichtig?
Die Bilder sind geprägt von dem Ort und der Zeit, in der sie entstehen. Ich überlasse dem Betrachter die Interpretation. Sie bleiben weitgehend abstrakt. Wünschenswert wäre, wenn sie eine Art Gefühl oder Stimmung übermitteln.
Was bedeutet Dir Natur und was schätzt Du am Frühling?
Natur ist alles für mich! Die ersten Knospen der Pflanzen, wenn alles wieder grün wird und herrlich duftet, ist etwas Wunderbares.
Darf ich Dich abschließend zu einem Malina Akrostichon bitten?
Liebe Sophia, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Der erste Blick nach dem Aufwachen geht durch mein Schlafzimmerfenster zum Innenhof. Ich habe keine Vorhänge und sehe sofort, wie das Licht ist, ob Wind weht oder der Buntspecht da ist. Dann braucht es schnell Kaffee und Zucker. Manchmal gibt es zum Frühstück Musik, vor einem Schreibtag aber nie Medienkonsum, kein Lesen, WhatsApp oder Telefonieren. So bleibe ich länger in einer Art bewusstem Schlummerzustand, den ich zum Schreiben brauche. Der verfliegt so um die Mittagszeit. Dann widme ich mich dem Antworten von Mails, Vorbereitungen für meine Lehrveranstaltungen an der Uni und Alltagsorganisationen. Am frühen Abend gehe ich im Idealfall Radfahren oder spazieren, ins Kino und treffe mich mit FreundInnen. Ich brauche jeden Tag einen Ausgleich zum radikalen Schweigen des Schreibens.
Sophia Lunra Schnack, Schriftstellerin
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Ich denke, die Stichwörter sind Reduktion und Gemeinschaftssinn. Wir bekommen ständig vermittelt, möglichst viel in möglichst wenig Zeit unterbringen zu müssen. Die Angst, etwas zu versäumen, wird über diverse Medien geschürt. Glücklichsein wird zum Wettbewerb. Auch die intimsten Lebensbereiche sind durchdrungen von einem Aneinanderreihen, einem Perfektionswahn und der Unfähigkeit, sich ohne Torschlusspanik für etwas oder jemanden zu entscheiden. Das spitzt sich gerade besonders zu, sicher auch aus Angst vor sehr verunsichernden Zukunftsperspektiven. Es dreht sich alles um die eigene Person, die eigenen Bedürfnisse. Diese Art von hochgehaltener Selbstverwirklichung ähnelt aber einem Monolog, der in einem weiteren Sinn auch Demokratieunfähigkeit bedeutet. Wenn sich eine Einzelperson über das Gemeinschaftliche hebt, wird es in jedem Bereich gefährlich.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Dialog in all seinen Facetten ist jetzt besonders wichtig. Dialog im engsten, privaten Umfeld und Dialog in einem politischen und wirtschaftlichen Sinn. Kompromissfähigkeit und sich vom Gedanken lösen, immer alles zur Verfügung haben zu müssen. Auch Literatur soll Dialog bedeuten. Eine Fähigkeit von Literatur ist es, auf die feinsten Zusammenhänge zwischen scheinbar individuellen Dynamiken und Weltgeschehen zu verweisen. Ich interessiere mich nicht für Texte, die mir das Gefühl geben, nur für sich selbst und die schreibende Person zu stehen. Das Persönliche ist dann interessant, wenn es mir Zugang zu Universellem bringt. Sonst sind wir wieder beim selbstbezogenen Monolog, der zu einem Desinteresse an anderen und anderem, das heißt letztendlich auch zu Plattheit, und zu einer gefährlichen Art von Isolierung führt.
Was liest Du derzeit?
Momentan liegt Mayröckers Die Abschiede neben mir. Das kann ich nur ganz langsam lesen, um mich in dieses „Geriesel von Sprache“ einzuschaukeln. Mayröcker lesen bedeutet für mich, in einen hoch sensitiven Tagtraum, einen Rauschzustand aus Worten einzugleiten, die meine unmittelbare Wahrnehmung schärfen.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Da bleibe ich gleich bei Mayröckers Die Abschiede:
„So lassen Sie mich Ihre Erscheinung wiedersehen: Sie halten Ihren großen Fächer dicht an den Boden, das wasserfarbene Pfauenauge über den ganzen Körper verteilt, das Wechselköpfige unserer Gefühle, rufe ich, da kommt man hinaus in die neue Welt! “
Und dann wären da noch zwei Worte: „Mondperle“ und „Lindenblut“!
Sophia Lunra Schnack, Schriftstellerin
Vielen Dank für das Interview liebe Sophia, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Sophia Lunra Schnack, Schriftstellerin
Zur Person_Sophia Lunra Schnack (*1990) lebt und schreibt überwiegend in Wien. Sie verfasst Lyrik und (lyrische) Prosa, die bisher u.a. in den Manuskripten, in der Poesiegalerie, in Das Gedicht oder in den Signaturen publiziert wurden.
Ihre Texte rücken Materialität, Musikalität und Sensualität der Sprache ins Zentrum.
Die Autorin schreibt sowohl auf Deutsch als auch auf Französisch. Immer wieder sucht sie eine klanglich-atmosphärische Annäherung zwischen den beiden Sprachen.
2022 erhält sie den rotahorn-Förderpreis.
Im August 2023 erscheint im Otto Müller Verlag ihr Debütroman „feuchtes holz“.
Ab März 2023 leitet sie einen Lyrikblog für „Das Gedicht“ (Hg. Anton Leitner).
Derzeit arbeitet Schnack an ihren zweisprachigen Gedichtbänden „getrocknete mohnblumen – coquelicots séchés“ sowie „wimpern piniengrün – cils verts de pins“.
Jeden zweiten Freitag veröffentlicht sie außerdem ein Gedicht in ihrem Blog „Lyrik am Freitag“ auf Facebook und Instagram.