„Literatur und Kunst kommt jetzt die Rolle zu, in Bewegung zu bleiben“ Rhonda Lamberty, Schriftstellerin _ Naturpark Zirbitzkogel-Grebenzen/Stm. 31.7.2022

Liebe Rhonda, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Also, ich stehe um 10 Uhr auf.

Am Vormittag bin ich meistens mit Kommunikation, Planung für künstlerische Projekte oder Korrespondenz beschäftigt. Die Nachmittage verbringe ich im Garten oder im Wald. Heute habe ich ein Wildkräuter-Pesto zubereitet und Schafgarbe für eine Tinktur gesammelt sowie bereits getrocknete Heilkräuter für eine Teemischung zusammengestellt. Das sind die Dinge, die mich erden. Danach war ich im See schwimmen und mich sonnen. An Regentagen schaue ich stattdessen ins Grüne oder erledige private Dinge.

Mit meiner eigentlichen Arbeit beginne ich erst um 18 Uhr. Ich bin am Abend kreativ, konzentriert und auch am produktivsten.  Das war immer so. Ich mag die Geräusche der Nacht, das Zirpen der Grillen und die umherschwirrenden Nachtfalter im Schreibatelier. Ich arbeite derzeit an zwei verschiedenen Manuskripten, lese nebenbei in Texte von KollegInnen hinein, schau mir gerne eine Literaturverfilmung an und analysiere das Treatment. Meistens arbeite ich bis 2 Uhr morgens.

Da ich meine Sportroutine am Tag häufig nicht unterbringe, kommt es oft vor, dass ich das um Mitternacht nachhole und auf dem Hometrainer radelnd Musik höre. Danach schreibe ich noch ein Stündchen weiter.

Rhonda Lamberty, Schriftstellerin

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Wasser ist für uns alle besonders wichtig, denn im Wesen und Kreislauf des Wassers sind viele Antworten verborgen, nach denen wir suchen. Wasser lehrt uns auch, die eigenen Quellen besser kennenzulernen. Das hilft, denke ich, allen.

Rhona Lamberty _ Schreibatelier _
Blick aus dem Fenster_ Naturpark Zirbitzkogel-Grebenzen/Stm
_ folgende

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?

Diesen Prozess habe ich schon hinter mir. Sich mit der Natur und den Tieren zu verbinden erscheint mir wichtig.

Literatur und der Kunst an sich kommt jetzt die Rolle zu, in Bewegung zu bleiben, um nicht zu erstarren, weil vieles in der Realität von Problemen geprägt ist und hoffnungslos, lähmend wirkt. Für mich bedeutet das in Dialog mit KünstlerInnen anderer Sparten zu treten und zu interagieren wie in einem Tanz. Ich bin gespannt, wie sich die gemeinsamen Projekte entwickeln werden.


Der Schönheit und Sinnlichkeit treu zu bleiben, ist mir als Schriftstellerin besonders wichtig. Das fehlt der Politik, der Justiz, der Wirtschaft, sogar der Wissenschaft und der Religion im Kern und in ihrer Wesensart. Deshalb brauchen die Kunst alle.

Was liest Du derzeit?

Ich habe soeben das Buch „love in the big city“ von Sang Young Park, einem Shooting-Star der südkoreanischen Literatur, beendet.

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Ich würde mich gerne ans Ufer setzen und mich umsehen“, sagte Nadja, „wie klar das Wasser ist. Wie unendlich es fließt. Wie die Kieselsteine sich bewegen darin. Und die Pflanzen sich gegen den Strom stellen, um nicht mitgerissen zu werden.“

„Wollen Sie mitgerissen werden?“.

„Nein, auf keinen Fall. Ich will flussaufwärts gehen.“

aus meinem Roman: hydros

Vielen Dank für das Interview liebe Rhonda, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

5 Fragen an Künstler*innen:

Rhonda Lamberty, Schriftstellerin

Fotos: Portrait_Arnold Pöschl; Naturpark Zirbitzkogel-Grebenzen/Stm _Rhonda Lamberty.

17.7.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

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„Romy Schneider wollte sich selbst überraschen“ Peta Klotzberg, Schauspielerin _ 40.Todesjahr Romy Schneider _ Wien 31.7.2022

Peta Klotzberg_Schauspielerin, Sängerin, Klangkünstlerin_Wien_acting Romy Schneider _
_ Hotel „Der Wilhelmshof“ Wien _
40.Todesjahr Romy Schneider
, Schauspielerin (+1938 Wien +1982 Paris)

Liebe Peta, welche Bezüge, Zugänge gibt es von Dir zu Romy Schneider?

der impuls für die auseinandersetzung mit dem menschen und der schauspielerin Romy Schneider war dieses interview und fotoshooting. danke also dafür, walter, dass es mich in die welt dieser faszinierenden person entführt hat.

Gibt es einen Film von Romy Schneider, den Du hervorheben möchtest und warum?

Der film „Gruppenbild mit Dame“ (1977, regie: aleksander petrovic, basierend auf dem roman von heinrich böll, wird in meinen augen und in meiner wahrnehmung vom großen schauspielerischen können Schneider´s getragen. auch die herausforderung einer literaturverfilmung ist hier gelungen. auch die frühen filme „Mädchen in Uniform“ (1958, regie: géza von radványi) finde ich beachtlich, weil es ein erster, von vielen, wendepunkt in Schneider´s schauspielkunst zeigt, raus aus der Sissy-figur in neue facetten und darstellungsformen. es ist nicht leicht, sich aus so einem korsett zu befreien, und es ist ihr so gut gelungen. vor allem insgesamt, die vielfältigkeit ihrer so umfassenden arbeit verblüfft mich, lässt mich staunen: experimentelle filme, komödien, politische dramen, romanzen… in deutsch, (englisch), französisch.

Romy Schneider spielte in ihren Filmrollen sehr intensiv und ausdrucksstark, auch körperlich, und ging bis an die Grenzen des persönlich Möglichen. Etwa in den Filmen „Nachtblende“, „Trio infernale“ oder „Die Spaziergängerin von Sans-Souci“. Wie siehst Du als Schauspielerin die Darstellerin Romy Schneider?

ich denke, Romy Schneider war sehr ehrgeizig in ihrem tun. wenn sie das gefühl hatte, eine rolle zu wollen, hat sie darum gekämpft, so vermittelt es sich mir in den interviews. eine gewisse angst schwingt da mit, meine ich zu spüren, dieses ständige sich selbst (und am nebenschauplatz den anderen, der weltöffentlichkeit) beweisen zu wollen, zu müssen, dass sie „es“ kann, noch immer kann, wieder kann, besser, anders. Romy Schneider wollte sich selbst überraschen, sie wollte nie, nie stehen bleiben, das hat sie schon ganz früh gesagt, „mich auf meinem erfolg ausruhen, das kann ich nicht“. sie war immens selbstreflektiert, was ihre arbeit, die rollenauswahl, regisseure, spielpartner anging, sie wusste sehr gut, was ihr zu diesem zeitpunkt ihres lebens gut tut, was sie weiterbringt. Hatte ein auge auf die geschehnisse ihrer branche. sie war pushy, aber in einem sehr produktiven, ich finde positiven sinn. und neugierig. und, natürlich, hochprofessionell. es scheint ihr freude gemacht zu haben, sich selbst immer neu, mit neuen seiten zu entdecken, ihre talente, ihre ausdrucksmittel zu verfeinern, zu variieren, zu vertiefen, rastlos und suchend.  

Müssen Mensch und Rolle sich immer ganz nah, intensiv berühren, um diese zu spielen und auch das Publikum berühren zu können?

es muss – wie immer im leben auch im spiel – gar nichts sein. manche  rollen sind erfahrungsgemäß mehr arbeit, manche gehen leichter von der hand, der seele, aber unabhängig von der nähe zum eigenen charakter, zum selbst, ich hätte da keine regelmäßigkeiten festgestellt bisher.

Gibt es Momente in einer Darstellung, in der sich gleichsam die Kontrolle über die Rolle verlieren kann? Und wenn ja, was holt einen dann zurück?

ja.

das können ganz besonders magische und „heilige“ momente sein, oder ganz furchtbare, grottenschlechte. fast immer ist es bei mir auch nach einer vorstellung so: es dauert (bei mir) immer ein paar stunden, bis ich „runterkomme“. dann spaziere ich….lange…bis der boden zurückkommt,. ein schönes gefühl ist das, sich in der sache zu verlieren.

Würdest Du einen Film von Romy Schneider gerne spielen und wenn ja, warum?

„Eine einfache Geschichte“. inhaltlich gesehen so einfach und so dicht, die bilder auch sehr erzählerisch. sowie „Die Frau am Fenster“.

Es gibt von Romy Schneider sehr viele Fotoserien. Gibt es eine Serie, die Du hervorheben möchtest?

es ist für mich tatsächlich die serie im bretonischen seebad quiberon, als sie dem stern ein interview gab, die fotos von robert lebeck eine der eindringlichsten und berührensten fotostrecken. obwohl ich das eigentlich gar nicht reihen oder werten will, denn Romy Schneider war in jeder phase und mit jeder faser ihres lebens spannend, in natura und vor der linse. berührend sind auch die aufnahmen mit ihren kindern, allerdings  überschreiten solche bilder in meiner welt grenzen der privatheit. die fotos, die im zuge der dreharbeiten zu „Der Swimmingpool „ entstanden, vermitteln auch so viel von ihrem esprit.

Wie siehst Du Romy Schneider vor der Fotokamera? Ist sie da Schauspielerin oder Privatperson oder beides?

ich denke und hoffe, sie war schauspielerin, ich denke, sie konnte meist ihre grenzen gut wahren und hatte kontrolle über die arbeit. andererseits kann ich in den interviews eine ernsthaftigkeit verorten, ein bemühen, fragen für sie richtig und passend zu beantworten, auch ein ehrliches verstehen-gewollt-werden, eine permanente echte reflexion, …

mh…es bleibt wohl ihr geheimnis, und das ist gut.

Auch unser Projekt ist ein szenisches Foto/Interviewprojekt. Wie hast Du Dich im Vorfeld darauf vorbereitet und was ist Dir dabei wichtig?

interviews, youtube, und filmausschnitte, fotos. ich habe mich vor allem von ihrer sanften, vollen, runden stimme in bann ziehen lassen, die ist sehr charismatisch und verführerisch. die will erzählen, und sie will verstanden und gehört werden, das hört mensch dieser stimme an.

Wie siehst Du das Spannungsverhältnis von Öffentlichkeit und Schauspielberuf bei Romy Schneider wie an sich?

Romy Schneider stammt ja aus einer schauspielfamilie, mit 15 Jahren hatte sie ihr erstes engagement, sie ist damit groß geworden, eine person des öffenltlchen lebens zu sein. ob es das leicher macht? ich glaube, ja. aber ich muss daran denken, wie wütend sie war, zurecht, klarerweise, als nach dem tod ihres sohnes fotos veröffenlticht wurden. man denkt, es müsse doch grenzen geben, aber nein, unsere welt ist recht grenzenlos, ausbeuterisch und profitorientiert im unguten sinn. ich stelle mir diesen tanz mit der öffentlichkeit recht schwierig vor, es ist ja auch eine abhängigkeit dabei, voneinander, für beide seiten. einfach ist es nicht.

Romy Schneider wechselte nach großen Schauspielerfolgen in den 1950er das Filmgenre wie das Land. Wie siehst Du die Möglichkeiten persönlichen Entwicklungsweges im Schauspielberuf?

ich sag mir das jetzt schon seit einigen jahren, ich sollte unbedingt mal wieder raus aus diesem doch recht engen, engstirnigen land. Der norden, da zieht es mich hin,, amsterdam, kopenhagen, oder london. mal sehen, vielleicht lässt sich ein stipendium ergattern… neues sehen, andere kulturen und sichtweisen erleben, das ist eine gewisse verpflichtung in unserem beruf.

Wie war Dein Weg zum Schauspiel und welche Erfahrungen hast Du in Wien im Schauspielberuf gemacht?

kurvenreich, verschlungen und auch abgründig. ich bin da hineingerutscht, auch oft ausgerutscht, wieder rausgerutscht, um wieder hineinzuschlittern.. es klingt so, und es ist so, ich habe da kaum kontrolle darüber. ich will bloß geschichten erzählen, und so lange menschen da sind, die das mit mir gemeinsam tun wollen, geh ich den weg. zusammen.

Was wünscht Du Dir für den Schauspielberuf?

fairness. das besonders regisseure verstehen, dass wenn sie ein netz schaffen, wenn sie vertrauen im spieler der spielerin wecken können, dass dann potential entfaltet werden kann, dass ressourcen voll ausgeschöpft werden. das es gilt das ensemble ganzheitlich zu stärken und zusammenspiel zu fördern, weil wir dann alle das publikum besser hineinziehen können in das geschehen. Miteinander statt gegeneinander, nicht nur wegen der menschlichkeit und dem seelenfrieden, sondern schlicht auch hinsichtlich  effizienz und erfolgsaussicht, und ich wünsche mir mehr zeit für jedes einzelne projekt, um mehr in die tiefe gehen zu können, um den raum zu erforschen, die rolle, das sickern lassen. ja, zeit. Ich habe das gefühl, dass ich derzeit ziemlich drum kämpfen muss, länger an einem projekt bleiben zu können.

Was sind Deine kommenden Projekte?

wir bauen derzeit unsere beiden gesangs/klangprojekte „Frauen S(s)timmen“ – hier fehlen gefühltermaßen noch so viele wichtge liedermacherinnen im programm – und die klangkunstschiene LIQUIDinfinit weiter aus, das oben erwähnte feilen und schleifen an bestehendem , das ist sehr wertvoll erachte, auch zufriedenstellend. das stationentheaterstück „erstrahlen“ wird im herbst in 1050 und 1090 wien wieder aufgenommen, und wir schreiben gerade konzepte und texte für das nächste lab42 stück „fortunate water“.

Was möchtest Du Schauspielstudenten*innen mitgeben?

„Data „ aus StarTreck hat es so schön gesagt: „The trick ist o not mind it“ und,

um es mit Beckett zu erweitern: „Dance first. Think later. It´s the natural order.“

Wie siehst Du die Umstände des Todes von Romy Schneider?

dazu möchte ich mich nicht äußern.

Was würdest Du Romy Schneider sagen, fragen wollen?

auch das bleibt bei mir.

Was kann eine Schauspielerin von Romy Schneiders Werk und Leben mitnehmen?

vieles. alles. Romy Schneider zu studieren, zu betrachten, zu verstehen – da kann mensch unglaublich viel über schauspielkunst lernen!

Romy Schneider hat auch viele Interviews gegeben. Gibt es ein Interview, das Dich besonders anspricht und möchtest Du vielleicht ein Zitat hervorheben?

„Ich kann alles im Film, im Leben nichts“. Ich glaube das nicht, aber ich verstehe den grundgedanken. es ist, so schwierig und anstrengend und emotional es auch ist, das schauspiel  – ein spiel.

Darf ich Dich abschließend zu einem Romy Achrostikon bitten?

R eibungsfläche bist Du, verschenkst dich

O hne zu zögern, ohne mit der Wimper zu zucken

M it offenen Armen, Herzen,  Deine Leben – wie eine

Y acht in weiter See.

Peta Klotzberg_Schauspielerin, Sängerin, Klangkünstlerin_Wien_ acting Romy Schneider

40.Todesjahr _ Romy Schneider, Schauspielerin (*1938 Wien +1982 Paris) 

Interview und alle Fotos_Walter Pobaschnig _Wien_7.2022

Hotel Wilhelmshof Wien_

Herzlichen Dank, liebe Peta, viel Freude und Erfolg für alle Projekte!

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Walter Pobaschnig 7_22

„Crescendo im entlegenen Land“ Dagmar Cechak, Schriftstellerin _ Give Peace A Chance _ Klagenfurt 31.7.2022

GIVE PEACE A CHANCE

Crescendo im entlegenen Land

Geh leise

In dich auf Zehenspitzen

Vergiss den Lärm

Erfühle die Stille

Pfeilschnell

Erweitern sich

Abgründe, du weichst aus

Chiffrierst den Hass auf Unlesbar

Entkommst der Verschwörung

Alabasterbleich

Courage, so hat man dich gelehrt

Hat viel Mut im Gepäck

Als wenn es dir dran fehlte

Noch ist es Zeit, doch dröhnt schon das

Crescendo unbarmherzig im

Entlegenen Land


Dagmar Cechak, 28.7.2022

Dagmar Cechak, Schriftstellerin

Give Peace A Chance_Akrostichon for peace:

Dagmar Cechak, Schriftstellerin

Foto_privat

Walter Pobaschnig _ 28.7.2022.

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„Ich versuche in meinem Schreiben vom traditionellen Erzählen wegzukommen“ Ana Marwan, Bachmannpreisträgerin 2022 _ Sommerinterview Teil I _ Station bei Malina_Wien 30.7.2022

Ana Marwan, Schriftstellerin, Bachmannpreisträgerin 2022_
Station bei Malina_Wien

Liebe Ana, herzliche Gratulation zum Bachmannpreis 2022 und ein herzliches Willkommen hier in der Ungargasse in Wien 1030, die literarischer Hauptschauplatz des Romans „Malina“ (1971) von Ingeborg Bachmann ist.

Ingeborg Bachmanns erster und einziger Roman spielt in Wien und beginnt mit einer Vorstellung, Beschreibung der Protagonisten:innen. Darf ich Dich zu Beginn des Interviews um eine Vorstellung Deinerseits in drei/vier Sätzen bitten?

Da muss ich schon bei der ersten Frage passen (lacht) – ich weiß nicht, wer ich bin – aber ist es nicht in „Malina“ auch so? (lacht)

Fragen der Identität in allen Wandlungen, Begegnungen, Krisen sind Themen meines Schreibens.

Es wird vom Menschen erwartet, dass er sich definiert, dass er weiß, wer er ist, aber wir sind im Spiegelbild nie dieselben. Ich akzeptiere das, und es ist kein Problem für mich. Es muss nicht alles eine abschließende Definition finden.

Belastend sind in diesem Zusammenhang gesellschaftliche Erwartungen, da dieses Offenlassen selten akzeptiert wird. Vielmehr gibt es da ein „Muss“. Ich möchte mich davon bewusst wegbewegen und sagen, es ist ok so.

Haben sich für Dich mit dem Gewinn des 46.Bachmannpreises 2022 auch die gesellschaftlichen Erwartungen verändert, vergrößert?

Grundsätzlich hat sich für mich sehr viel verändert. Ich war es gewohnt in Stille, ja, Einsamkeit, zu schreiben und dies war auch literarisches Thema.

Im Schreiben habe ich vorher nie an die Leser:innen gedacht, ich habe immer für mich selbst geschrieben. Ich habe auch nicht an Leser:innen geglaubt. Aber jetzt ist es Realität geworden, Leser:innen sind präsent. Ich weiß nicht, wie dies mein Schreiben weiter beeinflussen wird.

Ich habe auch nach dem Bachmannpreis gemerkt, dass Menschen von einer Künstlerin politisches Engagement erwarten. Bei den Themen wird einem nicht viel Auswahl gelassen, man wird da in Richtungen geleitet. Ich versuche Schubladisierungen zu vermeiden. Abstraktion, also Dinge auf das wesentliche reduzieren zu können, ist wichtig im Denken, aber es sollte mehr Schubladen geben, als es sie gibt, finde ich.

Jim Morrison, der Sänger der 1960/70er kalifornischen Rockband „The DOORS“, bezeichnete sich als „erotischen Politiker“ und wies damit auf Kunst in ihrem Weg des „Eros“ der umfassenden Selbsterfahrung und Selbsterkenntnis hin. Siehst Du Kunst in diesem existentiellen Kontext?

Das hat Jim Morrison gesagt? (lacht).

Ja, es war in einem kurzgefassten Flughafen Interview.

Wir haben als Kind nur Jim Morrison gehört, weil mein Vater ein Fan war.  Und ich konnte alle seine Texte auswendig, bevor ich Englisch sprechen konnte (lacht). Erst später habe ich dann gewisse Songpassagen besser verstanden. Etwa „rabid“ (Anm: tollwütig), das ich zunächst als rabbit (Anm: Hase) verstanden hatte (lacht).

Ja, alles was wir machen ist politisch. Die Welt färbt an uns ab und wir zeigen dies in jedem Wort, in unserer Kleidung, in allem zeigen wir diese Einflüsse.

Ich finde aber die persönliche Sicht auf ein Kunstwerk sehr wichtig. Der Autor sollte da nicht zu stark anleiten, in dem er vermittelt was er gemeint hat. Das ist falsch für einen Künstler.

Das Wichtigste in der Literatur ist, dass sie dem Leser die Gelegenheit bietet, in fremde Welten, Köpfe eintauchen zu können und dass dies unsere Empathie herausfordert und wir damit eine neue ethische Stufe erreichen, die wir nur mit mehr Empathie erreichen können.

Wie wichtig ist Dir als Schriftstellerin der Austausch mit weiteren Kunstrichtungen?

Ich glaube nicht an direkte künstlerische Einflüsse. Ich jedenfalls suche dies abzuwehren, weil ich nicht nachahmen will. Aber alles ist Teil der Welt, in der wir in jeder Sekunde einen neuen Abdruck bekommen. Wir werden permanent dadurch verändert. Alles verändert den Menschen. Wesentlich sind dabei die persönlichen Erfahrungen.

Man sollte nicht Kunstmachen, weil man gerne Künstler:in sein möchte. Es gilt etwas zu sagen zu haben, aus einem Bedürfnis heraus. Etwas das einen betrifft, belastet. 

Existentielle Wahrnehmung und Veränderung sind Themen in Deinem Debütroman „Der Kreis des Weberknechts“ (Otto Müller Verlag, 2019) wie Deinem Bachmannpreistext 2022.

Ingeborg Bachmann formuliert in „Malina“, dass es unmöglich ist, „heute“ zu sagen, da es von „höchster Angst und fliegender Eile“ bestimmt ist.

Wie können Menschen mit diesen Prozessen, Anforderungen von Identität und Welt umgehen und zurechtkommen?

Wir haben als Menschen sehr viele Facetten. Ich glaube, dass es eine Identität nicht gibt und dass es irreführend ist, das ganze Leben lang mit dem gleichen Nomen/Namen beschrieben zu werden. Vielmehr gilt es mit und in dem Heute, Gestern, Morgen zu leben, zu leben versuchen. Es immer neu zu versuchen.

Der Roman „Malina“ wurde vor fünfzig Jahren geschrieben. Wie aktuell ist dieser?

Er ist zeitlos, trifft die Gegenwart.

Das erste Kapitel von „Malina“ ist betitelt „Glücklich mit Ivan“. Was bedeutet Dir Liebe?

Ich denke, es ist mit mir nicht so einfach in einer Beziehung und ich hatte so ein Glück meinen Mann kennengelernt zu haben. Er ist ganz anders als ich und er versteht mich trotzdem, das finde ich sehr bemerkenswert. Das ist sehr selten, glaube ich, und ich schätze das sehr.

In Deinem Roman „Der Kreis des Weberknechts“ kommt es ja zu keiner glücklichen Beziehung, vielmehr sind es „Netze“, die Karl und Mathilde narzisstisch auswerfen, um einander einzufangen, was nicht gelingt. Ist dies ein Spiegelbild unseres Liebesverständnisses in der Gesellschaft?

Grundsätzlich glaube ich, dass das Wort „Liebe“ die Komplexität ihrer selbst nicht umfasst. Wir bräuchten da viel, viel mehr Worte. Sich zu verlieben, finde ich, hat mit der Liebe wenig zu tun, und da finde ich das deutsche Wort dafür sehr gut; verliebt sein hat so wenig mit der Liebe zu tun wie z.B. „Laufen“ mit „sich verlaufen.“ Also ich glaube, dass Lipitsch eher verliebt ist. Er sollte mehr lieben.

In „Malina“ ist das letzte Kapitel „Von letzten Dingen“ betitelt. In Deinem Roman sind die Themen Vergänglichkeit, Sinn auch ein Thema. Welchen Zugang hast Du persönlich zu diesen „letzten Dingen“?

Menschen haben ein Bedürfnis nach Sinn in allem Chaos. Die Tatsache, dass wir sehr früh im Leben den Tod als unausweichliches Ende akzeptieren müssen, macht für mich vieles absurd. Ich denke auch, dass die Logik eine menschliche Erfindung ist und hat nichts mit dem Universum zu tun.

Das Verlangen nach einer kausalen Kette finde ich im Leben problematisch und auch im Erzählen. Ich denke, dass es falsch ist, nur mit Geschichten aufzuwachsen, in denen alles Sinn macht und wir dann glauben, alles verstehen zu können, zu müssen.

„Malina“ ist da eine sehr schöne Ausnahme (lacht).

Auch Grimms Märchen sind ok, da ist mir auch nicht alles klar. Ich weiß etwa nicht, warum die Prinzessin, die den Frosch misshandelt und gegen die Wand wirft, dafür mit einem Prinzen belohnt wird. (lacht).

Unsere Romane, Erzählungen heute machen alle mehr oder weniger Sinn. Diesen Sinn suchen wir dann überall im Leben und möchten Dinge verstehen, die man nicht verstehen kann.

Die Suche nach Sinn führt uns oft sehr weit weg von der Wahrheit, weil es letztendlich für uns schon genug ist, dass etwas plausibel klingt und dann glauben wir es. Wir sind da ganz leicht in die Irre zu führen.

Ich versuche in meinem Schreiben vom traditionellen Erzählen und deren Schemata wegzukommen. Eine Richtung ist da etwa das Fragment, das eher meinem Weltbild entspricht.

Im Roman „Der Kreis des Weberknechts“ habe ich bewusst versucht mit Erwartungen des Lesers zu spielen. Die Vorstellung von Mann und Frau zu Beginn des Romans erzeugt bereits eine Erwartung und diese wollte ich brechen. Denn im Leben ist es einfach nicht so, dass unsere Erwartungen erfüllt werden. Ich denke, es ist näher an der Wahrheit, wenn ich im Schreiben die Leser:innen enttäusche.

Dein Roman beginnt mit Gedanken an den Tod und endet mit dem Tod als erwartete Wiederkehr. Ist der Tod die einzige erfüllte Erwartung des Lebens?

Ja, wahrscheinlich.

Als ich sehr jung war und versuchte einen Sinn zu finden, was mir nicht gelungen ist, hat mich etwas getröstet, was mir ein Erwachsener sagte –  dass der Tod Sinn mache, weil wir in einer Unsterblichkeit alles im Leben auf einen späteren Zeitpunkt verschieben würden (lacht). Das war ein guter Trost damals.

Das Leben muss keinen Sinn machen, es reicht, wenn es der Tod tut.

In Deinem Roman ist für Karl der Tod mit Wiederkehr, Rückkehr in die Kindheit, verbunden, also einer Wiedergeburt. Ist dies auch eine Utopie, Hoffnung für Dich?

Ich bin Agnostikerin und ich habe keine Ahnung was nach dem Tod passiert. Es sind aber Szenarien, was sein könnte, die mich beschäftigen und eine davon ist die Wiederkehr, die im Roman vorkommt, die ewige Wiederkehr des Gleichen. Ich bin da ursprünglich nicht von Nietzsche ausgegangen, aber kurz bevor mein Roman fertig war, habe ich zufällig „Also sprach Zarathustra“ (Friedrich Nietzsche, 1883, Anm.)  gelesen und seine Idee entsprach 100% der meinen. Also fügte ich Nietzsche noch namentlich dazu.

Ich finde es witzig, dass wir alle ähnliche Ideen haben und diese dann benennen müssen mit den Namen großer Philosophen, die gestorben sind, obwohl diese Ideen eigentlich archetypisch sind. 

In Deinem Bachmannpreistext sprichst Du auch das Thema Zeit und Leben an – „…ich weiß, die Zeit lässt sich nicht sparen, man kann sie nur verschwenden, im Sekundentakt.“ Welche Bedeutung hat Zeit für Dich?

Jede Sekunde nähern wir uns dem Tod.

Wir leben jetzt schon oft im Moment, glaube ich. Das soll man ja. Aber vielleicht gerade zu sehr. Wir leben in einer audio-visuellen Welt der Überreizung, die uns bzw. unser Gedächtnis gefährdet. Ich halte im Zusammenhang mit Zeit auch die Erinnerung für sehr wichtig.

Du hast in Deinem Bachmannpreistext den Rückzug, die Einsamkeit, in der Zeit der Pandemie beschrieben. Wie hast Du diese Zeit als Schriftstellerin erlebt?

Mein Buchprojekt über die Einsamkeit begann vor der Pandemie. Ich suchte dafür den Rückzug, um das Thema bearbeiten zu können. Und als ich damit fertig war, kam die Pandemie.

Das Schwierige in der Pandemie im Zusammenhang mit der Einsamkeit war, dass es keine Wahl mehr gab. Ich habe versucht, die positiven Seiten zu sehen und hatte große Hoffnung, dass wir sehr viel daraus lernen können, etwa über alternative Lebensweisen, darüber, dass wir unterscheiden, was wir brauchen und nicht brauchen in unserem Konsum. Auch bezüglich unserer Klimaverantwortung, dass uns bewusst wird, wir müssen nicht ständig herumreisen. Ich weiß nicht, haben wir etwas aus der Pandemie gelernt?

Ich habe auch geglaubt, dass es anders wird, wenn die Pandemie vorbei ist, ich weiß nicht, ob sie vorbei ist, ich dachte, wir würden entweder dann zurückgezogener leben oder dass eine „carpe diem“, Roaring Twenties (Anm: 1920er Jahre) mood ausbricht (lacht).

Die Pandemie war ein Einschnitt, weil es dem gesellschaftlichen Narrativ „Wir können tun was wir wollen. Wir können werden, wer wir wollen“ widersprach. Das erschütterte den modernen Menschen.

Dein Bachmannpreistext beginnt mit der Begegnung mit dem Briefträger. Dies ist auch im Roman „Malina“ ein wesentlicher Topos. Welche Rolle kommt diesem Boten, diesem Kontakt in der Einsamkeit zu? Ist dies metaphorisch mit einem Engel vergleichbar, der eine „befreiende, erlösende“ Botschaft in die Welt, meine einsame Welt, bringt?

Ich fand es spannend, dass die Person des Briefträgers, die ja nur die Funktion der Verbindung zwischen Absender und Empfänger hat und damit persönlich unwichtig ist, dann aber in der Einsamkeit für sie zur wichtigsten wird, weil sie im Unterschied zu den virtuellen Absendern, real ist.

Kommt diesem Kontakt des Überbringens, diesem kurzen persönlichen Austausch, auch ein wesentlicher Sinnbezug, Lebensimpuls zu?

Ihre Sinnsuche, dieses Bedürfnis nach Nähe, Überschreitung des Ich, die einfach menschlich und nicht anders als bei anderen ist, formt aus dem Briefträger etwas, das den Umständen geschuldet war. Sie hatte einen Kontakt und einen Sinn gesucht und dies auf den erstmöglichen oder ja auch den einzigen aufgehängt.

Die Begegnung mit dem Briefträger findet über das offene Fenster des Hauses statt. Es ist nur ein Teil ihres Körpers zu sehen. Ist dies auch metaphorisch zu verstehen als Bruchstückhaftigkeit der, jeder Begegnung?

Ich finde diese Sichtweise sehr, sehr schön. Es war da jetzt nicht meine direkte Schreibintention aber ich schätze es sehr, wenn ein Text hier weiterführt in Gedanken.

In Deinem Roman „Der Kreis des Weberknechts“ ist Karl ein Mensch, der die Bewunderung von außen braucht und in den Lebensmittelpunkt stellt. Er lässt eine persönliche Beziehung nicht zu. Ist er ein Prototyp des modernen Menschen?

Wir sind als Menschen leider oft individualistisch, narzisstisch. Unsere virtuelle Welt fordert dies auch, sich immer wieder selbst zu präsentieren. Es geht dabei nicht um ein persönliches Kennenlernen, sondern um ein in die Irre führen, einfach einander etwas vorzumachen. Wir gehen da in eine falsche Richtung.

Es gibt in sozialen Netzwerken auch ehrliche, offene posts. Aber überwiegend ist es nur eine „Maske“, an der man in der Einsamkeit arbeiten kann und dann setzt man diese virtuell auf.

Ich finde, wir müssten viel, viel mehr an unserer Empathie arbeiten und nicht an unseren Masken.

Wie kann diese Arbeit an der Empathie gelingen?

Ich hoffe durch die Literatur.

Und die Ehrlichkeit. Es ist gesellschaftlich so, dass man Fehler, handicaps, immer mehr akzeptiert, aber es sollte dann nicht so sein, dass man diese immer betont und als Identitätsmerkmal sieht. Der Mensch soll einfach in seiner Vielfältigkeit gesehen und akzeptiert werden.

Wir bekämpfen im Umgang miteinander Hass mit Hass und das finde ich sehr, sehr falsch. Wir sollten verstehen wollen, akzeptieren und mitfühlen.

Ana Marwan, Schriftstellerin, Bachmannpreisträgerin 2022_
Station bei Malina_Wien

Ende _ Sommerinterview Teil I, Teil II zwei folgt am 6.8.2022

Station bei Malina_ Sommerinterview: Ana Marwan, Schriftstellerin, Bachmannpreisträgerin 2022

Aktueller Roman: „Der Kreis des Weberknechts“ Ana Marwan, Otto Müller Verlag.

Interview_Walter Pobaschnig , Wien 7_22

Alle Fotos_Walter Pobaschnig _ Ungargasse_Wien.

„Gib mir eine Friedenstaube“ Magdalena Kratzer, Schriftstellerin _ Give Peace A Chance _ Nürnberg 30.7.2022

GIVE PEACE A CHANCE

Gib mir eine Friedenstaube

Ich werde sie fliegen lassen

Vertraue auf ihre Kraft

Es wird alles gut

Packe deine Koffer

Einiges wartet hier auf Dich

Auch wenn Du noch zögerst

Chrysanthemen auf ukrainischen Gräbern hast du genug gesehen

Etliche Tränen dazu vergossen

Abends wirst Du in einen tiefen Schlaf fallen

Chancen gibt es hier viele

Heimat oder nicht oder irgendwann

Anfangs wirst Du dich vielleicht schwertun

Noch aber fliegt die weiße Taube nicht

Come to us

Eine warme Decke und Frieden warten hier auf Dich.


Magdalena Kratzer, 29.7.2022

Magdalena Kratzer, Schriftstellerin

Give Peace A Chance_Akrostichon for peace:

Magdalena Kratzer, Schriftstellerin

Foto_Verena Westernacher

Walter Pobaschnig _ 25.7.2022.

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„Eine Auswahl an Fluchtmöglichkeiten“ Gedichte. Lea Schlenker. Aphaia Verlag.

Lea Schlenker, in Zürich geborene und in Bern lebende Schriftstellerin, legt mit „Eine Auswahl an Fluchtmöglichkeiten“ einen Gedichtband vor, der mit ganz feinem ironischen Witz, Sinn wie beeindruckender Sprachfreude begeistert.

Es ist eine Sommerreise als mitreißende existentielle Achterbahnfahrt der Seele, die schonungslos mutig und zärtlich über das Leben zwischen Traum und Wirklichkeit, Wunsch und Erfahrung in den heißen Sand einer Jahreszeit schreibt und damit Himmel und Erde erleuchtet.

Lea Schlenker, verbindet in diesem Band die großen Traditionen phantastischer wie realistischer Poesie und verdichtet diese zu einem unverwechselbaren Stil, der selbstbewusst direkt das Thema im unbändigen Sprachspiel variiert und jongliert. Das Lesen macht große Freude und zaubert ein Lächeln wie im Schließen der Augen ein Nachdenken in Sonne oder Mond, das lange anhält. Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins wird hier wunderbar poetisch an Herz und Seele gepackt.

„Die Gedichte Lea Schlenkers im Sommerreisegepäck zu haben, heißt zu lächeln, zu staunen und Urlaub und Leben in allen Überraschungen zu lieben!“

Danke für dieses Sommer- wie zeitlose Jahreszeitgeschenk!

Lea Schlenker, Schriftstellerin

Lea Schlenker, Eine Auswahl an Fluchtmöglichkeiten. Gedichte. Aphaia Verlag, 2022.

Foto_Michael Bolzli

Walter Pobaschnig  7_22

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„Im Theater mehr Stücke losgelöst vom Geschlecht zu zeigen“ Hannah Monty Bacher, Schauspielerin und Autorin _ Wien 30.7.2022

Liebe Hannah, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Jeden Tag anders. Das Einzige, das gleich bleibt ist meine Morgen und Abendroutine.
Aufwachen, ein Glas Wasser, Sport & Stretch (währenddessen ein Album meiner Wahl hören), meine Stimme in Sprechen und Gesang trainieren, Duschen und dann die Morgentschik mit Kaffee.

Danach steht alles offen, entweder ich gehe zur Probe, zum Dreh oder befasse mich mit neuen Bewerbungen.

Am Abend schaue ich mir einen Film oder eine Serie an mit Schauspielenden, die ich interessant finde oder es wird ein Buch gelesen. Und dann natürlich das klassische 2 Stunden im Bett liegen und im Kopf neue Gedankenblitze und Hirngespinste analysieren.

Hannah Monty Bacher, Schauspielerin und Autorin

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Empathie und mehrere Ansichten verstehen versuchen.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?

Es ist und war immer schon wichtig, verschiedenen Blickwinkeln und Herangehensweisen einen geschützten Raum zu geben, um sich zu verstehen versuchen.
Dekonstruktion der altgewohnten Theaterwelt in der es x Männerrollen und x Frauenrollen gibt. Dieses Ganze‚ sich auf zwei Geschlechter versteifen‘ wird nicht länger dienlich sein. Es geht nicht darum ob Crossdressing ins Theater gehört, bzw ob sich das schickt, sondern dass mehr Stücke losgelöst vom Geschlecht gezeigt werden. Das Weglassen optischer Einschränkungen wird unsere Theaterwelt nur bereichern. Und das Theater hat die Möglichkeiten Menschen als Menschen, und nicht auf das Geschlecht reduziert, zu zeigen. Dabei meine ich nicht, dass Geschlecht, Sexualität oder Herkunft nicht gezeigt und gefeiert werden soll, ich meine damit, dass man nicht darauf reduzieren soll.

Was liest Du derzeit?

Kein Platz für Idioten – Felix Mitterer
und
Narzissmus, Verführung und Macht – Dr. Bärbel Wardetzki

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Seh noch nicht mal den Horizont, also wart nicht drauf dass ich wieder komm.

Hannah Monty Bacher, Schauspielerin und Autorin

Vielen Dank für das Interview liebe Hannah, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Theater-, Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

5 Fragen an Künstler*innen:

Hannah Monty Bacher, Schauspielerin und Autorin

Fotos_Sophie Fröhlich

22.7.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

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„Die Literatur muss mehr als sonst zeigen, was mit uns los ist“ Jesse Falzoi, Schriftstellerin _ Sardinien/Berlin 29.7.2022

Liebe Jesse, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

An drei Tagen arbeite ich in der Schule und wache gegen 7 Uhr auf, dann trinke ich Tee und kontrolliere meine Mails, Schule und privat, dann bis halbacht Spiegel online, dann mache ich mich schnell fertig, um 8 Uhr fahre ich mit dem Fahrrad los. Montags wöchentlich, dienstags monatlich und am Wochenende ein paar Mal im Jahr gebe ich an der VHS Kurse im Schreiben, alle möglichen Formate, das Gute ist, dass ich mitmachen muss (eine meiner Regeln beim Unterrichten), deswegen bleibe ich immer im Fluss, auch wenn ich mal keine Lust habe. Manchmal treffe ich mich mit meiner Schreibgruppe, den Tulubees, die aus einem englischen Workshop entstanden ist, oder mit anderen ehemaligen Teilnehmer*innen zum Quatschen und zum Schreiben, drei Mal die Woche versuche ich, bei Shut up & Write dabei zu sein, ein Treffen von Menschen, die schreiben, alle aus ganz unterschiedlichen Motiven, über die Meetup-app. Ich kann dort konzentrierter arbeiten als zuhause und das letzte Projekt war ziemlich schmerzhaft, das wollte ich nicht zuhause überarbeiten. Die Truppe ist sehr international, die Kommunikation findet auf Englisch statt, und der Kaffee ist an allen Treffpunkten lecker.

Jesse Falzoi, Schriftstellerin 

Durchschnittlich schreibe ich alle 2 Jahre einen Roman, mit dem Überarbeiten bin ich ungefähr zehnmal so lange beschäftigt wie mit dem Erstentwurf, d.h. wenn ich einen weglege, um wieder mit frischen Augen rangehen zu können, überarbeite ich den anderen, usw. Zurzeit sind 3 bei mir am Rotieren. Ich habe aber auch schon mal 2 Jahre nix gemacht, als ich Ballett entdeckt habe. Aber am Ende packt es mich immer wieder, wenn ich etwas Inspirierendes lese. Bei Rachel Cusk oder Sigrid Nunez zum Beispiel, und Alexander Chee und Margaret Atwoods Katzenauge haben mich zu meinem aktuellen Erstentwurf regelrecht getrieben. Jetzt bin ich gerade auf Sardinien, der Heimat meines Vaters, der in den 60ern als Gastarbeiter nach Deutschland kam, und sitze ich meiner Wohnung, die ich mir nach langem davon Träumen endlich gekauft habe. Ein richtiges Schreibparadies habe ich geschaffen und der Plan ist, hier auch bald Workshops zu geben, vielleicht schon nächstes Jahr. Hier bin ich jetzt, so oft die Schule es zulässt.

Jesse Falzoi, Schriftstellerin _ Schreibatelier _ Sardinien

Zwei meiner Kinder sind bereits seit ein paar Jahren aus dem Haus. Mein jüngster Sohn wird auch langsam erwachsen, sodass ich das, was mir am wichtigsten war und ist, in meinem Alltag kaum noch habe, mich um meine Kinder kümmern. Es hat mir immer viel Kraft und Inspiration gegeben, und emotionalen Halt. Ich fühle mich ohne sie, wie ich in meinem letzten Roman beschrieben habe, oft ganz schön lost, wie im falschen Leben, ich muss mein neues erst finden. Auch wenn mein Sohn noch manchmal da ist, führt er sein eigenes, spannendes Leben und wir begegnen uns oft nur für eine halbe Stunde am Tag, manchmal gar nicht. Ich weiß, die Frage war, wie mein jetziger Tagesablauf aussieht, aber der besteht deswegen in dieser Form, weil dieser wichtige Faktor in meinem Leben nach so vielen Jahren nicht mehr vorhanden ist. Mein Tag besteht auch darin, viel an sie zu denken und sie zu vermissen.

Ansonsten lese ich viel, schau ich zu viel Netflix und gehe sehr gern lange spazieren.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Nicht nur jetzt, immer: Genügsamkeit und Großzügigkeit und Empathie – und auf die Jungen zu hören, sprich, ihre Welt bewahren.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?

Die Literatur muss mehr als sonst zeigen, was mit uns los ist.

Was liest Du derzeit?

Hot Milk von Deborah Levy

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Manchmal braucht eine Person eine Geschichte dringender als Nahrung, um am Leben zu bleiben,  Barry Lopez

Vielen Dank für das Interview liebe Jesse, schöne Zeit in Sardinien und viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute! 

5 Fragen an Künstler*innen:

Jesse Falzoi, Schriftstellerin _Berlin, Sassari (Sardinien).

Books

Fotos_privat.

20.7.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

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„Gehen wir endlich! Dort hinten kommen sie schon.“ Max Haberich, Schriftsteller _ Give Peace A Chance _ Wien 29.7.2022

GIVE PEACE A CHANCE

Gehen wir endlich! Dort hinten kommen sie schon.“

Ich bleibe hier.“

Verlassen wir die Stadt!“

Einfach verschwinden? Wir sind hier geboren!“

Putin wird uns nie bezwingen.“

Eher als du denkst.“

Auf die Hilfe unserer Nachbarn können wir uns verlassen.“

Coole Autoren lesen für uns – davon kann ich mir nichts kaufen.“

Ehrlich: Dann tu‘ selbst was und geh‘ kämpfen.“

Aber mich totschießen lassen – wozu?“

Chancenlos. Verlierer sind die einfachen Menschen.“

Hast du gar keine Hoffnung mehr?“

Angst habe ich. In Europa. Im 21. Jahrhundert.“

Nirgends will ich hin. Weder hier sein noch woanders.“

Chancenlos. Fliehen oder Sterben.“

Es darf nicht so bleiben – es soll sich nichts ändern. Aber es muss.“

Max Haberich 19.7.2022

Max Haberich, Schriftsteller

Give Peace A Chance_Akrostichon for peace:

Max Haberich, Schriftsteller

https://maxhaberich.com/

Foto_Manfred Weis

Walter Pobaschnig _ 19.7.2022.

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„Gewaltfrei“ Lilli Seitinger, Sängerin und Pianistin _ Give Peace A Chance _ Graz 28.7.2022

GIVE PEACE A CHANCE


G ewaltfrei

I ntelligent

V ernünftig

E infühlsam

P assioniert

E ntwicklungsorientiert

A ufgeschlossen

C lever

E hrlich

A chtsam

C harmant

H ilfsbereit

A ufmerksam

N achsichtig

C ouragiert

E igenschaften des Friedens

Friede mit sich selbst, Friede mit dem Nächsten, Friede im Land – wollt ihr den Frieden eine Chance geben?

Lilli Seitinger 18.7.2022

 Lilli Seitinger, Sängerin und Pianistin

Give Peace A Chance_Akrostichon for peace:

Lilli Seitinger, Sängerin und Pianistin

Foto_privat

Walter Pobaschnig _ 18.7.2022.

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