„Existenzbedrohende Szenarien machen uns wohl als Kunstschaffende noch bissiger, um es mal positiv zu konnotieren“ Slivo Slivovsky_Sänger _ Wien 31.8.2020

Lieber Slivo, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Da meine beiden Kinder Ferien haben, vor allem die tägliche Routine als Familienvater. Damit uns nicht allzu fad wird, gehört da natürlich auch immer ein abwechslungsreiches Programm dazu. Wir sind viel im Mostviertel und laufen in der Natur herum oder gehen ins Freibad.

Die letzten Tage hatte ich wieder die Freude, mit meinen KollegInnen vom E3-Ensemble und Thomas Bischof zu arbeiten. Die Tage am Set waren lehrreich, konzentriert und sehr schön. Ansonsten bereite ich mich schon geistig auf den Herbst vor. Da stehen wieder Auftritte als Romantic Slivo im Rabenhof, als auch die verschobene Tournee mit dem neuen Album der 5/8erl in Ehr’n am Programm.

Slivo Slivovsky_ Foto _Astrid Knie

 

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Zusammenhalt, aufmerksam bleiben und der Blick und das Ohr füreinander. Wir, die auf den Bühnen stehen, sind zumindest sichtbar. Der Großteil spielt sich aber im „toten Winkel“, im Hintergrund, ab. Ein Techniker oder eine Technikerin wird wohl eher selten zu einem Interview geladen oder bekommt die Sichtbarkeit, die wir bekommen. Der Arbeitsplatz ist aber der gleiche.

 

 

Vor einem Aufbruch, Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?

Als Kulturschaffende in der Mitte der Gesellschaft zu stehen und den Spiegel hoch zu halten ist in egal welcher Zeit, eine herausfordernde und wichtige Arbeit. Die Krise ist wie immer auch eine Chance, solange man sich selbige auch „leisten“ kann. Existenzbedrohende Szenarien machen uns wohl noch bissiger, um es mal positiv zu konnotieren.

 

 

Was liest Du derzeit?

Neben dem Drehbuch von Thomas Bischof lese ich gerade „Segel&Riggtrimm“, ein Sachbuch von Ivar Dedekam.

 

 

Welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Sinnvolle Zitate sind da eher Mangelware aber trotzdem passend fällt mir folgendes ein:

„Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen manche Mauern und andere Windmühlen“

(unbekannt)

 

 

Vielen Dank für das Interview lieber Slivo, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Musik- und Theaterprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

 

5 Fragen an KünstlerInnen:

Slivo Slivovsky_Sänger, Komponist, Texter und Schauspieler.

Foto_Astrid Knie

 

25.8.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

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„Zorn und Stille“ Sandra Gugic. Roman. Hoffmann und Campe Verlag.

 

Das fast leere Zimmer. Die Kartons am Gehsteig. Das unbenutzte Festnetztelefon. Es ist Erinnerung und Abschied. Jetzt und immer. Der Blick zum Himmel. Fort…

Es ist eine Reise zurück. Der Ausgangspunkt und das danach. Die Tourismuswerbung jetzt in der Botschaft. Die Erzählungen des Vaters kommen zurück. Und die Bilder, das Video und seine kindliche Freude darin, die so fremd war. So ungewohnt. War doch alles stets still. Das Bemühen, die Zurückhaltung und auch der Zorn.

„Wenn du an deinen Vater denkst, was ist deine erste Erinnerung? Ich suchte und fand kein Bild, keinen Geruch, keinen Ton, an dem ich mich festhalten konnte, nur eine Leerstelle…“

Im Gepäck hat sie nicht viel. Kameratasche, Stativ, Laptop, ein paar Kleider. Sie ist Fotografin. Das ist der „Ist-Zustand“ ihres Lebens. Das Unterwegssein, die Bilder und die Erinnerung. Und da ist Ira, und auch die „Normsehnsüchte“ nach Schutz und Geborgenheit, Sicherheit. Zwischen Aufbruch und Rückkehr. Zwischen dem Gestern und dem Heute.

Und der Morgen? Was wird dieser sein? Was war dieser je? Für Vater, Mutter, Tante und den Bruder?  Lass` mich sehen, spüren. Lass` mich erzählen. Gestern, heute, morgen…

 

Sandra Gugic, mehrfach ausgezeichnete österreichische Autorin, legt mit „Zorn und Stille“ einen Roman vor, der das Leben, dort wo es ganz still und wortlos in Sonne und Regen verharrt, in die Mitte der Kraft der Sprache katapultiert und damit weit über Person und Zeit hinausträgt. Die Autorin packt Form und Möglichkeit der Literatur an Herz und Seele. Jeder Satz ist und will Welt. Will das Leben fordern und zur Rede stellen. Im Kontext von Ereignis und Geschichte und weit darüber hinaus. Reflektiert, kritisch, mitreißend.

„Wenn Sandra Gugic erzählt, blickt die Welt in den Spiegel. Eindringlich, mitreißend und unmittelbar.“

 

Walter Pobaschnig 8_20

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„Was da gerade abläuft, können wir nicht ändern, wir müssen damit zurechtkommen“ Roland Zingerle, Schriftsteller_Klagenfurt_ 30.8.2020

Lieber Roland, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Da der Großteil meines Alltags aus PC-Arbeit besteht, hat sich am Ablauf kaum etwas geändert.

Geändert hat sich jedoch ein wesentlicher Teil meiner Arbeit: Veranstaltungen sind derzeit kaum organisierbar, weil niemand weiß, wohin die Reise gehen wird und sich deshalb niemand festlegen will. Darüber hinaus haben die Sponsoren ihre Budgets gekürzt, weil sie selbst Einbußen hatten, und viele Printmedien haben wegen der zurückgegangenen Werbeeinnahmen ihren Seitenumfang reduziert, was es schwieriger macht, an die Öffentlichkeit zu kommen.

Alles in allem arbeite ich momentan sozusagen ins Blaue und ich fürchte, dass sich dieser Zustand in absehbarer Zeit nicht ändern wird.

 

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Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Was da gerade abläuft, können wir nicht ändern, wir müssen damit zurechtkommen. Deshalb: Locker bleiben und neue Wege suchen.

 

 

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?

Wenn wir aus der Gegenwart etwas Gutes für unsere Zukunft lernen und auch anwenden können, verwandeln wir Hindernisse in Stufen, die uns nach oben führen – das ist etwas, das jeder für sich selbst tun kann.

Was die Rolle der Literatur betrifft: Eine ihrer wesentlichen Leistungen ist, andere Welten zu zeigen, neue Wege, alternative Verhaltensmodelle. Davon kann jeder profitieren, der einen offenen Geist bewahrt.

 

 

Was liest Du derzeit?

„Österreich im Jahre 2020“

 

 

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Angst ist ein gutes Stoppschild, aber ein schlechter Wegweiser.

 

Vielen Dank für das Interview lieber Roland, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literaturprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!

 

5 Fragen an KünstlerInnen:

Roland Zingerle: Schriftsteller, Schreibcoach

Startseite

 

 

23.7.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

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„SchriftstellerInnen haben keine andere Schulzeit als andere Menschen“ Ronya Othmann, Schriftstellerin _ Station bei Bachmann_Ursulinengymnasium Klagenfurt _7_2020

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„Es ist krass hell hier, sehr schön, wie eine Klosterschule im Roman. Meine Schulzeit war in einem 60/70er Betonbau. Ein Gebäude spiegelt ja auch eine Geisteshaltung, Bildung. Eine konzentrierte Atmosphäre ist hier zu spüren.“

 

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„Ich bin in Bayern aufgewachsen.  Meine Grundschule kam mir immer endlos riesig vor. Später dann klein. es waren zwei Grundschulen nebeneinander, in der Mitte eine Sporthalle, eine ganz andere Architektur. Es war keine konfessionelle Schule wie hier.“

 

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„In meiner Schulzeit habe ich mich gelangweilt und heimlich unter der Bank gelesen. Ich habe viel unter der Bank gelesen.

Es gab aber auch das Entdecken von Lektüre durch Lehrerimpulse. Ich habe etwa Herta Müller durch eine Lehrerin entdeckt oder auch Elfriede Jelinek, das war ganz cool, auch Lyrik. Ich hatte coole Deutschlehrer. Es gab auch creative writing nach dem Unterricht, das habe ich besucht.“

 

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„Ich habe zunächst ein naturwissenschaftliches Gymnasium besucht und bin dann in ein musisches Gymnasium gewechselt. Da gab es viel Raum für Kunst“

„Ingeborg Bachmann hat ja über ihre Schulzeit etwa in der Erzählung „Jugend in einer österreichischen Stadt“ geschrieben.

 

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Ich denke SchriftstellerInnen haben keine andere Schulzeit als andere Menschen. Die Wahrnehmung verändert sich mit den Lebenserfahrungen und-stationen.“

 

Ronya Othmann, Schriftstellerin, Stadtschreiberin _Klagenfurt 2020, BKS Publikumspreisträgerin 2019. 

Station bei Bachmann_Ursulinengymnasium 9020 Klagenfurt. Schule der Schriftstellerin Ingeborg Bachmann (1929 – 1973).

 

 

Fotos_Ronya Othmann_Ursulinengymnasium und Interview Ronya Othmann_Walter Pobaschnig _7_20 Klagenfurt. 

Foto_Ingeborg Bachmann an der Tür ihrer Schule des Ursulinengymnasiums Klagenfurt_1968 _Ingeborg Bachmann Erben.

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„Das Seltsamste an unserer Zeit ist doch, dass kein sichtbarer Bruch stattfindet, alles zerfällt mehr und mehr“ Nico Feiden, Schriftsteller_Köln 29.8.2020

Lieber Nico, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Mein Tagesablauf hat sich nur wenig verändert. Ich versuche mir stets Freiräume zu schaffen, in denen ich eine Bereitschaft zur Kreativität erschaffe.

Zu meinen morgendlichen Ritualen zählt  ein früher Spaziergang…

Dort erst erkenne ich die Substanz des Tages, dort kristallisiert sich heraus, welchen literarischen Ausdruck meine Arbeit haben wird. Ein früher Morgen trägt die Magie des Unbeschriebenen in sich, eine Freiheit, die ich sonst nur von weißem Papier kenne.

 

Nico Feiden

 

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Mein Denken teilt sich nicht in pre- und post-Corona. Diese Pandemie hätte auch  eine Chance sein können, alles zu hinterfragen, was wir seit Jahrzehnten leben und zelebrieren. Das Seltsamste an unserer Zeit ist doch, dass kein sichtbarer Bruch stattfindet, alles zerfällt mehr und mehr, aber da ist kein Krieg (in Europa) kein Untergang, alles besteht weiter fort, vielleicht verändert, aber die scheinbare Sicherheit bleibt und dieses langsame Gleiten zum Abgrund hin löst eine seltsame Art von Erwarten aus, etwas worauf wir uns hinbewegen und was unausweichlich scheint, ob es nun Klimakatastrophen, Kriege oder Hungersnöte sind. Manchmal habe ich das Gefühl, der Mensch hätte sein Schicksal längst akzeptiert.

Aber da ist kein Platz für stilles Hinnehmen, ich fordere einen Aktionismus von  Jedermann/frau. Aus den scheinbar kleinsten Gesten, kann etwas erwachsen, was in allem eine Art Hoffnung weckt.

Ich meine, beginnt damit, dass zu tun, was ihr tun könnt, egal was, Hauptsache es beginnt!

 

 

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?

Kunst im Allgemeinen ist von jeher ein Spiegel der Gesellschaft. Was nicht gesagt werden kann, wird geschrieben, gemalt, oder gespielt. Wir können uns dieser Wahrheit hingeben und davon lernen.

In jeder Krise, vor allem in einer, die von Entbehrungen und askeseähnlichen Tagen geprägt ist, kann ein Buch, ein Lied, ein Gemälde das Tor zur Welt symbolisieren.

Wir öffnen uns und lassen die Welt hinein.

Ich glaube vielen Menschen erging es so, dass sie gar nicht mehr wussten, wohin mit all den Stunden eines Tages…

Die Beschäftigung mit dem Selbst ist wohl die grundlegendste Erfahrung der Selbstreflektion. Nur wer über sich selbst im klaren ist, was er oder sie ist, kann die Zusammenhänge des Lebens erkennen und somit sich selbst.

Die Kunst kann im Falle der Selbsterkenntnis einen Reiz und Impuls geben, ein Streben nach innerer Weisheit.

Wir sehen die Welt nicht, wie sie ist, wir sehen sie, wie wir sind, und auch im kreativen Ausdruck eines anderen Menschen erkennen wir meist uns selbst.

Jedes Lesen, jedes Betrachten, jedes Zuhören ist eigentlich nur ein In-sich -selbst-Blicken und Erkennen

 

 

Was liest Du derzeit?

Zurzeit lese ich nichts, da ich mich im Schaffensprozess zu einem neuen Roman, einem Theaterstück und einem Gedichtband befinde. In diesen Phasen lese ich nie andere Autor*innen, um meinen eigenen Ausdruck nicht zu verfälschen.

Meine Leseliste wächst aber dennoch jeden Tag. Neben einer seltsamen Art von Prokrastination – in diesem Fall – dominiert aber die Vorfreude auf all die ungelesen Bücher um mich herum.

 

 

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

„Es gibt im Leben Augenblicke, da die Frage, ob man anders denken kann, als man denkt, und auch anders wahrnehmen kann als man sieht, zum Weiterschauen und Weiterdenken unentbehrlich ist“

Michel Foucault

 

Vielen Dank für das Interview lieber Nico, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literaturprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!

 

5 Fragen an KünstlerInnen:

Nico Feiden, Schriftsteller

Foto_privat.

 

 

23.7.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

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„Das Unversuchte wagen, aufs Träumen nicht vergessen und noch weniger aufs Tun“ Norbert Trawöger_ Künstlerischer Direktor _Bruckner Orchester_Linz 28.8.2020

Lieber Norbert, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Es ist Ferienzeit und damit herrscht weitläufigere Terminfreiheit. Ich stehe sehr früh auf und gehe spät ins Bett. Dazwischen kann ich mich gerade freier Menschen, Dingen und Projekten hingeben, die mich bewegen, spiele mit meinen Kindern oder Flöte. Ich liebe diesen Zustand!

 

Norbert Trawöger _ Andrea Trawöger

 

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Ich denke, aufeinander acht zu geben, das Menschliche – was für mich immer auch das Unversuchte meint – zu wagen, aufs Träumen nicht zu vergessen und noch weniger aufs Tun. Nicht machen, tun. Corona hat uns aus der üblichen Routine gerissen, die so nicht mehr wiederkehren wird. Insofern sind wir heftig gefordert,  auch unsere gewohnten Denkroutinen loszulassen und neu denken zu lernen. Das ist leicht gesagt, aber in Wirklichkeit eine echte Herausforderung: Bevor wir neue Antworten finden, müssen wir neue Fragen stellen lernen!

 

 

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Musik, der Kunst an sich zu?

Wir leben in einer sehr fragilen Zeit und müssen als Gesellschaft gut aufpassen, dass die Risse, Gräben und Unterschiede nicht noch größer werden. Unsicherheit ist aber immer die große Zeit der Möglichkeiten, auch jener, uns wieder als Gestaltungsbefähigte zu begreifen. Jede, jeder hat Einfluss und es ist höchste Zeit, diesen in Anspruch zu nehmen. Wer es nicht tut, stimmt dem Lautesten zu. Die Kunst kann uns helfen, die Ohren zu spitzen, uns unserer Verbindungen untereinander bewusst zu sein, uns zu unterhalten, uns heftig irritieren, in Räume führen, die wir uns gar nicht vorstellen konnten und vieles mehr. Sie muss nichts, die Kunst. Aber sie kann, ermutigen zum Beispiel. Wie wir können, wenn wir nur wollen – auch das Undenkbare, Noch-Nicht-Gedachte in Betracht ziehen.

 

 

Was liest Du derzeit?

Valerie Fritschs Roman „Herzklappen von Johnson & Johnson“. Ich bin mittendrin, in jeder Hinsicht.

 

 

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Drei Sätze, Gedanken begleiten mich gerade sehr.

„Und ob die weite Welt wirklich weit ist, das liegt an jedem Menschen.“ /Ilse Aichinger

„Kenntnis der Notausgänge kann dazu führen, dass ich beim nächsten Mal mein Verhalten ändere.“ /Alexander Kluge in einem Interview mit „Welt am Sonntag“, 22. März 2020

„Ich brenne seit je darauf, es zu schaffen, dass sie zu Erreichbaren würden – Aufhorchende – Offene – Antwortende (und sei es wortlos).“ /Peter Handke; Die Obstdiebin

 

 

 

Vielen Dank für das Interview lieber Norbert viel Freude und Erfolg für Deine großartigen vielfältigen Musikprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!

Ich danke, dass ich darüber nachdenken durfte.

 

 

5 Fragen an KünstlerInnen:

Norbert Trawöger, Musiker

Künstlerischer Direktor des Bruckner Orchester Linz und Intendant des Kepler Salon

Foto: Andrea Trawöger

 

24.7..2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

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„Der kleine Prinz“ Antoine de Saint Exupery. Faksimile Jubiläumsausgabe von 1950 im Schuber.

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Es gibt Bücher, die geben Welt und Bewusstsein Impulse über Generationen hinweg. Werden immer wieder neu entdeckt. Von Generation zu Generation. Leserinnen und Leser geben Ihre Begeisterung weiter. Erzählen und berichten vom Wort, das an Seele, Herz und Verstand heranreicht und bewegt.

Ein wichtiger Teil dieser inhaltlichen Begeisterung über ein Buch ist auch seine Form. Das sinnliche Wahrnehmen und dann das Öffnen, Blättern. Das Sehen, Spüren und Lesen. Das ist ein jahrtausendealter Prozess, der nichts von seiner Gültigkeit und seinem Zauber verloren hat.

Der Buchdruck gibt den Worten eine Form und ist dabei eine eigene Kunstform, die auf großartige Traditionen  zurück blickt…

Und diese immer wieder neu entdeckt…

Wie mit der vorliegenden beeindruckenden Faksimile Ausgabe. Es ist ein Buchkunstwerk erster Güte. Gleichsam ehrfurchtsvoll wird das Buch aus dem Schuber gehoben und dann diese ganz besondere Bewusstseinsreise in Wort und Bild des Autors genossen und bewundert.

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Zu Autor und Inhalt braucht es keine Worte. Ein Klassiker des 20.Jahrhunderts. Ein Buch das Generation um Generation begeistert und inspiriert.

„Ein bibliophiles highliht eines der bedeutendsten Werke des 20.Jahrhunderts“

 

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„Krise ist der Moment, wo eine Entscheidung getroffen werden muss und das wird auch weiter die Aufgabe der Kunst sein“ Florian Zambrano Moreno, Regisseur_Maria Saal _ 27.8.2020

Lieber Florian, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

meist so, dass ich in der Früh schnell überlege, was ich tun könnte und tun will und dann, was ich mit den Kindern machen möchte und wie viel sich davon wirklich ausgeht. meist entscheide ich mich schnell dafür mehr mit den Kindern zu machen, die SommerTage auszunutzen und mache dann in der Nacht die Arbeiten vor dem Computer und das Lesen. zur Zeit haben wir noch Aufführungen unseres Stückes KeinSteinAufDemAnderen in Maria Saal – das heißt wir erledigen an den Vormittagen das Notwendigste, unternehmen was mit den Kindern, laden noch Menschen ins Theater ein (also kommt gerne noch vorbei bis zum 29.8. am Domplatz in Maria Saal – wirklich, wir brauchen jede_n Zuseher_in!) und am Nachmittag beginnen wir alles aufzubauen, und uns auf die Vorstellungen vorzubereiten. grundsätzlich ist jeder Tag so anders, dass kaum Zeit zum Planen bleibt; die besten Tage sehen so aus, dass ich entweder schreibe, wir proben oder wir mit den Kindern am See sind.

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Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

na ja, eh das gleich wie immer. vor allem die gesunde Kontamination aufrecht zu erhalten, denn die ist lebensnotwendig. wir müssen einander ja immer anstecken und uns austauschen, sonst haben jedes Virus und jede Phobie leichtes Spiel. und auch gerade jetzt ist es hilfreich Unbekanntes auszuprobieren, sich mit Unklarem auseinanderzusetzen . sei es auf künstlerischer, politischer oder medizinischer Ebene. was nicht heißen soll jedem Hirngespinst nachzugehen oder fahrlässig zu handeln. aber zumindest sehen wir natürlich immer mehr, dass vieles in unserer Welt nicht mehr so weiter gehen kann; die Gewalt, die Ausbeutung, die ungerechte Verteilung von Gütern und Geld. wir dürfen ruhig was ändern daran, wie unser ZusammenLeben funktioniert. gerade in Zeiten wo viel Angst und Unsicherheit herrschen, können wir getrost VerhaltensWeisen hinterfragen und ablegen, bei denen wir doch eindeutig sehen, dass sie uns nirgendwo hinführen. auf Theaterebene merkt man schon eine große Sehnsucht nach leichter, lustiger Kost, aber glaube ich sind so KrisenMomente gerade erst recht wichtig, um tiefer zu gehen, uns mit Unschönen Dingen auch auseinanderzusetzen und nicht auszublenden, was auf der Welt passiert, wohin sich der Mensch hineinenttwickelt und etwas „Archäologie“ zu betreiben; was steckt in uns, was steckt in unserer Vergangenheit, unseren Kulturen, unseren Büchern und Texten, Erfahrungen, das uns Lösungen für heute zeigt. und aus dem Alten, eben etwas Neues zu generieren. und nicht auf Nummer sicher gehen und auch einmal was riskieren. denn müssen wir in der „Welt da draußen“ jetzt sehr vorsichtig agieren, deshalb sollten wir die geschützten künstlerischen Räume nutzen, um uns auszutoben und über unsere bekannten Grenzen zu gehen. ansonsten muss das eh jede_r fuer sich selbst entscheiden. das ist halt auch das Spannende an so soschongenannten Krisen, dass es eben keine eindeutige Lösung gibt, dass es persönliche Notwendigkeiten gibt, aber eben auch eine ganze Welt, auf die unsere Handlungen wirken.

 

 

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel und der Kunst an sich zu?

eine wesentliche Funktion der Kunst und natürlich auch der performativen Künste ist es etwas in Krise zu stellen, also eine Entscheidung abzuverlangen. Krise ist, wie auch Giorgio Agamben es sehr schön aus dem Griechischen herleitet, der Moment, indem eine Entscheidung getroffen werden muss. und das wird auch weiter die Aufgabe der Kunst sein; aus ihrer neutralen Natur heraus Krisen zu provozieren, um den Menschen mit sich selbst in Berührung zu bringen und dem wovor er gerne wegläuft und im Weglaufen dann gerne so geschäftig tut. in der Kunst hat man wie sonst kaum wo die Möglichkeit diese möglichst leeren und neutralen Punkte und Räume zu kreieren, in denen nicht mehr analysiert und besserGewusst werden muss, sondern etwas passiert, real wird, lebendig wird und Distanzen aufgehoben werden. Distanzen zwischen dem, was wir denken und schreiben und dem was wir leben, zum Beispiel. wo die Worte zum Leib werden, mit ihm verfließen, zum Rotz werden, wie es Ariane Mnouchkine so schön beschreibt.

 

Florian Zambrano

 

 

Was liest Du derzeit?

teatro sin fin – von Alejandro Jodorowsky

Cuentos – von Roberto Bolaño

Phantasus – von Arno Holz

 

 

 Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

„Don’t worry if everyone misses the whole point. Pretend that’s what you meant to say anyway“ Gloria Anzaldúa – How to (The Gloria Anzaldúa Reader – S 233-234)

 

 

Vielen Dank für das Interview lieber Florian, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Theater-/Kunstprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!

 

 

5 Fragen an KünstlerInnen:

Florian Zambrano Moreno_Regisseur, Dramatiker

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27.8.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

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„Nun ist es sicher an der Zeit und höchst sinnvoll, Geduld zu trainieren. Kurzfristig, mittelfristig und langfristig“ Isabel Belherdis_Künstlerin_ Graz_27.8.2020

Liebe Isabel, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Nicht viel anders als in präpandemischer Zeit – ich lebe, liebe, arbeite – mit sehr unterschiedlichen Rhythmen. Durch Corona hat sich mein Tagesablauf insofern geändert, als dass ich mich entspannter fühle. Angesichts eines so essentiellen Themas wie der Unversehrtheit der Menschen, die mir am wichtigsten sind, fällt es mir nun leichter, zu differenzieren, was wirklich von Wert ist für mich, was notwendig ist oder eigentlich nicht. Und welche Begegnungen mir wirklich Freude machen, wechselseitig bereichern, und welche nicht. Diese Filterung war mir vor Corona so nicht möglich und erleichtert mein Leben.

Isabel Belherdis_Approaching cape of good hope, 2020

Isabel Belherdis, Approaching cape of good hope, 2020

 

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Erdung, so glaube ich – einerseits das Aufhalten in der Natur, das Sich-Betätigen in der Natur, aber Erdung auch im Sinne der Pflege seiner Gedankenwelt im Hinblick auf natürliche Logik, Urvertrauen, Hausverstand. Und die Unterhaltung mit geerdeten, unaufgeregten Menschen.

Gründe für die eigene Zufriedenheit finden: Ich hatte die letzten Jahre zuweilen das Gefühl,  es herrschte in der westlichen Welt regelrecht eine Jagd auf „Glück“– fast so, als ob die wirtschaftliche Parameter der stetigen Verbesserung und Adaptierung eines Produkts an den Markt in den persönlichen Raum übergegriffen hätten und unter dem Deckmantel von Lebensratgebern und Selbstfindungsworkshops ein seltener, kurzer Moment des Vollkommen-In-Einklangs-Stehens als Ware angepriesen werden würde.

Ich habe schon vor Corona nach einigen persönlich erlebten hohen Wogen in meiner Lebenssee eine ganz unspektakuläre Zufriedenheit mit dem, was ist, dem was nicht ist, dem, was ich habe und dem, was ich nicht habe, entwickelt. Zufriedenheit bedeutet für mich nicht, dass ich keine Ziele mehr anvisieren würde – was ich als im Gegenteil als ebenso wichtig und heilsam empfinde –sondern die Abwesenheit eines stetigen Optimierungsdrucks, der in den letzten Jahren nach dem körperlichen Bereich auch immer stärker im Bereich des Geistes zu spüren war.

Ich bin der Meinung, dass im Schatten unserer stark individualisierten westlichen Gesellschaft mit dem in den letzten Jahren so vehement ausgerufenen Postulat des Erkennens seines Selbstwerts und dem Voranstellens der eigenen Bedürfnisse auch ein starker Egoismus gewachsen ist,  der durch die derzeitige, wieder mehr die Situation und die Befindlichkeit eines anderen wahrnehmenden Verhaltens zu einer gesunden Balance zwischen Gemeinwohl und Selbstwohl führen könnte.

Die Tatsache, dass man selbst – ohne es zu wissen – unter Umständen etwas für jemand anderen gesundheitsschädliches verbreitet, wie dies beim Corona-Virus der Fall sein kann, finde ich insofern höchst symbolträchtig für unserer Zeit.

Geduld: Ich glaube, die rasante Entwicklung der letzten Jahre hat die Fähigkeit der Geduld, die noch vor einigen Jahrzehnten zur notwendigen Grundausstattung gehörte, nicht wirklich gefördert. Nun ist es sicher an der Zeit und höchst sinnvoll, Geduld zu trainieren. Kurzfristig, mittelfristig und langfristig. Mit der Fähigkeit und dem Willen, warten zu können und zu wollen, wäre die derzeitige, in vielen Aspekten unsichere Situation eigentlich nicht so schwer zu ertragen.

 

Das Wichtigste am Schluss: (Gemeinsame) Projekte und Ziele, die Freude machen. Wenn man nicht auf das schaut, was man ohnehin nicht ändern kann sondern auf das, was man bewegen kann, umsetzen kann, ist man glaube ich immer in einer besseren  – weil selbstbestimmbaren – Situation.

 

 

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Kunst an sich zu?

Ich habe unmittelbar nach dem Lock-Down zunächst an der Kunst gezweifelt – angesichts der plötzlichen Unsicherheit des Verbleibens all dessen, was uns normal und gegeben schien, angesichts einer auch mich am Anfang erfassenden Welle von Zukunftsangst, erschien mir die Kunst , das künstlerische Tätig-Sein für kurze Zeit vollkommen unsinnig, von dieser plötzlichen Sinnentleerung ihres Tuns haben mir auch Künstlerfreunde berichtet. Die Inspiration war wie weggeblasen, was hätte in diesem Schock noch Sinn gemacht, alles Künstlerische schien abgehoben, weltfremd, unsinnig. Bis plötzlich gerade durch die Kunst, durch das gemeinsame Sprechen über die Kunst, sich die Hoffnung und mit ihr die Zukunftsfreude wieder entwickelte, wie die Phoenix aus der Asche stand gerade jene, die Kunst, die in dem ersten Schock so gar keine Relevanz zu haben schien, als leuchtende Galionsfigur vor mir und wies mir den Weg. Doch das Entthronen der Kunst in ihrer hehren Bedeutung hatte für mich etwas sehr befreiendes. Befreit davon, Sinn haben zu müssen, Relevanz haben zu müssen, befreit, in Richtung einer Ausstellung zu denken, eine Ausstellung anzukündigen, nachzubearbeiten, konnten in der Zeit, als alles stand, Arbeiten mit einer Leichtigkeit und Freude und gleichzeitig einer Bestimmtheit und Dringlichkeit herauswirbeln, wie ich sie schon lange nicht mehr in erlebt hatte.

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Vielleicht ist das nun auch generell in der Kunstwelt eher möglich: Ein Abschütteln der Schwere, was Bedeutung, Text und Ausführung – ich spreche jetzt von der bildenden Kunst – betrifft, ein Leichter-Werden, Sinnlicher-Werden, vielleicht sogar Zugänglicher-Werden. Kunst soll doch erheben, eine Hebebühne über unsere kleinen menschlichen Horizonte sein, eine innere Weite öffnen, durch die  sich vielleicht, nur einen Moment lang, die großen Zusammenhänge erahnen lassen und kein Rucksack, mit dem wir beladen werden, so empfinde ich es.

 

 

Was liest Du derzeit?

Ich wohne an unterschiedlichen Orten, überall habe ich Bücher aufgeklappt. In Graz lese ich seit geraumer Zeit schon „Die Entdeckung der Langsamkeit“ von Stan Nadolny, entsprechend des Titels (ungeplant) wirklich in einer ungemein langsamen Geschwindigkeit. Ich bin zufällig auf das Buch gestoßen, weil ich während des „Lock downs“ künstlerisch einen starken Bezug zu den Expeditionen ins ewige Eis bekam, besonders die historischen Vermessungen und Kartografierungen faszinierten mich.

Isabel Belherdis_polarity, 2020

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Der ganze Lock-Down kam mir wie ein plötzliches Gefrieren vor, vor allem in zwischenmenschlicher Hinsicht. Das Buch ist angelehnt an die Biografie des Polarforschers John Franklin und entwirft an ihm die Fähigkeit, sehr langsam, aber sehr detailliert aufzunehmen, wobei diese meine Beschreibung angesichts der Feinheit der Beschreibung banal anmutet. In Wien schmöckere ich in zwei Büchern des Architekturtheoretikers Wolfgang Meisenheimer, der Korrespondenzen zwischen Körper und Architektur artikuliert, die auch in meinen Kunst-Entwürfen fühle und hier ausgesprochen, beschrieben finde. Und hier in Kärnten, wo ich während des Sommer bin, direkt am See, lese ich nicht sondern lausche den Erzählungen der Natur, ohne Sprache, nur Bild, Erlebnis und Klang auf Wellenpapier, Himmelspergament.

Isabel Belherdis_spellbound, 2020

Isabel Belherdis_spellbound_2020

 

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

So viele Menschen schwingen sich derzeit auf, Erklärungsmodelle für die pandemische Situation zu postulieren, glauben näher an der Wahrheit zu sein als andere. Das Informationszeitalter gaukelt Wissen vor, das ja lediglich momentane und oft ungeprüfte Informationsbruchstücke darstellt, deshalb bin ich für ein Revival des antiken Klassikers:

„Ich weiß, dass ich nichts weiß“

Oder, für das Medienzeitalter aufbereitet: „Ich glaube bisweilen zu wissen, weiß aber auch nicht mehr als alle anderen, die Informationen sammeln, zusammenfassen und artikulieren“

 

 

Vielen Dank für das Interview liebe Isabel, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

War mir eine Freude!

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5 Fragen an KünstlerInnen:

Isabel Belherdis_Künstlerin

http://www.belherdis.com/

https://www.facebook.com/IsabelBelherdis/

 

Aktuelle Ausstellungstermine:

https://www.kunst-raum-villach.org/

http://www.produzentengalerie.wien/kuenstlerin/isabel-belherdis/

 

 

Alle Fotos_Isabel Belherdis_Walter Pobaschnig

 

23.8.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

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„Schwarzpulver“ Laura Lichtblau. Roman. Beck Verlag.

 

 

„Schwarzpulver“ Laura Lichtblau. Roman. Beck Verlag.

Da ist das Haus zwischen Platanen und Kiefern. Zwischen Schnee und Kälte. Das alte Leben. Erinnerungen und etwas Wärme, manchmal. Keller und Himmel und dazwischen Erinnerungen. An Reisen. An früher. Burschi  kommt regelmäßig in das Haus zu Frau und Herrn März. Burschi erzählt dann vom Draußen. Vom brüchigen Leben da und dort. Im großen Zimmer der beiden, die der Neffe längst weghaben will – „Und das was Traudl und Johann da noch treiben, das ist doch sowieso kein Leben mehr“, sagt Ludwig, der Neffe, der für das Haus schon genügend Interessenten hat. Burschi verkauft Gegenstände des Hauses. Alles schwindet hier. Leben und Dinge. Oder waren sie überhaupt jemals da? Wer war jemals da?

Und da ist Charlie und Charlotte. In der gemeinsamen Wohnung in der Waldkrugallee 23. Es gibt Geschenke und Rituale – „Wir haben viele Rituale, die stapeln sich langsam so hoch wie die Pfandflaschen unter der Spüle, und keiner bringt sie weg.“ So ist das Leben Zuhause. Und auch hier Erinnerungen und Rituale. Um das Verschwinden aufzuhalten?

Draußen geht was vor. Tagtäglich. Wie drinnen. Hinter den Wänden. Unter der Haut. Niemand weiß was passieren wird. Was morgen sein wird. Wir sind da. Oder doch nicht?

„Wir sind dann eine Weile lang gefahren. Das Auto war alt. Ein roter VW. Im Radio sprachen sie vom neuen Jahr und spielten Musik aus dem alten. Neben mir lag ein Hund, er roch nach feuchter Wolle und Kaugummi…“

 

Die Berliner Autorin Laura Lichtblau legt mit Ihrem Debütroman „Schwarzpulver“ eine rasante wie aufmerksame Hochschaubahn gesellschaftlicher Enge und Einsamkeit wie Rausch und Freiheit vor. Die Autorin beeindruckt mit einem virtuosen Umgang mit Sprache, die das Bewusstsein ambivalenten Zeitgeschehens in politischen Entwicklungen wie individuellen Suchens und Orientierens in Spannung und Erschütterung mitreißend zu packen weiß.

„Laura Lichtblau ist eine virtuose Dirigentin der Sprache. Selbstbewusst und zeitkritisch.“

Walter Pobaschnig 8_20

https://literaturoutdoors.com

 

Fotos_ Cover Beck Verlag;

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