

Das Wiener Cafèhaus fehlt mir jetzt sehr. Es ist einer der Orte, an dem ich immer sehr gerne bin. Da ist eine ganz große Geschichte von Kunst und Kultur. Es ist eine Wiege der Literatur, der Kunst.

Das Wiener Cafèhaus und die Stadt Wien hängen ganz stark zusammen.
Ich bin gerne hier im Cafè Prückel mit Blick zum „Ungargassenland“ Ingeborg Bachmanns oder im Cafè Bräunerhof, das ja einen starken Bezug zu Thomas Bernhard hat. Und auch in vielen weiteren Cafès der Stadt, die Liste ist sehr lang.


Ich bin in Wien geboren und in Niederösterreich aufgewachsen. In der Kindheit war Wien für mich schon starker kultureller Bezugspunkt, etwa in Museumsbesuchen. Meine Großmutter war da sehr engagiert und prägte wesentlich meinen Sinn für Kunst und Kultur. Da wurden tiefe, feste Verbindungen schon sehr früh geknüpft, die bis heute tragend und bereichernd sind.

Die Theaterlandschaft Wiens ist einzigartig und unglaublich schön und inspirierend.
Auch die Natur, das Grün ist ja wesentlicher Teil dieser Stadt und sehr gut fußläufig erreichbar. Etwa der Kahlenberg, Cobenzl. Ich mag dieses über die Stadt blicken, diese Verbindung von Natur und Stadtleben, sehr gerne.
Wien ist eine wunderschöne Stadt mit unglaublich hoher Lebensqualität. Wien, das ist immer Liebe, unvergänglich.

Ich war immer sehr neugierig und vielseitig interessiert. Es war nie schwer mich für einen Museumsbesuch, Kultur zu begeistern.
Ich erinnere mich da an einen Museumsbesuch mit etwa sieben Jahren als mich ein Deckengemälde so faszinierte, dass ich mich auf die Sitzbank davor legte und es sehr lange aufmerksam betrachtete. Der Wachbeamte sagte damals zu meiner Oma, so ein Kind hat er noch nicht erlebt (lacht).
Der Besuch eines Museums ist auch heute noch sehr wichtig für mich. Auch wenn die Zeit manchmal knapper dazu ist. Anschließend geht es dann ins Cafèhaus, das gehört zusammen. Es ist auch das Ritual eines besonderen Tages. Der Geburtstag war da immer ein Fixpunkt dazu.

Wien inspiriert auch als Schauspielerin. Es ist eine Quelle der persönlichen Kraftquelle wie auch der Menschenwahrnehmung, -beobachtung. Ein Spaziergang, und eben das Cafè, sind da beste Bezugspunkte. Ich erarbeite da auch Rollen.

Ingeborg Bachmann ist mir erstmals in der Gymnasialzeit begegnet. Ich hatte eine sehr engagierte literaturaffine Deutschprofessorin, die uns über den Lehrplan hinaus Literatur, eben auch Bachmann, näherbrachte.

Bei Ingeborg Bachmann habe ich das Bild einer starken Frau vor mir. Auch eine Frau, die der Zeit voraus ist bzw. vorangeht. Und die an Grenzen geht und darüber hinaus. Kompromisslos.

Bachmann ließ keine Facetten des Menschseins im Roman aus. Und gibt ja diese Fragen nach Leben, Liebe, Sinn als Spiegel an jede Leserin/jeden Leser weiter. Wie steht es mit unserem Doppel-Ich?

Leben, Liebe, Kunst sind nicht zu trennen. Da ist eine Wechselwirkung. Bachmann wusste dies wie vielleicht keine zweite.

In den 50 Jahren seit Erscheinen von „Malina“ hat sich als Frau wahnsinnig viel verändert und gleichzeitig viel zu wenig. Es ist noch sehr viel zu tun in der Gleichberechtigung.
Das trifft unterschiedliche Bereiche der Gesellschaft von Wirtschaft, etwa der Bezahlung, bis zur Bildung, zur Erziehung in starren Rollenbildern, die später schwer abzulegen sind.

Im Schauspielbereich gibt es mehr Frauen als Männer. Männer haben es von daher eine Spur leichter. Aber natürlich spielen viele andere Faktoren mit.
Frauen als Schauspielerinnen haben es im mittleren Alter bei Rollenbesetzungen oft sehr schwer. Bei Männern ist das völlig egal. Sie gelten als attraktiver mit höherem Alter. Das ist ein wesentlicher Punkt.

In der Liebe gibt es in der Gegenwart ein Bedürfnis nach Tradition und gleichzeitig eine Sehnsucht nach modernen Beziehungsformen, nach Erfahrung, Experiment. Da ist eine Zerrissenheit.

Das Beziehungsmodell in Malina, also die Affäre, ist zeitlos. Das ist heute alltäglich und wird immer mehr gesellschaftsfähiger.

In Leben und Liebe gibt es immer die Gegenwart und die Möglichkeit. Den Zweifel und das Andere, das vermeintlich Bessere? Und die Zerrissenheit darin oder daraus. Persönlich kenne ich beides. Diese Zerrissenheit aber auch die Schönheit von Klarheit, von Halt.

Liebe ist eine Resonanz. Dann kann etwas entstehen.

Die Frau muss in ihren Bedürfnissen wahrgenommen werden. Da braucht es keine Abwägung, keine Rechtfertigung.

Es geht nicht um eine Rolle in einer Beziehung sondern um Menschsein, gleichwertiges Menschsein.

Liebe ist emotionale Intelligenz und Persönlichkeit.

Eine gute Gesprächsbasis ermöglicht in der Liebe alles.

Beziehungen sind heute fragiler. Das hat auch wesentlich mit dem Arbeitsmarkt zu tun.

Eine Affäre verändert immer alle Beteiligten.

Verliebtsein auf den ersten Blick gibt es.

Der moderne Mann ist dabei traditionelle Rollenbilder loszulassen.
Warum braucht es die Befreiung aus einer Beziehung? Das ist für mich die entscheidende Frage. Wohl auch jene des Romans.

Mein Modestil ist sehr individuell und hat sich schon früh geprägt. Das bedeutet mir auch viel.

Als Schauspielerin kannst du nur spielen was in dir da ist. Jede Rolle ist letztlich jene deines Lebens. Es ist sehr spannend die schlummernden Facetten seiner eigenen Persönlichkeit zu entdecken.
Facetten eines individuellen wie möglicherweise repräsentativen Menschseins im künstlerischen Prozess, die im Privaten oft übersehen werden oder denen das Zutrauen, Vertrauen fehlt, diese zu leben.

Ich habe ein Grundvertrauen in Sinn, persönliche Entwicklung. Ereignisse und Erfahrungen versuche ich als Prozess zu verstehen und einzuordnen.
Der Rückblich ist da oft ein wesentlicher Anker des Verstehens, des guten Verstehens im Blick auf Gegenwart und Zukunft.

50 Jahre Malina _ Roman _ Ingeborg Bachmann _ im Gespräch und Fotoporträt:
Valerie Anna Gruber, Schauspielerin _Wien.
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Alle Fotos/Interview_Walter Pobaschnig _ Cafè Prückel_Wien_5.3.2021
Walter Pobaschnig _ 3_2021