Online. Eine Welt tut sich auf. Laut, leise, fallweise, intensiv bis abstinent. Ein „Surfen“ da und dorthin. Und ich selbst? Was passiert mit mir auf, mit, unter den Wellen der Erfahrungen, Informationen, Emotionen in der virtuellen Welt. Was macht es mit meinen Sinnen, meinem Geist und Körper? Wie bin, werde, forme ich mich darin? Und was passiert, wenn ich diese Welt wieder verlasse? Und wer, wo, was bin ich dann? Bin ich da, oder, ganz-wenig-immer-nie dort?
Wo bin ich?
Desi Bonato, Tänzerin, Choreographin und Leonie Wahl, Tänzerin, Choreographin _ Wien
AnotherR….
Leonie Wahl, Tänzerin, Choreographin, Gründerin von orgAnicreVolt (2012), einer experimentellen modern dance Bühnenplattform, in der künstlerische Innovation und Kooperation im Mittelpunkt stehen, begeistert mit der Eigenproduktion „AnotherR“ (2022) im mitreißenden Tanz-, wie Musikdialog mit Desi Bonato, Tänzerin, Choreographin und Bernhard Fleischmann, Komponist, Musiker.
In ganz außerordentlicher körperlicher Expressivität, Intensität, Variation lassen die AusnahmekünstlerInnen Leonie Wahl, Desi Bonato und Bernhard Fleischmann Erfahrungssituationen der Präsentation und Interaktion im Internet in Freude, Hingabe, Spiel, Lust, Macht, Konformität, Selbstpräsentation, Erschöpfung, Distanz, Einsamkeit und mehr unvergleichlich eindringlich vor das faszinierte Auge und Ohr treten. Der Mensch und seine virtuelle Welt werden in aller Neugierde der Annäherung, Berührung, Erfüllung wie Verzweiflung und Hoffnung in höchster Tanzkunst, Choreografie wie Darstellung, sichtbar wie impulsgebend reflektiert.
Die Bewegungen der Körper – in hervorragender Interaktion, Impuls und sanft fließendem wie stürmendem Dialog zur eindringlichen Musik des großartigen Bernhard Fleischmann – werden zur Sprache des Körpers in allen Tonlagen der Sehnsucht, des Verlustes, der Ekstase und der Einsamkeit. Dieser Ausdruck und die Verbindung innerer Körper-Musik von piano-pianissimo bis fortissimo forte ist einmalig. Das Element des vorsichtig virtuell Tastenden, wie gesteigert intensiv Suchenden, „Jagenden“ in Verwandlung, Transformation und Intensität tritt einzigartig ins Bühnenlicht.
Es ist gleichsam eine „außerschwerkraftliche“ Körperdynamik, Formvariation und Expressivität, die „AnotherR“ im Choreografiestil auszeichnet. Was hier mit dem Körper passiert, scheint nicht real möglich zu sein, ist es aber und zeigt beeindruckend wie orgAnicreVolt die Möglichkeiten des modern dance auslotet und neu definiert.
Hervorzuheben ist auch die dialogische Abstimmung der Tänzerinnen in der Rasanz der individuellen Bewegung und der Tempowechsel. Leonie Wahl und Desi Bonato zeigen eine thematische Synchronizität in aller Individualität des Ausdrucks, die begeistert staunen lässt.
Das Thema virtueller Realität, Realitäten, so virtuos und facettenreich ästhetisch umzusetzen, ist einfach sensationell!
Schau`n Sie sich das an oder besser, versäumen Sie das nicht!
Desi Bonato, Tänzerin, Choreographin und Leonie Wahl, Tänzerin, Choreographin _ Wien
„Leonie Wahl und Desi Bonato regieren sensationell die Tanzbühnen Wiens – God save the Queens!“
Liebe Laura, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Momentan habe ich einen sehr veränderten Tagesablauf als normalerweise in Wien, da ich mitten in einer Ausbildung in Los Angeles bin. Ich stehe meist früh auf, gehe zum Sport oder bereite mich auf den Tag vor und habe dann Unterricht und Proben bis am späten Abend. Was aber auf jeden Fall nicht fehlen darf: meine morgendliche Kaffee-Routine.
Laura Enzenhofer, Schauspielerin
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Wir leben in einer viel zu schnellen, digitalisierten Welt, die uns oft in die Vergangenheit und die Zukunft führt, jedoch den Moment vergessen lässt. Es ist wichtig, dass wir wieder mehr zu unserer Essenz zurückkehren, d.h. durch Innehalten und Ruhe alte Verhaltensweisen erkennen und ablegen, um wieder zum eigentlichen Sein in Körper und Geist zurückzukommen.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?
Ich denke, das Wichtigste in diesen sehr zerrütteten und chaotischen Zeiten ist das Zuhören und Verstehenwollen; auf andere Menschen zugehen, sich öffnen und verbinden. Wir brauchen einander mehr, als wir meist glauben und zugeben wollen.
Und die Angst ablegen – vor Fremdem, Ungewissen, Grenzen, Fehlern,…
Und die Akzeptanz, dass es nicht auf alles eine Antwort geben wird – zumindest nicht in diesem Moment.
Hier sehe ich Theater und Kunst als Vermittlungsagentur. Die Geschichten, die erzählt werden, sollen uns zum Zuhören, Denken, Verstehen, Fühlen anregen und die Angst nehmen. Der Mensch braucht Geschichten, um sich selbst zu reflektieren und in der Welt verorten und verstehen zu können. Es ist ein Medium, das uns durch Berührung, das Aufeinanderzugehen und Öffnen, aber auch durch Konfrontation, Konflikt und Verwirrung unser Menschsein aufzeigt.
Was liest Du derzeit?
Verschiedene Literatur zur digitalen Wissens- und Datengenerierung und weiblichem Empowerment, da ich darüber eine wissenschaftliche Arbeit verfasse.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Vielen Dank für das Interview liebe Laura, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Laura Enzenhofer, Schauspielerin_ Los Angeles/Wien
Lieber Andreas, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Das ist das Spannende bei mir: der ist immer anders, denn ich weiß nie, wann mich die Muse küsst. Ich kann am Morgen bei einer Tasse Kaffee sitzen und gelangweilt in einer Zeitung blättern, da entdecke ich plötzlich einen Fünfzeiler, der mich packt, und schon beginnt sich in mir eine Geschichte zu entwickeln. Oder ich gehe zeitig in der Früh in den Wald, und plötzlich fällt mir die Ausgangssituation für eine Story ein – dann muss ich sofort zurück nach Hause, um sie aufzuschreiben. Sprich, ich weiß beim Aufwachen nie, was mich eventuell erwartet.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Bildung, Bildung, Bildung. Wir alle brauchen ein gerüttelt Maß an Neugier, vernetztes Denken und einen kritischen Geist, der jede Behauptung hinterfragt und überprüft. Erkenntnisgewinn kann nur entstehen, wenn wir uns mit einer Materie eingehend auseinandersetzen, gleichsam in sie eindringen. Und nur auf der Basis echter Erkenntnis lassen sich valide Entscheidungen treffen. Unsere heutige Gesellschaft ist durch eine Art Schnappatmung gekennzeichnet, in der Panik, Emotion und Sym- bzw. Antipathie die Grundlage für politisches und soziales Handeln darstellt. Mit dieser Haltung kommen wir aber als Gemeinschaft nicht vorwärts.
Andreas Pittler, Schriftsteller
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Gute Literatur war zu jeder Zeit das intellektuelle Korrektiv zum oberflächlichen Pragmatismus der Gesellschaft. Literatur muss über den Tag hinausdenken, eingeübte Muster hinterfragen und Modelle für die Zukunft entwerfen. Wirklich gute Literatur überdauert die Zeiten, weil sie in die Tiefe geht, weil sie nach Weisheit und nach Wahrheit strebt – und nicht irgendwelchen Geschmäckern des Augenblicks gefallen will.
Was liest Du derzeit?
Ich lese immer mehrere Bücher gleichzeitig. Derzeit zur Entspannung „Birons Welt“ von Georg Biron, zu Recherchezwecken Wolfram Siemann: „Metternich, Stratege und Visionär“ und – gerade wieder einmal – Xenophons „Anabasis“.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Immer wieder „Gnothi seauton“: erkenne Dich selbst. Erst, wenn wir wissen, wer wir sind, was uns bewegt und wohin wir uns entwickeln soll(t)en, können wir erfassen, wie die Gesellschaft beschaffen ist und formulieren, wie sie sein sollte. Dabei gefällt mir auch Shakespeare´s „This above all, yourself be true“, denn allzu oft verbiegen wir uns in vermeintlich nichtigen Kompromissen, die aber in Summe dazu führen, dass der Weg des geringsten Widerstandes zum gesamtgesellschaftlichen Stillstand führt.
Vielen Dank für das Interview lieber Andreas, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Liebe Laura, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Durch meine Hündin bin ich zur Frühaufsteherin geworden. Um 7.30 Uhr gehe ich meistens mit ihr eine Morgenrunde. Danach gibt es ein kleines Frühstück auf der Veranda und eine Stunde später befinde ich mich meistens schon im Atelier. Die ersten Minuten nehme ich mir Zeit meine Mails zu checken und zu bearbeiten, danach arbeite ich an meiner neuen abstrakten Serie „PURE JOY“ weiter oder bereite einen Creative-Workshop für Kids vor.
Seitdem es heiß geworden ist in Athen – gibt es bei mir meist griechischen Salat zu Mittag. Danach mache ich wieder eine Hunderunde und arbeite dann wieder weiter im Atelier. Mache Skizzen oder schreibe Ideen in mein Notizbuch, die mir beim Spazierengehen einfallen. Ein kurze Kaffeepause auf der Veranda am Nachmittag ist zur Tradition geworden.
Laura Koller, artist, creative trainer _ Athen
Blick auf Athen
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Für mich persönlich ist eine Work-Life Balance in den letzten Monaten immer wichtiger geworden. Seitdem ich in der Großstadt lebe, gehe ich 3 mal die Woche trainieren und generell achte ich darauf, dass ich viel draußen in der Natur bin. Dank meiner Hündin klappt das auch ganz gut. Durch sie lerne ich Routinen zu bekommen und eine Pause zwischen dem kreativen Schaffen einzulegen. Ich übe mich darin im Moment zu leben. Und vor ein paar Monaten habe ich auch mit einem Dankbarkeitstagebuch begonnen. In welches in jeden Abend ein paar große und kleine Dinge reinschreibe, für die ich an diesem Tag dankbar bin. Was ich auch als sehr wichtig empfinde: Achtsame Kommunikation mit unseren Mitmenschen.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Kunst an sich zu?
Ich denke, dass wir in dieser spürbaren Zeit des Wandels lernen dürfen, flexibel zu sein. Planen funktioniert nicht mehr wirklich. Was auf der einen Seite gut ist, ist und auf der anderen sehr herausfordernd. Ich denke, es wird auch wichtig sein, dass wir Menschen wieder mehr zusammen helfen und einen liebevolleren Umgang miteinander entwickeln. Denn das macht uns stark. Ich glaube nicht mehr, dass man nur als Einzelkämpfer weit kommt. Die letzten zwei Jahre haben dem einen oder anderen vielleicht auch gezeigt, dass es nicht mehr so um das Materielle geht, nicht mehr nur um den Profit. Andere Werte wollen nun auch gelebt werden. Es darf wieder menschlicher werden. Ebenfalls spüre ich in der Kunst eine Veränderung. NFT’s sind mehr gefragt als zuvor, allerdings arbeite ich nach wie vor gerne auf einer echten Leinwand. Doch ich habe gemerkt, dass sich auch meine Art Kunst zu machen, sehr verändert hat.
Was liest Du derzeit?
Derzeit lese ich das Buch „Die Lehre des Buddha über die Liebe“ von Thich Nhat Hanh
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Alles was wir haben ist JETZT.
Laura Koller, artist, creative trainer _ Athen
Vielen Dank für das Interview liebe Laura, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Laura Koller_artist, creative-trainer
Fotos_privat
28.8.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.
Liebe Gisela, welche Bezüge, Zugänge gibt es von Dir zum italienischen Dichter, Regisseur und Autor P.P.Pasolini?
Ich bin dankbar über dieses gemeinsame Projekt, zu dem du mich eingeladen hast und damit auch Pasolini kennenzulernen. Meine Arbeit als Choreografin hat nicht viele Ähnlichkeiten mit jener Pasolinis aber ich denke, dass seine Arbeit etwas gezeigt hat was sich viele von uns Künstler*innen vielleicht heute noch nicht trauen – ehrlich rebellisch und kritisch zu sein, mutig.
Es wird oft versucht kritisch und mutig über politische und soziale Themen auf der Bühne zu arbeiten, aber es bleibt oft sehr brav/gefügig. Wir trauen uns nicht so richtig laut zu sein, wenn es um echte Sachen geht, wir haben vielleicht Angst diesen Schritt zu gehen obwohl es manchmal sehr notwendig wäre…das wäre für mich etwas, das ich von Pasolini in meine Arbeit mitnehmen würde.
Wir haben Pasolinis Film „Teorema“ (1968) als Schwerpunkt für eine Performance gewählt. Welche Zugänge gibt es für Dich zu diesem Film im Blick auf Selbstverständnis, Sinn, Mensch und Gesellschaft?
Nichts ist selbstverständlich, ich glaube vielleicht auch wie Pasolini, dass jeder von uns – egal welche Gesellschaftsklasse – die Härte dieses Leben erleben kann. Ich denke selber vielleicht etwas optimistischer wie er aber ich finde die Verantwortung für unsere Gesellschaft muss jede/er für uns tragen…
Es ist jedoch nicht schwer, das Ziel zu entdecken, auf das der italienische Regisseur vergiftete Darts wirft, obwohl, wie es in seiner Arbeit und politischen Rede üblich war, die Oberschicht nicht die Einzige sein wird, die unter der Rüge leiden wird. Die Kritikpunkte sind heute nicht anders.
In der deutschen Filmversion gibt es den Untertitel „Geometrie der Liebe“. Wie sieht für Dich Pasolini die Liebe in diesem Film?
In meiner Sprache (Spanisch) würde der Film auch Teorema heißen. Ich interessiere mich mehr für die nicht unbedingt direkte mathematische Bedeutung. Hier habe ich versucht meine Lieblingsinterpretation über den Titel zu übersetzen:
In der Logik ist ein „Teorema“ eine Aussage, die durch Prämissen und Annahmen eines Systems abgeleitet wird, die Ideen oder Überzeugungen sind, die allgemein als wahr akzeptiert werden.
„Theorems“ sind nicht offensichtliche, aber absolute Wahrheiten, die durch logisches deduktives Denken bewiesen werden müssen. Es handelt sich um Eigenschaften, die sich aus der Beziehung einer kurzen Anzahl intuitiver Eigenschaften ergeben, die jedoch nachgewiesen werden müssen.
Wie siehst Du Liebe bezugnehmend auf „Teorema“ heute?
Die Frage ist einfach, die Antwort nicht. Ich möchte hier sagen, dass Liebe wie Sexualität für mich privat ist und genau deswegen könnte ich meine Art Liebe zu empfinden nicht beschreiben, weil es sehr individuell ist. Ich würde jetzt mehr das allgemeine Gefühl von Liebe auf die Gesellschaft beziehen. Liebe vielleicht als verständnisvolle Art mit Menschen umzugehen in Zuneigung, Toleranz, Respekt, Offenheit, Großzügigkeit. Vielleicht ein zu romantischer Standpunkt im Vergleich mit „Teorema“
In „Teorema“ verändern sich aufgrund eines Besuches eines geheimnisvollen Menschen Ehe, Familie, Gesellschaft radikal. Dabei spielt vor allem der Körper im Moment der Erkenntnisgewinnung, Befreiung eine wesentliche Rolle. Wie siehst Du diese Aussage, Dramaturgie des Films?
Wenn der Körper als Befreiung und Lösung von vielen Fragen eine große Rolle spielt, finde ich es wunderbar. Ich als Mensch der Körpersprache kann es nur bestätigen, dass der Körper als großes Werkzeug und Übersetzer vieler Gedanken funktionieren kann.
Du bist Choreographin, Tänzerin tätig. Dein/Der Körper ist dabei wesentliches künstlerisches Inszenierungs- und Ausdrucksmittel. Welche Bedeutung hat der Körper für Identität und Beziehung?
Der Körper ist für mich was wir sind. Geschichte, Ursprung, Alltag, zwischenmenschliche Beziehungen, Emotionen, Kraft und Zukunft. Ein schwebendes ich in einem gemeinsamen Dasein mit den anderen.
Im Film zerbricht die Ehe, die Familie und neue Wege öffnen sich. Wie siehst Du die Entwicklungswege der Filmcharaktere?
Als Zuschauerin eines Filmes oder einer anderen Kunstform versuche ich zu verstehen und zu respektieren, dass der oder die Künstler*innen immer einen Grund haben so eine Entwicklung zu zeigen. Obwohl ich in Teorema nicht alles so darstellen hätte wollen, bin ich nicht in der Lage zu sagen was richtig oder besser gewesen wäre. Vielleicht wäre mein Film nicht so autodestruktiv geworden…
Wie siehst Du den gesellschaftskritischen Ansatz im Film „Teorema“ wie im Werk Pasolinis?
Pasolini möchte ich manchmal sein…Er verspottet jene Schicht der intellektuellen Gemeinschaft, die von universellen Werten spricht und behauptet, sich den benachteiligten Klassen zu nähern, aber immer aus dem Diskurs und niemals aus der wahren politischen Aktion, die die Grundlagen der Klasse bricht, die am Ende ihre privilegierte Position beibehält. Das vermisse ich oft in unserer Gesellschaft.
Pasolini nimmt auch immer wieder religiöse Komponenten in seinen Filmen, Texten auf. Siehst Du den Fremden in „Teorema“ als messianische Gestalt bzw. wie ist Deine Sichtweise?
Ich sehe den Fremden als eine Metapher für das was in unserem Inneren lebt und sich nicht immer befreien kann.
Du bist selbst Choreographin, Tänzerin. Wie war Dein Weg zum Tanz?
Mein Weg zum Tanz war sehr schön, als Kind haben mir meine Eltern alle Möglichkeiten gegeben alles zu probieren. Von Ballett bis zum Kastagnettenspielen, Tanzschulen und Musik Konservatorium, Rhythmische Gymnastik, Schwimmen… ich kann mich nicht beschweren und irgendwann nach einer Teenager Pause kehrte ich zurück zum Tanz, ich durfte mit einer der besten Choreografinnen in meiner Stadt trainieren und dann nahm sie uns mit an die Uni, wo sie mit uns als ersten Jahrgang mit Bühnentanz und Choreografie ein Universitätsstudium gegründet hat. Das waren die beste Tanzjahre, die ich je hatte, danach als ich fertig war und viel getanzt hatte, beschloss ich kurz nach Wien zu kommen und meinen Bruder zu besuchen, dann startete ich die Pädagogische Ausbildung für Tanz am Muk und seit sehr vielen Jahren bin ich mit Tanz beschäftigt.
Pasolini nimmt in seinen Werken immer wieder auf Kindheit, Jugend wie deren Orte Bezug. Du bist in Argentinien geboren und aufgewachsen. Wie hast Du diese Lebensspanne erlebt und was hat Dich geprägt?
Ich bin mitten in eine Diktatur geboren, habe aber nicht viel mitbekommen, weil ich so klein war und womöglich meine Eltern versucht haben, mir und meinen Brüdern nicht zu zeigen, wie es ihnen und der Gesellschaft geht. Ich habe die schönste Kindheit die man haben kann gehabt, mir hat nichts gefehlt. Ich bin ein Stadtkind aber ich liebe die Nähe zur Natur, früher haben wir, glaube ich, als Stadtkinder viel mehr draußen spielen können…heute sehe ich, dass dies dort auch anderes geworden ist. Geprägt hat mich die Freude und Freundlichkeit der Menschen dort, auch die Offenheit für alles was fremd ist.
Pasolini war zunächst als Pädagoge tätig. Du bist auch als Tanzpädagogin tätig. Welche Schwerpunkte gibt es da und wie siehst Du das Zusammenspiel von Kunst und Pädagogik?
Mein Schwerpunkt liegt immer noch auf dem zeitgenössischen Tanz aber es kommt immer darauf an mit welchen Gruppen man arbeitet, man sammelt immer sehr viel Erfahrung in den verschiedenen pädagogischen Projekten, ich kann mit Kindern und Menschen mit 70 Jahren und mehr arbeiten, jede Gruppe hat etwas Besonderes und Eigenes. Für mich gehen Kunst und Tanzpädagogik Hand an Hand. Tanz ist Kunst.
Es gab viele interdisziplinäre Zusammenarbeit bei Pasolini. Etwa mit der Sängerin Maria Callas im Film „Medea“ (1969). Wie wichtig ist dies für Dich im künstlerischen Prozess?
Ich finde das Zusammenarbeiten mit anderen Kunstsparten immer spannend, wenn sich die Sparten verstehen und verschmelzen können und nicht wenn eine Sparte zum Beispiel zu laut, dominierend wird.
Welche Impulse des Künstlers Pasolinis siehst Du bis heute als wesentliche Wirkung?
Den Mut
Was bedeutet Dir Wien/Österreich und welche Erfahrungen hast Du hier im Kunstberuf gemacht?
Wien ist eine Stadt, die mir die Möglichkeit gegeben hat, etwas Neues zu lernen. Ich habe sehr viele verschiedene Erfahrungen in Kunstberuf gemacht, von ganz unerklärlichen bis zu den sehr schönen tiefsinnigen Erlebnissen. Alles ist eine Bereicherung.
Wie siehst Du die Möglichkeiten als Künstlerin in Wien/Österreich?
Künstler*inn zu sein ist keine leichte Aufgabe aber wenn man es schafft, ist es auch das Schönste. Es ist schwer zu sagen wie ich die Möglichkeiten für andere sehe. Manchmal hängt es von der eigenen harten Arbeit ab und der Wertschätzung deiner Zuschauer*innen und Kolleg*innen ab und manchmal hängt deine Arbeit von ein paar nicht richtig geeigneten bürokratischen Manöver oder Menschen ab, die deine Arbeit nicht schätzen…also ich glaube am Ende ist es die eigene Erfahrung, die einen weiter bringt und Möglichkeiten öffnet.
Was wünscht Du Dir für den Kunstberuf?
Mehr Wertschätzung für den Tanz als Bewegte Kunstform
Was sind Deine kommenden Projekte?
Meine kommenden Projekte sind eine weitere Folge des Projekt remix ID in Rumänien, Timisoara, später dann ein Projekt in Zusammenarbeit mit einer wunderbaren Sängerin und Komponistin in Wien und noch später die Feier des Internationalen TanzTag in Wien. Es gibt auch weitere Projekte und Ideen.
Was möchtest Du Künstler*innen in ihrem Entwicklungsweg mitgeben?
Ich glaube, dass unsere künstlerische Arbeit nur gut sein kann, wenn wir viel Erfahrung sammeln und offenbleiben und viel wichtiger finde ich, dass wir als Künstler*innen authentisch bleiben.
Was würdest Du P.P.Pasolini sagen, fragen wollen?
Ich würde ihn einladen ein Tanzstück zu choreografieren.
Darf ich Dich abschließend zu einem Pasolini Achrostikon oder Zitat bitten?
„Ich weiß sehr wohl, wie widersprüchlich man sein muss, um wirklich konsequent zu sein.“
Lieber Markus, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Mein Tagesablauf variiert. Wochentags heißt es für gewöhnlich: früh aufstehen (der frühe Vogel…). Dann in meinem Hauptberuf arbeiten und nach Feierabend, Familie, Freunde, Laufen, Schreiben… also ganz sicher keine Langeweile… am Wochenende fällt nur die Arbeit im Hauptberuf weg, ansonsten gibt’s kaum einen Unterschied zu den Arbeitstagen.
Markus Theisen, Schriftsteller
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Sich (zumindest ab und dann) die schönen Dinge des Lebens wieder aktiv ins Bewusstsein zu rufen.
Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Kunst an sich zu?
Es ist wichtig, dass „die Kunst“ angesichts der „Herausforderungen“ welche sich die Welt dieser Tage ausgesetzt sieht, nicht „hinten runterfällt“. Denn m.E. hat „die Kunst“ die Kraft, uns Menschen zu berühren und (zumindest) für eine gewisse Zeit zum Träumen, Lachen und Innehalten zu bringen.
Was liest Du derzeit?
Derzeit lese ich quasi nur aus meinem aktuellen Eifelkrimi, sowie meinem Kinderbuch in Lesungen.
Ach ja, und auch die regionalen Tageszeitungen.
Ansonsten lese ich ,ohne Quatsch, nur im Urlaub. Zuletzt: „Der Fall Collini“ , Ferdinand von Schirach.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Is dat niet en echt lekker Wahnsinn?!“ …aus meinem aktuellen Eifelkrimi „wer schneller läuft ist länger tot“
Vielen Dank für das Interview lieber Markus, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5.Jhdt v.Chr. Athen. Es sind Zeiten politischer Umbrüche, Kriege und gesellschaftlicher Veränderungen, die das Leben aller Bevölkerungsschichten bestimmen. Leiden, Verlust und Schmerz überwältigen gleichsam Zeit und Mensch und es gilt innezuhalten und diese Erfahrungen, Prozesse, Fragestellungen und Lebensrichtungen vor Augen zu bringen, um diese zu reflektieren, damit umgehen zu lernen und Leben und Gesellschaft neu zu gestalten. Dabei wird ein Ort ein ganz entscheidender…das Theater, die Bühne.
Es ist die Stunde der griechischen Tragödiendichter Aischylos, Sophokles, Euripides, die jetzt die Geschichte in die Form der Kunst bringen und damit die attische Gesellschaft damit konfrontieren. Theater wird zum wesentlichen Teil der politischen Debatte in Gedächtnis, Gegenwart und Zukunft.
Das Theater lebt wie der Mensch, die Gesellschaft von der Frage nach Sinn und Perspektive. Die Tragödie nimmt diese Mitte auf und gibt ihr Bühnen- und Lebensraum bis zur Gegenwart…
Christian Meier, Professor für Alte Geschichte an der Ludwig-Maximillians-Universität München, legt eine umfassende Studie zu den Anfängen, Voraussetzungen der griechischen Tragödie vor, die in ihrer kompakten Darstellung umfassender Information und Erläuterung überzeugt. Die attische Gesellschaft in Kultur und Politik sowie die Form des Theaters der Zeit in ihrer Tragödienstruktur in Aufbau, Handlung, Aussage werden übersichtlich erklärt. Ebenso werden die wesentlichen Stücke wie „Die Perser“, die „Orestie“ oder „König Ödipus“ erläutert.
„Ein beeindruckend kompaktes wie spannendes Geschichts- und Theaterbuch, das begeistert.“