„Station bei Bachmann“ Gespräch und Fotoporträt mit Sarah Wipauer, Bachmannpreisteilnehmerin 2019, 21.6.2019

Die Entscheidung für den Treffpunkt ist für Sarah Wipauer schnell getroffen, „der 9.Bezirk ist ein sehr spannender Stadtbereich“. Schon in ihrer Terminzusage lässt die Autorin anklingen, dass auch das „Alsergrundland“ viel an Überraschung und Geheimnis in sich trägt. Ich bin neugierig.

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Wir treffen uns vor dem ersten Wohnhaus von Ingeborg Bachmann in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Rothschild Spitals am Währinger Gürtel. Bachmann zieht hier 1946 ein. Als wir uns vor der schwerem holzgetäfelten Eingangstüre begegnen, ist gerade ein Umzug im Gange. Kartons, Lampen und Bücher werden bei sengender Hitze in den Transporter gehoben.

Umgezogen ist die Bachmannpreisteilnehmerin 2019, Sarah Wipauer, selbst nicht oft. „Wien ist mein Lebensmittelpunkt“, sagt die junge Schriftstellerin „ich bin hier geboren und auch aufgewachsen.“ In ihrer langjährigen Tätigkeit an der Universität Wien im administrativen Studienorganisationsbereich spielt die Topographie hier vor Ort ebenso eine wichtige Rolle – „ich bin fast jeden Tag hier, viele Institute, an denen ich zu tun habe und hatte sind hier angesiedelt.“ Wipauer erzählt auch, dass sie im Alten AKH, dem zentralen Krankenhaus der Stadt Wien in diesem Bezirk, geboren ist. Nach dem Neubau des Krankenhauses und dem Umbau des traditionsreichen Stadtareals ist ihre Geburtsadresse jetzt ein Restaurant geworden, lächelt sie. Es ist auch jetzt noch viel an baulicher Bewegung vor Ort „man kann sich vorstellen wie es hier vor 200 Jahren war aber auch wie es in 100 Jahren sein wird“, viel an Zeit, an alter Welt und an Schnittflächen zu neuen Entwürfen von Stadt und Stil seien hier lesbar, erzählt Wipauer.

Die Neugierde und das Schreibinteresse der Autorin für Lebensorte und ihre Entwicklungen und Hintergründe wird deutlich, „Historisches ist dabei sehr oft der Ausgangspunkt.“ Thematisch war bei Schreibprojekten im vergangenen Jahr „Pest und Barock in Wien im 17. und Anfang des 18.Jahrhunderts“ bedeutsam. Topographien spielen aber grundsätzlich eine besondere literarische Rolle – „manche meiner Texte sind relativ genau verortet“. Es sind urbane Landschaften, die „nicht so im Mittelpunkt stehen aber auch eine Geschichte haben.“ Die Freiheit von Sprache und Erzählkonstruktion ist dabei ebenso wesentlich.

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Im Inneren des Jahrhundertwende Hauses erzählt Wipauer, dass sie mit siebzehn Jahren Bachmann gelesen hat und dann „in den Zwanzigern wieder“. Eine Einladung nach Klagenfurt ist immer auch ein Grund diese wesentliche österreichische Autorin wieder zu entdecken. Wie etwa beim Literaturkurs im Musil Haus/Museum in Klagenfurt 2011, an dem die Autorin teilnahm, „ich las in den Nächten immer Bachmann. Es waren die Erzählungen.“ Im romantisch wuchernden Innengarten frage ich die Autorin nach ihren Schreibanfängen, „ich schreibe Texte, seit ich schreiben lernte. Der Schwerpunkt ist Prosa.“ In der Frage nach literarischen Vorbildern ist die Schriftstellerin zurückhaltend, „es gibt Schwerpunkte und Phasen“, in denen sich AutorInnen abwechseln. „Kurzgeschichten, die ins Surreale gehen“, liest sie derzeit.

„Ich habe die Handelsakademie in Wien-Hetzendorf besucht und mich dann für das Studium der Vergleichenden Literaturwissenschaft und der Sinologie entschieden“, umreißt die Autorin ihren Bildungs- und Berufsweg, „ich bin froh über alle Einblicke dieser Wissenschaften. Die Zugänge zu Literatur etwa, die noch nicht übersetzt ist – bis ich sterbe kann ich hier weiterlernen.“

 

 

Als wir das Haus verlassen, schlägt Wipauer den Weg in Richtung Altes AKH ein, „wohin wohl diese Straße führt?“, fragt die Autorin. Es ist offensichtlich, dass das „Alsergrundland“ für die Schriftstellerin ein Entdeckungsland ist und es hier noch sehr viel zu erzählen gibt.

Bevor es jedoch weiter geht, machen wir Station in der “Taverna Gyros“ in der Währinger Straße. Der Besitzer Fokianos Konstantinos, aus Thessaloniki gebürtig, freut sich der Wiener Bachmannpreisteilnehmerin einen Gutschein für ein Abendessen für zwei Personen überreichen zu dürfen. Herzlichen Dank für diese freundliche Überraschung!

Das Gutscheinkuvert ist eingepackt und wir spazieren zur Statue eines Röntgen Wissenschaftlers im Anne-Carlsson Park. Am Weg umschreibt Wipauer die Gedanken zum in wenigen Tagen beginnenden Literatur- und Fernsehereignis in Klagenfurt, „ich freue mich auf Klagenfurt, die Stadt, die anderen Autorinnen und Autoren wie auch das Rundherum, hoffe aber auch, dass ich wieder heil zurückkomme.“ Ihr Text sei ein neues Schreibprojekt, mehr könne, dürfe sie dazu jetzt noch nicht sagen.

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Jetzt sind wir bei der ausdrucksstarken Büste im Park angelangt. Guido Holzknecht, dem österreichischen Mediziner und Pionier der modernen Radiologie, wurde hier 1932 ein Denkmal gesetzt. Dabei wurden auch die schweren Verletzungen und Amputationen an der Hand des Wissenschaftlers abgebildet. Holzknecht hatte diese bei seinen Bemühungen zur Fortentwicklung der Röntgenwissenschaft erlitten. Er hatte bis zu seinem frühen Tod trotz vieler Operationen weitergearbeitet. An seinem Sterbebett war auch Sigmund Freud. Holzknecht war einer seiner Klienten, aber auch ein persönlicher Freund, der diesen wiederum in seiner Krebserkrankung behandelte. Ebenso war Holzknecht Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung. Im Krieg wurde die Statue nun vermutlich zerstört. In jedem Fall kam es danach zu einer Neuaufstellung, in welcher Holzknecht alle Finger zurückgegeben wurden. Ein Leben für die Wissenschaft im schonungslosen Einsatz und schließlich dem Preis verbrannter Hände und dem frühen Tod.

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Eine ganz besondere Geschichte, auf welche die Autorin hier aufmerksam macht und die für mich jetzt auch auf Ingeborg Bachmann zurückverweist. „Mit meiner verbrannten Hand schreibe ich über die Natur des Feuers“, formulierte Ingeborg Bachmann über Schreiben und Leben. Eine erstaunliche Analogie von Wissenschaft und Literatur im Anspruch von Erkenntnis und Ausdruck wie dessen Konsequenzen hier im Wiener Park und dessen Nachbarn Ingeborg Bachmann und Guido Holzknecht. Der Kreis schließt sich – auch hier in Bachmanns  „Alsergrundland“.

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Danke für diese sympathische Begegnung und diesen spannenden Nachmittag, liebe Sarah Wipauer, und alles Gute für Klagenfurt!

 

Walter Pobaschnig, 21.6.2019

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„Wie geht es weiter“ Mitreißende Jubiläums-Uraufführung. Aktionstheater Ensemble. Werk X, Wien 14.6.2019

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Stille. Es sind schwarze Fahnen, zwei leuchtende, perspektivisch zu schwinden scheinende, Baumstrukturen und sechs gestapelte Autoreifen auf der Bühne zu sehen. Einladendes gibt es hier nicht. Schon gar nichts Wohnliches. Als die Frau im weißen Kleid diese kalte schwere Leere betritt, wird sofort klar, in diesem Raum gibt es nur noch ein Verstecken. Eines hinter viel zu vielen Worten. Sonst gibt es hier nichts zu tun, zu erwarten, zu erhoffen. Vier Männer und eine weitere Frau folgen. Auch ihre zerschlissene Kleidung in Weiß drückt eine Uniformität aus, in der jegliche persönliche Möglichkeit und Form fehlt.

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Trotzdem wird jetzt im Sagen um jeden Millimeter von Ausdruck und Präsenz gerungen, um das Interesse auf sich zu ziehen. Ein Kampf jeder gegen jeden ohne jegliche Empathie. Nur der Akt zählt. Ein Gewinnen im Lautsein von Wiederholung und Phrasen, die sich an das drückende Schwarz des Raumes heften und einfach da sind wie Autoreifen, die ohne Weg und Ziel auf Ansprache gehoben und getragen werden. Spiel mir das Lied vom Tod. Nach Namen und Persönlichkeit fragt hier niemand mehr. Diese müssen erst im absurden Wortspiel erfragt werden und verschwinden sofort.

Doch wie lange wird es noch diesen letzten Tanz maskierter Seelen im spärlichen Licht geben? Wie lange kann der Schmerz noch still sein? Wann zerreißt das verdrängte Innere alles hier?…Wie geht es weiter?…

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Das Aktionstheater Ensemble feiert mit der Uraufführung von „Wie geht es weiter“ ein fulminantes dreißigjähriges Theaterjubiläum im Werk X, 1120 Wien. Es ist eine atemberaubende Choreografie von Sprache und Körper, Bühnenbild, Musik und Effekt, in welcher die zerrissene Seele modernen Menschseins kritisch wie genial geöffnet und reflektiert wird.

 

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Ein Theaterabend in ganz außergewöhnlicher Inszenierung und Ensemblepräsenz. Eine mitreißende Darstellung, die eine szenische Melodie und Rhythmus setzt, die alle Nuancen modernen Spiels beherrscht und das Instrument Körper und Sprache bis an die Grenzen des Möglichen auslotet. Einzigartig wie da mit Bewegung und Text gearbeitet und das pianissimo wie das crescendo von Emotion auf die Bühne gezaubert wird. Schauspielerin und Schauspieler als vielstimmiges Instrument gleichsam zwischen Oper und Rockkonzert – einzigartig!

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Einzigartig ist ebenso wie Regie, Dramaturgie und Ensemble auch in ihrer aktuellen gemeinsamen Stückerarbeitung kritisch wie aufmerksam die Überforderung des modernen Menschen thematisieren und inszenieren. Sprache wird als leere Selbstvergewisserung von Dasein und als redundante Sedierung in Komik und Ironie entlarvt. Sagen und Meinen, auffangen von Themen und Schlagworten, das Eilige ersetzt Gespräch und damit das Mitgefühl. Das Leben, das in allem zu groß und zu weit ist und keine Zeit und Möglichkeiten mehr lässt, ist eine leere tragische Bewegung geworden. So die schonungslose Analyse.

Doch das ist nicht alles. Das Aktionstheater Ensemble lädt immer auch zu einem Blick in die (verlorene) Seelenmitte des Menschen, sein Bewusstsein von Verletzlichkeit und damit auch seine Möglichkeiten. Das muss doch (noch) da sein. Es ist ein sehr feinfühliges Theaterplädoyer für Humanität und persönliche wie gesellschaftliche Utopie. Für das wertvolle Gut von Freiheit und Individualität. Der Schmerz muss der Anfang sein. Das Bloßstellen der Seele für Andere und von Anderen erfordert Unterbrechung. Des Erinnerns, des Weinens, des Erkennens und damit das Wiederfinden des Menschen.

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Das Aktionstheater Ensemble, das sind ganz große virtuose Poeten. Und diese braucht unsere Zeit.

Ein Ensemblejubiläum als beeindruckende Visitenkarte der Kraft und des Facettenreichtums modernen Theaters in Regie, Inszenierung und atemberaubender Schauspielkunst.

 

Wie geht es weiter

Eine Produktion von aktionstheater ensemble in Koproduktion mit Landeshauptstadt Bregenz/Bregenzer Frühling 2019, in Kooperation mit WERK X, Uraufführung

– Regie, Script, Choreografie: Martin Gruber

– Dramaturgie: Martin Ojster

– Ensemble: Michaela Bilgeri, Maria Fliri, Andreas Jähnert, Thomas Kolle, Fabian Schiffkorn, Pete Simpson, Benjamin Vanyek

 

– Musik, Komposition: Kristian Musser

– Gesang: Pete Simpson

– Video: Bildwerk X Valence

– Sounddesign: Thomas Bechter

– Regieassistenz: Laura Loacker

– Körpertraining: Lukas Orphéo Schneider

– Assistenz: Hacer Göcen

– Technik: Florentina Kubizek

 

Weitere Spieltermine: Sa 15.06.2019, 19.30 Uhr, So 16.06.2019, 19.30 Uhr

Ort: WERK X, 1120 Wien

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Walter Pobaschnig 14.6.2019

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„Station bei Bachmann“ Gespräch und Fotoporträt mit Lukas Meschik, Autor und Musiker, Bachmannpreisteilnehmer 2019

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„..so verdanke ich die Einheit des Ortes einem milden Zufall…“ schrieb Ingeborg Bachmann im Roman „Malina“, dessen Schauplatz wesentlich der 3.Wiener Gemeindebezirk ist – das „Ungargassenland“. Dieser „milde Zufall“ des Ortes trifft nun auch auf zwei der Wiener TeilnehmerInnen am diesjährigen Bachmannpreis in Klagenfurt zu. Ines Birkhan wie Lukas Meschik sind im legendären „Romanbezirk“ der namensgebenden Schriftstellerin des Hauptpreises der Literaturtage in Klagenfurt wohnhaft. Vom Ungargassenland nach Klagenfurt. Der milde Zufall der literarischen Topographie.

Doch das ist am Weg zum Treffpunkt mit Lukas Meschik, Schriftsteller und Musiker, Teilnehmer des Bachmannpreises 2019, noch längst nicht alles an Ungargassenland Überraschungen.

Neben dem Wohnhaus Bachmanns eröffnete 1974, wenige Monate nach dem Tod der Schriftstellerin, die erste Pizzeria Wiens, „Grado“. Eine Sensation damals. Sogar Grado-Urlaube konnten hier gebucht werden. Die Gemälde im Lokal sind nach 3 Gassen der Sonnenstadt an der Nordküste der Adria konzipiert. 3 Gassen, 3 Wege zum…schon hier umgibt wieder gleichsam literarische Mystik. Wien und Rom/Italien waren für die Schriftstellerin die wesentlichen Lebensmittelpunkte. In den letzten Jahren überlegte sie eine Rückkehr aus Rom nach Wien. Zu dieser kam es jedoch nicht mehr. Im milden Zufall der Einheit des Ortes ist es jetzt vielleicht doch so. Erstaunlich. Ungargassenland eben.

Und auch die Temperaturen passen heute zu Italien und natürlich zu Klagenfurt. Bei 30´ vormittags geht es weiter zum vereinbarten Treffpunkt. Es ist Anfang Juni und die erste Hitzewelle rollt an. Den Löwen am Haustor in der Ungargasse 9 scheint dies über Jahrzehnte von Jahreszeiten nichts auszumachen. Sie strahlen selbstbewusst in der Wiener Sonne.

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Als Lukas Meschik in der Ungargasse eintrifft, fällt sein Blick zum gegenüberliegenden „Cafe Malipop“, das der Wiener Liedermacher Ernst Molden in seinem gleichnamigen Song samt Fernet, Smart und Spezialtoast verewigt hat. Natürlich durfte auch Bachmann darin nicht fehlen, deren Geist zwischen den „blauen Blitzen“ der Straßenbahn wandelt.

Der Bachmannpreisteilnehmer erzählt über sein aktuelles Musikprojekt „Moll“, „ich schreibe die Texte und Lieder, wir sind vier Musiker, das erste Album sollte gegen Ende des Jahres erscheinen.“ Selbstgeschriebene Texte seien auch dabei sehr wichtig. Wiederholt kam es schon zu Verbindungen von Lesung und Konzert. Literatur und Musik gehören für Meschik, dessen erster Roman „Sirenen“ 2009 erschien, überhaupt eng zusammen. Der solitäre Prozess des Schreibens ergänze sich dabei mit der Bandarbeit sehr gut.

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Als wir das Haus mit den Löwen am Tor, dem Schauplatz des Romans „Malina“, betreten, frage ich den jungen Schriftsteller nach der Bedeutung von Orten in seinen Texten. „Diese spielen eine große Rolle“ sagt er am Weg in den weiten Innenhof, „es gibt Orte als Fixpunkte täglicher Begegnung, “, die auch künstlerisch inspirieren. „Ich beschreibe was ich sehe“, die Orte selbst, wie etwa die Bäckerei, seien aber bewusst „abstrakt“ gehalten, „es kommen keine Hausnummern in meinen Texten vor.“

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Wir folgen der Sonne zum beeindruckenden Hofbrunnen für die erste Fotostation. Ein wasserspeiender Fisch lässt über Symbolik im Schreiben nachdenken. „Wiederkehrende Motive, Bilder, Symbole“ begegnen auch in meinen Texten, erzählt Meschik. Mittelpunkt literarischer Komposition seien diese jedoch nicht. Filme schätzt der junge Autor sehr – „Die Konstruktion von Geschichten auf der Bildebene ist sehr spannend. Ebenso aber einfach das Genießen dieser besonderen Kunstform.“

 

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Am Weg in den Garten spricht Meschik über die Bedeutung der Prosa von Ingeborg Bachmann, die vor allem in den Anfangsjahren als Schriftsteller ein Bezugspunkt war. „Ich schätzte Schriftstellerinnen und Schriftsteller mit einem Gesamtwerk, wenn Literatur gleichsam ein Marathon ist. Das ist ein Ideal, ein Vorbild.“ Meschik selbst veröffentlichte bis heute vier Romane und einen Erzählband. Der Text für Klagenfurt ist ein weiterer literarischer Projektpunkt. „Ich habe mein Notizbuch immer eingesteckt“ erzählt Meschik am schmalen Grünstreifen zwischen traditioneller und moderner Stadtarchitektur – „Sätze, Zeilen am Weg durch die Stadt, schreibe ich dabei auf.“

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Im wohltuenden schattigen Fluchtpunkt der Hausmauer spricht Meschik über das „Wechselspiel von Lesen und Schreiben“ in seiner Biographie – „der Impuls sich auszudrücken war früh da und es macht bis heute Freude.“ So sei auch das Lesen in Klagenfurt zu sehen – „es gibt keine Erwartung, ich habe einen Text, das ist gut für mich – es geht nicht um meinen Ehrgeiz und es ist wohl auch etwas ein Spiel von Zufall und Glück.“

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Jetzt wartet noch eine Überraschung auf Lukas Meschik. Der Besitzer der Pizzeria Grado überreicht den Bachmannpreisteilnehmer einen Gutschein für ein Abendessen für Zwei wie einen Blumenstrauß – herzlichen Dank für diese kulinarische Stärkung und die Blumenglückwünsche am Weg nach Klagenfurt!

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Alles Gute und vielen Dank, Lukas Meschik, für diese Begegnung am Weg zum Bachmannpreis!

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Walter Pobaschnig 11.6.2019

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„Station bei Bachmann“ Gespräch mit Ines Birkhan, Autorin und Künstlerin, Teilnehmerin Bachmannpreis 2019.

Als Ines Birkhan das Wohnhaus der Schriftstellerin Ingeborg Bachmann in Wien betritt, ist es schon klar. Literatur, Erinnerung und viele Geschichten sind hier allgegenwärtig. Eine Hausbewohnerin begegnet uns und berichtet von ihrem Vater, der wohl zur Romanfigur bei „Malina“ geworden sei. Die Schilderung der Autobahnwerkstätte im Buch lässt diesen Schluss zu. Der Vater wollte dies zwar zeitlebens nicht bestätigen, aber es sei offensichtlich. Eine Familie Malina habe ebenso hier gewohnt…

Eine Tür geöffnet und schon ist die ganze Kraft von Literatur zu spüren – „Da ist der Stein nicht tot, der Docht schnellt auf, wenn ihn ein Blick entzündet…“ (Das erstgeborene Land, Ingeborg Bachmann). Mittendrin das Weitererzählen. Gut so. So schnell geht das im „Ungargassenland“. 

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Am Weg zur Wohnung Ingeborg Bachmanns spricht Birkhan von der besonderen literarischen Konstruktion und dem Charakter des Schreibexperimentes im Roman „Malina“ (1971) von Ingeborg Bachmann. „Bachmann sei zwar kein unmittelbares Vorbild“ aber es gibt Parallelen im Sprachspiel und der Offenheit für formale Variation und Wagnis. Unmittelbar ist für Birkhan „Oulipo“, eine experimentelle literarische Stilrichtung, welche die Möglichkeiten von Sprache in strikter formaler Vorgabe (contraint) zu erweitern sucht, eine große Inspiration. Der neue Roman der Autorin ist auch ein Ausdruck dieses künstlerischen Weges als konkrete literarische Arbeitsweise. „Dabei gibt es offene und verdeckte Formen der Anwendung dieser „contraintes“. Ebenso sind „innere Bilder“, die in einem Dialog zur realen Wahrnehmung stehen, bedeutsam. Das „Fließende“ sei ein treffendes Bild dafür. Unmittelbare psychoanalytische Intention stehe dabei nicht im Vordergrund.

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Bei der Wohnung angekommen, erinnern wir uns an die erste Information der freundlichen Dame im Eingangsbereich. „Bachmann wohnte zur Miete hier. Es könnte die Frau…der Name der Vermieterin, ich bin mir jetzt nicht mehr sicher..“. Wir blicken aus dem Fenster. Ingeborg Bachmann wohnte von 1946-1949 im Haus. Damals müssen noch die Spuren des Krieges hier sichtbar wie spürbar gewesen sein. Trümmer, Bausteine – ein Haus, das erst wieder seine neue Form finden muss. Wie die Sprache.

Gestaltung, Form und Experiment begegnen im beeindruckend renovierten Bachmannhaus überall. Von den kunstvollen schmiedeeisernen Wandläufern begleitet, kommen wir in den Hof zu den imposanten Laternen mit phantasievoller mythologischer Symbolik. „Ein Drache?, ein Löwe?“, wir rätseln. Jetzt wäre wohl der Vater der Autorin zu Rate zu ziehen, der renommierte Mediavist und Keltologe, Helmut Birkhan. Aber die Zeit drängt. In jedem Fall liegt das Interesse wie Talent für Sprache und Kunst offensichtlich in der Familie.

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Im Eingangstor zum „Ingeborg-Bachmann-Park“ spricht Birkhan von Arbeitsprojekten, die Literatur und Vortrag wie Musik zu verbinden suchen. Die Arbeit an Stimme und Körper sei dabei ganz wesentlich. Es sei auch ein Kreis, der sich da wieder schließt. Der Ausgangspunkt des Körpers ist zentral, da die Autorin Tanz und Choreographie in Amsterdam studiert hat und längere Zeit als Tänzerin tätig war.

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Die vereinbarte Stunde für den Rundgang im Bachmannhaus ist beinahe um. Doch ein Treffpunkt steht noch an. Das Blumengeschäft gegenüber des Bachmannhauses hat eine Überraschung für die Wiener Bachmannpreisteilnehmerin vorbereitet. Ein von Geschäftsinhaberin und Floristin Cara Bronold eigens für diesen Besuch entworfener „Bachmann Blumenstrauß“ begrüßt die Autorin. Auch hier begegnet beeindruckend Form und Kreativität. Ein weiterer Kreis schließt sich charmant. „Blumen bringen Glück“, gibt die Floristin der Autorin Ines Birkhan mit auf den Weg.

 

 

 

sdr

Die Wolken über dem Wiener Himmel haben sich jetzt etwas verzogen. Die Sonne blinzelt hervor. Die Autorin lässt jetzt das „Ungargassenland“ mit so viel Literatur und Geschichten hinter sich. „Es ist mein erster Wettbewerb“ sagt sie. Freude und Neugierde sind zu spüren. Der Dame im Haus empfehlen wir noch die Übertragungstermine der Lesungen in 3sat. Dann bricht Ines Birkhan mit einer eigenen Geschichte nach Klagenfurt auf – vielen Dank für diese Begegnung am Weg, alles Gute!

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Walter Pobaschnig 6.6.2019

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„Clara Schumann – ein Leben für die Musik“ Biographie. Irmgard Knechtges-Obrecht. Neuerscheinung wbgTheiss Verlag

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Der Vater hatte sein Leben nun ganz der Musik gewidmet. Der studierte Theologe suchte jetzt ganz neue Wege der musikalischen Ausbildung und auch des Instrumentenbaues zu gehen. Er investierte Zeit und Geld in eine Klavierproduktionsstätte und in eine Verleihanstalt von Musikinstrumenten. Die berufliche Ausrichtung war auch mit familiären Engagement verbunden und betraf insbesondere seine Kinder. Seine Tochter Clara wurde zu einem wesentlichen Mittelpunkt seines Interesses für die musikpädagogische Ausbildung. Er förderte und forderte sie mit betontem Anspruch und Antrieb. Und der Erfolg blieb nicht aus. Clara Schumann wurde zu einer Berühmtheit der Zeit und begeisterte am Klavier von Leipzig, Wien bis London. Auch ihr Privatleben, die Ehe mit dem Komponisten Robert Schumann (1810-1856), war von Musik wie persönlich von Licht und Schatten geprägt. Die Musik war für Clara Schumann zeitlebens jedoch immer ein Stern, der ihr Erfüllung, Mut und Hoffnung gab…

Die Musik- und Theater/Filmwissenschafterin und Vizepräsidentin der Robert schumann Gesellschaft Düsseldorf, Irmgard Knechtges-Obrecht, legt mit der Biographie über die Pianistin und Komponistin Clara Schumann (1819-1896) ein fundiertes wie reflektiertes Lebens- und Zeitbild vor. Leserinnen und Leser werden gleichsam auf eine Reise von Kindertagen bis in ihre letzten Lebensjahre mitgenommen und dürfen sehr anschaulich Ziele, Wege, Herausforderungen, Glück und Trauer miterleben. Der von den historischen Fakten ausgehende erzählende Stil der Autorin gibt der Biographie einen „musikalischen“ Ton des feinen Taktes von Aufmerksamkeit und Sensibilität für einen Lebensweg und dessen Entscheidungen. Eine außergewöhnliche Leistung, die begeistert.

„Eine Biographie, die eine moderne Frau fulminant in ihrem Talent, ihrer Leidenschaft und ihrer Passion vorstellt.“

 

Walter Pobaschnig, Wien 5_2019

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