„Heilige Nacht“ Die Weihnachtsgeschichte und ihre Bilderwelt. Hrsg.Stefan Roller. Neuerscheinung Hirmer Verlag.

 

„Heilige Nacht“ Die Weihnachtsgeschichte und ihre Bilderwelt. Hrsg.Stefan Roller. Neuerscheinung Hirmer Verlag.

Es ist eine Botschaft, die seit 2000 Jahren weitergesagt, gelesen, gesungen und betrachtet wird. Eine Botschaft, die um die Welt geht und verändert, eine „frohe“ Botschaft, die an vielen Orten und in vielen Formen präsent war und ist. Der Kunst kommt da eine besondere Bedeutung zu. Sie versucht das Ereignis der Weihnachtsgeschichte, die Geburt Christi, in Fülle und Form sichtbar zu machen. Dabei gibt es viele individuelle Zugänge und Perspektiven über Jahrhunderte hinweg. Die Kunst versucht zu sehen und darzustellen. Das Unsagbare und Unaussprechbare. Das still zu Erfahrende.

Eine Ausstellung in der Skulpturensammlung Liebieghaus in Frankfurt/Main widmete sich 2016/2017 der reichen Motivgeschichte und den vielfältigen Bezugsrahmen der künstlerischen Darstellung der Weihnachtsgeschichte. Der kunsthistorische Schwerpunkt liegt dabei auf der Schaffensperiode zwischen dem 5. Und dem 16.Jahrhundert.

Die besondere hier vorliegende Edition des Hirmer Verlages ist eindrucksvoll. Sie eröffnet die Möglichkeit gleichsam im meditativen Blättern der Ausdruckskraft von Objektkunst zu folgen und diese mitzuerleben. Einführende Essays zum christlichen Weihnachtsfestkreis, der künstlerischen Rezeption des Visionsberichtes der Brigitta von Schweden und der Erläuterung der Weihnachtsgeschichte sowie hinführende Erklärungen zur Ausstellungsthematik, in welcher der Prolog der Weihnachtsgeschichte, der Weg nach Bethlehem, Geburt Christi und Anbetung des Kindes, Beschneidung und Namensgebung Jesu, die Heiligen Drei Könige und die Folgen, die Flucht der heiligen Familie nach Ägypten und ihre Rückkehr sowie Weihnachtskrippen im Mittelpunkt stehen, leiten zum Hauptteil des Ausstellungskatalogs über. Das Literaturverzeichnis, Impressum und Abbildungsverzeichnis runden diese abwechslungsreiche künstlerisch-theologische Epochenreise und Inspiration ab.

„Eine besondere Einladung der Kunst auf die Weihnachtsgeschichte zu blicken, die unerwartete Horizonte und Inspirationen öffnet.“

 

Walter Pobaschnig, Wien 11_2018

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„Da Josef und seine Briada“ Altes Testament auf Wienerisch II. Roland Kadan. Neuerscheinung Braumüller Verlag.

 

„Da Josef und seine Briada“ Altes Testament auf Wienerisch II. Roland Kadan. Neuerscheinung Braumüller Verlag.

 „I schrei zum Scheff, weul i so am Sand bin, und ea head mi a…“ (Psalm 120,1) – es sind vor allem auch die Übersetzungen der Psalmen, in denen Roland Kadan beeindruckend und faszinierend die ganze Kraft und Wucht der Dialektsprache gleichsam auf das Papier schmettert und das so melancholische und widersprüchliche Wienerherz genial beim Kragen packt. Da spielst Du, lieber Roland, mit deinen biblischen Liedermacherkollegen im ganz großen hermeneutischen Duett und dabei hören wir und bestimmt auch Teuschl, Freud und Qualtinger gebannt und auch sehr still werdend zu. Da reißt ein sprachliches Gespür für biblische wie wienerische Seelenmelodie Herz und Himmel auf und blickt „frank“ ins „Reindl“ von Leben, Liebe, Glaube und Hoffnung. Da knallt die Seele schonungslos ihr lebensverschwitztes „Leibal“ gegen das (Himmels)Tor wie seinerzeit Ernst Happel die „Wuchtl“ auf der Pfarrwiese von Hütteldorf in Richtung Favoriten. Ja, Religion ist Anschauung und Gefühl, erinnert uns Friedrich Schleiermacher 2018 und Roland Kadan nimmt dies fulminant in bester Wiener Sprach- und Liedtradition in seiner vorliegenden Buchfortsetzung  auf.

Wenn Roland Kadan unterrichtet, singt und nicht zuletzt schreibt, dann ist das „ka schales Gmachtl“. Dies war schon eindrucksvoll in „Da David und sei Pantscherl“ Das Alte Testament auf Wienerisch (2017) zu lesen und zu erleben. Auch in dem zweiten Teil seines biblischen Übersetzungsprojektes des Alten Testamentes in die Wiener Dialektsprache schafft er es, biblisches Erzählen, Klagen, Jubeln und Mahnen mit Geschichte und Kunstgeschichte einer Stadt wie politischer Bildung zu verbinden und einzigartig kantig und ausdrucksstark zu verdichten.  Bibelthematisch werden im vorliegenden Band II die Schöpfungserzählung (priesterschriftliche Tradition), die Sintfluterzählung, die Josefsnovelle oder Susanna im Bade (Buch Daniel) und weitere Texte wie Psalmen vorgestellt. Es ist eine form- wie wirkungsgeschichtlich sehr treffende Auswahl, welche die Bandbreite an biblischen Textvarianten ausgezeichnet beachtet und die Fülle biblischen Erzählstoffes in lebensgeschichtlicher und gesellschaftskritischer Perspektive öffnet.

„Olsdan – kummts, marschierts“ – lesen Sie das Buch, hören Sie Roland Kadan so oft es geht live. Und vor allem nehmen Sie das Buch in Schule, Gemeinde und Haus und Hof mit – diesseits und jenseits des Semmerings.

Walter Pobaschnig 24.11.18

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Lucas Cranach der Ältere, Meister – Marke – Moderne. Kunstbildband. Hirmer Verlag.

 

Lucas Cranach der Ältere, Meister – Marke – Moderne. Kunstbildband. Hirmer Verlag.

Es war ein turbulentes Leben im Sturm der Reformationsjahre, welches der in eine kinderreiche Familie um 1472 geborene Lucas Cranach (+16.10.1553) führte. Die Kunst war dabei die wesentliche Mitte. Seit 1505 war er als Hofmaler bei Kurfürsten Friedrich dem Weisen von Sachsen in Wittenberg tätig, aber auch weitere Berufszweige (Gastwirt, Apotheker, Buch- und Papierhändler) kennzeichneten seinen Lebensweg. Eine enge Freundschaft mit dem Reformator Martin Luther und dessen Professorenkollegen Philipp Melanchthon drücken seine Nähe zum kirchen- und gesellschaftsverändernden Anspruch der Reformation wie auch seine Loyalität aus. 1525 ist Cranach auch Trauzeuge des Ehepaares Martin Luther und Katharina von Bora sowie auch der Taufpate ihres ersten Sohnes Johannes. Porträts der Familie machen diese Freundschaft auch künstlerisch sichtbar. Doch auch Cranach prägt, in Analogie zum Reformator Luther, einen eigenen persönlichen Stil des ästhetischen Ausdrucks, den er in Traditionskritik, Auseinandersetzung und Originalität erarbeitet und weiterentwickelt. Es wird gleichsam eine Marke der Kunstdarstellung etabliert. Dieser persönliche wie soziale Prozess ist durchaus mit dem theologischen Denken Luthers zu  vergleichen. Bilder der Tradition werden mit neuer  Perspektivität und Farbpalette in die Welt gesetzt. Reflektiert, konsequent und ausdrucksstark – in der Mitte von Zeit und Leben.

Der vorliegend beeindruckende Bildband bietet nun einen umfassenden Einblick in das künstlerische Schaffen, das Leben sowie Zeit und Gesellschaft im Wirken Lucas Cranach. Namhafte KunsthistorikerInnen widmen sich den Themenkreisen des malerischen und grafischen Ausdrucks, der Motivwahl, der Beziehung zu Luther und der Reformation sowie der weiteren Rezeption in der Moderne. Großformatige Abbildungen lassen diese Zugänge sehr anschaulich und lebendig werden.

„Ein sensationeller Bildband zum bedeutenden Maler der Reformation Lucas Cranach, der einzigartig staunen und bewundern lässt.“

Walter Pobaschnig, Wien 12_2018

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„Der Astronom und die Hexe“ Johannes Kepler und seine Zeit. Ulinka Rublack. Neuerscheinung Klett-Cotta Verlag.

 

„Der Astronom und die Hexe“ Johannes Kepler und seine Zeit. Ulinka Rublack. Neuerscheinung Klett-Cotta Verlag.

Eine Zeitenwende. Das Mittelalter findet seinen Übergang zur Neuzeit in neuen politischen, sozialen und nicht zuletzt Erkenntnissen der Naturwissenschaft, die in Beobachtung kausale Schlüsse über Welt und Universum zieht. Die theologischen Grundfesten der Jahrhunderte geraten nun aber in Spannung zu diesen mathematischen Zugängen und Erkenntnissen. Der 1571 in Baden-Württemberg geborene und in weiterer Folge in Graz, Prag und Linz arbeitende Mathematiker im Landes- wie pädagogischem Dienst Johannes Kepler (+1530) ist sich dieser Herausforderung bewusst. Er weiß, es muss eine naturwissenschaftliche Beweislage geben, die stichhaltig ist und die in aller Vorsicht und Rücksicht zum geltenden theologisch geprägten Weltbild bleiben muss. Seine Erkenntnisse der Optik (Lehre vom Licht, Zusammenhang zur Materie) werden jedoch wegweisend. Zu Beginn des verheerenden Kriegsgeschehens (Dreißigjähriger Krieg 1618-1648) im 17.Jahrhundert erscheint sein Hauptwerk Harmonices mundi  (1619). Kepler blickt auf ein stets mit Widerstand ringendes, wissenschaftliches Schaffen zurück. Doch jetzt gerät alles ins Wanken. Die konfessionellen Gegensätze im Reich wie Europa brechen in aller Gewalt und Grausamkeit politisch militärisch auf. Kepler ist evangelisch und seine Existenz ist in Gefahr. Der schwerste persönliche Schlag ist jedoch 1620 die Anklage seiner Mutter Katharina wegen Hexerei. Katharina ist eine kräuterkundige Frau und hilft wie teilt ihr Wissen. In Zeiten, in denen die Scheiterhaufen verurteilter Hexen/er in ganz Europa brennen, ist das lebensgefährlich. Johannes Kepler reist nach Baden-Württemberg, um seine Mutter zu verteidigen. Seine wohl schwerste Aufgabe beginnt…

Ulinka Rublack, Professorin für Europäische Geschichte der Frühen Neuzeit am St.John`s College in Cambridge, schafft mit der vorliegendem exemplarischen Zeitreise zu Aufbruch und Abgründen einer Zeitenwende ein Meisterwerk historischer Spannung und Vermittlung, das an den großen Namen Umberto Eco erinnert. Wenngleich es kein Roman sondern eine geschichtliche Darstellung (wunderbar anschaulich illustriert) ist, verbindet die Autorin im packenden Schreibstil Ereignis und Wortkraft und lässt anerkennend staunen.

„Ein Buch, das im packenden Schreibstil zweifellos Maßstäbe in der historischen Darstellung in kritischer Fragestellung, Erzählkraft und Spannung setzt.“

Walter Pobaschnig, Wien 12_2018

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„Bösland“ Bernhard Aichner. Neuerscheinung btb Verlag.

 

„Bösland“ Bernhard Aichner. Neuerscheinung btb Verlag.

  1. Ben ist den Schmerz gewohnt. Doch die Angst und der Schrecken, wenn ihn der Vater die Stiegen hoch auf den Dachboden ins „Bösland“ zerrt, lassen ihn dennoch jedesmal die Augen weit aufreißen und sein Gesicht erstarren. Stumm erträgt er die Schläge. Die Mutter sieht weg. Es darf nicht sein, was hier geschieht. Niemand soll das erfahren. Ben ist der rohen Gewalt hilflos ausgesetzt. Der Vater, der von seiner Arbeit als LKW-Fahrer gekündigt worden war, weil er wiederholt Benzin gestohlen hatte, trinkt und starrt in die Dunkelheit. Eines Tages findet ihn sein Sohn Ben tot am Dachboden. Mit dem eigenen Gürtel erhängt. Ben holt seinen Freund Kux. Sie blicken zum schaukelnden Toten. Die Angst weicht nur langsam aus Ben. Tränen und Mitleid hat er schon lange nicht mehr…
  2. Ein Mädchen wird ermordet auf dem Dachboden gefunden. Ben wird sofort verhaftet. Er schweigt, doch das Dunkle zieht schwer über seine Seele und die Jahre im Dorf…doch der Schrecken, der Tod kehrt wieder und jetzt sind alle starr und ahnungslos was das dunkle Geheimnis wirklich ist…

Der österreichische Schriftsteller Bernhard Aichner, dessen Totenfrau-Triologie zum internationalen Thriller-Bestseller wurde, legt mit „Bösland“ erneut einen abgründigen Spannungsroman vor, in dem ein tödliches Beziehungs- und Sozialgeflecht alles an Wert und Leben mit sich reißt. In großer rasanter Sprachdichte wechselnder Stilmittel (Interview, Rückblende, Erzählbögen) werden Leserin und Leser Seite um Seite näher an Geheimnis und Schrecken von Trauma, Gesellschaft und Gewalt geführt. Der Autor vermag dabei gekonnt zu überraschen und zeigt, was ein moderner Thriller an Spannung- und Sprachraffinesse bieten kann.

„Ein Thriller, der Spannung und Textvariation in einzigartiger Weise verbindet.“

 

Walter Pobaschnig, Wien 12_2018

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„Pilger, Priester und Propheten“ Alltag und Religionen im Römischen Reich. Robert Knapp. Neuerscheinung Klett-Cotta Verlag.

 

„Pilger, Priester und Propheten“ Alltag und Religionen im Römischen Reich. Robert Knapp. Neuerscheinung Klett-Cotta Verlag.

Ein Weltreich bisher ungekanntem Ausmaßes erstreckt sich unter Kaiser Trajan zu Beginn des 2.Jahrhunderts über drei Kontinente. Latein als Amtssprache, kodifzierte Rechtssprechung, eine straff strukturierte Gesellschaftsordnung in Militär- und Zivilwesen sind wesentliche Säulen auf denen das römische Imperium ruht und sich weiter auszudehnen und zu festigen sucht. Den wechselnden Staatsspitzen von Senat, Kaiser und Diktatoren ist bewusst, dass es auch eine innere Mitte braucht, eine geistige Kraft und Halt, die über das täglich Fordernde hinausgreift und ebenso das Imperium hält. So gibt es eine Fülle von Kulten, Ritualen und Opfervollzügen, welche das Leben des Volkes wie der Herrschenden bestimmen. Auch da ist der Gedanke der Ordnung und regelmäßigen Struktur wichtig. Die Glaubenswelt selbst bleibt offen und nimmt Elemente aus den eroberten Gebieten auf und gibt diese weiter. So ist es ein lebendiges wie buntes Miteinander von Pilger, Priester und Propheten, welche Glaube, Zeit und Leben bestimmen. Eine Vielfalt, die das Leben der Menschen in Stadt und Land, Kriegsschauplätzen, Arenen wie im Senat und am Thron besser verstehen lässt. Und nicht zuletzt eine Vielfalt, welche auch die kommende Staatsreligion des Christentums wesentlich beeinflussen wird…

Robert Knapp, emeritierter Professor für Alte Geschichte in Berkeley, University of California, schafft es mit dem vorliegenden Sachbuch zu Alltag und Religion im Römischen Reich,  in großer Anschaulichkeit eine historisch ferne Lebenswelt in ihrer geistigen Mitte und Dynamik beeindruckend zu öffnen und so geschichtliche Prozesse, Entwicklungen und Brüche verstehbar zu machen. Der Autor, ein erwiesener Kenner der Antike und deren politischen-, sozial- und geistesgeschichtlichen Grundlagen, findet im gewohnt sachlich klaren und informativen Stil auch einen erstaunlich unmittelbaren Zugang, der Leserin und Leser in Wort und Bild eine spannende Zeitreise zu Erde und Himmel im Römischen Reich unternehmen lässt.

Ein beeindruckender farbiger Bildteil wie ein ausführlicher Anhang mit Literaturverweisen, Quellenangaben, Karten, Glossar vertieft diese besondere Lesereise und bietet weitere Ausblicke.

„Ein Sachbuch, das in der Informationsbreite wie Erzählkraft begeistert.“

Walter Pobaschnig 12_18

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„Uns gehört die Nacht“ Jardine Libaire. Neuerscheinung Diogenes Verlag.

 

„Uns gehört die Nacht“ Jardine Libaire. Neuerscheinung Diogenes Verlag.

Juni 1987. Ein malerischer Sonnenuntergang in Wyoming. Ein Motel am Highway. Eine romantische Bildergalerie für Verliebte. Doch im Zimmer 186 des Wagon Wheel Inn geht es um Leben und Tod. Eine junge Frau richtet ein Gewehr gegen einen Mann. Er redet auf sie ein. Doch sie bleibt still und starr. Sie entsichert schließlich die Waffe…

Doch zunächst der Blick zurück. Januar 1986. New Haven, Connecticut. Ein Ort mit Geschichte des Rock`n`Roll. Hier wurde 1969 Jim Morrison, der legendäre Sänger, Dichter und Schamane der kalifornischen Band The DOORS direkt von der Konzertbühne verhaftet, weil sich Polizisten provoziert fühlten. Morrison testete die Grenzen von Individualität, Freiheit und Gesellschaft. Der zwanzigjährigen Elise geht es jetzt hier in der Wohngemeinschaft mit Robbie genauso. Sie hat die highschool ohne Abschluss verlassen, verschiedene Jobs ausgeübt und ist auf der Suche nach Freiheit, Leben und einem Ort, der ihrer Seele und ihrem Herz Raum gibt. Vielleicht auch nach einem Menschen, der diese Sehnsucht teilt. Dann lernt sie Jamey kennen und alles verändert sich. Fragen heben sich im Rausch ekstatischer gemeinsamer Seelenreisen auf. Sie lassen sich in die Liebe und die Unsicherheit der Zukunft fallen. Uns gehört die Nacht. Sie sind unterwegs und das Ziel ist unbekannt und ohne Netz…

Die in New York geborene und in Texas lebende Autorin, legt mit ihrem Roman Uns gehört die Nacht, eine rasante abgründige amour fou im Lebensgefühl der 1980er Jahre vor, in der Musik und Sehnsucht individuelle Träume an die Grenzen des Möglichen und weit darüber hinaus tragen. Die Autorin zeichnet eine sehr direkte Sprache aus, die Handlungsfolge und Emotion kennzeichnen. Es ist ein sprachliches roadmovie, das gleichsam Film und Rockkonzert verbindet und gebannt Melodie und Rhythmus an Leserin und Leser überträgt. Die großen Lebensthemen Liebe und Freiheit werden in fulminanter Erzählung dramatisch wie tragisch verdichtet.

„Ein Roman, der Leben und Liebe an Kopf und Kragen packt und Leserin und Leser schonungslos mit sich reißt“

 

Walter Pobaschnig, Wien 11_2018

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Werner Kofler _ Kommentierte Werkausgabe, 3 Bände im Schuber. Neuerscheinung Sonderzahl Verlag.

Kofler Werner_Foto _ Auguste Kronheim

Werner Kofler _ Kommentierte Werkausgabe, 3 Bände im Schuber. Neuerscheinung Sonderzahl Verlag.

Es geht um die Präzession des Anfangs. Das Zuhören im Umgebensein von Sprache. Die Selbstgespräche des Vaters. Das Wiederkehrende ohne Variation. Redundanz als Lebensgewissheit im blanken Wortwohnzimmer. Rituale im Wort. Selbstversicherung. Kein Gesprächsbeginn. Kein Anfang für den Hörenden. Das ist alles. Es folgt das stumme konsequente Tun. Das Antun. Macht. Befehlswort. Erlittenes. Ertragenes. Unvergessenes. Dann eigene Schritte. Eigene Worte. Eigenes Sprechen. Eigenes Erzählen. Aufmerksamkeit und Achtsamkeit von Sprache. Nun der gehörten, tradierten, erlebten. Norm und Weg der Herkunft. Jetzt. Durchbrechen. Schreiben. Wie es war, ist und nicht immer sein muss. Benennen und ausdrücken. Das Leben. Und in der Sprache sein, immer. Der eigenen. Die Präzession des Anfangs.

Den österreichischen Schriftsteller Werner Kofler (1947–2011) zeichnet eine außergewöhnliche Präzession der Lebens-, Sprachaufmerksamkeit aus. Ausgehend vom Erleben der unmittelbaren sozialen Herkunft und dem untrennbaren Zusammenhang von Lebens- und Sprachform, sucht Werner Kofler in seinem Werk erfahrene Umwelt in selbstbewusster ästhetischer Form zu beschreiben und kritisch zu reflektierten. Sein Blick auf Zeit und Gesellschaft geht dabei immer vom Einzelnen aus, der Gestalt vorfindet und in und mit dieser um Authentizität ringt. Beeindruckend ist dabei auch die Variation in erzählender Beschreibung, satirischem Kommentar und energischer Kritik. Der Werkrahmen selbst überrascht immer wieder in seiner Breite der Thematisierung sozialgesellschaftlicher Untiefen und Abgründe, die in individueller Spannung und Ambivalenz ihre Form in der Sprache finden und damit im ästhetischen Transfer zum zeitkritischen Korrektiv in Aufmerksamkeit und Präzession werden. Ein großes, wesentliches Werk moderner Literatur- wie Gesellschaftsgeschichte.

Die vorliegende erstmalige kommentierte Gesamtausgabe des Werkes von Werner Kofler ist als ein ganz besonders herausforderndes Projekt in seiner Fülle der Texte (Prosa) zu bezeichnen und den Herausgebern Dr.Johann Sonnleitner, Dr.Claudia Dürr und Dr.Wolfgang Straub ist herzlich zum Gelingen zu gratulieren. Hervorzuheben ist auch der einladende Lesecharakter, der im Anhang wesentliche Erläuterungen und Erklärungen (Kontexte von Sprache, Literatur, Geschichte) bietet. Eine äußerst gelungene Konzeption für interessierte LeserInnen wie FachwissenschaftlerInnen. Ebenso ist die bibliophile Ausgabe im Schuber des Sonderzahl Verlages ein ästhetischer Genuss.

 

 

Walter Pobaschnig, Wien 12_2018

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Fotos: Cover_Sonderzahl Verlag; Werner Kofler Porträt _ Auguste Kronheim.

 

„Hippie“ Paulo Coelho. Neuerscheinung Diogenes Verlag.

„Hippie“ Paulo Coelho. Neuerscheinung Diogenes Verlag.

Es beginnt im September 1970. Der summer of love ließ eine Generation aufbrechen und trägt diese in ihren Träumen und Sehnsüchten auch über die Schwelle eines neuen Jahrzehnts. Musik, Bücher, Reisen sind Kompass am Weg zu neuen Lebensidealen. Und Wegweiser gibt es überall. Menschen, die Anstoß geben, Erzählungen, die begeistern. Der Reisepass wird zum Erlebnis der Träume in fernen Kontinenten. Der „Magic Bus“ jetzt hier in Amsterdam wird zur Erlebniskarawane in Richtung Nepal. Da ist etwa Karla, die in die Welt der Religionen einzutauchen suchte und sucht. Eine persönliche Seelenreise, die auch Paulo fasziniert. Vieles verbindet die beiden. Am Weg zu ihrem Sehnsuchtsziel stehen viele Begegnungen und Fragen nach Individualität, Freiheit und Gesellschaft, Transzendenz. Die Musik trägt dies wesentlich. Jimi Hendrix und Janis Joplin sind auch Reiseleiter wie die Spiritualität heiliger Texte. Aber es sind auch Entscheidungen gefragt am Weg in neue Freiheiten. Es ist eine Bewegung zwischen Freiheit und Verantwortung, der sich nun Paulo, Karla, Marie und viele mit ihnen  ergeben und stellen müssen. Doch wo werden sie ankommen? Gemeinsam oder allein?

Der brasilianische Erfolgsautor Paulo Coelho legt mit Hippie einen biographischen Erfahrungsbericht seines persönlichen Hippie Lebens und Erlebens in den 1970er Jahren vor. Der Autor stellt dabei eine Reise in den Mittelpunkt, in und auf welcher Sinnsuche und spirituelle Erfahrungen und Lebensfragen geöffnet werden. In Begegnungen werden die Protagonisten des Romans zu Einsichten und Erkenntnissen geführt, während sie durch den turbulenten Kosmos der Hippie-Welt schweben und treiben. Dabei ist es immer eine Befreiung und ein Aufbruch von Herkunft und persönlicher Last, die sie vorwärts in das Ungewisse der Freiheit treten und fallen lässt. Denn Jede Reise ist eine Reise in sich und zu sich selbst. Die Hippies sind bereit dazu und Paulo Coelho erzählt vom Lebensgefühl dabei in Sonne und Regen…

„Der Erfolgsautor lässt in unverwechselbarer Weise in das Erleben einer Generation und eines persönlich prägenden Lebensabschnittes eintauchen.“

 

Walter Pobaschnig, Wien 12_2018

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„Emilie Flöge. Geliebte Muse“. Maxi Blaha. Ein begeisternder Theaterabend im Belvedere Wien. 4.12.2018.

 

„Emilie Flöge. Geliebte Muse“. Maxi Blaha. Ein begeisternder Theaterabend im Belvedere Wien. 4.12.2018.

Der „Kuss“, „Judith“. Meisterwerke des gefeierten Wiener Künstlers Gustav Klimt (1862-1918) begleiten und beeindrucken am Weg in den Marmorsaal des Schlosses Belvedere. Sie stimmen ein. Türen zu verborgenem Leben hinter den glänzenden Farben machen jetzt neugierig.

Die Bühne ist reduziert. Eine Sitzbank vor dem Kamin. Fotos eines Lebens am Fassadensims. Eine Gitarre (Georg Buxhofer, ausdrucksstark und aufmerksam). Als sich die schwere Türe öffnet tritt Emilie Flöge, die Muse von Klimt, des gefeierten Kunststars seiner Zeit, ein. Selbstbewusst nimmt sie vor dem Kamin Platz und liest seine Todesanzeige. Seine letzten Worte galten angeblich ihr. Ein Ruf, ein Flehen oder ein letztes Kommando des Künstlers? Jetzt ist es Zeit zu erzählen. Das Leben zu benennen. Meins und seins. Unsere Talente, Antriebe und Umtriebe. Reden wir über Persönlichkeit in Beruf und Liebe. Von zwei Menschen. Wegen, gemeinsam und getrennt. Frau und Mann. Emilie Flöge und Gustav Klimt.

Die Wiener Schauspielerin Maxi Blaha schafft es mit ihrer Inszenierung und Darstellung von Emilie Flöge (1874-1952), der erfolgreichen Designerin, die im engen Kontakt und Austausch mit Klimt stand, in beeindruckender Weise Kunst-, Gesellschafts- und Lebensgeschichte der Zeit wie Spannungen und Brüche von Privat- und Berufsleben einer Frau zu öffnen und sich damit fulminant „dem Gold und Marmor“ von Tradition und Erzählung zu stellen. In atemberaubender Präsenz lässt Blaha das Publikum zu bedeutenden Lebensstationen, Ereignissen und Begegnungen Flöges reisen, die fasziniert und bewundernd still folgen lassen. Da trifft jeder Szenenwechsel in größter Darstellungskunst die Mitte von Emotion und Reflexion eines engagierten, kreativen – wie noch weitgehend unbekannten – Lebens für Mode und Kunst. Ein ganz großer Gänsehaut Moment sind an diesem Abend auch die französischen Chanson Melodien, die Sehnsucht und Zerbrechlichkeit eines Menschen einzigartig öffnen. Wunderbar auch die Sängerin Maxi Blaha (Eine Zugabe davon ist in Zukunft sehr wünschenswert). Die Inszenierung selbst bindet aber in ihrer Präzession von Biographie und Fragestellung immer auch auf Zeit und Gesellschaft grundsätzlich zurück. Die Frage nach Authentizität und Integrität in Phasen eines Lebens wird in mitreißender Darstellung auch zum epochenübergreifenden Spiegel des Menschen. Im direkten Anspiel findet dies eine pointierte Betonung, die augenzwinkernd beim Publikum ankommt. Stärke und Schwäche des Menschen. Marmor und nackter Stein.

Ein großartiger, außergewöhnlicher Theaterabend, der zeigt wie höchste Schauspielkunst begeistern und was Kunst auch leisten kann und muss. Nämlich Licht und Schatten im Leben zu erkennen und zu benennen. Besonders die großen, schweren, die so viel wunderbares selbstbewusstes Leben verdecken können. Damals wie heute. Maxi Blaha zeigt dies in ihrer Inszenierung des von ihr beauftragten Stückes der Londoner Autorin Penny Black eindrucksvoll. Und gibt im Belvedere „der schönen Aussicht“ eines Künstlerlebens das vielfältige eigenständige Leben um und mit ihm zurück, das es zu allen Zeiten für Kunst, Welt und Liebe braucht – merci!

 

Walter Pobaschnig, Wien 12_2018

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