„Fünf plus drei“ Arne Dahl. Kriminalroman. Neuerscheinung Piper Verlag.

 

„Fünf plus drei“ Arne Dahl. Kriminalroman. Neuerscheinung Piper Verlag.

Jetzt liegt alles im Dunklen. Hier. Am Korridor vor der verschlossenen Wohnung. Und überhaupt. Nichts ist wie es scheint und sein sollte. Kommissar Berger, der jetzt selbst vor der Tür steht, ist nicht mehr der Einsatzleiter. Er wird wegen Mordverdacht gesucht. Doch er wird auch von der Sicherheitspolizei gebraucht. Gesucht wird ein Ex-Geheimdienstagent, „Carsten“, der die siebzehnjährige Aisha gefangen hält. Die Hintergründe sind unklar. Es dürfte terroristische Verbindungen von „Carsten“ geben. Hintergründe, die jetzt zunächst einmal vor die Türe hierher führen, die im nächsten Moment im Sturm der Spezialeinheit geöffnet wird. Doch als sie in das Zimmer gelangt sind, bleibt es dunkel. Niemand ist hier. Nur ein offenes Buch, Hamlet. Und ja, da sind Bienen. Die plötzlich selbst zur töfdlichen Waffe werden. Und eine Jagd gegen die Zeit auf Leben und Tod beginnt…

Der schwedische Literaturwissenschaftler und –kritiker Jan Arnald legt unter seinem Pseudonym Arne Dahl seinen dritten Berger&Blom Ermittler Krimi vor, der an die Hintergründigkeit und Spannung der beiden Vorgängerromane erfolgreich anschließt. Es ist eine Krimi Spannung, die sich durch ein hohes Erzähltempo auszeichnet, die Leserin und Leser gleichsam einen Fall im unmittelbaren Ermittlungsgeschehen  miterleben lassen. Der Autor erschafft eine atmosphärische Dichte der Ereignisfolge, die von Überraschungsmomenten und Wendungen getragen wird und gepackt Ermittler Berger folgen lässt. Zugleich ist es aber auch ein Schreiben, das auf Gegenwartsbezüge bedacht ist und Problemstellungen der Gesellschaft in Zeit und Leben miteinbezieht.

 

„Ein Krimi, der gebannt in hohem Spannungstempo den Ab- und Hintergründen von Mensch und Gesellschaft folgen lässt“

 

Walter Pobaschnig, Wien 11_2018

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„Die Büglerin“ Heinrich Steinfest. Roman. Neuerscheinung Piper Verlag.

 

„Die Büglerin“ Heinrich Steinfest. Roman. Neuerscheinung Piper Verlag.

Jetzt ist sie hier. Und sie bügelt. Im herrschaftlichen Haus des Professors im südlichen Odenwald. Es ist eine beschauliche Weite, die sie umgibt. Sanft und still. Sie braucht das wohl jetzt. Für ihre unruhige Seele. Ihr Hiersein ist eine auferlegte Strafe. Ein unsichtbares Gepäck, das sie mit sich trägt. Das Bügeln ist für sie eine besondere persönliche Form der Buße und Selbstbeobachtung in der Präzession und Monotonie der Wiederholung. Socken, Krawatten, Hemden, Handtücher, Hemden, Kostüme, Blusen, Unterwäsche. Seit zwei Jahren bügelt sie jetzt für die Familie. An zwei Wochentagen. Dienstag und Donnerstag. Stets zur gleichen Nachmittagszeit und immer zwischen Büchern, stillen Worten, in der Bibliothek. Ihr Name ist Tonia und sie trägt ein Geheimnis mit sich…

Dieses beginnt in Österreich. Als Tochter eines Berliners und einer Salzburgerin. Das Studium führt ihre Eltern nach Wien und schließlich zusammen. Als eine Katze vom Fenster fällt und Max diese auffängt, werden er und Philippa zu Millionären. Vom Geld werden eine Villa und ein Schiff gekauft. Und es geht auf Weltreise. Tonia wird am Schiff geboren. Nach dem Tod der Eltern kehrt sie nach Wien zurück. Das große Haus, die Stadt in den Neunziger Jahren und eine Welt fester wie bebender Erde, die sich nun für sie auftut und die voller Geheimnisse und Abgründe sein wird…

Der aus Wien gebürtige und in Stuttgart lebende Autor Heinrich Steinfest, der 2009 mit dem Stuttgarter Krimipreis ausgezeichnet und schon zweimal für den Deutschen Buchpreis nominiert wurde, legt mit seinem aktuellen Roman „Die Büglerin“ , einen fulminanten Motivbogen existentieller, psychologischer und gesellschaftskritischer Bezüge in unverwechselbarer Sprachkraft, -ironie und –reflexion vor. Das Lesen wird zu einer Hochschaubahn von Lebenswendungen und –abgründen, die vom Autor in einzigartiger Weise staunend, humorvoll und spannend geöffnet werden.

„Ein Buch und ein Autor, die einzigartig das Leben in Herz, Überraschung und Abgrund in Humor, Spannung wie Nachdenklichkeit packen und bis zur letzten Seite nicht loslassen.“

 

Walter Pobaschnig, Wien 12_2018

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„Klagenfurt – Eine bemerkenswerte Stadt in alten Ansichten“ Johannes Lebitsch. Neuerscheinung Heyn Verlag.

 

„Klagenfurt – Eine bemerkenswerte Stadt in alten Ansichten“ Johannes Lebitsch. Neuerscheinung Heyn Verlag.

Eine Stadt blickt in ihrem Jubiläumsjahr 2018 zurück (1518 Schenkung Klagenfurts von Kaiser Maximilian I an die Kärntner Landstände). Der vorliegende Jubiläumsband ist ein historisch bemerkenswerter wie abwechslungsreicher Bildband, der Fotografien und Postkartenmotive in einer Retroperspektive von rund 100 Jahren in thematischen Übersichtskapiteln anschaulich aufbereitet. Entwicklungsprozesse einer Stadt und gegenwärtige  Besonderheiten werden im Rückblick verstehbar. Marktgeschehen, Mobilität, Schifffahrt, Freizeit, kulturelles und soziales, gesellschaftliches Leben werden spannend in raren Bilddokumenten lebendig. Ebenso bauliche Charakteristika in Vergangenheit und Gegenwart.

Das Buchprojekt selbst geht auf eine Facebook-Gruppe zurück, in der seit 2014 historische Aufnahmen Klagenfurts gesammelt werden. Aus diesen rund 9000 Bilddokumenten wurde nun für das vorliegende Buch von Johannes Lebitsch eine Auswahl getroffen.

Einleitend stellt Landesarchivar Dr.Deuer die wesentlichen historischen Stationen der Stadtwerdung und der weiteren geschichtlichen Prozesse in kompakter Form vor.

 

„Eine ganz besondere Zeitreise, die ein vielseitiges Vergnügen ist, aber auch zu Nachdenklichkeit in Vergangenheit und Zukunft kritisch anregt “.

 

 

Walter Pobaschnig, Wien 11_2018

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„Bananama“ Simone Hirth. Roman. Kremayr&Scheriau Verlag.

 

„Bananama“ Simone Hirth. Roman. Kremayr&Scheriau Verlag.

Beim Aussteigen an der Busstation wird es klar. Die Gruppen von Schulkindern verteilen sich auf die Dorfwege. Doch ein Kind bleibt über. Jenes der „Aussteiger“, der Familie, die im alternativen Lebensstil eine Flucht aus der Gesellschaft antreten wollen. Das Kind muss da mit und weiß viel vom „Beerdigen“, dem Verzicht in diesem Leben und das Erklärungen des Vaters meist zu „toten Wörtern“ führen, die dann ganz tief in der schwarzen Erde eingraben bleiben, weil es kein Kennenlernen und Erfahren mehr gibt. Es ist ein weiter Raum der Natur, doch es sind auch feste Mauern und enge Räume, wie jene des neuen Hauses, mit denen umzugehen ist. Es sind viele Beobachtungen und Lebensbegegnen mit Mensch und Tier, die Tag und Nacht spannend werden lassen. Aber die großen Wörter und großen Belehrungen sind schwer zu tragen. Der innere Lebensraum ist so oft die Phantasie, in der sich das Kind einen Zauberstab wünscht, der verwandelt und ermöglicht. Je länger sie hier ist, umso dringender. Denn Dunkles bricht jetzt in „Bananama“ ein. Und jetzt wird es viele Erklärungen brauchen und tote Wörter werden lebendig…

Simone Hirth, mehrfach ausgezeichnete Literatur Preisträgerin, ist eine Wortzauberin, die Leserin und Leser faszinierend unmittelbar in die Lebenswelt ihrer Erzählcharaktere und deren Motive, Wege, Sprünge und Abgründe blicken lässt. Die Sprache der Autorin ist immer eine existentiell sehr direkt gesetzte, welche die persönliche Begreifbarkeit und Ferne von Welt in Kritik wie Empathie reflektiert. Der Roman lässt bei aller augenzwinkernden Melancholie und Tragik von zerbröckelnder Utopie und Lebensrealität die Suche nach Lebenskonzepten positiv offen. Das Scheitern gehört mit zum Weg. Und am Weg sein braucht immer auch Distanz und Humor. Die Autorin lädt in spannender Erzählung und mit viel Sprachfinesse dazu ein.

 

Walter Pobaschnig, Wien 10_2018

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„Der Untergang des österreichischen Imperiums oder die gereizte Republik“ Ed.Hauswirth und Ensemble. Umjubelte Uraufführung TAG Theater Wien. 17.11.2018.

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„Der Untergang des österreichischen Imperiums oder die gereizte Republik“ Ed.Hauswirth und Ensemble. Umjubelte Uraufführung TAG Theater Wien. 17.11.2018.

Jetzt wird getanzt. Hemmungslos. Die Urhorde findet sich gleichsam wieder im Hotel am Semmering. Das Totem, das sind sie jetzt selbst. Ihre Ängste, die Geist und Körper wieder zerreißen und wild toben lassen. Das Unbehagen der Kultur im Anspruch von Humanität und Bildung zerreibt sich in der Ambivalenz prekärer Arbeitsverhältnisse, die dazu verführen Ideale für Lohnzettel zu tauschen. In Zeitungsredaktionen und überall. Ein Angestelltenverhältnis oder was? Niemand entgeht diesen Fragen jetzt. Unten am Fuß des Berges. In den Städten und überall. Daher bleibt jetzt nur noch die Macht des Körpers. Nackt, expressiv, schonungslos… Doch es ist noch nicht so weit. Der letzte Tanz bleibt zunächst eine Dystopie. Eine dunkle Vision vom Untergang der Kultur im Naturtriumph von Instinkt und Macht.

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Noch treffen sie sich wie immer hier am Berg. Die Journalistin und Autorin, der Publizist, der junge Chefredakteur, die Philosophin und weitere. Es gibt Rituale. Gespräche und Tun. Wandern, kochen. Wort und Natur. Lachen und Nachdenken. Doch so war es einmal. Jetzt spitzt sich alles zu. Dunkle Wolken der kränkenden aktuellen Berufserfahrungen, persönliche Enttäuschungen im Lebensweg und die gesellschaftspolitischen Veränderungen ziehen schwer übers Land und hüllen jetzt auch den Berg ein. Überall Verlust und wenig Hoffnung. Es donnert und blitzt. Schwer. Im Tal und jetzt zwischen den Anwesenden. Und es ist nur eine Frage der Zeit bis die narzisstische Magie des Imperiums im letzten Röhren der Hirsche alles verschlingt. Ein dunkler Reigen, dessen Sog hier am Berg kränkt, demütigt und eine scheinbar verlorene Welt endgültig sprengt…

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Das TAG Theater Wien setzt sich mit der umjubelten Uraufführung „Der Untergang des österreichischen Imperiums oder die gereizte Republik“ von Ed.Hauswirth und dem Ensemble fulminant an das Jubiläumsbankett des Landes. Es ist ein komödiantisch wie intellektuell kritisch mitreißender Blick auf die moderne Gesellschaftsgeschichte in allen Herausforderungen und Enttäuschungen. Die Inszenierung in der grandiosen Darstellung und Sichtbarmachung individueller Lebenswege öffnet die großen Einsamkeiten und stillen Tragödien unserer Zeit, in denen Fragen und Klagen persönlich bleiben (müssen) und so innerlich erstarren lassen. Das Ensemble interagiert im großen Thema individueller und gesellschaftspolitischer Lebensspannung von Ideal und Realitätanspruch in hervorragender persönlicher Aufmerksamkeit und schafft es die Brüche zwischen sozialer Rollenfassade und unterdrücktem persönlichen Angstschrei in Gänsehaut offenzulegen. Präsenz, Expressivität, Überraschungsmoment und Tragik reißen das Publikum mit.

Ein Bühnenereignis, das unterhält wie nachdenklich macht und zeigt welch Kraft, Aufmerksamkeit und Spielfreude modernes Theater auszeichnen kann.“

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Regie: Ed. Hauswirth

Text: Ed. Hauswirth und Ensemble

Es spielen: Beatrix Brunschko, Jens Claßen, Juliette Eröd, Lorenz Kabas, Monika Klengel, Raphael Nicholas, Georg Schubert, Lisa Schrammel

Bühne: Johanna Hierzegger

Kostüm: Christina Romirer

Dramaturgie: Tina Clausen, Isabelle Uhl

Regieassistenz: Renate Vavera

Kamera: Gregor Graschitz

Regiehospitanz: Alexander Schlögl

 

Uraufführung: Sa 17. November 2018, 20.00

Weitere Vorstellungen

Di 20., Mi 21., Fr 23., Sa 24., Di 27. und Mi 28.* November 2018, 20.00

Di 18., Mi 19. und Do 20. Dezember 2018, 20.00

 

*Im Anschluss an die Vorstellung findet ein Publikumsgespräch statt.

 

 

Walter Pobaschnig, Wien 11_2018

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„Napoleon – Ein Leben“ Biographie. Adam Zamoyski. Neuerscheinung Beck Verlag.

 

„Napoleon – Ein Leben“ Biographie. Adam Zamoyski. Neuerscheinung Beck Verlag.

„Eine Biographie als einzigartiges Lesereignis“

  1. Korsika. Es ist ein heißer Sommer als am fünfzehnten des Monats August, am hohen Marienfeiertag, Carlo und Letizia der zweite Sohn, Napoleon, geboren wird. Letizia erzieht ihre Kinder in Frömmigkeit und Disziplin. Im Spiel auf der Straße kann der junge Napoleon mit seinen folgenden zahlreichen Geschwistern und Cousins fröhlich und ungezwungen sein. Sein Anspruch ein Spiel vorzugeben und zu dirigieren, stellt sich hier bald heraus. Als die Entscheidung zu den weiteren beruflichen Lebenswegen der Geschwister anstand, war für den Vater Carlo die weitere Lebenslinie für Joseph und Napoleon klar. Der älteste Sohn Joseph sollte das Priesterseminar besuchen und Napoleon die Militärakademie. Doch die Finanzierung dieser höheren militärischen Ausbildung ist teuer und daher offen. Der Vater bemüht sich um ein königliches Stipendium. Es gelingt und Napoleon bricht schließlich am 21.April 1779 zu seiner militärischen Ausbildung nach Brienne auf. Der erste große Schritt ist für den willensstarken Korsen gemacht. Und es werden schnell weitere folgen, die im Zuge des revolutionären Geschehens in Frankreich dem jungen Offizier die Tür zur Welt öffnen. Es ist ein Weg, der Europa nachhaltig verändern wird. Der Schrecken und die Grausamkeit des Kriegsgeschehens bringt auch eine grundlegende Veränderung des feudalen Staatswesens mit sich. Gesellschaftliche Gleichberechtigung, etwa in Fragen der Religion, werden nun erstmals zum Gesetz. Doch es ist eine ständige Dämmerung des Unterganges, welche Napoleon in der Auseinandersetzung mit den Königshäusern Europas begleitet…

Adam Zamoyski legt mit „Napoleon – Ein Leben“  eine umfassende facettenreiche Biographie einer der prägendsten Persönlichkeiten europäischer Geschichte vor, die in ihrem Detailreichtum wie der Zusammenschau von Voraussetzungen, Ereignissen und Entwicklungen von historischen Prozessen beeindruckt. Der Autor versteht es die umfassenden geschichtlichen und biographischen Fakten in einen mitreißenden Erzählstil zu bringen, der bis zur letzten Seite fesselt.

 

Walter Pobaschnig, Wien 10_2018

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„Das Buch der Flucht“ Die Bibel in 40 Stationen. Johann Hinrich Claussen. Neuerscheinung Beck Verlag.

 

 

„Das Buch der Flucht“ Die Bibel in 40 Stationen. Johann Hinrich Claussen. Neuerscheinung Beck Verlag.

„Ein Buch, das still und kompetent einlädt, ein großes Thema der Zeit biblisch mit- und nachzudenken“.

Es sind persönliche Erinnerungen, mit denen der Autor beginnt. Ein ehemaliges Verwaltungsgebäude in Hamburg wird für die Versorgung von Flüchtlingen wieder in Gebrauch gesetzt, um eine Übernachtungsmöglichkeit zu bieten. Der Autor ist im Hilfsteam mit dabei. Heiße Suppe, Tee, Bananen werden verteilt und dankbar angenommen. Wenn weniger zu tun ist, reisen die Gedanken zurück als dieses Gebäude noch für theologische Prüfungen genutzt wurde. Es war der Eingang in die berufliche Welt kirchlicher Tätigkeit. Auch ein Ankommen. Und wohl auch mit vielen offenen Fragen zu Ort und Zeit des folgenden beruflichen und persönlichen Werdeganges verbunden. Eine Station des Lebens. Eine wichtige. Für den Autor und für die Menschen, die jetzt hier kurz anhalten dürfen auf einem unbestimmten Weg.

Zurück am Arbeitsplatz lassen den Autor die Erfahrungen und Erlebnisse des Tages in der Flüchtlingsunterkunft nicht los. Die Gedanken kreisen im Kopf und er sieht in die Bibel. Der Prophet Jesaja wird zum ersten biblischen Angelpunkt. Krieg, Vertreibung, Flucht – der Prophet findet sich vor über 1500 Jahren in einer Welt der Gefahr und des Aufbrechens wieder. Er benennt den Schmerz und die Notwendigkeiten der Zeit. Er tut dies aus seiner Glaubensmitte heraus. Ein persönlicher Angelpunkt für ihn, der ihn stärkt, wenn alles herum aus den Angeln gehoben ist und es aufzubrechen gilt….Und der Prophet Jesaja ist in der Bibel nicht der einzige. Mose, Jakob, Sara, Ruth und schließlich auch Jesus. Es sind Stationen der Flucht, welche die Lebensläufe vieler Persönlichkeiten der Bibel kennzeichnen. Es ist auch Sprache und Ansprache in das Heute in allen An- und Herausforderungen…

Johann Hinrich Claussen, Kulturbeauftragter der Evangelischen Kirche Deutschland, legt mit dem „Buch der Flucht“ Die Bibel in 40 Stationen einen beeindruckenden Brückenschlag biblischer Lebenswelt zur Gegenwart vor. Es sind Informationen, Gedanken und Reflexionen zu einem großen Thema der Zeit, die das Buch zu einem gesellschaftlichen wie ganz persönlichen Alltagsbegleiter machen, der still (mit hervorragenden historischen Fotos – Flüchtlinge am Weg) und kompetent einlädt, biblisch nach- und mitzudenken.

 

Walter Pobaschnig, Wien 10_2018

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J.R.R.Tolkien, Der Fall von Gondolin. Herausgegeben von Christopher Tolkien. Neuerscheinung Klett-Cotta Verlag.

 

„Ein ganz besonderes Geschenk für alle Tolkienfans wie Leserinnen und Leser, die eine gute story mit Phantasie und Spannung schätzen“.

 

J.R.R.Tolkien, Der Fall von Gondolin. Herausgegeben von Christopher Tolkien. Neuerscheinung Klett-Cotta Verlag.

Es war ein Leben in und zwischen den großen Kriegskatastrophen des 20.Jahrhunderts, welches der Schriftsteller und Universitätsprofessor J.R.R.Tolkien führen musste. Die Phantasie, das Schreiben, das Erzählen war ihm darin und dabei eine wichtige kreative Kraft- und Trostquelle, um mit den Kriegserlebnissen und –folgen, auch dem persönlichen Verlust von Freunden, umgehen und diese wohl auch bewältigen zu können. Die Kunst war in jedem Fall ein wichtiger Lebensbegleiter eines so reichen und aktiven schriftstellerischen Schaffens. Als Tolkien 1973 starb hinterließ er eine Fülle von Skripten und be- und überarbeiteten Entwürfen zum Hauptwerk „Der Herr der Ringe“ und dessen textlichem Umfeld, die von seinem jüngsten Sohn Christopher Tolkien betreut und in den Folgejahren kontinuierlich ediert wurden. Jetzt in seinem vierundneunzigsten Lebensjahr legt Christopher Tolkien erneut eine beeindruckende Edition vor.

Der „Fall von Gondolin“, eine der zentralen Erzählungen des Zyklus des Mittelerde Zeitalters, wird von Christopher Tolkien zu einer geschlossenen Romanfolge, welche die unterschiedlichen Textentwürfe und Editionen beeindruckend überblickt, zusammenfasst und so ganz neu vorstellt. Es ist ein großer Gewinn für Tolkien Fans und Leserin/Leser einen neuen oder ersten Zugang zu einer „spannenden story“ zu gewinnen, welche dann weitere Vertiefungen in den komplexen Kosmos der Mythologie zulässt. Beeindruckend sind auch die Illustrationen von Alan Lee, der es versteht im persönlichen Stil sich einer Phantasiewelt und deren Charakteren und Topographien faszinierend zu nähern. Ein umfangreicher Anhang mit Namensverzeichnis, Worterklärungen, Stammbaum und einer Landkarte rundet diese Edition sehr gelungen ab.

 

Walter Pobaschnig, Wien 10_2018

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„Poetiken des Traumas“ Annette Vieth. Neuerscheinung Königshausen&Neumann Verlag.

 

„Poetiken des Traumas“ Annette Vieth. Neuerscheinung Königshausen&Neumann Verlag.

Trauma. Es ist ein Zerstörtsein. Eine Überforderung von Sinn und Sinnen. Es zieht einem den Boden unter den Füßen weg. Ein Erdbeben, dessen Trümmer in den folgenden Lebensschritten schwer auf der Seele lasten. In allem. Doch wie damit umgehen? Wie sich befreien? Ist es möglich? Das Sprechen, Erzählen ist ein Weg. Das Dunkle, Schwere ist aus dem Schatten getreten. Ins Wort. Es ist da. Es ist benannt. Es ist geteilt…

Annette Vieth, Literaturwissenschaftlerin und assoziiertes Mitglied der Arbeitsstelle Interkulturelle Literatur- und Medienwissenschaft, Hamburg, legt eine umfassende Studie zu literarischen Zugängen und Prozessen des individuellen wie kollektiven Traumas/der Traumata vor. Die umfassende beeindruckende Analyse gliedert sich in sieben Schwerpunktkapitel, die einführend Begriff und Methode klären (Definition des Traumas, Traumtheorie, literarische Entwürfe) und anschließend literarische Grundlagenwerke erläutern und befragen

Die Schwerpunkte liegen dabei auf der Analyse der Romane „Malina“ von Ingeborg Bachmann – die Autorin sucht darin kontextuell die Nähe zur Psychoanalyse und entwirft eine Erzählstruktur, die in bahnbrechender Weise Ambivalenzen von Bewusstsein und Unbewussten biographisch thematisiert – sowie „Stille Zeile Sechs“ von Monika Marion und „Alle Tage“ von Terezia Mora, in denen es um historische Traumata (DDR) und deren existentielle Bezüge und Abgründe geht. Begegnungen und Bilder im Kopf werden dabei zu beklemmenden Schlüsselszenen historischer Ereignisse.

Vieth gelingt es in bestechender interdisziplinärer Fachkenntnis den Anspruch und die Kraft von Literatur in Auseinandersetzung mit dem geschichtlich wie biographisch Unsagbaren herauszuarbeiten und damit auch einzuladen, sich dieser Literatur zu „stellen“, um Ort und Weg eines Landes und eines Lebens besser verstehen zu können.

Annette Vieth, Poetiken des Traumas. Mit Analysen zu Ingeborg Bachmanns Malina, Monika Marons Stille Zeile Sechs und Terezia Morars Alle Tage. Königshausen&Neumann Verlag.

Walter Pobaschnig, Wien 10_2018

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„Schlafende Männer“ Martin Crimp. Begeisternde österreichische Erstaufführung am Schauspielhaus Wien. 9.11.2018.

 

Die ZuschauerInnen betreten über die Bühne den Theaterraum. Eine Frau und ein Mann sitzen sich da in einem großzügigen Atelier gegenüber. Julia, Kunsthistorikerin, und Paul, Musikproduzent. Ihre räumliche Distanz jetzt entspricht der ihrer Alltagswirklichkeitswirklichkeit. Leben, Arbeiten – aber ihre Liebe? Im Hintergrund sind Filmsequenzen zu sehen – „Wer hat Angst vor Virginia Wolf?“ (1966, Mike Nichols). Ein Filmklassiker, der die psychologischen Abgründe der Beziehungsrealitäten eines Ehepaares fulminant inszeniert. Dann klingelt es an der Tür…

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Ein nächtlicher Besuch. Josefine, die neue Assistentin von Julia, und Tilmann stehen plötzlich vor der Tür. Nähe und Distanz in Begegnung und Gespräch der Paare werden nun zu ambivalenten Episoden zwischen psychologischen, aktionistischen und surrrealen Nachtbildern. Alles verliert jetzt den festen Boden im Blick vom abgründigen Seelenbalkon von Lebensweg und möglicher wie verpasster –richtung. Der freie Fall aus der Persönlichkeitsrolle im Tageslicht wird zum emotional explosiv-expressiven Szenario, dem niemand hier entgeht…doch wie wird es schließlich enden im Morgengrauen?

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Das Schauspielhaus Wien zeigt mit der österreichischen Erstaufführung von „Schlafende Männer“ (Martin Crimp) modernes Theater, das in zahlreichen wie vielfältigen künstlerischen Referenzen gesellschaftliche Realitäten reflektiert. Die Fülle und Spannung der ästhetischen wie psychologischen Bezüge im Stück des gefeierten Autors Crimp macht es Inszenierung und Regie grundsätzlich nicht leicht. Eine Dramaturgie zu finden, die da für einen spannenden Theaterabend funktioniert, ohne zu viele kunsthistorische Voraussetzungen (Wiener Aktionismus, Maria Lassnig) einzubauen, ist eine Herausforderung, der Regisseur und Ensemble aber hervorragend gerecht werden. Vom ersten Bühnensetting und –dialog an wird eine Aufmerksamkeit erzeugt, die dem dramatischen Fortgang gebannt folgen lässt. Hervorragendes Schauspiel in stop and go motion trägt einen Abend, der auch in dem direkt ansprechenden ästhetisch-psychologischen Reflexionstransfer von Bühne und Publikum bestens greift. Sehen und Denkanstoss springen ausgezeichnet über. Es wird zerstört, aber auch aus den Trümmern eines Wohnzimmers an einem reflektierenden Menschenbild gebaut. Die kritische Einladung der Inszenierung, auch in hervorragendem Bühnenbild/Kostüm/Technik, kommt in Zeit und Leben der Gegenwart an – Gratulation!

 

 

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„Schlafende Männer“

Autor: Martin Crimp

Regie: Tomas Schweigen

Besetzung: Vera von Gunten, Alina Schaller, Sebastian Schindegger, Anton Widauer

 

Bühne: Giovanna Bolliger

Kostüme: Anne Buffetrille

Musik: Dominik Mayr

Video: Tim Hupfauer

Dramaturgie: Tobias Schuster

Licht: Oliver Matthias Kratochwill

Ton: Benjamin Bauer

Regieassistenz: Sophia Fischer

 

Weitere Spieltermine: 14., 15., 16., 17.11 und 4., 5., 7., 8., 12., 13., 14. Und 15.12.2018

Schauspielhaus Wien, Porzellangasse 19, 1090 Wien

Tel: +43 1 317 01 01 18 (Kartenvorverkauf)

Tel: +43 1 317 01 01 (Büro 10 – 18 Uhr)

Fax: +43 1 317 01 01 99 00

karten@schauspielhaus.at (Kartenvorverkauf)

www.schauspielhaus.at

 

Walter Pobaschnig 11_18

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