(Nieselregen 28.10., Ehinger Tor Utopien, Marco Kerler)
Da ist die Haltestelle am Morgen. Das Warten. Das Beobachten. Das Licht der Sonne und die Schatten. Und da sind die Worte. Gehen auf die Reise. Von Innen nach Außen. Und von Außen nach Innen. Von der Haltestelle des Lebens aus. Im Moment. Direkt. Ein Bogen und ein Pfeil. Aus und in der Mitte…
Der in Ulm lebende Schriftsteller Marco Kerler legt mit „Ehinger Tor Utopien“ einen Gedichtband vor, der in Aufmerksamkeit, Direktheit und Impuls beeindruckt. Der Mensch in seinem täglichen Anspruch von Weg und Aufgabe, welches ganz unmittelbarer Ausgangspunkt und Mitte der Gedichte (Ehinger Tor ist eine zentrale Bushaltestelle in Ulm) ist, nimmt sich Zeit an Stationen, dem Warten, zu sehen, zu beobachten, wahrzunehmen. Die Gedanken und inneren Bewegungen sind dabei Bestandsaufnahme wie Sinnhorizont. Die Station am Arbeitsweg wird zur Metapher, zur Utopie von hier und jetzt. Zur Verbindung in der Bewegung des Lebens.
Der Autor versteht es eindrucksvoll Poesie als Ausdruck und Frage nach Mensch und Gegenwart in eine Sprachform zu setzen, die immer direkt Situation und Moment verbindet und zugleich Horizonte der Assoziation öffnet. Der Autor setzt einen Wort-Bild Dialog in Polaroidaufnahmen (Sofortbildkamera), der passender nicht sein könnte. Das Sofortbild der Kamera entspricht dem Gedankenmoment an der Haltestelle. Da die Sprache, die Poesie und da das Bild. Beides eine Haltestelle am Weg. Das Flüchtige wie das Bleibende. Eine Begegnung am Weg. Bestes poetisches Vademecum, welches hier zueinander findet. Eine geniale Idee und künstlerische Umsetzung!
Der Gedichtband selbst verbindet im Druckformat zwei Titelzyklen, „Ehinger Tor Utopien“ und „Abfahrtszeiten“, die von vorne wie von hinten beginnen. Auch dies eine spannende Idee und Symbolik, die Thema und Sinn ins Herz treffen.
Der große Sinn des Autors für Form und Ausdruck in Sprache/Bild/Drucksatz ist hervorzuheben und beeindruckend!
„Poesie als ganz stark pochender direkter wie hintergründiger Pulsschlag, der überspringt und zu begeistern weiß“
Fast wie immer nur muss ich zur Zeit statt ins Theater zu gehen, mich rüber ins Zimmer vor die Webcam setzen. Das ist immer noch komisch und ich vermisse das echte Miteinander sehr.
Anne Rab, Schauspielerin
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Verbunden bleiben und niemanden allein lassen. Ich denke zusammen haben wir die besten Chancen durch die Zeit zu kommen.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?
Das Theater bzw. die Kultur muss ihren Stellenwert zurückbekommen und dann kräftig pushen. Die jetzige Zeit hat gezeigt wie sehr diese Branche hinten runterfällt, mit vielen weiteren. Da muss endlich was passieren. Kultur ist systemrelevant!
Was liest Du derzeit?
Zu viele Nachrichten. Manchmal muss man sich echt zu einer Pause zwingen. Um kurz durchatmen zu können von all dem Chaos.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Zusammenkunft ist ein Anfang. Zusammenhalt ist ein Fortschritt. Zusammenarbeit ist der Erfolg.“ Henry Ford
Vielen Dank für das Interview liebe Anne, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Anne Rab, Schauspielerin, Improvisateurin, Regisseurin und Theaterpädagogin
Liebe Pega Mund, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Gegen halbsechs, sechs in der Früh wach ich auf. Koche mir, ohne Licht anzumachen, Tee. Sitze minutenlang da in der Stille, betrachte den Morgen, um zu mir zu kommen.
Dann bewege ich mich in den Tag hinein. Je nach Wochentag und anstehenden Terminen ist die Agenda immer wieder anders. Ich tue, was eben zu tun ist, bin in ganz unterschiedlichen Lebenswelten unterwegs. Immer laufen mehrere Stränge zugleich nebeneinander und müssen koordiniert werden.
Seit vielen Jahren arbeite ich als Psychologin mit und für Menschen mit Behinderung, zugleich bin ich Teil einer umtriebigen Familie, habe Kinder und Kindeskinder, und – ich will schreiben. Das sind die drei wichtigsten Lebensbereiche, zwischen denen ich ständig switche.
Vieles ist in den vergangenen Monaten mühseliger, komplizierter, zeitweise sogar unmöglich geworden (die Schreibarbeit). In der Berufsarbeit sehe ich mich pandemiebedingt mit neuen Verantwortlichkeiten und Herausforderungen konfrontiert, im familiären Bereich ist die Betreuung der kleinen Kinder ein Hauptthema. Für die Schreibarbeit gilt: immer und überall, jede Zeitnische nutzen. Manchmal fühle ich mich ziemlich atemlos, aber das war in präcoronäischen Zeiten nicht anders.
Pega Mund, Schriftstellerin
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Ganz Subjektiv und spontan gesagt: Empathiefähigkeit üben, Gelassenheit, Geduld; differenziert, wach und klar bleiben, keine Feindbilder aufbauen; keine Angst vor der Angst haben, Balance halten, gut für sich sorgen; Zähigkeit zeigen, Standing, Weitblick; Gestaltungsspielräume nutzen, und seien sie auch noch so klein; Imaginationskraft pflegen und nützliche Illusionen, die in der Ritze zwischen Alltagszwang und Sehnsucht, zwischen Traumzeit und Leistungszeit aufblühn …
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Mir scheint, Aufbruch und Neubeginn stehen längst schon an.
Notwendig, not-wendend finde ich: die Bereitschaft zu solidarischem Denken und Handeln, zur Selbstreflexion, zur Entkoppelung von Identität und Konsum ; große Bögen denken … und im Blick behalten: die Armutsschere (global, national/regional); die Not marginalisierter Menschen(gruppen); die Verteilung existentieller Ressourcen wie etwa Wasser, Nahrung, Obdach, Energie, Bildung, Selbstbestimmung, medizinische Versorgung, fair bezahlte Arbeit; die Veränderung des Klimas; die Regeneration von Boden, Luft und Wasser; den Umgang mit Pflanzen und Tieren …
Und Literatur, Kunst? Kann protokollieren, dokumentieren, spiegeln, moderieren, differenzieren; kann Korsette knacken und Panzer, kann Denk- Wahrnehmungs- und Kommunikationsmuster brechen, verändern, erweitern; kann befreien vom Sentiment hin zum Gefühl; kann Diskurse entfachen, kann aufzeigen, wachrütteln, verstören, verstimmen; kann wegweisen, wahrsagen – und Spaß machen, beglücken, beflügeln, beschützen, befrieden, beruhigen kann sie auch … „Wenn es einen Wirklichkeitssinn gibt, muss es auch einen Möglichkeitssinn geben“, heißt es bei Musil. Und vielleicht ist das die wichtigste Botschaft, die Literatur/Kunst vermitteln kann – dass eben die Dinge, die Gegebenheiten, die Realitäten nicht unverrückbar sind.
Was liest Du derzeit?
Bin ja immer in und mit mehreren Büchern unterwegs. Aktuell sind das vor allem:
Denkzettelareale (Gedichte und mehr, für mich ein sehr nahrhaftes Buch!); Schreibtisch mit Aussicht (Essays von Schriftstellerinnen über ihr Schreiben); Love Poems, Transformations (Gedichte, Anne Sexton); Gedichte, Tien Tran (Hgb.von Ron Winkler, im Elif Verlag); Avec Beat (Gedichte, Augusta Laar); Der abgesägte Lauf der Welt (Gedichte, Armin Steigenberger); Es ist, wie’s ist (Kurzgeschichten, Lydia Davis)
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
was wir begreifen / ist schon der Rand
(Barbara Köhler, aus „selbander“ in: Die Niemandsrose)
Wir sind wie Baumstämme im Schnee. Scheinbar liegen sie glatt auf, und mit kleinem Anstoß sollte man sie wegschieben können. Nein, das kann man nicht, denn sie sind fest mit dem Boden verbunden. Aber sieh, sogar das ist nur scheinbar.
(Franz Kafka)
Nichts ist selbstverständlich, wir haben uns nur an manches gewöhnt.
(Rainer Malkowski)
Vielen Dank für das Interview liebe Pega, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Lieber Karlheinz, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich stehe zeitig auf. Die Katzen wollen umsorgt sein. Dann nehme ich mir Zeit für Stille, um Kraft zu sammeln. Nach dem Frühstück mit meiner Frau beginnt der Arbeitstag. Früher bin ich in mein Studio oder auf die Musikuni gefahren. Heute – in Zeiten von Corona – gehe ich nur selten außer Haus. Ich steige in mein Dachkabäuschen, wo ich mir einen Arbeitsplatz eingerichtet habe. Während des Semesters unterrichte ich dort online, in streng getaktetem Stundenrhythmus. Das geht besser, als ich anfangs gedacht hatte.
Mittags koche ich. Das entspannt und bringt mich auf andere Gedanken. Wenn es die Zeit und das Wetter zulässt, treibt es mich hinaus ins Freie. Oft mit dem Fahrrad. An unterrichtsfreien Tagen bereite ich mich auf mein wöchentliches Kompositionsseminar vor. Oder ich widme mich meiner eigenen künstlerischen Arbeit. Treffe MitstreiterInnen auf Zoom, um aktuelle oder zukünftige Projekte zu besprechen. Vieles davon ist im letzten Jahr ausgefallen. Neue Präsentationsformate mussten entwickelt werden. Von Zeit zu Zeit finden aber auch „echte” Begegnungen statt, wie früher. Proben im kleinstmöglichen Setting. Treffen mit Studis und KollegInnen.
Leben im Moment. Spontan auf die ständig wechselnden Bedingungen reagieren. Neue Ideen zulassen. Ausgetretene Pfade verlassen. Andere unterstützen. Miteinander, nicht gegeneinander arbeiten. Die Worte Konkurrenz, Leistungssteigerung und Wettbewerb aus dem Sprachschatz verbannen.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Musik, der Kunst an sich zu?
Früher bin ich viel gereist. War ständig unterwegs. Das wird sich in Zukunft ändern. Ich habe gelernt, dass es auch andere Formen des Austausches gibt. Aber trotzdem möchte ich die persönlichen Begegnungen nicht missen. Die Pandemie hat uns gezwungen, das Wesentliche im Auge zu behalten. Vieles ist verzichtbar. Ich muss nicht jeden Abend eine Veranstaltung besuchen oder Leute treffen.
Musik spielt eine wichtige Rolle, weil sie so unmittelbar berühren kann. Sie entführt uns in Welten, die wir noch nicht kennen. Verführt zum Hineinhören ins Innere der Klänge. Eröffnet neue Horizonte. Verändert dadurch unser Leben. Und bereichert es.
Karlheinz Essl _Projekt-Ganymed_1 _ Foto _ Helmut Wimmer _ 2018
Aber wie kann Musik wieder „live” erlebt werden? Die althergebrachten Formate einschließlich ihrer sozialen Aspekte stehen auf dem Prüfstand. Online-Konzerte empfinde ich jedoch wie schlecht belichtete Schwarzweißfotos einer blühenden Landschaft. Man erkennt zwar den Inhalt, wird emotional aber wenig berührt. Wir alle ringen nach neuen Lösungen. Und sind gefordert wie nie zuvor. Noch gibt es keine Antworten. Aber viele Fragen.
Was liest Du derzeit?
Die eben erschienene ungekürzte Ausgabe von Haruki Murakamis „Chroniken des Herrn Aufziehvogel”, neu übersetzt von der genialen Ursula Gräfe. Murakamis Blick auf die moderne japanische Gesellschaft und ihre althergebrachten Traditionen ist verstörend und aufregend zugleich.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Sei fest im Hoffen.
Stark in der Beschwörung.
An Liebe reich.
So wirst du überdauern.
Marie Luise Kaschnitz, Dann sei geübt im Traum
aus: Gedichte 1939-1945
Vielen Dank für das Interview lieber Karlheinz, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Musikprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Liebe Monika, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Der Tag beginnt mit einer Tasse Tee und Turnen – moderner würde man wohl Pilates sagen. Anschließend Frühstück. Es folgt eine Meditation. Dann bin ich klar für den Tag und setze mich an den Schreibtisch. Der Morgen ist mir heilig für die Arbeit. Alles ist noch ganz frisch und offen, auch hoffnungsvoll. Die beste Zeit zum Schreiben.
Es gab mehrere kleine Schreibaufträge, die ich gerade zu erledigen hatte. Beispielsweise habe ich in der vergangenen Woche einen Text über den Alten Friedhof in Bonn verfasst, ebenso einen literarischen Text zum englischen Pop-Art Künstlers Allan Joans. Die Arbeit am letzten Text war quälend. Was Allan Joans macht, gefällt mir nicht, ist provokant und verletzend. Ich wollte böse sein. Das fiel mir aber schwer. Ich bin froh, dass ich diese kleinen Dinge erledigt habe, denn jetzt soll es wieder an ein größeres Werk gehen. Ein Manuskript, das bereits 100 Seiten hat, wird eine vollkommen andere Form finden.
Monika Littau, Schriftstellerin
Durch die Corona-Beschränkungen müssen immer neue Wege gefunden werden, damit die geplanten Veranstaltungen umgesetzt werden können. Am Samstag wird es beispielsweise eine Premieren-Lesung im Netz mit sieben AutorInnen geben („Die Spuren der Stadt im Text – Bonn…“), die ursprünglich als Live-Veranstaltung für den Herbst vorgesehen war. Wir hatten übrigens bereits im letzten Jahr in anderer Konstellation eine Lesung, die die Corona-Situation thematisierte, mit dem Motto: „Geteilte Einsamkeiten“.
An Stelle einer Lyriktagung, die nicht stattfinden konnte, entstehen gerade Lyrikvideos. Das ist recht aufwändig. Ich stelle auch fest, dass beispielsweise Filmemacher zurzeit völlig überlastet sind. Sie sollen aufnehmen und ausstrahlungsgerecht gestalten: Konzerte, Lesungen, Museumsrundgänge, Ausstellungen. Die Zeit für die Lyrikvideos wird knapp.
Spät am Mittag wird schön gekocht, Neues ausprobiert. Und dann muss ich dringend an die frische Luft. Ich lebe sehr naturnah. Wenn das Wetter mitspielt, gehe ich eine Runde oder fahre Rad. Gerade sind die ersten Osterlämmer geboren. Sie sind noch wackelig auf den Beinen. Ich freue mich, wenn ich sehe, wie sie sich weiterentwickeln. Auch den Rhein, der mächtig über die Ufer tritt, besuche ich. Leider ist der Fußweg derzeit in den Fluten versunken.
Wenn ich „gut gelüftet“ zurück bin, kann ich wieder an den Schreibtisch.
Die Abende finde ich eher schwierig. Manchmal nehme ich an Online-Veranstaltungen teil. Manchmal sehe ich einen Film. Sonst lese ich oder arbeite weiter oder telefoniere und chatte mit Freundinnen und Freunden. Spätabends ist immer Lektüre angesagt.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Es ist besonders wichtig, die Spreu vom Weizen zu trennen. Was ist wichtig in meinem Leben? Was ist Sperrmüll? Welche Beziehungen sind tragfähig, auch wenn ich die Menschen nicht treffen kann. Insgesamt geht der Weg von außen nach innen. Und das ist gut so.
Sicher, ich habe keine kleinen Kinder mehr, die nicht in die Kita müssen, und deshalb alle paar Minuten etwas Anderes von mir möchten. Ich habe auch keine Schulkinder, die beim Home-Schooling begleitet werden müssen. Allerdings sitzt mein Mann nebenan in seinem Arbeitszimmer und unterrichtet per Stream. Da bekomme ich so einiges mit, was gut läuft oder eher schwierig ist. Insgesamt habe ich aber das Gefühl, das Online-Arbeiten hat sich im Vergleich zur ersten Lockdown-Phase deutlich verbessert.
Wichtig finde ich, die Lockdown-Situation nicht als Beschränkung, sondern als neue Erfahrung zu betrachten. Wenn der Widerstand weg ist, kann die Entdeckungsfreude kommen.
Zugleich bedeutet die Corona-Zeit, dass wir alle besonders aufmerksam sein müssen, dass errungene Kultur-/Literaturstrukturen nicht verloren gehen, bzw. klammheimlich abgebaut werden (Siehe Vorhaben des WDR).
Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Gerade beginnt eine unsägliche Debatte, in der Jung gegen Alt ausgespielt wird. Es wird wesentlich für uns sein, die Achtung vor allen Menschen wiederzugewinnen, zu bewahren, zu stärken und aufeinander aufzupassen. Ich bin vor drei Jahren längere Zeit in China gewesen und habe an der Uni unterrichtet. Weit davon entfernt, China unkritisch zu betrachten, hat mich doch die Achtung vor den Eltern, vor den Lehrern, vor den Alten sehr beeindruckt. Ich glaube, an dieser Stelle können wir alle noch etwas lernen, müssen zuhören, aufgeschlossen sein.
Für mich ist die Literatur naturgemäß besonders wichtig. Einen Tag ohne Lesen zuzubringen, kann ich mir gar nicht vorstellen. Ich bin mit der Literatur ständig in Kontakt mit anderen Menschen, mit anderen Lebensentwürfen und Erfahrungen, mit anderen Ländern und Kulturen. Ist das nicht wunderbar! Ich kann im Kopf verreisen, mir die Welt aufschließen. Ich habe einen ganzen Bücherturm im Arbeitszimmer und im Schlafzimmer liegen. Es ist immer zu wenig Zeit zum Lesen.
In meinem eigenen Schreiben wird das Thema Alt und Jung (s.o.) eine Rolle spielen. Ich hoffe, ich kann ein wenig vermitteln, welche Schätze dort gehoben werden könnten, welche Fülle dort zu finden sein könnte. Selbst wenn der erste Blick Probleme zeigt. Literatur hat also auch eine gesellschaftliche Aufgabe.
Filme spielen für mich eine große Rolle. Auch die Musik ist wichtig. Bei uns gibt es noch viele Cds. Sich hinzusetzen und Musik bewusst zu hören, ist eine Bereicherung, fühlt sich gut an, mache ich aber immer noch zu wenig. Und die bildende Kunst verbindet sich oftmals mit meinem Schreiben (s.o.).
Was liest Du derzeit?
Gerade habe ich die bereits verstorbene Bonner Autorin Caroline Muhr wiederentdeckt und viel rund um das Thema Bonn und Literatur gelesen.
Beendet habe ich vorgestern die Lektüre von Hans Joachim Schädlichs Roman „Felix und Felka“, ein beeindruckender Text, der in unglaublicher Knappheit das Wesentliche auf den Punkt bringt. Den Roman musste ich mit David Foenkinos „Charlotte“ vergleichen, der ebenfalls von seiner Form her sehr besonders ist. Kurz davor verschlang ich Ruth Lillegravens „Sichel“ – ein wunderbares Langgedicht , übersetzt aus dem Norwegischen und bei der Edition Rugerup erschienen.
Gerade angefangen habe ich David Wagners „Der vergessliche Riese“, danach kommt wahrscheinlich Jonathan Franzens Roman „Die Korrekturen“ und auf jeden Fall die Lyrikbände von Ulrike Bail „wie viele faden tief“ und von Marie T. Martin „Rückruf“. Zwischen Prosa und Lyrik springe ich oft hin und her, weil ich nicht so viele Gedichte nacheinander lesen kann.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Es gibt so viele wunderbare Zitate, beispielsweise dieses: „wenn wir uns berühren wachsen birkenschösslinge…“ von Ulrike Bail. Aber ich wähle heute einen Beuys-Text, weil er so wunderbar als Ermutigung in diese Zeit passt und weil Beuys Geburtstag hat. Herzlichen Glückwunsch Joseph!
Lasse Dich fallen. Lerne Schlangen zu beobachten. Pflanze unmögliche Gärten. Lade jemand Gefährlichen zum Tee ein. Mache kleine Zeichen, die „ja“ sagen und Verteile sie überall in Deinem Haus. Werde ein Freund von Freiheit und Unsicherheit. Freue Dich auf Träume. Weine bei Kinofilmen. Schaukel so hoch Du kannst mit einer Schaukel bei Mondlicht. Pflege verschiedene Stimmungen. Verweigere Dich „verantwortlich“ zu sein. Tue es aus Liebe. Mache eine Menge Nickerchen. Gib weiter Geld aus. Mache es jetzt. Das Geld wird folgen. Glaube an Gotti. Lache eine Menge. Bade im Mondlicht. Träume wilde, phantastische Träume. Zeichne auf die Wände. Lies jeden Tag. Stell Dir vor, Du wärst verzaubert. Kichere mit Kindern. Höre alten Leuten zu. Öffne Dich. Tauche ein. Sei frei. Preise Dich selbst. Lass die Angst fallen. Spiele mit allem. Unterhalte das Kind in Dir. Du bist unschuldig. Baue eine Burg aus Decken. Werde nass. Umarme Bäume. Schreibe Liebesbriefe.
Joseph Beuys: How to be an Artist
Vielen Dank für das Interview liebe Monika, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Liebe Johanna, wie sieht jetzt dein Tagesablauf aus?
9:00 Wecker läutet – wie jeden Morgen. Dann wanke ich in die Küche. Bevor ich nicht meine Wiener Kaffeespezialität Einspänner oder Franziskaner getrunken habe, bin ich zu nichts zu gebrauchen und nicht ansprechbar.
Johanna Mucha_Schauspielerin, Sängerin, Tänzerin
9:30 Frühstück ist fertig. Es wird gefrühstückt und Zeitung gelesen.
10:30 Morgentoilette
11:00 Es werden Mails beantwortet und Telefonate geführt.
12:00 Ich trainiere für eine Stunde. (Bauchmuskeln, Rückenmuskeln sowie Steppen und Tanzen dürfen nicht fehlen. Meistens artet es aus und ich tanze irgendwann wild durch meine Wohnung mit lauter Musik. Meine armen wunderbaren und verständnisvollen Nachbarn.)
13:00 Ich probiere neues Gesangsrepertoire aus und recherchiere was ich über mein neues Repertoire wissen sollte.
14:00 Ich habe Hunger, großen Hunger. Ich überlege, was ich einkaufen soll. Blick in den Kühlschrank. Zu faul um einzukaufen. Ich esse das, was da ist.
15:00 Mittagessen am Tisch. Während des Mittagessens erledige ich noch einige Telefonate bezüglich Projekten.
16:00 Ich bereite mich für meine Zoom Online-Klassen vor.
17:00 – 20:00 Zoom Online-Klassen. Es wird gesteppt, Jazz getanzt, 80’s Aerobics gemacht, gesungen, gestretcht und viel gelacht.
20:05 Meine Schülerinnen und Schüler wollen nicht aufhören mit mir zu reden.
20:15 Wir unterhalten uns noch immer angeregt über Dies und Das. Ich denke in dieser Zeit ist die Kommunikation und der Austausch einzelner Gedanken für Geist, Seele und Körperliche Gesundheit am wichtigsten.
20:30 Feierabend. Ich checke noch, ob ich etwas für den nächsten Tag vorbereiten muss.
21:00 Ich brainstorme, wie ich das nächste Vorsprechvideo gestalten kann.
22:00 Ich such mir ein Buch und verkrieche mich im Bett.
23:00 Ich bin müde. Ich mach mich bettfertig.
23:30 Ich liege im Bett und denke darüber nach, warum Staub auf den weißen Fliesen schwarz aussieht und auf einer schwarzen Marmorplatte weiß. Gleichzeitig beschäftigt mich der Wandel der Zeit, die Schnelllebigkeit der Gesellschaft und das Bedürfnis langsamer zu treten.
24:00 Ich denke, ich bin eingeschlafen.
Ein ganz normaler Tag im Lockdown.
Wie sonst auch. Nur ohne soziale Kontakte, Probenarbeit und Aufführungen.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Zusammenhalten, durchhalten, Ruhe bewahren; nicht alles glauben, was im Netz steht; der Glaube daran, aus dem Schlamassel mit so wenigen körperlichen, seelischen, geistigen und finanziellen Schäden wie möglich rauszukommen.
Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater der Musik, der Kunst an sich zu?
Die Welt ist seit jeher ungerecht und hat sich noch nicht allzu sehr weiterentwickelt.
Wir werden gesellschaftlich und persönlich neue Wege suchen müssen, angefangen mit dem bedingungslosen Grundeinkommen. Das wäre eine sehr gute Idee, um die Verteilung der Ressourcen zwischen Reich und Arm neu zu definieren. Ich bin keine Hellseherin, aber ich denke (wenn ich mal als „Zukunft“ die nächsten 30 Jahre benennen darf), dass es das Theater bestimmt noch geben wird – dafür gehört es einfach zu sehr zu unserer kulturellen Identität in Österreich.
Man hat vor Jahren auch behauptet die Malerei sei tot und die Fotografie würde sie ersetzten… und dann gab es ein großes Comeback und keiner kommt heute mehr auf die Idee, die Malerei als obsolet anzusehen.
Sicherlich wird viel online passieren: Wir haben dann einfach einen Kanal mehr zu bespielen. Wahrscheinlich werden Gestaltungsmöglichkeiten im Netz auch vielfältig sein.
Aber eine reale Konfrontation mit der Wirklichkeit im Raum-Zeit-Kontinuum wird glaub ich immer spannend bleiben und Fernsehen, Netflix, YouTube, Instagram, usw. wird das Live-Theater, die Live-Musik und Live-Konzerte nie ersetzen können.
Was liest du derzeit?
Ich lese so wahnsinnig gerne vor dem Schlafengehen und lese oft mehrere Bücher gleichzeitig. Meistens entscheide ich mich spontan – auf welche Lektüre ich gerade Lust verspüre.
Zurzeit lese ich zum zweiten mal „Der Weg des Künstlers“ von Julia Cameron. Dieses Buch inspiriert mich und aktiviert meine Gedanken und Kreativität.
„Alle Toten fliegen nach Amerika“ von Joachim Meyerhofer. Einfach wahnsinnig amüsant und anregend.
„Ella Fitzgerald und ihre Zeit“ von Johannes Kunz erzählt wie Jazz und Blues die amerikanische Gesellschaft verändern, ebenso wie von dem Leben einer scheuen, eigenwilligen Frau, die nur auf der Bühne wirklich aus sich heraustrat, ganz nach dem Motto: „Das einzige, was besser ist als zu singen, ist mehr zu singen.“
„Mind Fuck“ von Petra Bock. Die Parallelwelt in unserem Kopf. Sehr spannend. Lege ich jedem sehr ans Herz.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du der Gesellschaft mitgeben?
„Lebe jetzt. Liebe das Leben. Liebe die Menschen.“
„Wir sollten alle beginnen zu leben, bevor wir zu alt sind. Angst ist etwas Dummes, ebenso wie etwas zu bereuen.“ – Marylin Monroe
Johanna Mucha_Schauspielerin, Sängerin, Tänzerin
Vielen Dank für das Interview liebe Johanna, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Schauspiel-, Musik-, Tanzprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Liebe Christiani, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Mein Tagesablauf ist eigentlich sehr durchgetaktet. Am Morgen bringe ich meinen Sohn in den Kindergarten und dann arbeite ich meine Projekte nacheinander ab. Als Schauspielerin sind mir leider seit fast einem Jahr sehr viele Projekte abgesagt oder verschoben worden, was sehr zermürbend ist. Zum Glück habe ich noch ein zweites Standbein als Drehbuchautorin. Schreiben kann man von überall und dazu brauche ich nicht zwingend menschlichen Kontakt. Deshalb sitze ich sehr viel an meinem Schreibtisch und beende Konzepte, Auftragsarbeiten und kreative Eigenwerke.
Christiani Wetter, Schauspielerin
Ansonsten versuche ich so oft wie möglich draußen an der frischen Luft zu sein, um nicht durchzudrehen ab der zwangsläufig viel verbrachten Zeit zuhause. Mit meinem Sohn ist dann nachmittags der nahegelegene Spielplatz ein Domizil, welches wir täglich ansteuern. Abends wird etwas Gesundes gekocht oder etwas weniger Gesundes, aber glücklich machendes, von einem Gastronomiebetrieb in der Nähe bestellt.
Am späten Abend versuche ich mir eine interessante Doku oder ein cineastisches Meisterwerk anzusehen, welches ich die letzten Jahre verpasst habe mir anzuschauen. Ich weiß nicht wie ich das schaffe, aber sehr oft drifte ich dann doch zu leichterer Kost ab und lande bei einer leicht verdaulichen Serie oder gar Trash TV. Aber hey, der Wille zur ARTE-Dokumentation steht jeden Abend wieder aufs Neue auf dem Plan.
Christiani Wetter_ Schauspielerin, Moderatorin
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Pauschal kann ich das nicht beantworten. Bei mir verschiebt sich die Wertigkeit der wichtigen Punkte von Lockdown zu Lockdown. Gerade ist es mir wichtig, nicht in Panik zu verfallen und das Vertrauen nicht zu verlieren, dass sich in hoffentlich nicht allzu ferner Zukunft mein Alltag wieder einpendeln, meine Projekte zurückkommen, die finanzielle Stabilität nicht wie ein Damoklesschwert über uns Künstler*innen hängen und das soziale Leben wieder zu einer Normalität zurückfinden wird.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater, dem Schauspiel, der Kunst an sich zu?
In der Kunst- und Kulturlandschaft und insbesondere im Theater, wünsche ich mir, dass diese erzwungene Pause durch die Pandemie dazu genutzt wurde, um ein Umdenken anzustoßen, zum Beispiel in der Besetzung der Ensembles oder der anvisierten Stückauswahl. Ich wünsche mir, dass die Ensembles diverser werden und die Theaterstücke öfters die relevanten Themen der Gegenwart behandeln bzw. die Theaterleitungen sich vermehrt für Stoffe entscheiden, die sich mit den Problemen, Ängsten, Wünschen, Hoffnungen und Nöten der heutigen Generationen auseinandersetzen. Denn: Wir sind nicht nur eine heteronormative Gruppe von lauter weißen Cis-Gender Menschen. Ganz und gar nicht. Und diese Pluralität sollte sich sowohl in der Besetzung auf der Bühne oder vor der Kamera, als auch in Theater- und Drehbuchtexten widerspiegeln.
Was liest Du derzeit?
Nachdem ich mein Fernstudium in Philosophie das ganze letzte Jahrzehnt mit mir herumgetragen habe wie einen leidigen Rucksack, habe ich nun beschlossen dieses Kapitel endlich abzuschließen und meine Abschlussarbeit zu schreiben. Daher lese ich gerade sehr viel trockene Sachliteratur, aber auch sehr beglückende und gewinnbringende Literatur zu meinem Wunschthema.
Nachdem ich mein Fernstudium in Philosophie das ganze letzte Jahrzehnt mit mir herumgetragen habe wie einen leidigen Rucksack, habe ich nun beschlossen dieses Kapitel endlich abzuschließen und meine Abschlussarbeit zu schreiben. Daher lese ich gerade sehr viel trockene Sachliteratur, aber auch sehr beglückende und gewinnbringende Literatur zu meinem Wunschthema.
Zum Ausgleich lese ich leicht verständliche Alltagsphilosophie der Philosophin und Autorin Ariadne von Schirach, die mit „Du sollst nicht funktionieren“, „Ich und Du und Müllers Kuh“ oder auch „Die psychotische Gesellschaft: Wie wir Angst und Ohnmacht überwinden“, meiner Meinung nach genau den Zeitgeist trifft und mir mit ihren Werken schon oft Aha-Momente verschafft hat.
Die meist gelesenen Bücher momentan sind allerdings literarische Werke über Bagger und Baustellen, welche mir mein Sohn liebevoll aufzwingt circa tausend Male hintereinander zu lesen.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Was ich mir selbst oft sage: „Alles ist stets im Wandel und nichts ist von Dauer oder in Stein gemeißelt. Das ganze Leben ist ein Prozess der Veränderung. So auch diese Gegenwart, das Gute wie das Schlechte. “
Lucia Litman:
„There is more than one way to get where you are going.“
“You can`t go back and change the beginning, but you can start where you are and change the ending.”
Christiani Wetter, Schauspielerin, Schriftstellerin
Vielen Dank für das Interview liebe Christiani, viel Freude weiterhin für Deine großartigen Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an KünstlerInnen:
Christiani Wetter, Schauspielerin, Schriftstellerin
Lieber Walter, mein Tagesablauf ist leider noch undisziplinierter gestaltet als vor der Pandemie. Ich schlafe aus, esse ein langsames Frühstück, verfluche den Regen in Bern, lese Zeitung, dusche ausgiebig…nach dem Mittag setze ich mich dann gestresst an die Arbeit und denke im Hinterkopf, dass ich ja auch noch eine Bachelorarbeit schreiben muss. Ich schreibe aber auch immer mal wieder, eher sporadisch, mehrheitlich Kurzgeschichten. Allerdings muss ich zugeben, dass zum Schreiben die externen Stimuli doch wichtiger sind, als mir lieb wäre. Die fehlen jedoch derzeit. Die aktuelle Situation macht ja auch immer wie mehr Sorgen, wie es dann mit zukünftigen Publikationen aussieht. Mein erster Gedichtband erschien im Juni 2020 und die Buchpremiere dazu steht immer noch in den Startlöchern!
Lea Schlenker_Schriftstellerin
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Durchhaltevermögen und Solidarität. Starke Nerven bei Maskenverweigerern.
Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Möglicherweise wird nach der Pandemie den Menschen vermehrt klar, dass Kultur systemrelevant ist. Gerade während des Lockdowns ist doch für alle spürbar: was wäre das Leben ohne eine gute Idee, ein fesselndes Buch, einen bilderreichen Film oder tanzbare Musik? Uns allen fehlt etwas, seien es die Museumsbesuche, die Theater, die Opern oder die Konzerte. Schlussendlich ist doch die Kunst das beste Mittel, um sich zumindest für eine Weile glücklich zu fühlen.
Allerdings denke ich nicht, dass die Pandemie einen großen Einfluss auf die Gesellschaft beziehungsweise das Wesen der Menschen hat. Was bei mir persönlich bleibt ist der fade Beigeschmack der Proteste, der Ignoranz und auch die immer wiederkehrende Tendenz, die Wirtschaft über die Menschen zu stellen.
Was liest Du derzeit?
„Unendlicher Spass“ von David Foster Wallace. Wenn ich es nicht während des Lockdowns schaffe, dann werde ich es nie schaffen.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Das letzte Buch, dass ich gelesen habe war von Hilde Ziegler. Mir gefiel dort ein Abschnitt sehr gut: „Der Stacheldraht an der Schweizer Grenze hat an einer gewissen Stelle ein Loch. Und hinter diesem Loch befindet sich der Abfallhaufen von Gärtner Dahler in Riehen. Jeden Samstag werden dort faule Orangen abgeladen. Obwohl meine Mutter schimpft, fischen wir mit Stöcken die Orangen zu uns herüber, und die meisten kann man noch essen. D’Schwizer sinn verschläckt, die ässe no lang nit alles, sagt Rudi. Das isch unser Glück.“
Vielen Dank für das Interview liebe Lea, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literaturprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Liebe Sandra, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich schreibe an einem Buch. Ich lebe kaum anders als sonst, außer, dass ich keine Vorstellungen habe und demgemäß weniger fahren muss. Aber da ich viel recherchieren und schreiben muss, ist das auch ganz okay. Sonst mache ich natürlich noch meine Arbeit als Sprecherin für den ORF, aber das ist nur wenig, nebenbei. Gottseidank lebe ich mit Mann und Hund – bin daher weder einsam noch überfordert, und finanziell sind wir anspruchslos. Mir geht es viel besser als den meisten freiberuflichen Kulturschaffenden, obwohl ich kaum Förderung bekomme.
Nicht die Geduld zu verlieren, nicht die Disziplin – und vor allem nicht die Empathie für andere.
Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Schauspiel, der Musik, der Kunst an sich zu?
Ich denke, diese Rolle wird sich kaum ändern: Aufmerksam-machen, (daher auch: aufmerksam-sein!) Grenzen aufzuzeigen und wenn möglich zu erweitern. Nach vorne sehen und nicht zurück. Kunst/Kultur sind die Motoren und die Seismographen jeder Veränderung, unsere Aufgabe ist es, zu schauen, dass diese Veränderung im Sinne der Gleichberechtigung der Völker, der Gerechtigkeit, der Empathie, der Nachhaltigkeit, geschieht, dass die Menschen neugierig werden und bleiben, und dass sie die Angst und den daraus resultierenden Hass verlieren. Wir müssen Diskussionen anstoßen und zugleich mithelfen, dafür zu sorgen, dass die Menschen nicht die Richtung verlieren.
Das war immer schon so – aber in dünnhäutigen Zeiten wird das schwerer und notwendiger.
Was liest Du derzeit?
Ich lese immer mehrere Bücher gleichzeitig. (Und fast nie Belletristik, weiß nicht, das hat irgendwie vor etlichen Jahren seinen Reiz für mich verloren) Derzeit Baltrusch: ‚Herodes – König im heiligen Land‘ (Biografie); Feuerherdt/Markl: ‚Vereinte Nationen gegen Israel‘ (hochempfehlenswert, eines der wichtigsten Bücher dieser Zeit!) und Vukadinoviç (Hrsg.) ‚Freiheit ist keine Metapher‘
Welches Zitat, Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
“Nothing in all the world is more dangerous than sincere ignorance and conscientious stupidity.” Martin Luther King, Jr.(1929-1968)
Vielen Dank für das Interview liebe Sandra, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Musik-, Literatur-, Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Liebe Christine, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ungefähr 5.30 Uhr ist Tagwache dann wird gemütlich mit meinem Mann gefrühstückt.
Ein wenig Gymnastik, Hausarbeit, wenn das nicht zu unfreundlich ist 1 Stunde walken, kochen, Mittagspause und am Nachmittag malen, malen, malen
Christine Schinner, Künstlerin
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Ruhe zu bewahren, den Kontakt zu Freunden pflegen ,wenn auch auf Distanz, sich gegenseitig mental unterstützen und positiv denken. Jede Katastrophe geht auch einmal zu Ende
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Kunst an sich zu?
Es wird sich bzw. hat sich für die Kunst schon sehr viel verändert aber ich denke die Kunst kann in die ganze Aufregung, die derzeit herrscht wieder etwas Ruhe hineinbringen und die Lebensfreude der Menschen steigern. Ich jedenfalls kann mir ein Leben ohne Kunst nicht vorstellen und ich merke, dass es vielen Menschen ebenso geht
Was liest Du derzeit?
Update für dein Unterbewusstsein von Thimon von Berlepsch
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Die wahre Kunst im Leben: Erwarte nichts und schätze alles und sei für alles dankbar.
Vielen Dank für das Interview liebe Christine, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Kunstprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Herzlichen Dank für die Einladung und einen wunderschönen Dienstag. Liebe Grüße Christine
5 Fragen an KünstlerInnen:
Christinne Schinner, Künstlerin
Alle Fotos/Werke_Christine Schinner
Mail: christine.schinner@aon.at
2.2.2021_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.