Liebe Simone, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Möglichst geregelt. Das verlangt Selbstdisziplin. Ich schreibe an einem Buch und stehe unter Druck, es zu veröffentlichen. Ansonsten habe ich viel Arbeit mit dem alten Haus in dem ich lebe.
Simone Schulz, Künstlerin _ Das Foto ist von Tobias Meinhold aus Biberach, anlässlich eines Atelierbesuches im Mai 2020 für die Biberacher „Show die es nie geben dürfte“.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Bescheidenheit einzuüben. Weg von einer überzogenen Anspruchshaltung. Alte Sachen wieder lernen, gesund kochen, sich selber ohne Motorisierung fortzubewegen, den Kindern auch mal Verzicht auf Materielles beibringen. Klar wäre wichtig, einander nicht allein zu lassen. Aber das passiert. Also muss man fertigwerden damit. Auch da mit den Ansprüchen runter und sich in den anderen hineinfühlen. Mitgefühl ist wichtig.
Doch es ist nicht gut, die Selbstwahrnehmung aufzugeben und nur noch für andere da sein.
In der Gesellschaft, in der ich mich wohlfühle, kommt jeder zu Wort. Persönlichkeit wird gebildet, Berufung erkannt und gelebt.
Egoismus ist oft verbunden mit mangelndem Gefühl für Identität.
Egoismus beutet die Erde aus und nimmt. Identität ist verbunden mit der Freude über die Persönlichkeit des Nächsten und tritt ohne Angst ums Ich in Kontakt.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Kunst an sich zu?
Mein Eindruck ist der, dass Kunst zunehmend eine Spielwiese der oberen Zehntausend und einem kleinen Kreis Eingeweihter geworden ist. Künstler müssen sich selbst finanzieren, um überhaupt durchzukommen. Das gelingt nur bei sehr gutem Sponsoring und schließt sehr viele aus, die durchaus etwas zu bieten hätten.
Als Mediathek- Konsumentin bekomme ich einen recht überschaubaren Kreis an Schauspielern geboten, die in wechselnden Filmen und Rollen immer wieder auftauchen.
Wo sind die anderen?
Bildende Künstler, die in Museen ausstellen, bedienen Erwartungen eines kleinen Kreises, der sich zunehmend abschottet.
Wenn Künstler mit ihrer Arbeit viele Leute erreichen wollen: Formate wie Musicals und Popkonzerte, Computerspiele, Netflix und TV-Serien mit denen sehr viele Menschen erreicht werden, könnten künstlerisch aufgewertet werden. Das wäre eine Chance für Kunst, in aller Gesellschaft zu bleiben.
Ganz kurz: Raus aus der Blase.
Was liest Du derzeit?
Rechercheliteratur für mein Schreiben im Format Roman mit historischem Hintergrund.
Anna Katharina Hahn: Am schwarzen Berg und Aus und davon
Lukas Rietschel: Raumfahrer
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Raus aus der Blase.
Werdet bescheiden, werdet wieder SchülerInnen, sucht euch immer wieder Lernstoff.
Lernt zuzuhören. Aber nicht nur den „Päpsten“.
Vielen Dank für das Interview liebe Simone, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Es ist eine Zeit des Umbruchs an der Wende zur Neuzeit, die sich in vielen Lebens- Gesellschaftsbereichen ihre Bahn bricht und grundlegende Veränderungen in Verfasstheit und Organisation mit sich bringt. Wesentliches Momentum und Movens ist dabei der Buchdruck und damit die veränderte Form der Kommunikation, die ganz neue Horizonte eröffnet und die der Reformator Martin Luther (1483 – 1546) wie weitere reformatorische Richtungen zu nützen wissen.
Das gedruckte und schnell sich verbreitende Wort in Kritik, Sinn, Hoffnung und Mut ist auch eine gesellschaftliche Wendung, Öffnung zur Bildung hin. Die Gesellschaft soll dadurch eine Mündigkeit, eine Freiheit bekommen, die vom Gespräch in Unmittelbarkeit wie im Buch, Blatt geprägt ist.
Und es sind „Die Druckmacher“ in Technik und know how, die nun Diskussion, Lehre, Rhetorik neue Impulse und damit der Welt einen Anstoß geben, der sie für immer verändern wird…
Thomas Kaufmann, Professor für Kirchengeschichte an der Universität Göttingen, legt mit „Die Druckmacher“ einen kulturgeschichtlichen Überblick über die Entwicklung des Buchdruckes und dessen vielfältigen Einfluss und Rezeption in der Reformation vor, wie gibt einen Ein- wie Ausblick auf folgende und gegenwärtige Entwicklungen der Bedeutung des Buches, des Wortes von der Reformation bis in das moderne Medienzeitalter im Zusammenhang von Sinn, Glaube und Kommunikation.
Das Buch begeistert in seinem umfassenden wie spannenden kulturgeschichtlichen Ansatz und der exzellenten Information wie auch der Erzählform, die gleichsam ein Erlebnis Zeitreise von Buch zu Buch ermöglicht.
„Kulturgeschichte als Erlebnis von Buch zu Buch. Ein genialer Kunstgriff!“
Julia Hagenhofer _Schauspielerin _ Wien _ reenacting _ Romy Schneider in „Sissi“ _ Schloss Schönbrunn _ Wien
Liebe Julia, welche Bezüge, Zugänge gibt es von Dir zu Romy Schneider?
Bezüge zu Romy Schneider habe ich insbesondere über die „Sissi“-Filme. Seit ich denken und mich erinnern kann, sehe ich mir die Filme Jahr für Jahr in der Weihnachtszeit an.
Wann hast Du die „Sissy“ Filme von Romy Schneider erstmals gesehen und wie hast Du diese erlebt?
Ich habe die „Sissi“ Filme bereits als kleines Kind gesehen. Früher war es in meiner Familie üblich, dass wir uns an den Wochenenden ab und zu „alte Wiener Filme“ angesehen haben. Zum Teil noch schwarz-weiß Filme. Obwohl ich da noch ein Kind war mochte ich diese Filme sehr gerne.
Da meine Mama selbst die „Sissi“ Filme gerne ansieht, kam es dazu, dass ich sie in einem jungen Alter bereits sehr oft gesehen habe. Ich war begeistert von den Filmen – von den Kleidern, den Kostümen, von den Schlössern, den Kutschen, den SchauspielerInnen, den Pferden, und und und.
Welche Zugänge gibt es von Dir zu Kaiserin Elisabeth?
Insbesondere durch die Romy Schneider „Sissi“ Trilogie war ich immer schon fasziniert von Kaiserin Elisabeth. Ich habe mich schon früh für die Geschichte von Kaiserin Elisabeth interessiert, habe regelmäßig mit meiner Familie die Museen, das Schloss Schönbrunn und die Hofburg besucht, habe mir das Musical Elisabeth im Theater an der Wien angesehen und mein Traumberuf im Kindergarten, laut Freundebuch, war es „Königin oder Kaiserin“ zu werden.
Gibt es einen weiteren Film von Romy Schneider, den Du hervorheben möchtest und warum?
Mädchenjahre einer Königin.
Ich muss gestehen, dass die „Sissi“-Trilogie und „Mädchenjahre einer Königin“ die einzigen Romy Schneider Filme sind, die ich gesehen habe. Alle vier Filme sind sehr gelungen.
Gab es Berührungspunkte zu Werk und Leben Romy Schneiders in Deinen bisherigen Schauspielprojekten?
Nein, leider noch nicht. Deshalb freue ich mich umso mehr über das Fotoprojekt.
Wie siehst Du das Spannungsverhältnis von Öffentlichkeit und Schauspielberuf bei Romy Schneider wie im Schauspielberuf an sich?
Ich denke, dass die Öffentlichkeit in einem Schauspielberuf immer eine Rolle spielt, insbesondere, wenn man erfolgreich in dem Beruf ist. Romy Schneider war sehr jung als sie mit der Schauspielerei begonnen hat und hatte schnell einen hohen Bekanntheitsgrad.
Die Schauspielerei an sich lebt zu einem großen Teil von der Öffentlichkeit, der Reichweite und dem Publikum. Dementsprechend bringt großer Erfolg auch, neben vielen positiven Seiten, Schattenseiten mit sich. Ich denke, dass man als erfolgreiche SchauspielerIn damit umgehen lernen muss und sich darüber auch im Klaren sein muss. In der Hinsicht denke ich, dass es vor allem in einem Alter, in dem Romy Schneider zu ihrem Erfolg gekommen ist, schwierig sein kann, mit Paparazzi und auch unangenehmen Fans umzugehen.
Ich denke aber, wenn man den Schauspielberuf von ganzem Herzen liebt und die Reichweite als etwas positives sieht, dann kann man über die kleinen „negativen“ Aspekte hinwegsehen und sich an all den positiven und schönen Aspekten erfreuen.
Romy Schneider wechselte nach großen Schauspielerfolgen mit der „Sissy“ Triologie in den 1950er das Filmgenre wie das Land. Wie siehst Du die Möglichkeiten und Risiken persönlichen Entwicklungsweges im Schauspielberuf?
Ich denke, dass neue Lebensabschnitte und Veränderungen immer eine Bereicherung sein können. Insbesondere ein Wechsel der Genre, finde ich im künstlerischen Bereich immer spannend.
Ich denke, auch mit einem Umzug in ein anderes Land, dem erleben der neuen Kultur und der neuen Sprache kann man als KünstlerIn neue Seiten entdecken und über sich hinaus wachsen.
Gibt es etwas typisch Wienerisches bei Romy Schneider?
Die „Sissi“ Filme.
Ich finde vieles daran „typisch Wienerisch“. – die Sprache, die Orte und die Geschichte natürlich.
Was bedeutet Dir Wien und welche Erfahrungen hast Du hier im Schauspielberuf gemacht?
Als gebürtige Wienerin bedeutet mir Wien sehr viel. Ich bin in Wien geborgen und habe die ersten Jahre meines Lebens hier gelebt, bin dann für ungefähr 20 Jahre nach Niederösterreich gezogen und jetzt vor einem Jahr wieder nach Wien zurückgezogen.
Den Großteil meiner bisherigen schauspielerischen Erfahrungen habe ich in Wien gemacht und bisher waren all diese Erfahrungen positiv. Ich finde es immer wieder schön in Wien bei Filmen oder in Theaterstücken mitzuwirken.
Wie siehst Du die Möglichkeiten als junge Schauspielerin in Wien/Österreich?
Ich finde in Wien und generell in Österreich gibt es tolle Möglichkeiten für die Schauspielerei. Insbesondere Wien ist für mich ein Ort, welchen ich stark mit der Kunst und der Schauspielerei in Verbindung bringe. Ich kenne kaum andere Städte auf der Welt, die in Besitz von so vielen wunderschönen Theatern und Bühnen sind. Ich finde, es ist ein Privileg als SchauspielerIn auf einer dieser schönen, großen Bühnen stehen zu dürfen. Das würde ich mir auch sehr für mich, für meine Zukunft, wünschen.
Was wünscht Du Dir für den Schauspielberuf?
Ich wünsche mir für den Schauspielberuf und für die Kunst allgemein mehr Absicherung seitens der Regierungen, damit Theater und auch KünstlerInnen auch in Krisenzeiten keine Sorgen haben.
Was sind Deine kommenden Projekte?
Bezüglich kommender Projekte wurde noch nichts offiziell bekannt gegeben.
Im Moment bereite ich mich ansonsten intensiv auf die paritätische Musicalprüfung vor, die hoffentlich dieses Frühjahr stattfindet.
Was möchtest Du Schauspielstudenten*innen mitgeben?
Nachdem ich selbst noch in Ausbildung bin, habe ich nicht viel Erfahrung, die ich teilen kann. Was ich allerdings für mich in den letzten Monaten und Jahren festgestellt habe ist, dass für mich das „Sich-Wohlfühlen“ sehr wichtig ist. Insbesondere in meinen Anfängen habe ich versucht so viel wie möglich zeitgleich von unterschiedlichen LehrerInnen und Tanzstudios lernen zu können. Dabei war es für mich nicht wichtig ob ich mich wirklich wohl fühle. Mittlerweile suche ich mir gezielt und bewusst meine Unterrichtseinheiten und LehrerInnen aus und merke, dass ich mir seitdem um einiges mehr mitnehmen kann.
Eine zweite Sache, die ich auch noch mitgeben möchte, ist, dass es in meinen Augen nie zu spät ist seinen Traum zu verwirklichen. Ich habe sehr spät mit der Schauspielerei angefangen und dachte auch eine Zeit lang, dass es zwecklos ist so spät damit zu beginnen. Aber nachdem für mich das Künstlerleben etwas ist was ich mir schon eine sehr lange Zeit gewünscht habe, habe ich beschlossen es zu versuchen. Und heute, ein paar Jahre später, und dank meiner ganzen LehrerInnen, weiß ich, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe.
Was würdest Du Romy Schneider und was Kaiserin Elisabeth sagen, fragen wollen?
Von Romy Schneider würde ich gerne wissen, wann sie gewusst hat, dass sie Schauspielerin sein möchte.
Von Kaiserin Elisabeth würde ich gerne wissen, wie sie sich ihr perfektes Leben erträumt hätte.
Was kann eine junge Schauspielerin wie Du von Romy Schneiders Werk und Leben mitnehmen?
Bei Romy Schneider finde ich es bewundernswert, dass sie schon in jungen Jahren eine unfassbare Echtheit und Natürlichkeit in der Schauspielerei hatte.
Von ihrem Leben selbst kann ich mir mitnehmen, dass Glücklich-Sein sehr wichtig ist. Egal in welcher Sparte des Lebens oder in welchem Berufsfeld.
Darf ich Dich abschließend zu einem Romy Schneider Achrostikon bitten?
Rosemarie Magdalena Albach war der bürgerliche Name von Romy Schneider.
Oesterreich war das Geburtsland von Romy Schneider.
Magda Schneider, ihre Mutter, war ebenfalls Schauspielerin.
Ypsilon ist leider ein sehr schwerer Buchstabe in der deutschen Sprache. Ymor heißt Romy verkehrt geschrieben.
Julia Hagenhofer _Schauspielerin _ Wien _ reenacting _ Romy Schneider in „Sissi“ _ Schloss Schönbrunn _ Wien
Herzlichen Dank, liebe Julia, für Deine Zeit und die großartigen Bemühungen zu Kostüm, Wort und szenischem Porträt! Viel Freude und Erfolg für alle Theater-, Musical-, Schauspielprojekte!
40.Todesjahr _ Romy Schneider, Schauspielerin (*1938 Wien +1982 Paris) _ im Gespräch und szenischem Fotoporträt:
Liebe Irina, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Da ich jetzt wieder hauptsächlich in der Gastronomie arbeite, ist mittlerweile ein bisschen Normalität eingekehrt. Und die neue Normalität ist halt Maske tragen und Menschen nach ihrem 2G Nachweis zu fragen.
Irina Imb, Schauspielerin/Make-Up Artist
Ich gehe tatsächlich viel mehr ins Kaffeehaus, in meiner Freizeit, und lese & schreibe dort. Etwas was ich auf einmal so viel mehr zu schätzen weiß.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Ich denke, dass es sehr wichtig ist, trotzdem weiterhin unsere sozialen Kontakte zu pflegen. Wir leben in einer Zeit, wo es so einfach geht wie noch nie mit anderen Kontakt aufzunehmen. Mir fällt auf wie mein sozialer Kreis in den letzten 2 Jahren geschrumpft ist. Immer wieder Lockdown und Kontakt Verbote, da hat man sich dann einfach angefangen auf ein paar Kontakte zu beschränken. Es ist wohl wichtig, uns wieder all der Menschen in unserem Leben zu besinnen. Ich kenne viele Menschen aus meinem Umfeld, die ein bisschen der Einsamkeit verfallen sind. Aber niemand von uns ist alleine, auch wenn es sich zu Zeiten manchmal so anfühlen mag.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?
Kunst im Allgemeinen ist doch immer irgendwo ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Und oft ein Stempel der jeweiligen Zeit. Ob das nun Musik, Mode, Theater, etc ist. Das Beste machen aus dem was da ist.
Freuen wir uns nicht alle auf ein bisschen Unterhaltung in Gesellschaft? Ein Zeichen von Normalität?
Kultur ist ja auch ein bisschen was uns ausmacht. Und langsam haben wir wohl alle genug von den Stadtwanderwegen.
Was liest Du derzeit?
„Was wenn wir einfach die Welt retten“ von Frank Schätzing. Noch bin ich aber noch nicht an dem Punkt angekommen, wo es viel Hoffnung verspricht. Deswegen für zwischendurch die „Gedankensammlung“ vom großartigen Georg Rauber „Das Herz ist ein dummer Bastard“ Eine gute Inspirationsquelle, um selbst kreativ zu werden.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Aber wenn ich könnte wie ich wollte Würd ich gar nichts wollen Ich weiß aber, dass alle etwas wollen soll’n…“
Wir sind Helden
Irina Imb, Schauspielerin/Make-Up Artist
Vielen Dank für das Interview liebe Irina, viel Freude weiterhin für Deine großartigen Schauspiel-, Gastronomieprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Irina Imb, Schauspielerin/Make-Up Artist
Alle Fotos_Walter Pobaschnig _ Hotel am Stephansplatz _ Wien 20.2.2022
20.2.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.
Die Fotos, die ich gestern in Lwiw gemacht habe, stellen dar, dass die Situation in Lwiw stabil und ruhig ist. Heute ist die Situation gleich. Lwiwer hörten den Luftalarm, aber alles war in Ordnung. In Lwiw kommt jede Menge von Flüchtlingen aus Kyiw, Charkiw und anderen Ostregionen an. Es gibt schon viele soziale Ankünfte, wo man diese Menschen erwartet.
Warteschlange vor einem Geldautomaten_LwiwLwiwLwiw
Vielen Dank für die Schilderung, liebe Marta, alles Gute!
Liebe Ulrike, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Mein Partner und ich stehen um sieben Uhr auf und machen unsere Tochter für die Schule fertig. Alle sind wir Nachteulen, also geht nichts ohne Kaffee, aber frisch gemahlen in einer alten Handmühle, soviel Zeit muss sein. Dann Schuldose bestücken, Hafermilch aufwärmen, Zöpfe flechten, Mütze suchen. Die Pandemie begann, als unsere Tochter in der ersten Klasse war. Jetzt, einige Lockdowns und viele Ausfälle später, ist sie in der dritten, so dass es noch kaum so etwas wie einen Schulalltag gab. Wenn meine Tochter mit ihrem Vater aufgebrochen ist, räume ich ein bisschen auf und erledige erste Mails, manchmal lege ich mich noch einmal hin. Dann eine Stunde Hundeauslauf, und spätestens am Vormittag stehe ich am Schreibtisch und arbeite. Allerdings bedeutet das zum geringsten Teil, auch literarisch zu schreiben. Wie alle anderen freiberuflich Arbeitenden bin auch ich fast immer mit dem Drumherum beschäftigt, in meinem Fall heißt das Mailverkehr mit Verlag und Veranstaltungshäusern, Planung von (Online-)Auftritten, Lesen, Durchgehen von Fahnen, Proben, Besprechungen mit meiner Übersetzerin, Networking und hin und wieder ein glücklich machender Videodreh mit meinem Poesiekollektiv Landschaft.
Wegen der Pandemie kommt meine Tochter statt um vier Uhr schon um halb zwei Uhr nach Hause. Danach erledige ich Berufliches eher nebenher, während ich den Haushalt mache oder sie zum Klavier oder Tanzen begleite. Was ich tagsüber nicht schaffe, hole ich abends nach, wenn alle anderen schlafen. Diese Spätschichten bezahle ich am nächsten Tag mit einer Riesenmüdigkeit, aber oft sind es die einzigen Stunden, an denen ich wirklich literarisch arbeiten kann. Egal, wie weit mein Tag in die Nacht hineinreicht, immer endet er mit einer letzten Hunderunde um den Block.
Ulrike Almut Sandig, Schriftstellerin
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Ich finde es wichtig, über dem eigenen Struggle mit der Pandemie und ideologischen Uneinigkeiten nicht aus den Augen zu verlieren, was um uns herum passiert. Bei so manchem ebbt die Wut auf die angebliche Coronadikatur ab, wenn man ihr*sein Gefühl des Ausgeschlossenseins, der Desorientierung, der Angst ernstnimmt. Lasst uns einander nicht aus den Augen verlieren, Leute. Einer meiner besten Freunde lebt in der Ukraine. Mit ihm bin ich 2018 in Mariupol gewesen, einer Stadt am Schwarzen Meer, die zum Oblast Donezk gehört und deren Hafen seit der Errichtung der russischen Krimbrücke von der Schifffahrt auf dem Schwarzen Meer ausgeschlossen ist und quasi leersteht. Etwa zwanzig Kilometer hinter der Stadt begann die Front. In den Augen der Menschen, die ich kennengelernt habe, ist der Krieg nichts Neues. Er herrscht seit Russlands Annexion der Krim 2014.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Alles, was wir privat und politisch unternehmen, müssen wir unter Klimagesichtspunkten betrachten. Das ist ein Anspruch, an dem ich persönlich ständig scheitere. Das ändert aber nichts an der Notwenigkeit, auf den menschengemachten Klimawandel zu reagieren – öffentlich und privat. Überhaupt schlittern wir gerade möglicherweise in eine Zeit, in der eine Kunst, die nicht explizit klimapolitisch oder menschenrechtlich Stellung nimmt, fast als Luxus angesehen wird, auf den man auch verzichten könne. Aber ungeachtet der Tatsache, dass mein Handwerk, die Sprache, per se politisch ist, weil sie Kommunikation herstellt, empfinde ich die Freiheit der Kunst und die freie Meinungsäußerung als unverzichtbar. Letztere sehe ich vielen Staaten bedroht – in Deutschland nicht. Bei der Freiheit der Kunst hapert es allerdings ganz schön, wenn je nach Impfquote Clubs, Literaturhäuser, Konzerthallen trotz guter Hygienekonzepte schließen müssen, während der Billigtourismus boomt.
Was liest Du derzeit?
Gerade fertiggelesen: „Fille de France“ von Elisa Diallo – ein ungewöhnlicher Erfahrungsbericht über strukturellen Rassismus in Europa, dessen deutsche Übersetzung bei Berenberg unter dem Titel „Französisch verlernen“ erschienen ist. Jetzt lese ich Tishani Doshis Roman „Small Days and Nights“ (Bloomsbury). Doshi ist walisischer und indischer Herkunft, ihre Texte verbindet sie mit zeitgenössischem Tanz, der mit indischen Tanztraditionen arbeitet. Für April planen wir eine kleine Onlineperformance, lernen uns aber gerade noch – lesend – kennen. Außerdem einige Gedichte von Ahmad Katlesh, einem Blogger und Dichter aus Damaskus, der in Berlin lebt und dessen Band „Das Gedächtnis der Finger“ (übersetzt von Kerstin Wilsch, Edition Rugerup) das Verhältnis von Körper und Erfahrung untersucht. Dann blätterte ich heute in Gedichten von Friederike Mayröcker, wo mir ein Russe mit Federhut hängenblieb und außerdem die Formulierung „Weltseele kopfunter“. Zwischendurch zwischendurch bin ich viel auf Instagram und Facebook unterwegs, wo ich Onlineressorts einiger Zeitungen abonniert habe oder einfach nur lese, wie es Kolleg*innen geht. Und wenn dann noch Zeit ist, liegt in der Küche die aktuelle Printausgabe der ZEIT, aber von ihr schaffe ich immer nur das Magazin und ein paar Artikel.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
(…) Die Silben ver- // schlucken uns wie winzige blinde Krebse, die / ewig am Grund einer Grotte leben. Bis der erste // Lichtstrahl trifft und wir uns sehen können: / ein Gebilde aus Kalk und singender Milch.
Diese Zeilen sind „Antarktika“ entnommen, einem Gedicht der Freiburger Dichterin Marie T. Martin, die im November 2021 verstorben ist. Sie hinterlässt ein schmales Werk, ihr beeindruckender Band „Rückruf“ erschien erst 2021 im Poetenladen-Verlag, Leipzig.
Vielen Dank für das Interview, liebe Ulrike, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Heute, am 25. Februar, 11.43 Uhr, bin ich in Lwiw. Ich schlief nachts, aber die ganze Nacht fühlte ich das ängstliche Atmen meines Mannes in der Nähe. Unser Morgen begann mit einer Sirene, die gegen 6:50 ertönte, es war keine Trainingssirene, es gab eine Nachricht im Telegramm, dass wir zum nächsten Unterstand rennen müssen. Wir schalteten das Radio ein und fingen schnell an, Dinge und Lebensmittel zu sammeln. Sie waren zur Flucht bereit, aber der Alarm wurde aufgehoben. Seitdem haben wir nicht mehr ausgepackt. Auf der Karte haben wir die uns am nächsten gelegene Unterkunft gefunden. Interessanterweise ist unser Haus auch als Unterschlupf gekennzeichnet, aber in unserem Keller sahen wir Ratten. Und diejenigen, die sich heute in Notunterkünften wiederfanden, sagen, sie seien mit Müllbergen ausgestattet, mit Menschen, die nicht hineinlassen, weil sie denken, es gäbe nicht genug Platz für alle.
Marta Mokhnatska, Schriftstellerin
Ich versuche jetzt mein Bestes, um in meine Heimatregion Ternopil zu gelangen, weil meine Mutter und meine Schwester dort leben. Und dieser Ort sieht wirklich sicher aus, weil Russland hauptsächlich strategische Orte und Städte angreift. Kyiw ist jedoch heute von einer feindlichen Rakete aufgewacht, die den Eingang eines Wohnhauses getroffen hat. Meine Freunde aus Kyiw melden sich. Einige sind bereits in den Westen geflohen, einige sitzen zu Hause und kleben die Fenster ab (wenn die Fenster explodieren, explodieren sie wenigstens nicht und das Haus behält etwas Wärme), einige suchen nach Wegen, die Hauptstadt zu verlassen . Meine Freunde aus Russland haben keine Worte. Sie schämen sich und sind verletzt. Doch nur wenige wagen den Protest, weil der russische Regierungsapparat auf jede Willensäußerung aggressiv reagiert. Ich bin aber auch auf Informationen gestoßen, dass Verwandte von Bekannten in Russland die Situation für natürlich halten, weil die Ukraine Russland angegriffen hat, Russland sich also verteidigt. Das ist lächerlich. Absolut alle Feindseligkeiten finden auf dem Territorium der Ukraine statt. Die ukrainischen Streitkräfte leisten nur Widerstand. Die russische Propaganda verbreitet auch Informationen darüber, dass es einen Konflikt zwischen unseren Ländern gibt. Also: das ist kein Konflikt, das ist KRIEG.
Vielen Dank für die Schilderung, liebe Marta, alles Gute!
Lieber Georg, welche Bezüge gibt es von Dir zu Romy Schneider?
Keine. Aber ich habe sehr früh damit begonnen, mich für das Medium Film zu interessieren. Ihre „Sissi“-Movies habe ich nur am Rande wahrgenommen. Deren Punschkrapferl-Klebrigkeit ist mir eher auf die Nerven gegangen. Aber später – als sie in Frankreich war – habe ich sie einige Male im Kino gesehen und aus der Distanz bewundert und begehrt. Ich glaube, der erste Film, den ich als Teenager Anfang der 1970er mit ihr sah, war die leichtfüßige US-Komödie „Leih mir deinen Mann“ (Good Neighbor Sam) mit Jack Lemmon aus dem Jahr 1964. Da war sie Mitte 20 und jugendlich-frisch. Die blanke Unschuld …
Georg Biron _ Schriftsteller, Reporter, Drehbuchautor, Schauspieler, Regisseur und Kulturproduzent
Gab es auch Begegnungen mit Romy Schneider?
Ja, als ich noch ein Kind war. Mein Vater hat früher in einem feinen Wiener Hotel gearbeitet und viele Leute kennengelernt. Auch ein paar berühmte. Und die haben uns eingeladen. Die ganze Familie, Vater, Mutter, Kind: Im Winter nach St. Moritz. Im Sommer nach Südfrankreich. Wie das in den 1960ern halt so gewesen ist. Ich habe als Kind auf der Yacht von Curd Jürgens einen Drachen steigen lassen, Picasso hat mich so lange am linken Ohrläppchen gezogen, bis ich geweint habe, und bei Romy Schneider bin ich auf dem Schoß gesessen und habe mich von ihr mit frischen Feigen füttern lassen.
Wie hast Du Romy Schneider erlebt?
Mir war damals klar, dass Romy Schneider eine Berühmtheit war, weil sie die Menschen wie eine Berühmtheit behandelt haben. Und sie hat wirklich sehr gut gerochen, ich glaube, nach Pfirsichen und Jasmin. Sie hat unheimlich viel geredet mit den Menschen, die mit uns am Tisch saßen. Ich wollte von ihr mehr Aufmerksamkeit – und bekam Feigen. Immerhin!
Darauf weiß ich aus erster Hand nichts zu sagen. Ich glaube aber, dass sie eine starke Freundschaft mit dem Schauspieler Helmut Berger verband. Zumindest von ihm gibt es dazu einige Aussagen.
Wie siehst Du Romy Schneiders künstlerischen Weg als Schauspielerin?
Angeblich schrieb sie nach ihren ersten Erfahrungen vor der Filmkamera mit 15 Jahren (noch vor dem „Sissi“-Hype) in ihr Tagebuch: „Ich weiß, dass ich in dieser Schauspielerei aufgehen kann. Es ist wie ein Gift, das man schluckt und an das man sich gewöhnt und das man doch verwünscht.“ Ich glaube, dass sie sich zwischen ihrem ersten Film, „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“ (1953), und „Die Spaziergängerin von Sans-Souci“ (La Passante du Sans-Souci, 1982), ihrem letzten Film, diesem Gift mit einer großen Leidenschaft hingegeben hat. Im traditionellen japanischen Nō-Theater spielen Masken eine große Rolle, und die Bühnenmenschen sind davon überzeugt, dass Götter und Dämonen beim Tragen der Masken Besitz von ihnen ergreifen und sie zu Höchstleistungen führen. Vielleicht war das bei Romy Schneider genauso – und schließlich wurde sie all diese Götter und Dämonen und alle Rollen, die sie in ihrer Karriere in mehr als 60 Filmen verkörpert hatte, nicht mehr los. „Ich bin eine unglückliche Frau von 42 Jahren und heiße Romy Schneider“, sagte sie 1981, wenige Monate vor ihrem Tod, in einem Interview mit der Zeitschrift »Stern«.
Welchen Film möchtest Du hervorheben?
Mit 16 Jahren haben meine Freunde und ich 1974 den Film „Trio Infernal“ (Le trio infernal) gesehen, der uns angezogen und zugleich abgestoßen hat – zwei Leichen, die in mit Schwefelsäure gefüllten Badewannen aufgelöst wurden. Ich denke, es hat Romy viel Überwindung gekostet, die Rolle der hemmungslosen Philomene zu übernehmen und skandalöse Sexszenen mit Michel Piccoli und Mascha Gonska abzuliefern. Damit war das „Sissi“-Image vom Tisch.
Gibt es etwas typisch Wienerisches bei Romy Schneider?
Als sie eine junge Schauspielerin war, hat man schnell gehört, dass ihre Sprache wienerisch angefärbelt war. Sie kam als süßes naives Wiener Mädl daher, das von ihrer Mutter, der Schauspielerin Magda Schneider, offenbar dazu gedrängt wurde, auch in Interviews dieses Image zu benützen. Als sie erwachsen wurde, legte sie Wien ab wie einen Mantel und wurde zu einer gesellschaftskritischen Weltbürgerin. Dadurch hat sie aber leider auch den Halt in ihrem Leben verloren – Alkohol und Drogen sind kein Ersatz für Wien. Leider hat es sich nie ergeben, dass ich sie interviewen konnte: Als sie im Mai 1982 starb, war ich gerade mal 23 Jahre alt, und meine journalistischen Themen waren damals die Bürgerkriege in Lateinamerika.
Wie siehst Du die Situation für Schauspieler*innen in Österreich heute?
Nur wenigen gelingt es, sich durchzusetzen und von diesem Beruf durch gute Engagements auf Theaterbühnen oder vor (TV-) Kameras zu leben, ohne sich zu prostituieren. Die meisten haben entweder wohlhabende Eltern oder Partner bzw. irgendwelche Jobs und sind ständig in der Selbstausbeutung ihrer Talente unterwegs. Generell ist es so, dass alle hochwertigen Produktionen mit einem Publikumsschwund zu kämpfen haben. Übrig bleiben meistens nur die seichten Ereignisse, die den Darsteller*innen nur wenig abverlangen und sie oft nur zu x-beliebigen Marionetten degradieren. Ich glaube nicht, dass heute von Wien aus eine Karriere à la Romy Schneider möglich wäre, weil die Rahmenbedingungen völlig andere sind.
Was sind Deine nächsten Projekte?
Ich habe mir abgewöhnt, über ungelegte Eier zu sprechen …
Darf ich Dich abschließend zu einem Romy Schneider Achrostikon bitten?
Reiz mich nicht, du …!
Oder du musst meine Liebe ertragen.
Manchmal träume ich und glaube:
You are the only one I miss!
Vielen Dank für das Interview!
Im Gespräch: Georg Biron _ Schriftsteller, Reporter, Drehbuchautor, Schauspieler, Regisseur und Kulturproduzent
Liebe Clara, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Sehr abwechslungsreich. In meinem Arbeitsalltag als Illustratorin verfolge ich unterschiedliche Themen und Projekte, die meinen Tagesablauft beeinflussen, wobei mir eine gewisse Routine mit geregelten Aufsteh- und Schlafengehzeiten guttut. Sowohl die Horizontale wie auch die Vertikale ist dabei wichtig. Alles Rundherum verstehe ich als arbeitsbezogenes Happening. Alltägliche Erledigungen erlebe ich mit variierenden Gehwegen und wechselnder Umgebung immer wieder neu – ich bin eine von der Sorte Mensch „in allem etwas Wunderbares sehen“.
Clara Frühwirth, Illustratorin
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Das Wort „Jetzt“ ist ein starkes Wort. Es bringt uns in die Realität zurück. Was für uns alle wichtig ist, kann ich nicht beantworten, weil ich nicht alle bin. Holistische Ansätze wie zuversichtliches Handeln und Aufzeigen erachte ich als besonders wichtig. Das „uns“ bezieht sich auf ein Miteinander, also ein aufeinander Acht geben mit Respekt und Wertschätzung. Das beginnt im Umgang mit einem Selbst. Über sich selbst nachdenken und mit anderen in Dialog sein – immer und immer wieder.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt der Kunst an sich zu?
Neubeginn verstehe ich als aus etwas Bestehendem zu wachsen. Ein Beginn der neu ist beinhaltet, dass es davor schon einen Beginn gegeben hat. Es ist also mit Geschichte aufgeladen. Ich verbinde damit neben Wachstum auch Vergänglichkeit und Verletzlichkeit. Ich sehe die Inperfektion als Stärke und wunderbare Basis für neues künstlerisches Schaffen.
Das Bestehende hinterfragen und das Ungewisse annehmen lernen – das erfordert Spontanität und Kreativität, also ein reicher Nährboden für die Kunst.
Was liest Du derzeit?
„Fragebogen“ von Max Frisch mit Illustrationen von Janne Holzmüller.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Mut zur Lücke.
Vielen Dank für das Interview, liebe Clara, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Liebe Katrin, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Mein Tagesablauf sieht ungefähr so aus, wie vor der Pandemie. Aufstehen, schreiben, Büro, Spazierengehen, noch mal schreiben?, vielleicht Sport, vielleicht einkaufen. Nichts Besonderes. Für mich, die ich zu Hause arbeite, hat die Pandemie im täglichen Alltag nicht viel verändert. Aber natürlich sind Lesungen abgesagt worden, es kommen weniger Leute zu unserer Lesebühne, es sind andere Überlegungen im Zusammenhang mit Veranstaltungen zu treffen.
Katrin Seddig, Schriftstellerin
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Ich glaube, es sind die gleichen Dinge wichtig, wie schon immer: Liebe, Freundschaft, Solidarität. Aber abgesehen davon, wir müssen uns, mehr denn je, positionieren und Stellung beziehen, denn das gehört zu all dem Liebeszeug dazu, wir müssen uns streiten, privat und gesellschaftlich, unermüdlich und hitzig! Man darf Menschen nicht zu früh aufgeben. Und die eigene Position muss man natürlich auch immer wieder in der Auseinandersetzung neu ausrichten.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Das Wichtigste ist, Fehler zu erkennen und Veränderungen herbeizuführen, um diese Fehler in Zukunft zu vermeiden. Aber was das angeht: Ich bin da nicht sehr optimistisch. Wir sind alle, fast alle, zu sehr Opportunisten, und das hängt wohl mit dem System zusammen, das ja irgendwie im Ganzen darauf beruht. Aber es gibt auch jetzt Menschen, die idealistisch und klug sind und was riskieren, die hat es ja immer gegeben. Ich denke da, zum Beispiel, an die recht jugendliche Klimaschutzbewegung, die auch eine Gerechtigkeitsbewegung ist. Auf diese Jugend sehe ich mit einem Fitzelchen Hoffnung.
Wenn Kunst überhaupt eine Aufgabe hat, dann vielleicht die, den Zustand der Welt zu reflektieren. Auf eine Weise, die im besten Fall mehr aus uns macht. Das ist kein erzieherischer, sondern ein eher verletzender Vorgang. Durch Schmerz, Schönheit und Arbeit können wir wachsen. Wir Schriftsteller*innen stehen immer und auch aktuell vor der Aufgabe, Geschichten zu erzählen, in denen Positionen verhandelt werden, die uns anstrengen, über Menschen, die uns vielleicht sogar fremd sind, Geschichten , die die Absurdität und Hilflosigkeit menschlichen Agierens ausloten. Es ist schwierig, aktuell und schnell auf Vorgänge zu reagieren, wo wir noch mittendrin sind, in dieser speziellen Krise, die vielleicht nur der Vorbote einer größeren ist? Das weiß man ja nicht. Es ist schwer, den nötigen Abstand zu halten und man ist oft ein bisschen zu sehr Teil des Stückes, um immer intelligent zu bleiben. Ich halte es im Moment so, dass ich die Pandemie, zum Beispiel, als Hintergrund nutze, als Alltagsumstand, wenn man so will.
Was liest Du derzeit?
Ich bin gerade fertig mit der Forsyte Saga von John Galsworthy.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Die Wogen der Veränderung schäumten heran, brachten die Verheißung neuer Formen erst dann, wenn ihre zerstörende Flut ihren Höhepunkt überschritten hätte. Er saß dort und war ihrer unbewusst gewahr, aber seine Gedanken waren entschlossen auf die Vergangenheit gerichtet – wie vielleicht ein Mann in einer stürmischen Nacht reiten mochte, das Gesicht dem Schweif seines galoppierenden Pferdes zugewandt.“ (Das bezieht sich auf Soames, den „Besitzmenschen“ aus der Forsyte Saga / Übersetzung von Jutta Schlösser)
Vielen Dank für das Interview liebe Katrin, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Katrin Seddig, Schriftstellerin
Foto_Cenk Bekdemir.
31.1.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.