Lieber Hardy, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ende Oktober kam ich von meinem Atelier in Venezuela zurück nach Österreich. Mein Tagesablauf ist seitdem größtenteils mit malen ausgefüllt, weil ich viele Skizzen mitgebracht habe und diese verwandle ich in Bilder.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Wichtig ist das Schöne und Angenehme zu sehen und zu leben. Mache ich schon mein ganzes Leben lang. So kommt man gut durchs Leben auch wenn wie jetzt angeblich eine Krise da ist.
Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Kunst zu?
Da kann ich nicht für die Kunst allgemein sprechen sondern nur für meine Kunst.
Ich werde solange positive und schöne Bilder malen bis der letzte negative Mensch in meinem Umfeld verschwunden ist bzw. solange es Gott mir erlaubt. Das wünsche ich mir mehr von anderen Künstlern. Auch wenn man da nur einen Tropfen auf den heißen Stein gibt, tragt man trotzdem etwas positives zu dieser unserer Welt bei, und das finde ich schön.
Was liest Du derzeit?
Im Moment lese ich die Prophezeiungen von Celestine
Welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
KUNST ist wie LIEBE man kann sie nicht verstehen, sondern nur empfinden.
Dieser Leitsatz steht seit 32 Jahren in fast allen meinen Katalogen an erster Stelle.
Vielen Dank für das Interview lieber Hardy, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Liebe Fanny, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich habe eigentlich keine fixen Routinen. Jeder Tag ist anders. Besonders in Zeiten wie diesen ist es schwer, vorauszuplanen.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Soziale Intelligenz
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Musik, der Kunst an sich zu?
Kunst spielt eine große Rolle. Kunst ist Freiheit, Kreativität und Leben. Und sei es nur die Kunst, das Beste aus allem zu machen.
Was liest du derzeit?
Die Biographie von Kurt Cobain
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
I’d rather be hated for who I am than loved for who I am not.
Vielen Dank für das Interview liebe Fanny viel Freude und Erfolg für Deine vielfältigen eindrücklichen Schreibprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Liebe Laura, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich gehöre zu den glücklichen Autorinnen mit Atelier. Meist stehe ich also recht früh auf, fahre mit dem Rad eine halbe Stunde quer durch Berlin und immer weiter Richtung Stadtrand, um mich dort an den Schreibtisch zu setzen und zu schreiben. Wenn ich nicht weiterkomme, gehe ich raus in den Garten und schaue ob sich gerade noch jemand vor der Arbeit drückt und einen Kaffee mit mir trinkt.
Laura Lichtblau _ Foto: Max Zerrahn
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Geduld, Rationalität und sehr viel Zuversicht.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Wichtig finde ich es jetzt, nicht nur danach zu gucken, wie es uns hier in Deutschland geht. Was passiert mit den Menschen in den Flüchtlingslagern, z.B. in Moria, wo jetzt Covid-19-Fälle aufgetreten sind und die Menschen dort aufgrund der katastrophalen Bedingungen keine Chance haben, die empfohlenen Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten?
Was können wir als BürgerInnen, als LiteratInnen tun, um auf die Situation dort aufmerksam zu machen? Und wann wird die deutsche Regierung aktiv und nimmt endlich die Geflüchteten hier auf?
Ich glaube schon, dass die Literatur eine Verantwortung trägt. Gerade weil sie die größtmögliche Freiheit bietet, kann sie über die Wirklichkeit hinausweisen und so vielleicht neue Wege oder zumindest Perspektiven aufzeigen.
Was liest Du derzeit?
Zu viel gleichzeitig, es hat sich angestaut oder ich war einfach zu gierig. Euphoria von Lily King, Breasts and Eggs von Mieko Kawakami, Est-ce qu’il se passe quelque chose? von Antoine Hummel, Aus der Zuckerfabrik von Dorothee Elmiger und Olivia von Dorothy Bussy.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
the poetry of the future will be unabashedly adolescent. (…) the poetry of the future will wear squeaky shoes in the vatican. it will say where we work and who we love and what we eat. sometimes it will be hungover and desperate. it might bite its nails. (…) sometimes the poetry of the future will have to put on a silk kimono and sigh.
Maggie Nelson, the future of poetry in The Latest Winter
Vielen Dank für das Interview liebe Laura, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literaturprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an KünstlerInnen:
Laura Lichtblau, Schriftstellerin
9.9.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.
Liebe Isabella, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Sehr unterschiedlich.
Es gab ab Mitte März plötzlich keine Tagesstruktur von außen mehr, also keine Proben, keine Vorstellungen, die meinen Tag sonst „vorgestalten“. Das war ungewohnt. Ich hatte schon alle möglichen Gefühle dazu: von befreiend bis lähmend, von beängstigend bis inspirierend. Allerdings hätte mich das ab August ohnehin erwartet, da ich ab der nächsten Spielzeit nicht mehr fix an einem Haus bin. Ich war durch die Anstellung jedenfalls in der sehr privilegierten Lage mir keine Sorgen über das Finanzielle machen zu müssen..
Die letzten Monate waren einfach nur wirr, da mit dem „Corona-Stopp“ nicht nur die Spielzeit sondern, gefühlt, auch die Intendanz am Volkstheater abrupt endete. Dann kam der ganze online-Aktionismus, dem ich zwiegespalten gegenüber stand. Ich bin jedenfalls froh, dass wir noch einen gemeinsamen Abschied mit dem Dreh und der Premiere unseres Abschlussfilms „Alles geht“ hatten. Das Wiedersehen mit den Kolleg*innen, das gleichzeitig ein „Aufwiedersehen“ war, war sehr emotional. Und ja.. das Spielen fehlte mir dann schon sehr.
Durch eine glückliche Fügung durfte ich allerdings im Sommer fast 2 Monate in der Steiermark mit den „vitamins of society“ Theater machen. Das hat die Flaute sehr wett gemacht. Jetzt muss ich mich an die neue Selbstständigkeit gewöhnen.
Die Theater begannen im Herbst wieder zu spielen, die Saison hat begonnen und ich war nicht im Stress. Irgendwie auch toll.
Am allerliebsten würde ich jetzt Drehen. Das reizt mich wahnsinnig und ich muss das jetzt machen!
Her mit der Zukunft und den Jobs. 😉 Also im Ernst. Her damit!
Isabella Knöll, Schauspielerin
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Ich weiß nicht, was für alle wichtig ist. Wahrscheinlich haben sich die Prioritäten der Menschen nicht sonderlich verändert. Vielleicht sind sie nur bewusster geworden. Ich war irgendwie vor Corona schon überfordert. Es ist nur eine erneute Spitze. All diese vermeintlich unvereinbaren Meinungen, Weltanschauungen und Ideologien, die aufeinander einprasseln, die sich in der virtuellen und in der realen Welt zerfleischen oder zusammentun und der unsägliche Populismus der Politik, der das immens verschärft.. Und jetzt auch noch eine Pandemie zu der wir uns verhalten müssen. Diese globale und individuelle Überforderung trägt offensichtlich sehr zur einer gedanklichen Radikalisierung bei.. Ich würd der Welt oft gern „Mäßigung!“ ins Gesicht schreien. Aber Schreien ist auch keine Mäßigung und die Welt hat halt kein, nicht nur ein, Gesicht. Mehr innere Ruhe zu erlangen, mich sortieren und konzentriert und lustvoll zu arbeiten ist für mich persönlich sehr wichtig.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater, der Kunst an sich zu?
Fragen: Was wissen die meisten von uns schon über Pandemien und ihre Auswirkungen? Haben wir eine andere Wahl als den Expert*innen zu vertrauen? Was meint Solidarität? Ist es unsolidarisch die Beschränkungen kritisch zu hinterfragen? Warum wurden u.a. Kulturschaffende so lange ignoriert? Ist Kunst ein Grundbedürfnis oder eine „Gönnung“? Was ist „systemrelevant“? (Außer das Unwort 2020.) Dass in irgendeinem Aufsichtsrat sitzen nicht so relevant ist, wie Menschen zu versorgen, da kommen wir JETZT drauf? Und dass Applaus zwar schön aber keine besonders gute Entlohnung ist? (Das wissen Künstler*innen schon lange.. Und nein: Nicht jede schlecht bezahlte Kunst ist ein Hobby und nicht alles was gut bezahlt wird, ist ein Beruf.) Ist „unser“ Wertesystem, bei allen positiven Aspekten, nicht einfach AUCH falsch/überholt/dumm/sexistisch/dreist/rassistisch/verschoben? Kann freie Marktwirtschaft jemals human sein? Ist dieses neoliberale System, indem es immer Verlierer*innen geben muss, weil es sich aus ihnen speist, wirklich unsere einzige Option? Können wir uns wirklich nur vorstellen, was es schon einmal gab? Kommt die Krise? Und mit ihr eine Chance zur Veränderung? Bleibt alles wie es war? Arbeiten wir jetzt schon darauf hin, dass es wieder so wird wie es war oder bricht jetzt eh alles zusammen? Boom. Schädelexplosion. Wesentlich wird sein, dass wir uns diesen Fragen stellen und es ist wertvoll, dass sie sich auftun und so präsent sind. Die Kunst wird sich mit diesen und vielen anderen Fragen ohnehin immer und immer wieder konfrontieren. Das ist ja ihre Grundlage. Sie wird sie wie in einem Labor untersuchen und testen, Wege und Möglichkeiten aufzeigen und uns inspirieren. Sie ist ja immer da. Überall. Als Musik, als Bild, als Tanz, als Hörbuch, als Kabarett, als Skulptur, als Serie, als Theatervorstellung, als Film, als Buch. Sie hält uns stabil das Händchen, bringt uns zum Lachen, tröstet oder ärgert uns maßlos und manchmal ist sie eben einfach nur DA. Das passiert so selbstverständlich und unbewusst, dass viele Menschen nicht bemerken, dass sie, wenn sie sich in der U-Bahn die Hörstöpsel reinstecken und einen Song abspielen, gerade „Kunst konsumieren“. Stellen wir uns diese „Coronazeit“ gänzlich ohne all diese Kunstformen vor und bringen jetzt das Wort „systemrelevant“ nochmal aufs Tableau.. Ein Witz, oder? Ich wünsche mir für die Zukunft sehr, dass wir Kunstschaffende unsere Arbeit und uns selbst mehr respektieren und dass wir uns mehr zusammentun. Gerne auch in Gewerkschaften. Siehe „ensemblenetzwerk“. Vereint lässt sich besser um Wertschätzung kämpfen!
Was liest Du derzeit?
„Das Haus der Frauen“ von Colombani.
Vor allem aber leider alle Kommentare der Debatten auf orf.at. Die erdenklich ungesündeste Lektüre ever aber ich kann’s einfach nicht lassen.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Immer: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ Einstein
Rückblickend auf diesen schrägen Sommer: „Die anen fohrn noch Ibiza, die aundan noch Udine, wir bleibn im Parkbod mochnParty in Kabine.“ Skero
Vielen Dank für das Interview liebe Isabella, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an KünstlerInnen:
Isabella Knöll, Schauspielerin
Foto_Joachim Gern.
29.9.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.
Ich habe versucht mir in dieser außergewöhnlichen Zeit eine Routine zu schaffen. Bin daran, wie ich gestehen muss, gescheitert und habe bemerkt, dass es nicht schlimm ist, in den Tag hinein zu leben und nichts zu tun, seinen Gedanken nachzuhängen und auch einfach mal nur „zu schaun“. Es gibt so viel Schönes zu entdecken, wenn man nur richtig hinsieht und bewusst wahrnimmt.
Abgesehen davon habe ich mich mit viel Yoga und vielen Spaziergängen abgelenkt, meine Katze gestreichelt, habe angefangen ein Theaterstück für Junges Publikum zu schreiben, mich auf Lesungen vorbereitet und arbeite viel im Tonstudio. Theaterproben und Vorstellungen sind leider gänzlich weggefallen.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Ich denke, dass jede Krise ein Anstoß zu einem Neubeginn ist. Was jeder Einzelne daraus macht und man sich selbst und die Welt ein Stück zum Besseren wandelt, darauf kommt es an.
Anú Sifkovits_Schauspielerin
Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Die Menschen, die davor kein Auge für Kunst und keinen Platz für Theater hatten, denen wird die Kunst auch nicht fehlen. Den Anderen dafür umso mehr. Die Sehnsucht wird sehr groß sein und daraus kann nur Großes entstehen!
Was liest Du derzeit?
Ich lese gerade Agatha Christies „Dienstagabend Klub“, ich hatte vor kurzem bei der wunderbaren Maresa Hörbiger im Theater im Salon eine Lesung aus dem Buch und bin auf dem Krimigeschmack gekommen. Außerdem lese ich zum gefühlten 1000. Mal den „Kleinen Prinzen“ – ein Buch, zu dem ich immer greife, wenn ich gerade etwas melancholisch bin.
Welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Da ich, wie schon gesagt, gerade den kleinen Prinzen vor mir liegen habe und alle natürlich das berühmte Zitat mit dem Herzen kennen – hier mein Lieblingszitat aus dem Buch, das wie ich finde, sehr gut in diese Zeit passt.
„Ich habe“, sagte der Fuchs, „die Farbe des Weizens gewonnen.“
Vielen Dank für das Interview liebe Anú, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Schauspiel- und Textprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an KünstlerInnen:
Anú Sifkovits, Schauspielerin
Foto_Robert Krenker
24.9.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.
Lieber Alexander, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Im Herbst zunächst wesentlich belebter als noch vor dem Sommer, dies freute mich sehr. Für künstlerische und pädagogische Settings gilt aber leider immer noch der Abstand und das leidige Maskentragen. Das ist gerade im Theaterbereich schon einschränkend. Wir haben zwar gelernt, damit zu leben und zu arbeiten, aber es fällt schon etwas weg, wenn man ständig im Hinterkopf hat, dass man sich nicht zu nahe kommen darf. Dafür haben sich gerade vor dem Sommer auch schöne Möglichkeiten ergeben, im digitalen Raum miteinander zu arbeiten. Ich habe zum Beispiel einige Improvisationsmethoden und -spiele zoomgerecht gemacht und damit auch schöne und spannende Stunden vor dem Bildschirm verbracht.
Alexander Hoffelner _ Schauspieler, Regisseur
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Hausverstand. Wir müssen einfach unseren eigenen Verstand verwenden, wenn es um das Handeln in Corona-Zeiten geht. Es gibt viele Richtlinien, die ständig wechseln, überall anders gelebt werden und unser Leben stark einschränken. Ich denke, dass es gerade jetzt wichtig ist, selbst nachzudenken, wie man andere gefährdet und ob man das überhaupt tut. Dann kann uns nichts passieren.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Schauspiel, Theater, der Kunst an sich zu?
Die Kunst hatte immer die Aufgabe – also vor allem in Demokratien – die Gesellschaft und ihr Tun zu hinterfragen, kritisch zu begleiten und auch Impulse für Neues zu geben. Das hat sie in den letzten Jahrtausenden immer wieder getan und das muss sie auch heute tun.
Was liest Du derzeit?
Gestern habe ich mit Erich Hackls „Hochzeit von Auschwitz“ begonnen. Aber sonst gerade viel wissenschaftliche Literatur zum Thema Improvisation, weil ich neben dem künstlerischen Schaffen auch noch an meiner Dissertation arbeite.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Alles wird gut. Und wenn nicht, dann doch.“
Aus der Musicalfassung „Der kleine Prinz“, die der Autor Norbert Holoubek nach dem Buch von Antoine de Saint-Exupéry geschrieben hat, wobei er dieses Zitat aber woanders gefladert hat, sich aber – auf Nachfrage – nicht mehr so genau erinnert, wo das war.
Vielen Dank für das Interview lieber Alexander, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Theater-, Schauspielprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an KünstlerInnen:
Alexander Hoffelner_Schauspieler, Regisseur, Autor, Theaterpädagoge
Lieber David, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Aufwachen, Lesen, Aufstehen, Schreibtisch, Spazieren, Essen, Schreibtisch, Spazieren, Essen, Lesen, Glotzen, Schlafen. (gerafft und nur wenig idealisiert)
David Wagner, Schriftsteller, Berlin
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Nicht Durchdrehen. Ein bisschen Disziplin. So schlimm ist das alles ja gar nicht, zu Hause bleiben ist im Grunde doch eine eher angenehme Einschränkung. Uns geht es eigentlich noch sehr gut. Europa jammert, wie üblich, auf sehr hohem Niveau.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Wäre ja schön, wenn es so wäre. Wäre ja schön, wenn irgendetwas neu beginnen würde. Die Rolle der Literatur wäre keine andere als sonst: die Welt, wie sie ist und wie sie sein könnte, zu beschreiben und zu erzählen. Um eine Idee davon zu bekommen, wozu sie da ist. Wozu wir da sind.
Was liest Du derzeit?
Lese gerade wieder einmal Der Traum der roten Kammer von Cáo Xuěqín, einen der vier klassischen Romane Chinas.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Nimm und lies. Mehr braucht es eigentlich nicht.
Vielen Dank für das Interview lieber David, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literaturprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Liebe Alexandra, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Aufstehen, arbeiten, essen, schlafen gehen. Sonnenaufgänge und Untergänge. Dazwischen oder abends gehe ich sehr gerne spazieren. Da bin ich in letzter Zeit an den Rändern der Stadt unterwegs gewesen. Dort sind mir Rehe und Füchse begegnet, es gibt jedes Mal ein staunendes Betrachten. Ist es so, dass sie sich umsehen, was die Menschen so treiben, oder haben wir sie aus ihrem natürlichen Umfeld verdrängt?
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Das möchte ich nicht allgemein beantworten. Mitgefühl und Solidarität meiner Meinung nach. Krisen offenbaren immer strukturelle Ungleichheiten. Bildungswege werden komplizierter. Menschen verlieren ihre Arbeit. Sie vereinsamen. Die Frage, wie sollen wir leben angesichts des Leidens in der jetzigen Zeit. Natürlich ist sie mir wichtig.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Gerade Dichtung und Fantasie sensibilisiert, finde ich, kann Herzen öffnen. Aber erst durch die Aufnahme des Lesers, durch seine Gefühle, wird das Gedicht spürbar, zum Leben erweckt. Dann gibt es noch die Musik, die Räume, die sie eröffnet. Und Reisen, die enorme Bereicherung, die durch andere Kulturen, Sprachen, durch den Austausch stattfindet. Die Orte, die noch zu entdecken sind und die Menschen, die Familie und die Freunde, aus verschiedenen Ländern, an die ich oft denke.
Was liest Du derzeit?
Derzeit lese ich: „da ich morgens und moosgrün. Ans Fenster trete“ von Friederike Mayröcker und „Picknick in der Nacht“ von Charles Simic
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Ich wünsche mir für uns alle eine gute Zeit
Vielen Dank für das Interview liebe Alexandra, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literaturprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an KünstlerInnen:
Alexandra Turek, Schriftstellerin
Foto_privat
29.8.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.
Liebe Brigitte, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich habe bedingt durch Covid-19 (nach Kurzarbeit) im Juli meinen Arbeitsplatz als Trainerin/Coach verloren – das war das Beste, das mir passieren konnte. Nach einer kurzen, intensiven Jobsuche hatte ich plötzlich fünf Angebote und mich entschieden in meinen Grundberuf der Kommunikationsarbeit (Journalismus/Öffentlichkeitsarbeit) zurückzukehren. Bei den Überlegungen spielte wesentlich mit, dass wir noch länger in einer Pandemie leben würden und ich eine gewisse Stabilität für mich und meine Kinder (als Alleinerziehende) suchte. Seit September mache ich die Öffentlichkeitsarbeit für ein großes Architekturbüro und ich bin sehr glücklich damit. Ich arbeite bewusst nur Teilzeit; ich rechne meine Lebenszeit so: Die Woche hat sechzig (Wach)-Stunden, dreißig Stunden, also etwa die Hälfte der Arbeitswoche gehören der Erwerbsarbeit, der Rest der Zeit gehört mir – und damit meine ich auch den Kindern, dem Schreiben, dem Haushalt, der Bewegung, der Natur und meinen Freund*innen – mit wechselnder Reihenfolge und Prioritätensetzung.
Viel Zeit zum Schreiben bleibt allerdings nicht, das wird sich erst mit zunehmendem Alter der Kinder ändern, und ändert sich bereits allmählich (Teenager). Schreiben ist für mich Grundbedürfnis eines guten Lebens, als „In-der-Welt-Sein“, als Selbstvergewisserung und lustvolles Sprachspiel; mir geht und ging es nie um Veröffentlichung, aber natürlich ist es wunderbar, ein Stück weit das Innerste literarisch ins Außen zu bringen und mit eigenen Texten auch andere Menschen zu berühren.
Brigitte Anna Oettl, Schriftstellerin
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Das Zuhören und das Hinhören, die Verbindung miteinander und der Zusammenhalt untereinander. In meinem Umfeld hat die Pandemie die Menschen wieder enger zusammenrücken lassen, es gab viele gute, qualitative Zusammenkünfte und sogar Versöhnungen. Auch mit sich selbst. Das ist die gute Seite der Krise. Oberflächliches, Unnötiges, Ungesundes, Überflüssiges fliegt raus. Egal ob beim Kochen, in Beziehungen oder in der Gestaltung der Arbeit und in der Selbstfürsorge – den bewussten und wertschätzenden Umgang mit unser aller Zeit halte ich für wesentlich im Leben allgemein.
Die Krise hat frühere Werte und Bedürfnisse, die im „Systemfunktionieren“ mit Arbeit, Kindern und Haushalt auf der Strecke geblieben waren, wieder in den Fokus gerückt. Wir haben hochwertig gekocht, im Hinterhof einen kleinen Garten angelegt, viel miteinander geredet, gute Musik gehört, getanzt und Federball gespielt. Und den restlichen (Waren-)Konsum weggelassen. Es braucht sehr wenig, um ein gutes Leben zu führen.
Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Jetzt am Beginn des zweiten Lockdowns, der morgen in Kraft tritt, am Anfang eines dunklen Winters macht es mir wirklich Sorgen, die persönlichen Begegnungen mit Menschen (wieder) reduzieren zu müssen. Keine social media Plattform kann den direkten physischen Kontakt oder Umarmungen ersetzen. Aus eigener schmerzlicher Erfahrung als Alleinerziehende weiß ich, wie wichtig ausreichend Sozialkontakte, Intimität und Zärtlichkeit sind und wie schädlich tatsächlich Einsamkeit im Sinne mangelnder direkter sozialer Interaktionen ist. Das richtige Maß an Interaktion ist natürlich individuell verschieden; ich persönlich brauche viele Interaktionen, um gesund zu bleiben. Nicht umsonst gilt in manchen Ländern die Einsamkeit als anerkannte medizinische Diagnose. Auf sich selbst und einander gut aufzupassen, hinzuschauen, wie geht es den Leuten in meinem Umfeld, meinen Nachbar*innen und Freund*innen, halte ich für ein Grundbedürfnis der Menschen, und wenn dieses eingeschränkt oder gefährdet ist, müssen wir gegenhalten.
Die Literatur gibt in diesem Kontext Trost. Bücher sind wie gute Freunde, sagt meine Tochter, die eine Leseratte ist, und genauso verhält es sich auch für mich. Ich habe für gewisse Gefühlszustände sehr spezielle Lektürebedürfnisse, um in eine Welt einzutauchen, mir diese zu erschließen, die eigene zu bereichern, aufzubrechen oder zu erklären. Und sich damit in seiner Existenz selbst zu vergewissern. Literatur und Lesen machen Sinn. Literatur berührt uns. Literatur verbindet uns Menschen miteinander. Literatur macht uns vermutlich erst zu Menschen. Gesellschaftlich betrachtet hat Literatur natürlich auch die Aufgabe gegenzuhalten, gegen die Missstände einer Gemeinschaft oder der Weltpolitik etwa, gegen die Vereinnahmung oder den Missbrauch durch Machtverhältnisse und für das Aufbrechen problematischer Strukturen und Denkweisen. In erster Linie aber verbindet sie uns Menschen, auch im Diskurs.
Was liest Du derzeit?
Ich habe im Winter vor dem ersten Lockdown meine Bibliothek mit über Tausend Büchern vom Vorzimmer ins Wohnzimmer übersiedelt, dabei sehr viele Bücher weggegeben und gleichzeitig wieder viele in meine Wahrnehmung geholt. Seither lese ich sehr viel nach. Und ich lese gleichzeitig. Zur Zeit liegen „Flammenwerfer“ von Rachel Kushner, „Freiheit“ von Jonathan Franzen, „Ein wenig Leben“ von Hanya Yanagihara, „Verzeichnis einiger Verluste“ von Judith Schalansky sowie Kurzgeschichten von Alice Munro und mehrere Titel von Virginie Despentes neben dem Bett. Allerdings bin ich eine untreue Leserin, wenn ich nicht berührt bin, lege ich ein Buch für eine gewisse Zeit oder auch ganz weg. Das habe ich mir vor einigen Jahren erlaubt. Auf dem Couchtisch liegen noch einige Gedichtbände von Rimbaud und Baudelaire, „Die Dinge“ von Georges Perec sowie „1984“ von George Orwell und „Salz auf unserer Haut“ von Benoite Groult, ich konnte einfach nicht widerstehen, sie kürzlich aus dem offenen Bücherschrank mitzunehmen. Meine Lektüre ist sehr vielseitig.
Welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Etwas zum Schmunzeln: „Du denkst also darüber nach, und dein Mut verlässt dich irgendwann, wenn du begreifst, in was für einem Chaos wir leben und welche Kleinigkeiten uns an der Oberfläche halten. Je mehr du nachdenkst, desto mehr Gründe gibt es, besorgt zu sein. Logisch, nicht wahr, es wäre total blöd, wenn dich bei dem Gedanken, dass heute früh irgendwo ein Auto aus einer Garage gefahren ist, um dich umzubringen, Euphorie ergreifen würde, der Pfeil ist abgeschossen und so weiter. Du begreifst, dass man nur sorglos und ruhig leben kann, wenn man seine Birne nicht dafür nutzt, die Dinge miteinander in Verbindung zu bringen. Dann braucht man nicht ständig Schiss zu haben, während alle anderen an diversen Ängsten und anderen Syndromen leiden. Du kapierst, dass die Situation verkehrt ist, dass die Irren ganz okay im Kopf sind und dass die Gesunden eigentlich irre sind, verstanden?“
(Aus: „Stalins Birne“ von Edo Popovic)
Vielen Dank für das Interview liebe Brigitte, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Schreibprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Ich habe zu danken! Alles Gute und bleib gesund, lieber Walter!
Liebe Stéphanie, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich bin viele. Und egal, wie die Rahmenbedingungen sich ändern, meine Rollen im Alltag bleiben dieselben – es ist ein Balanceakt zwischen dem Dasein als Mutter, der Verantwortung im Brotberuf und dem Schaffen von sehr notwendigen Freiräumen dazwischen, in denen ich lesen und schreiben kann. Tagesabläufe können sich ändern, der Balanceakt bleibt. Fordernd. Sehr fordernd mitunter.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Für mich klingt es abgedroschen, weil selbstverständlich, aber es scheint mehr denn je geduldig wiederholt werden zu müssen: Respekt, Toleranz, Empathie. Sie geraten schnell zu polierten Hülsen. Eigentlich steckt in ihnen viel Unbequemes; jeden Tag müssen sie mit Inhalt gefüllt werden, das kann ziemlich anstrengend sein. Da wir schon mit der recht attraktiven Gabe des Denkvermögens ausgestattet sind, sollten wir sie nicht dazu gebrauchen, uns gegenseitig in die Pfanne zu hauen, sondern uns gegenseitig die richtigen Fragen zu stellen: Wo kommst du her? Wie sieht es da aus? Was hat man dir als Kind erzählt? Was haben wir gemeinsam? Was nicht? Wie kommen wir da weiter? Das ist vermittel-, erlernbar.
Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Ich stelle mir eher die Frage nach dem Spannungsverhältnis von Aufbruch und Kontinuität. Aufbruch lässt sich auch so verstehen, dass Räume aufgebrochen und ausgeleuchtet werden – dunkle Räume, und im Moment sind es einige, in denen im Verborgenen kontinuierlich Missstände und Ungerechtigkeiten angewachsen sind. Aufbrüche gibt es immer wieder, weil irgendwelche „dark rooms“ auch immer fortbestehen. Aufmerksam zu bleiben, aufzubrechen oder sich zumindest mit den Aufbrechenden solidarisch zu zeigen, ist wichtig. Genauso wichtig scheint mir aber, im allgemeinen Getöse der sozialen Medien immer wieder Besonnenheit zu üben, im guten alten, tugendhaften Sinn. Und wir müssen bei allen derzeit im Berufsleben gefeierten vermeintlichen Vorzügen der digitalen Vernetzung sehr aufmerksam sein, welches Potenzial KI für oder gegen uns als von Natur aus sterbliche Wesen entfalten kann.
Die Rolle der Literatur ist ganz offensichtlich: Wir sind Sprache, die Zeichen, die wir uns geben. Durch sie sind wir manipulierbar, berührbar, hinterfragbar. Literatur bietet Räume, in denen wir uns die richtigen Fragen stellen können, gegenseitig oder allein. Bestenfalls ohne die Erwartung letzter Antworten.
Was liest Du derzeit?
Ovid, Lukrez, Ulrike Draesner, José F. A. Oliver
Kein Tag ohne Gedicht.
Welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Verdächtig kurz scheint die Geschichte mancher Länder,
und ähnlich hier: Du weißt, dass du zu wenig ahnst.
Wissen ist Erfrischung für den casual Verwender.
So wie dein guter Freund mit seinem kargen Wanst
gibt es dir nie mehr Küsse, als du tragen kannst.
Denn eigentlich wird wesentlich sein, einen einzigen
Kuss zu verfolgen, wohin er dich immer bringt.
Dort seiend, weißt du, du erlebst nur einen winzigen
Teil alles anderen – doch der Teil singt.
(Ann Cotten: Verbannt!)
Vielen Dank für das Interview liebe Stéphanie, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an KünstlerInnen
Stéphanie Divaret, Schriftstellerin
Foto_privat.
21.8.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.