„Kunst und Kultur eine Wertschätzung entgegenbringen, die sie verdienen“ Miriam Fontaine, Schauspielerin_ Wien 30.6.2020

Liebe Miriam, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Ich stehe auf, meditiere meistens, mache Sport oder übe Klavier. Ich verbringe viel Zeit in der Natur und denke nach.- über das Leben und nichts.

 

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Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Sich darauf zu besinnen was wesentlich ist. Wach zu sein, bei sich zu sein, zu hinterfragen, eigenständig zu denken.

 

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Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater, dem Schauspiel, der Kunst an sich zu?

Das Ganze ist natürlich eine Chance der gesamten Kunst – und Kulturszene die Wertschätzung entgegenzubringen, die sie verdient und sich nicht nur „in guten Zeiten“ mit ihr zu rühmen. Ich hoffe, dass Schauspiel, Theater, Film,…- Kunst durch diese jetzige Situation einen Platz einnimmt, der unter allen Umständen bestehen bleibt und allgemein als unverzichtbar wahrgenommen wird.

Grundsätzlich denke ich, dass Umbrüche jeglicher Art immer eine große Möglichkeit bieten zu reflektieren, sich neu auszurichten und mit sich selbst auseinanderzusetzen. Wenn man sich darauf einlässt kann viel an Entwicklung passieren. Das gilt für den Einzelnen genauso wie für uns als Gesellschaft.

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 Was liest Du derzeit?

Gerade habe ich „Schwarzes Kleid mit Perlen“ von Helen Weinzweig begonnen und davor habe ich „Accabadora“ von Michela Murgia gelesen – das fand ich richtig gut!

 

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Welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Twenty years from now you will be more disappointed by the things you didn´t do than by the ones you did do.

So throw off the bowlines. Sail away from the safe harbour. Catch the trade winds in your sails. Explore. Dream. Discover.

Mark Twain

 

 

Vielen Dank für das Interview liebe Miriam, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Schauspiel-/Theaterprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

 

5 Fragen an KünstlerInnen:

Miriam Fontaine, Schauspielerin

http://www.miriamfontaine.com/miriam_fontaine/welcome.html

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15.6.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com

 

„Wir brauchen jetzt bessere Bühnen-Publikum Ideen – wir sind ja keine Kunstroboter“ Clara Frühstück_ Pianistin_Performerin_Wien 29.6.2020

Liebe Clara, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Ich bin nun seit ein paar Tagen wieder in Wien und es ist mir gerade ein großes Bedürfnis all meinen lieben Freunden wieder zu begegnen.

Mein letztes Konzert war am Weltfrauentag in Linz. Danach ging’s weiter nach Frankfurt zu meinem Mann und den zwei Katzen und dort blieb ich dann im Endeffekt die letzten drei Monate.

Ich bin also jetzt mal am „Wien-Zeit-Aufholen“ – gehe spazieren, fahre mit dem Rad durch Wien, schaue mir wieder meine Lieblingsplätze an, etwa die Löwen am Donaukanal. Ich liebe Wien. Es ist mein Zuhause.

Trotz all den sozialen Kontakten behalte ich meine täglichen Rituale wie Yoga, Meditation als fixe Bestandteile auch in meiner Wien-Zeit bei.

Der künstlerische Austausch, dieses gemeinsame „Spinnen“ mit KollegInnen, mit denen ich in Wien zusammenarbeite, hat mir schon sehr gefehlt. Und nun beginnt auch da wieder „Leben reinzubekommen“. Es gibt diverse Meetings für verschobene Musikprojekte.

Auch wieder in meiner Wienwohnung, bei meinem wunderschönen Bösendorfer zu sein, berührt mich mehr als ich dachte. Es war geplant, dass wir uns 10 Tage nicht sehen, aber dass ich meinen „Hengst“ (mein Klavier) dann so lange alleine lasse, war ja nicht geplant. Jetzt nähern wir uns wieder an und er kriegt viel sanftes Streicheln von mir (lacht).

 

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 Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Die letzten drei Monate haben mir besonders gezeigt, wie hilfreich es sein kann, immer wieder auszusteigen aus dem Gedankenwirrwarr aus Vergangenheit & Zukunft, Ängsten & Sorgen. 

Ängste sind kontraproduktiv – Im Leben und auch in und für meine Kunst.

Sehr hilfreich ist – jetzt und immer – sich nicht zu viel um die Zukunft zu sorgen und somit der Angst Raum in Kopf, Körper und Gemeinschaft zu geben.

Es ist sinnlos sowohl zu viel in der Vergangenheit zu hängen als auch sich zu viel um die Zukunft zu sorgen.

Im Moment zu sein und in Bewegung zu bleiben…

Dazu passt vielleicht ein Zitat von Bernstein, das ich unlängst gelesen habe:

„Das Ziel ist mir nichts, die Bewegung ist alles.“

 

 

Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Musik, der Kunst an sich zu?

Ich hoffe, dass diese Distanz, dieses Sich-Aus-Dem-Weg-Gehen nicht zum Normalzustand wird!

Auch was die Kunst betrifft, brauchen wir bessere Ideen als zum Beispiel dasselbe Programm mit „geteiltem Publikum“ zweimal hintereinander zu spielen. Das lehne ich wirklich ab. Wir sind ja keine Kunstroboter.

Ich will ein-mal auf die Bühne gehen und dann alles geben.

Ich bin keine Prophetin und kann keine Voraussagungen machen, aber was ich weiß – für mich persönlich – ist, dass ich weiter Musik und Kunst machen möchte.

Tja, keine Ahnung woran auch ich mich noch alles gewöhnen werde (müssen), um meine Kunst weiterzuleben, weiterzugeben.

Aber darüber denke ich jetzt mal besser noch nicht zu viel nach!

 

 

Was liest Du derzeit?

Was ich gleich zu Beginn sagen möchte: Ich bin so unglaublich dankbar, was es für geniale Bücher auf dieser Welt gibt.

Auf meiner sechsstündigen Zugfahrt nach Wien las ich Connie Palmen, Die Gesetze & Jerzy Grotowski, Für ein armes Theater.

Um noch ein paar AutorInnen zu nennen, die mich die letzten Monate begleitet und begeistert haben: Sarah Kane, Nino Haratischwili, Elfriede Jelinek, Ferdinand Schmalz oder Jan Fabre.

 

Ich schätze besondere, spezielle, kunstvolle Sprache sehr.

Da fällt mir natürlich auch der liebe John Cage ein. „Lecture on nothing“ lese ich immer wieder gerne.

Und wenn ich einen wirklich spannenden Roman in die Hand bekomme, lese ich (fast) bis zur Sehnenscheidenentzündung (lacht). Das ist mir jetzt passiert bei “Das achte Leben“ von Nino Haratischwili. 1300 Seiten ein paar Stunden in Händen zu halten ist wirklich nicht zu unterschätzen! Diverseste andere Bücher am Bauch als Unterlage & Pölster da und dort um weiterlesen zu können waren notwendig. Denn aufhören kann ich dann meist wirklich nur schwer.

 

Welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

 

Nichts ist ewig

(Nur das Nichts) – Sarah Kane

 

Vielen Dank für das Interview liebe Clara, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Musik-, Performance Projekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

 

5 Fragen an KünstlerInnen:

Clara Frühstück, Pianistin, Performerin 

http://www.clarafruehstueck.com/

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9.6.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com

„Theater und Kunst stellen die relevanten und schmerzhaften Fragen “ May Garzon, Schauspielerin_Wien 28.6.2020

Liebe May, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Einen klassischen Tagesablauf gibt es bei mir sowieso nie. Ich habe aber in den letzten Jahren meiner Selbstständigkeit begonnen, zumindest einen halbwegs gleichbleibenden Rhythmus zu etablieren, weil ich dann einfach produktiver bin und es meiner Psyche auch besser damit geht. Da ich gerade umgezogen bin, waren meine letzten Wochen mit dem Umzugswahn gefüllt, nebenher der bürokratische Wahnsinn und stundenlange Gespräche mit Ministerien und meiner Steuerberaterin. An viele Infos (bzgl. Grenzüberschreitung, Quarantäne, Bedingungen des Härtefallfonds etc.) kam man nur sehr schwer ran. Wirklich Zeit zum Durchatmen hatte ich seit dem“ Lockdown“ eigentlich nicht und wenn, dann habe ich die Zeit genutzt um mich kritisch mit der aktuellen Lage auseinanderzusetzen und zu recherchieren. Für Kreativität ist momentan leider kaum Raum. In den nächsten Tagen sollte der Einrichtungswahn aber zu Ende gehen und dann möchte ich meinen neuen Balkon bepflanzen, wieder Musik machen und gerne auch wieder schreiben.

 

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Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Es gibt so vieles, was gerade wichtig ist und es kommt ganz darauf an, wie man „uns alle“ definiert. Wenn man es global betrachtet, dann ist es auf jeden Fall Zusammenhalt und die große Frage wie wir in die Zukunft gehen wollen. Als ich die Fragen gestellt bekommen habe, gab es „nur“ Corona und den Lockdown, mittlerweile ist die gigantische „blacklivesmatter“ Bewegung dazu gekommen. Ich denke das zeigt sehr deutlich, dass wir uns in einer sehr brisanten Zeit befinden. Es gibt gerade sehr viele Fragen, die wir uns als Menschheit stellen müssen. Wie wollen wir weiter machen und was muss sich ändern? Ich sehe eine gewaltige Chance, Missstände aufzuzeigen. Wie wir mit unseren Mitmenschen umgehen, mit der Natur und vieles mehr.

Ansonsten ist es glaube ich gerade sehr wichtig wachsam und kritisch zu bleiben, nicht alles zu glauben und auch nicht alles mit sich machen zu lassen. Und vor allem eine gewisse Offenheit für andere Meinungen und Perspektiven beizubehalten.

Dankbarkeit ist auch ganz wichtig momentan. Nach innen zu schauen und zu sehen, was man alles hat und wie viel man eigentlich gar nicht braucht. Auf was man vielleicht auch weiterhin verzichten kann. Wir haben sehen dürfen, wie schnell sich unsere Umwelt erholt, wenn wir mal zurück treten. Das darf nicht gleich wieder alles verloren gehen.

 

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater, der Kunst zu?

Wesentlich für mich persönlich und auch für die Gesellschaft wird glaube ich, wie schon erwähnt, sein, dass wir uns fragen, wie wir gemeinsam weiter gehen wollen

Das Theater und die Kunst sind in meinen Augen wie immer dafür da, genau die relevanten und im Idealfall schmerzhaften Fragen zu stellen, die es braucht um eine Gesellschaft zu verändern. Wir brauchen Kunst also jetzt gerade ganz besonders.

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 Was liest Du derzeit?

Zeit zum Lesen habe ich leider viel zu selten, aber an den paar freien Tagen, die ich hatte, habe ich begonnen „Das Astrologiebuch“ zu lesen, das schon seit Jahren ungelesen in meinem Schrank liegt. Bei meinem Umzug ist mir aufgefallen, dass es viel zu viele ungelesene Bücher bei mir gibt. Jedenfalls fand ich Astrologie immer schon wahnsinnig spannend, um Zusammenhänge zu verstehen.

 

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

„Es gibt eine extrem starke Kraft für die die Wissenschaft bisher noch keine Formel gefunden hat. Es ist eine Kraft, die alle anderen beinhaltet, sie regelt und die sogar hinter jedem Phänomen steckt, das im Universum tätig ist und noch nicht von uns identifiziert wurde. Diese universelle Kraft ist Liebe. […] Nach dem Scheitern der Menschheit in der Nutzung und Kontrolle über die anderen Kräfte des Universums, die sich gegen uns gestellt haben, ist es unerlässlich, dass wir uns von einer anderen Art von Energie ernähren. Denn wir wollen, dass unsere Art überleben soll. Wenn wir einen Sinn im Leben finden wollen, wenn wir die Welt und alle fühlende Wesen, die sie bewohnen retten wollen, ist die Liebe die einzige und die letzte Antwort. Vielleicht sind wir noch nicht bereit eine Bombe der Liebe zu bauen, ein Artefakt, das mächtig genug ist, alles was den Planeten plagt an Hass, Selbstsucht und Gier zu zerstören. Allerdings trägt jeder einzelne in sich einen kleinen aber leistungsstarken Generator der Liebe, dessen Energie darauf wartet befreit zu werden.“ Albert Einstein

 

Vielen Dank für das Interview liebe May, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Theater- und Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

 

5 Fragen an KünstlerInnen:

May Garzon, Schauspielerin

http://www.maygarzon.com/

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„Der Live-Charakter des Theaters kann nicht nur verzaubern, sondern auch verändern“ Julian Loidl, Schauspieler_Wien 27.7.2020

Lieber Julian, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Dadurch, dass ich Familie habe hat sich an meinem Tagesrhythmus prinzipiell wenig verändert. Einziger Unterschied – ich spiele mit meiner Tochter statt mit meinen Schauspielkollegen – und das macht richtig Spaß! Ein bissl mehr Sport mach ich auch, wobei ich es da jetzt nicht unbedingt übertreibe. Es ist mehr wie eine Bewegung für den Geist, als Training für den Körper.

Trotz allem habe ich zurzeit genau so wie sonst auch immer das Gefühl, dass die Tage zu kurz sind. Obwohl man mehr Zeit hat, schafft man trotzdem weniger als man glaubt.

 

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 (Szenenfoto_Medea _ TAG Theater Wien_2019)

 

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Ich glaube eine gute Melange aus Optimismus gepaart mit einem Hauch von Idealismus tut uns ganz gut. Man sollte sich nicht zu sehr von außen und den Medien beunruhigen lassen, man sollte körperlich und seelisch in seiner Mitte gefestigt bleiben, auf sein Bauchgefühl vertrauen und sich so möglichst stabil durch diese schwierigen, oftmals stürmischen Zeiten manövrieren.

Und Lachen – Lachen hilft immer. Das darf man nie vergessen. Apropos: mir hat unlängst meine Mutter gesagt: In den Corona-Tests, da ist ja jetzt schon Corona drinnen. Da kriegst du Corona, wenn du dich testen lasst. Das fand ich sehr amüsant. Also ein bissl ein Realismus könnte auch nicht schaden.

 

 

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater und der Kunst an sich zu?

Ich glaube wesentlich wird sein, dass wir uns alle miteinander dieser Veränderung stellen und uns an den Händen nehmen und gemeinsam in diese neuen Zeiten gehen. Der Live-Charakter des Theaters kann nicht nur verzaubern, sondern auch verändern. Etwas in uns verändern- das ist das Größte, was jede Kunst schaffen kann: In den Künstlern sowie auch in den Zuschauern und Zuhörern etwas in Bewegung zu setzen. Das ist eine große Kraft. Und diese sollten wir gemeinsam nutzen.

 

Medea _ TAG Wien 26.11.19

 

Was liest Du derzeit?

Benjamin Blümchen. Und ein bissl Precht (Anm: Richard David Precht, Philosoph)

 

 

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Das Wort Krise setzt sich im Chinesischen aus 2 Schriftzeichen zusammen – das eine bedeutet Gefahr und das andere Gelegenheit – John F. Kennedy

 

 

Vielen Dank für das Interview lieber Julian, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Theater- und Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

 

5 Fragen an KünstlerInnen:

Julian Loidl, Schauspieler

https://www.julianloidl.com/

 

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8.6.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

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„Theater ist ohne Publikum nichts. Ich will den Thrill zurück!“ Rainer Galke_Burgtheater Wien 26.6.2020

Lieber Rainer, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Ich will mich nicht daran gewöhnen, dass Theater und Kunst fast komplett aus meinem Leben verschwunden sind. Man tut so, als ob das was jetzt ist, „normal“ ist,…aber spätestens wenn ich aufs Ergometer steige, um den Weg zur Probebühne zu simulieren, werde ich ganz depressiv. Es reicht auch langsam mit „Streaming“ und den ganzen online Dingen, dramatischer kann man kaum erleben, dass Theater ohne Publikum NICHTS ist. Ich will den Thrill zurück.

Burgtheater_Rainer_Galke- Katarina Soskic

 

 

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Geduld haben. Maske tragen.

 

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater, der Kunst an sich zu?

Zunächst wird es darum gehen, den Menschen wieder das Vertrauen zu geben, dass Sie gefahrlos Kunstausübungsorte betreten können,…der rein technische Vorgang, damit man sich nicht um seine Sicherheit sorgen muss, sondern sich emotional, geistig und intellektuell fallen lassen kann. Keine leichte Aufgabe.

Man darf gespannt sein, wie sich Kunst und Theater zu diesen Themen positionieren wird. Zeitweise konnte ich mir im lockdown gar nicht vorstellen, dass es irgendwann wieder so wird, wie es immer war. Inzwischen hoffe ich, dass es genauso wird wie es mal war, oder besser,…mit einem anderen Bewusstsein.  Gesellschaft, soziales Leben, Beziehungen der Menschen, die Frage – Wie soll man leben?- sind und waren immer die vornehmsten Themen des Theaters. Gerade und besonders nach großen Krisen haben die Menschen sich im Theater  Ihrer selbst versichert. Das ist richtig. Das ist gut.                                                Die jüngste Vergangenheit ist ja auch jetzt schon nicht nur eine humane, sondern auch eine politische Krise. Das muss Thema sein.

 

 

 Was liest Du derzeit?

Wie immer, langweilig, in Vorbereitung auf die nächsten Projekte; diesmal Tabori, der, überhaupt nicht langweilig, wahnsinnig klug und charmant über den größten Schrecken lachen lässt.

 

 

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Mother of Muses sing for me
Sing of the mountains and the deep dark sea
Sing of the lakes and the nymphs of the forest
Sing your hearts out, all your women of the chorus
Sing of honor and fate and glory be
Mother of Muses sing for me

Mother of Muses sing for my heart
Sing of a love too soon to depart
Sing of the heroes who stood alone
Whose names are engraved on tablets of stone
Who struggled with pain so the world could go free
Mother of Muses sing for me

Sing of Sherman, Montgomery, and Scott
And of Zhukov, and Patton, and the battles they fought

Who cleared the path for Presley to sing
Who carved the path for Martin Luther King
Who did what they did and they went on their way
Man, I could tell their stories all day

I’m falling in love with Calliope
She don’t belong to anyone, why not give her to me?
She’s speaking to me, speaking with her eyes

I’ve grown so tired of chasing lies
Mother of Muses, wherever you are
I’ve already outlived my life by far

Mother of Muses, unleash your wrath
Things I can’t see, they’re blocking my path
Show me your wisdom, tell me my fate
Put me upright, make me walk straight
Forge my identity from the inside out
You know what I’m talking about

Take me to the river, release your charms
Let me lay down a while in your sweet, loving arms
Wake me, shake me, free me from sin
Make me invisible, like the wind
Got a mind that ramble, got a mind that roam
I’m travelin‘ light and I’m a-slow coming home

Mother of Muses

vom neuen Bob Dylan Album

Rough and Rowdy Ways

 

Liebe Grüße

RG

 

Vielen Dank für das Interview lieber Rainer, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Theater- und Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

 

5 Fragen an KünstlerInnen:

Rainer Galke, Schauspieler_Burgtheater Wien

https://www.burgtheater.at/ensemble/rainer-galke

Porträtfoto: Katarina Soskic

 

14.6.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

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„Wir alle haben Grenzen und sind verwundbar!“ Dagmar Bernhard, Schauspielerin_Wien 25.6.2020

Liebe Dagmar, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Ich widme mich in dieser Zeit Büchern, mache Yoga, meditiere, entschleunige, geh in den Wald, probiere viele neue Rezepte aus, mache das ein oder andere kreative Video. Meine Aktivzeit hat sich auch bis in die Nachtstunden (2.00/3.00)  verschoben – da ist es ruhig – da bin ich am kreativsten. Es ist mir auch gelungen via Zoom das Comedy Projekt mit den Teilzeitdivas fertig zu schreiben. Mittlerweile darf ich mich über den einen oder anderen Echtzeittalk im Kaffeehaus und meine ersten Drehs, die wieder stattfinden durften, freuen.

 

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Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

In dieser Zeit ist es wichtig zusammenzuhalten, niemanden zurückzulassen. Solidarität und Gemeinsinn ist hier ganz wichtig, denn nur gemeinsam werden wir aus dieser Krise gut rauskommen. Und eine weitere notwendige Komponente ist der Humor, denn wie Joachim Ringelnatz schon richtigerweise gesagt hat: „Humor ist der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt.

 
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater, dem Film, der Kunst an sich zu?

Die Corona Krise hat uns vor Augen geführt, wie so vieles, was wir bisher für selbstverständlich gehalten haben, alles andere als selbstverständlich ist und: Dass wir alle Grenzen haben und verwundbar sind!

Ich hoffe, dass durch dieses Chaos etwas erwächst, das uns stärker aus dieser Krise hervorgehen lässt und unsere Berufsgruppe sich den staubigen Mantel des „sind wir überhaupt systemrelevant“ – einfach abstreifen kann und wir im neuen würdevollen Gewande wieder strahlen können.
Die Rolle des Theaters, des Films und der Kunst war schon immer eine überlebenswichtige Nahrung für den Geist und die Seele, begonnen bei den Griechen bis zur heutigen Zeit. Ohne Kunst und Kultur verkümmert der Mensch!

 

 

Was liest Du derzeit?

Erich Fromm – Haben oder sein

 

 

Welches Zitat, möchtest Du uns mitgeben? 

Ich glaube an die Unsterblichkeit des Theaters. Es ist der seligste Schlupfwinkel für diejenigen, die ihre Kindheit heimlich in die Tasche gesteckt, und sich damit auf und davon gemacht haben, um bis an ihr Lebensende weiterzuspielen.  – Max Reinhardt

 

Vielen Dank für das Interview liebe Dagmar, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Theater- und Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

 

5 Fragen an KünstlerInnen:

Dagmar Bernhard, Schauspielerin

https://www.dagmarbernhard.com/

 

31.5.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

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„Wir hätten die Chance, die Probleme anzugehen“ Michaela Kaspar, Schauspielerin_TAG Theater Wien_24.6.2020

Liebe Michaela, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Ich werde recht liebevoll und nicht gar zu früh geweckt von meinen beiden Kindern. Fertig machen, gemeinsames Frühstück, Haushalt, Einkauf, Kochen, meine Tochter in den Mittagschlaf begleiten, Jause, Park gehen oder einen Ausflug machen, Abendessen. Dazwischen und immerzu wird gespielt und getanzt was das Zeug hält. Reihenfolge ohne Gewähr.

Eingeflochten in den Tag werden berufliche virtuelle Meetings und Proben oder wie unlängst Aufnahmen zu einem Hörspiel, das wir mit dem TAG- Theater in der Gumpendorfer Straße über Zoom aufgenommen haben.

 

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

 Ein großer Garten.

Bei sich bleiben- sich nicht aufreiben (lassen), Informationsquellen überprüfen.

Wie in anderen Zeiten auch- konstruktiver und wertschätzender Umgang miteinander.

Sich in starken Netzwerken organisieren für die versprochene rasche finanzielle Hilfe für betroffene Berufsgruppen.

Die solidarische Weltgesellschaft ist eine Utopie, die radikale Transformation der Wirtschaft unwahrscheinlich. Trotzdem hätten wir die Chance, die Probleme, die diese Krise wie die vielzitierte „Lupe“ für uns sichtbarer macht, anzugehen. Allerdings schwindet mein anfänglicher Glaube daran, dass die Situation in der wir uns gerade alle befinden, ein Momentum für Neues sein könnte.

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 Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater und der Kunst an sich zu?

Ha! Die Rolle der Kunst- diese Frage lässt sich nicht in einem kurzen Statement klären. Kunst an sich ist für mich immer ein Ausdruck menschlichen Daseins. Sie spiegelt wider, was die Gesellschaft bewegt, bietet Reibungsfläche. Insofern könnte sie weiterhin tun, was sie auch zu anderen Zeiten tut.

Uns spiegeln, uns berühren, uns aufrütteln, uns verstören und verängstigen, uns erregen, unsere Werte in Frage stellen, in uns Zweifel aufwerfen, uns sensibilisieren, unsere Fantasie beflügeln, uns träumen machen, Visionen und Perspektiven aufzeigen, uns nachdenklich machen, uns fühlen lassen, uns mitreißen, unsere Leidenschaften und Sehnsüchte erwecken, uns Schönheit erfahren lassen, das Hässliche sichtbar machen und so vieles mehr. Und zu guter Letzt darf Kunst auch einfach unterhalten, uns zerstreuen und uns zum Lachen bringen.

Das alles setzt einen aufgeschlossenen, interessierten und neugierigen Rezipienten voraus- vielleicht ist das auch das, was schon immer wesentlich war für uns alle in dieser Welt und dem jetzt eine noch größere Bedeutung zukommt.

 

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(Szenenfoto_Medea_TAG Theater Wien_2019)

 

Was liest Du derzeit?

Das Malspiel und das Leben, Arno Stern

Die Welt von Gestern, Stefan Zweig

 

 

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Und noch kann uns der Himmel auf den Kopf fallen. Und das Theater ist dazu da, uns zunächst einmal dies beizubringen.“ Antonin Artaud

 

Vielen Dank für das Interview liebe Michaela, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

 

5 Fragen an KünstlerInnen:

Michaela Kaspar, Schauspielerin

http://www.dastag.at/ueberuns/ensemble/kaspar.html

 

Szenenfotos_Michaela Kaspar_Julian Loidl_Medea_TAG Theater Wien_ 26.11.2019 _ alle Fotos_Walter Pobaschnig.

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https://literaturoutdoors.com

„Ich glaube immer mehr, dass Kunst und Kultur uns leben lassen“ Amrei Baumgartl, Schauspielerin_Wien 23.6.2020

Liebe Amrei, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Eine klare regelmäßige Routine hat über die ganzen letzten Wochen hinweg noch immer nicht wirklich Einzug gehalten in meinem Tagesablauf. Den Großteil des staatlich verordneten „Lockdowns“ habe ich in Graz verbracht, da wurde die Probenzeit Mitte März zwar abrupt unterbrochen, aber eine WG mit lieben Kollegen erschien mir verlockender, als zurück in (m)eine leere Wohnung nach Wien zu reisen. Drei Projekte sind aufgrund von Corona bei mir nun ausgefallen bzw auf unbestimmte Zeit verschoben, was mich derzeit bis in den Herbst hinein mit sehr viel frei verfügbarer Zeit und viel Ungewissheit zurücklässt.

Hier in Graz genieße ich vor allem den Luxus der Natur, gehe an der Mur spazieren, sitze am Schlossberg in der Sonne, meditiere und suche vor allem in einer Zeit, wo sich Regeln, Anordnungen und Angaben im Außen manchmal fast täglich ändern, Ruhe und Stabilität im Innen – und bin dabei so sehr dankbar, dass all diese Ungewissheit in eine Jahreszeit fällt, die uns Fülle, Leben und Neubeginn zeigt und spüren lässt.

Schon beinahe unbewusst passiert auch eine Reflexion in mir, denn dafür ist nun wirklich einmal Zeit. Den eigenen Weg zu betrachten, zu sehen wieviel davon einem vielleicht einfach „passiert“ ist, was man wirklich forciert und fokussiert erreicht hat und wie man die Weichen für die Zukunft stellen will.

Natürlich fehlt mir das Spielen, das Rollenvorbereiten und -erforschen und all diese stark pulsierende Lebendigkeit, die für mich mit dem darstellerischen Prozess einhergeht und mich ausfüllt, sehr – grundsätzlich fühle ich mich lebendiger, wenn ich spiele/spielen darf.

Neben all diesem „inneren Aufräumen“ kommt auch der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen nicht zu kurz – und sei es manchmal auch nur, um sich gegenseitig aufzubauen und zu versichern, dass man füreinander da ist, dass jede und jeder einzelne von uns relevant ist. Wir sind nämlich systemrelevant – alle in Österreich lebende Menschen. Die Krisenbewältigung und die Maßnahmen rund um das Coronavirus verdeutlichen stark, in welchem Wertesystem unser Staat/unsere Regierung denkt und agiert – und da sind wir von Gleichberechtigung weit entfernt. Niemand ist irrelevant oder weniger wert von einem sozialen und/oder wirtschaftlichen Netz aufgefangen zu werden – nur leider wird von öffentlicher Seite genau das Gegenteil kommuniziert und auch ausgeübt.

 

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Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Ich finde es daher gerade jetzt besonders wichtig, dass jede/r einzelne von uns diese Gleichwertigkeit und den mitmenschlichen Respekt propagiert und lebt. Das fängt bei vermeintlichen Kleinigkeiten im Alltag an, wie zum Beispiel aus Respekt zu den Mitmenschen einen Mindestabstand einzuhalten (sei es auch nur aufgrund von potentieller Sinnhaftigkeit – schaden tut es niemanden) und geht hin bis zu Hilfestellungen für Menschen in Not (ältere/kranke Nachbarn, Bekannte, die unter Depressionen leiden, Unterstützung von karitativen Einrichtungen etc.)

Unterm Strich, sitzen wir was diese Pandemie anbelangt, „endlich“ einmal ausnahmslos alle im gleichen Boot – wäre doch toll, wenn uns diese Tatsache wohlwollender und freundlicher miteinander werden lässt und nicht (noch) verschlossener und verbitterter.

Was für uns alle jetzt also besonders wichtig ist? Freundlich zueinander sein, uns herzlich begegnen, anlächeln – geht auch unter der Maske – aufeinander schauen, menschlich sein.

 

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater, der Kunst an sich zu?

Sowohl gesellschaftlich, als auch persönlich fände ich es großartig, wenn wir uns darauf besinnen wieder stärker von innen nach außen zu leben – derzeit kommt es mir so vor, als geschähe oft genau das Gegenteil.

Was einen individuellen Aufbruch und Neubeginn betrifft, so hoffe und wünsche ich mir für uns alle, dass ein Umdenken stattfindet, ein Besinnen auf „was ist mir persönlich wirklich wichtig?“ und ein – wenn auch anfänglich vielleicht nur schrittweises oder zaghaftes – dementsprechendes Handeln. Wesentlich dabei, denke ich, wird vor allem viel Mut und eine große Portion Ehrlichkeit mit sich selbst sein, um all die fremden Muster, Glaubenssätze und eingefahrenen Strukturen zu durchbrechen. Wenn all das weg fällt, bleibt mehr – dann bleibt nämlich alles, was wesentlich ist.

„(…) ein Vergnügen ohne Verlangen, eine Existenz ohne Dauer, eine Schönheit ohne Willen. Denn die Kunst ist die Emotion ohne das Verlangen.“ ( Muriel Barbery, „Die Eleganz des Igels“)

Ich glaube immer mehr, dass Kunst und Kultur uns leben lassen – weg vom nackten Existieren und Funktionieren hin zum Leben. Wohin retten wir uns, wenn wir uns verloren und verzweifelt fühlen, wonach suchen wir, wenn wir endlich mal wieder genießen und feiern oder uns einfach ablenken wollen? Musik, Bilder, Menschen, die uns in andere Welten (ent-)führen und all das in einem „geschützten“ Rahmen, denn ich als RezipientIn bin jederzeit frei zu wählen, wie sehr ich mich auf Kunst einlasse und wann ich lieber distanziert daran teilnehme.

Ich glaube, dass Theater immer mehr und nun auch wieder stärker ein selbstgewählter willkommener Ort der Begegnung sein wird, ein Ort des miteinander Erlebens und des Austauschs. Wir Menschen sind „Herdentiere“ und auf kurz oder lang sehnen wir uns nach Gemeinschaft und Momenten, die wir miteinander teilen können.

 

 

Was liest Du derzeit?

Gerade habe ich (endlich einmal) „Sommergäste“ von Maxim Gorki zu Ende gelesen – das hab ich bis jetzt nur auszugsweise gekannt. Als Kopfkino und zum „Abtauchen“ lese ich jetzt (wieder einmal) „Kunststücke“ von Rolando Villazón, eines meiner Lieblingsbücher, das ganz behutsam, mit viel Humor und leiser Melancholie vom Alltag eines Clowns erzählt und dabei Fantasie – und Wachwelt fast unbemerkt zu einem Leben verschmelzen lässt. Große Empfehlung!

 

 

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Da gäbe es viele, aber spontan, weil eben gerade erst gelesen, aus Maxim Gorkis „Sommergäste“:

„Im Herzen Herrschaften fühle ich: es ist notwendig, es ist unerlässlich in den Menschen das Bewusstsein ihrer Würde zu wecken. In allen Menschen…in allen. Dann wird keiner von uns den anderen beleidigen. (…) lebt es sich leichter, fröhlicher unter Menschen, die sich ständig über das Leben beklagen? Seien wir doch gerecht (…) Was tragen wir alle zum Leben bei? Sie, ich, du?“

Sollte das als abschließendes Zitat zu trist sein, führe ich gerne noch ein schönes Lebensmotto von Pema Chödrön an:

„You are the sky, everything else is just the weather.“

 

Vielen Dank für das Interview liebe Amrei, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Theater-, Film- und weiteren Schauspielprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!

 

5 Fragen an KünstlerInnen:

Amrei Baumgartl, Schauspielerin

https://www.amrei-baumgartl.net/

Foto: Nicolas Galani

 

3.6.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com

 

 

 

 

 

„Literatur, Kunst ist das, was zwischen dem Werk, dir und all dem Rundherum passiert“ Judith Nika Pfeifer, Schriftstellerin_Berlin_22.6.2020

Liebe Nika, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Hm, im Vergleich zu wann..? Das ändert sich mit den Orten, an denen ich bin und den Menschen, von denen ich umgeben bin. In den vergangenen Jahren war ich viel unterwegs, permanent am Arbeiten auf Reisen in Indien, Marokko, Arizona, Brüssel, Berlin, Frankreich, Italien, das waren superspannende Erfahrungen. Noch bis vor kurzem war ich mit einer Residency in Washington, wir haben an einem Audio-Projekt gearbeitet. Durch die Pandemie musste ich meine Gastprofessur abbrechen, weil meine Health Insurance plötzlich ungültig wurde, was wiederum mein Visum beeinträchtigt hat. Die Georgetown University hat sehr bald auf COVID-19 reagiert und bereits früh den ganzen Betrieb auf Online umgestellt und meine students und ich konnten via Zoom den Audio Walk fertig machen. Ich wäre sehr gern länger geblieben. DC ist eine unglaublich spannende, bunte und alternative Stadt abseits von dem, was einem medial vermittelt wird, mit einer tollen Musikszene! Also, mein Tagesablauf: Aufstehen, ich hab mir eine Art Morgenroutine zugelegt, an die ich mich aber nicht immer halte, bisschen YouTube Yoga oder raus ins Grüne, schreiben, meditieren oder auch nicht, duschen, frühstücken, loslegen mit dem was zu tun ist. Das sind dann Projekttreffen, Skype-Meetings, Audio-Editing, schreiben, konzipieren. Lesen, News & Literarisches, überlegen wie es weiter geht. Wie eh auch immer schon. Wenn es zu viel wird und sich zu überwältigend anfühlt, raus in die Natur oder Leute treffen. Mit Freund*innen telefonieren, videochatten. Musik hören! Lärm machen. Mitsingen. Tanzen. Schreiben. Radfahren. Recherchieren. Das, was mir am Herzen liegt stärken & unterstützen. Mit Abstand auf die Strasse gehen. Neue Dinge lernen. Feiern. Ins Bett gehen. Schlaf ist eine tolle Reset-Taste.

 

Judith Nika Pfeifer

 

 

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Puuuh, also generell im Leben ist es denke ich wichtig, sich einen Doppelblick bewahren: Auf das schauen, was im Argen ist und zugleich darauf, was alles an Gutem passiert und bereits passiert ist. Versuchen, alles vermeintlich Negative als Chance zu sehen. Eigene Vor-Urteile abbauen, sich engagieren — Be an accomplice, but please: Stay in your lane! Zusammenhalten, und teilen. Für andere da sein. Dabei bei sich bleiben, schauen, was man selbst braucht. Sich Hilfe holen, wenn nötig. Aktiv werden auch im Kleinen. Feiern! Das Leben ist immer noch ein Fest. Antizyklisch sein, ein großer Lebensrat meines Vaters, er hat auch immer gesagt: Scheiß da nix! Und kollektiv: Aufhören, in denial zu leben. Es ist an der Zeit, dass Europa Stellung bezieht, sich bekennt zu seiner jahrhundertelangen Rolle und Mitverantwortung für den Zustand der Welt. Ich denke, das Wichtigste ist, dieses weltweite System, das auf einer künstlich erzeugten “Knappheit” basiert und über Gier und Angst und Ausbeutung von Menschen und unserer Umwelt funktioniert, umzustellen auf eines, das auf Kooperation und Verteilung des natürlichen Reichtums aufbaut. Das geht nur über einen Shift in unserem Wertesystem. Wild denken. Und ganz einfach: die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte leben & anwenden & justiziabel machen! Z.B. direkt, jetzt & gleich an den EU-Außengrenzen! Generell den Umgang mit unseren Ökosystemen überdenken. Alles fühlt, um es mit den Worten des famosen Andreas Weber zu sagen, er ist Naturwissenschaftler, Meeresbiologe, Kulturwissenschaftler & Philosoph — schwere Leseempfehlung!! In den Wissenschaften bahnt sich eine Revolution im Verständnis von Leben und Lebewesen an. Und das ist eine wunderbare Entwicklung. All things are alive. Wenn man sich indigenes Wissen anschaut, war das immer schon glasklar und gar nicht revolutionär.

 

 

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?

Nett geknebelt könnte man sagen, die Antwort darauf, welche Rolle der Literatur oder Kunst zukommt, hängt von der Haltung ab. Nimmt man “L’art pour l’art” in den Blick, also, dass sich Kunst gerade durch ihre Funktionslosigkeit und Autonomie auszeichnet, dann geht es darum, die Annahme, dass Kunst eine Rolle erfüllen könnte, zu hinterfragen. Was wiederum keinen Sinn macht, wenn man unseren Umgang mit Kunst im Alltag im Blick hat: Da ist die These, Kunst und Literatur hätten gar keine Funktionalität wenig überzeugend. Auch wenn sie nur für sich ist, ist die Kunst auch immer für uns da: Wir schauen uns Bilder an, tanzen zu Musik, singen Songs, lassen uns durch Filme, Bücher etc. ablenken und unterhalten, lesen Gedichte, nutzen Gemälde als Geldanlage, als Informationsvermittler, ziehen über sie Rückschlüsse auf Praktiken, spezifische Vorlieben einzelner Epochen und gesellschaftliche Spielregeln vergangener Zeiten. Wir thematisieren Konflikte, entwerfen Zukunftsszenarien. Doch auch wenn der Künstler/ die Künstlerin dem Werk eine Funktion geben möchte oder vielleicht auch gibt, ist es letzten Endes völlig unerheblich, was er oder sie mit dem Werk sagen will. Kunst hat ganz klar ein Eigenleben. Die Frage ist: Was sagt es mir, was kann ich in dem Werk entdecken? Darum geht es. Kunst ist das, was zwischen dem Werk, dir und all dem Rundherum passiert.

Spannend finde ich im Moment ja all die neuen Fragen der Kommunikation: Dieses Wechselspiel: Wie sind wir digital und analog miteinander verbunden? Was wird dadurch möglich oder im Gegenteil verunmöglicht? Oberflächlich wird “analog” ja oft mit Vergangenheit und “digital” mit Fortschritt gleichgesetzt, dabei ist es ungleich komplexer. Vieles lässt sich digital einfach so gar nicht umsetzen. Und umgekehrt.

Ganz allgemein sehe ich die Rolle von Literatur und Kunst als eine des Übersetzens, Containens, Verstärkens, der eines Katalysators, Ermöglichers, Vehikels, Zündstoffs, eines Mediums, einer Raumzeitkapsel, einer Plattform. Je nachdem wer schreibt bzw. Kunst macht und also selbst als Medium agiert. Da ist es wichtig, herum zu fühlen, Ideen zu spinnen, auf gegenwärtige und vergangene Diskurse zu schauen, Hierarchien im Blick zu haben, sich — moralinfrei — mit der Welt mitdrehen und den Humor bewahren, einfach wahrzunehmen, wie sich die Dinge verschieben, zu schauen: Was ist es denn, was sich zeigt bzw. zeigen will und welche Form nimmt es an? Das Tolle ist, dass man aus allem etwas machen kann.

 

 

Was liest Du derzeit?

 Gerhard Rühms “um zwölf uhr ist es sommer”

“Night Sky with Exit Wounds” von Ocean Vuong

von Ling Ma “Severance” und

“Träume von Räumen” von Georges Perec

 

 

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

 

alles was man sagen kann

kann man auch beiläufig sagen

 elfriede gerstl

 

Klassiker auf Klassiker, Wittgenstein brilliant ge-tweakt oder besser gesagt: grandios ver-gerstlt 🙂

 

“subvers in spe

to apocalypse

apocalypse later

weltuntergehe dich

später”

 

herbert j. wimmer

 

 

 

Oder wenn’s von mir was sein soll

 

„to be announced:

jede/r hat a angst

leave a reply

 

reply:

 

spread the word:

jede/r hat antworten

leave a fear“

 

 

Vielen Dank für das Interview liebe Judith, viel Freude und Erfolg für Deine vielfältigen Literaturprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!

 

5 Fragen an KünstlerInnen:

Judith Nika Pfeifer, Schriftstellerin, 

http://www.judithpfeifer.com/welcome/hello_hello.html

 

8.6.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com

 

 

„Ich sehe keinen Neubeginn – nur das immergleiche Rad“ Lydia Haider, Schriftstellerin_Wien 19.6.2020

Liebe Lydia, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Jetzt? In Corona oder wegen des Bachmannpreises?
Mein Tagesablauf war und ist immer anders – aber Regelmäßigkeit, so eine biedere oder spießbürgerliche immergleiche Abfolge des Lebens, sind auch mein allergrößter Feind. Ich habe mir mein Leben schon so gebaut, dass das unmöglich ist/wird.

 

Lydia Haider Querformat (c) Karin Hackl

 

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Ich weiß nicht, was für UNS wichtig ist. Ich weiß nicht einmal, was für MICH wichtig ist.

 

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst zu?

Ich sehe keinen Neubeginn – nur das immergleiche Rad, das sich dreht und dreht und dreht.

 

Was liest Du derzeit?

Marianne Fritz: Dessen Sprache du nicht verstehst

 

Welchen literarischen Impuls möchtest Du uns mitgeben?

Mehr Vielfalt, weniger Einfalt.

 

Vielen Dank für das Interview liebe Lydia, viel Freude und Erfolg für Dein großartiges aktuelles Buch als Herausgeberin  –  „Und wie wir hassen!“  15 Hetzreden; Verlag Kremayr&Scheriau, 2020  – und für den Bachmannpreis wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!

 

5 Fragen an KünstlerInnen:

Lydia Haider, Schriftstellerin, Bachmannpreisteilnehmerin 2020

https://bachmannpreis.orf.at/stories/3047041/

link zum buch:  https://www.kremayr-scheriau.at/bucher-e-books/titel/und-wie-wir-hassen/

 

3.6.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com