„Unser persönliches Frausein hat viele Seiten“ Julia Raich, Sängerin_Romanjubiläum Malina_ Wien 31.8.2021

Julia Raich, Sängerin _
Romanschauplatz Malina_Wien

Ich bin beruflich immer viel gereist, etwa bei meinen Engagements auf Kreuzfahrtschiffen, und viele Häfen, Orte der Welt begleiten mich daher in der Erinnerung. Ein Ort hat aber dann eine tiefe persönliche Bedeutung, wenn man dies mit jemanden teilen kann. Es ist der Wunsch an einem besonderen Ort jemand bei sich zu haben und zu sehen und zu genießen.

Jeder Ort hat auch die Sehnsucht nach dem Zuhause in sich. Das wird immer so sein.

Ich bin ein sehr neugieriger Mensch und gehe mit offenem Blick durchs Leben. So versuche ich auch Orten so zu begegnen.

Musik ist für mich Leben. Und Leben ist Musik.

Ich kann mich in der Musik ausdrücken, meine Emotionen. Und ebenso ist das so, wenn ich andere Musik höre. Es ist mein Lebenselixier.

Ich bin in einer sehr musikalischen Familie aufgewachsen. Musik hat mich da immer begleitet.

Mich inspirieren Begegnungen, Orte, Erinnerungen. Besonders aus Erinnerungen schöpfe ich sehr viel für meine Musik.

Es ist schön in der Kunst Ideen an- und aufnehmen zu können. Und auch das Vertrauen zu haben, dass die Ideen ihren Weg finden werden, wenn man sich öffnet.

Ich identifiziere mich mit dem starken Frausein bei Ingeborg Bachmann. Stärke ist dabei für mich, sich der Bandbreite des Lebens zu öffnen. Den eigenen Weg gehen, weitergehen und nicht aufgeben. Mit Mut und viel Lebenslust.

Ich bin heute als Frau und Künstlerin dankbar dafür, dass ich jetzt vieles leben darf, wofür Frauen vorangegangener Generationen gekämpft haben. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.

Wir müssen heute als Frauen noch immer kämpfen aber wir leben die bisher gewonnen Freiheiten, unser persönliches Frausein.

Emanzipiert sein ist für mich ganz Frausein. Und dieses hat viele Seiten. Da stehe ich total dahinter, auch zu der sexy Seite als Künstlerin.

Die Situation im Roman, der Liebhaber im Nachbarhaus, ist zeitlos.

Es ist ein unrealistisches Bild der Liebe in einem Menschen alles finden zu können/wollen. Das wäre dann Perfektion oder einfach langweilig.

Liebe ist eine lebenslange Suche nach sich selbst und der Verbindung mit anderen Menschen.

Ich arbeite derzeit an meinem zweiten Album und versuche Auftritte zu absolvieren und mit meiner Musik möglichst viele Menschen zu erreichen.

Julia Raich, Sängerin _
Romanschauplatz Malina_Wien

50 Jahre Malina _ Roman _ Ingeborg Bachmann _ im Gespräch und szenischem Fotoporträt:

Julia Raich_Sängerin_Wien 

https://www.juliaraich.com/

Station bei Ingeborg Bachmann_Romanschauplatz_Malina.

Interview und alle Fotos_Walter Pobaschnig _Wien_9_2020.

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„Authentisch und mit Freude Musik zu machen“ Cozy Friedel, Jazzgeigerin_Wien 31.8.2021

Liebe Cozy, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Einen festen regelmäßigen Tagesablauf gibt es nicht. Mehr eine Freiheit, die selbst gefüllt und variabel strukturiert werden will. Es gibt übergeordnete Ziele, für die ich selbst wähle, wie ich sie erarbeite. Manchmal würde ich mir wünschen, einen von außen gegebenen strukturierten Alltag zu haben. Also z.B. wie manche Menschen ins Büro zur Arbeit zu gehen und dann Feierabend zu haben. Aber so etwas gibt es nicht bei mir. Eigentlich ist nie so richtig Feierabend, weil eins zum anderen kommt und es immer Dinge gibt, die man für das künstlerische Schaffen erledigen könnte. Selbst im Bett liegt man dann manchmal und die Gedanken gehen weiter, man übt mental auf dem Instrument weiter oder komponiert mental weiter, wenn einen eine bestimmte Sache nicht loslässt.

Cozy Friedel_Jazzgeigerin,Sängerin

So beneidenswert für andere diese Freiheit, seinen Alltag selbst einzuteilen, auch erscheinen mag, – manchmal denke ich mir, dass gerade im Geschenk der Freiheit über den eigenen Tagesablauf die größte Herausforderung liegt. Denn oft ist man nicht so motiviert, kreativ oder diszipliniert, die selbst gesetzten Aufgaben Tag für Tag zu erledigen. Denn oft gibt es kein Muss, keinen Chef, für den man etwas einreichen muss oder klar definierte äußere Zielpunkte, für die man etwas ebenso klar Definiertes erledigen muss. Man tut es mehr oder weniger für sich selbst und das ist manchmal nicht ganz so leicht.

Wie oben erwähnt, gibt es übergeordnete Ziele, für die man sich selbst einen individuellen Weg sucht, sie zu erreichen. Die heiligsten Ziele in meinem Leben sind, und das mag jetzt vielleicht ein wenig naiv klingen, aber ehrlich; Musik machen mit anderen für andere und die Energie, die daraus entsteht, anderen zu schenken. Hauptsache ehrlich, authentisch und mit Freude, also dem Grund, aus dem man angefangen hat, Musik zu machen. Von der Musik leben bzw. Überleben zu können. Mich gesund und fit zu fühlen. Meine Freundschaften zu pflegen, also mich in einem gegenseitig erfüllenden, intakten und sozialen Miteinander zu bewegen.

Um diese Ziele zu erreichen, tue ich jeden Tag etwas, was auch immer das ist. Meistens tue ich das, worauf ich gerade Lust habe, aber dann richtig.

Ein klassischer Tag, sieht z.B. so aus: Aufstehen, Geige üben, eine Runde Sport, zur Probe gehen und abends Freunde treffen, auf ein Konzert gehen oder für Mjam (mein Nebenjob) Essen mit dem Fahrrad ausfahren…oder komponieren..oder zeichnen..oder Booking Arbeiten verrichten..es ist sehr flexibel. Wenn dann Konzerte zu spielen sind oder Uni ist, sieht das alles wieder ganz anders aus.

Um mein Leben von der Musik finanzieren zu können, ist für mich klar, dass ich immer üben muss, um fit zu bleiben und weiter zu kommen. Mindestens genau so wichtig ist für mich dabei aber auch die soziale Vernetzung und die Arbeit an kreativen Projekten, dafür zu komponieren und zu organisieren. Daher versuche ich jeden Tag etwas von meiner Zeit mit dieser Art von Arbeit zu füllen. Einer meiner wichtigsten Lehrer hat diesbezüglich mal Worte gesagt, die sich in meinem Kopf festgebrannt haben. Diese Worte scheinen immer dann auf, wenn ich mal deprimiert bin und denke, dass meine Arbeit gerade überhaupt nichts bringt – z.B. dass ich gestern effektiver geübt habe, heute aber nichts geht:

„Es ist egal, wie gut du gerade meinst, etwas zu tun. Allein der Versuch, sich damit auseinander zu setzen, bringt dich in jeder Hinsicht weiter auf deinem Weg – weiter, als aus Angst vorm Scheitern, nichts zu tun. Es ist alles in ein Ziel investierte Energie, in welcher Form auch immer, die dich weiter bringt, auch wenn du das nicht gleich merkst.“

Was ist jetzt gerade für uns alle besonders wichtig?

Ich finde, das schließt sich jetzt an das oben Erwähnte an: Einfach weiter tun, im Sinne der eigenen innersten ehrlichen Ziele. Auch wenn gerade eine nicht so leuchtende Zeit in vieler Hinsicht ist – was haben wir davon, uns hängen zu lassen und davon runter ziehen zu lassen. Auch wenn die Umstände manchmal etwas als unmöglich erscheinen lassen oder uns die Angst vorm Scheitern am bloßen Versuch, etwas zu tun, hindert, ist das Gefühl, es doch versucht zu haben, egal wie gut, am Ende unbezahlbar. Und das macht auf lange Sicht stärker, positiver und die Welt ist wieder bunter 🙂 Und wir beeinflussen ja auch andere mit unserer Energie. Wenn wir eine so positive Energie ausstrahlen, dann werden vielleicht auch Menschen um uns herum motiviert, wieder mit mehr Elan ans Werk zu gehen und durch die Welt zu schreiten.

An den äußeren Umständen können wir vielleicht nichts ändern, aber an der Art, wie wir damit umgehen. Aber nicht nur für uns alleine kämpfen find ich gerade wichtig, sondern auch, füreinander da zu sein. Zuzuhören und einfach auch mal mehr das Miteinander zu feiern. Wir sind soziale Wesen und das Bedürfnis danach ist in den letzten Zeiten ziemlich zu kurz gekommen. Miteinander zu sein, Erlebnisse zu teilen, sich auszutauschen, miteinander zu lachen – das ist so etwas Wunderschönes und daraus Energie zu gewinnen, ist so ziemlich eine der besten Sachen der Welt. Ich glaube, gerade jetzt nehmen wir das viel intensiver und mit größerer Wertschätzung wahr, als vorher.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Musik, der Kunst an sich zu?

Der Aufbruch und Neubeginn haben in meinen Augen schon längst begonnen. Ich fand es wichtig, sich während der Zeiten des Lockdowns neu zu orientieren. Für mich war das eine Art „Metamorphose – Zeit“. Genug Zeit, um zu sich zu finden, mit sich selbst gut auszukommen, sich vorzubereiten auf das, was kommt, wenn diese Zeit zu Ende ist. Wenn es gerade nicht möglich ist, die sonst gewohnten Dinge zu tun, dann muss man eben schauen, die Zeit für anderes zu nutzen. Vielleicht ist gerade diese Zeit dann viel optimaler für Dinge geeignet, die sonst immer auf der Strecke geblieben sind.

Natürlich ist es nie zu spät, von Neuem loszulegen, aber ich persönlich habe es nie so gesehen, neu beginnen zu müssen. Es war eine Phase, in der sich andere Dinge, aufbauend auf denen zuvor, entwickelt haben. Ich wollte nie stagnieren, auch wenn das oft nicht leicht ist, wenn alles um einen herum es zu tun scheint. Aber ich hatte einfach keine Lust, wenn die ganzen Lockdowns vorbei sind aus einer Art Winterschlaf aufzuwachen und die Welt nicht wieder zu erkennen. Aber natürlich müssen wir jetzt alle nach vorne schauen. Gemeinsam. Und das, was passiert ist, akzeptieren und jetzt das Beste daraus machen. Man kann sich natürlich über all das aufregen, was schief und ungerecht gelaufen ist, aber das würde uns in der Gegenwart nur zurückwerfen, finde ich.

Die Kunstszene aber auch so viele andere Bereiche sind stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Besonders trauert es mich um die vielen langjährig gewachsenen Kulturzentren, von denen sich während der Lockdowns einige nicht mehr über Wasser halten konnten und so von der Bildfläche verschwunden sind. Das ist nicht mehr rückgängig zu machen. Darum ist es jetzt besonders wichtig, dass Neues entsteht und gefördert wird, wie auch Bestehendes.

Der Kunstszene kommt in meinen Augen im Sinne der Rückgewinnung sozialer Lebensqualität eine besonders wichtige Rolle zu. Für unsere physische Gesundheit haben wir unsere Ärzte, aber für unsere mentale Gesundheit, für die Wachheit unseres Geistes, dafür gibt es einen anderen Doktor, einen unsichtbaren – das ist für mich die vielseitige Kunst. Das ist mindestens genauso wichtig, wie uns um unseren Körper zu kümmern, den Geist und Körper beeinflussen sich bekanntlich gegenseitig 🙂

Was liest du derzeit?

Ich lese prinzipiell leider wenig. Zurzeit lese ich Lead Sheets 😉

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest du uns mitgeben?

„Denke nie gedacht zu haben, denn das Denken der Gedanken ist gedankenloses Denken, denn wenn du denkst, du denkst, denkst du nur du denkst, aber denken tust du nie.“ (Unbekannt, vermutlich Erich Kästner)…also weniger denken, mehr tun! :

Cozy Friedel_Jazzgeigerin, Sängerin

Vielen Dank für das Interview liebe Cozy, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Musikprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute! 

5 Fragen an Künstler*innen:

Cozy Friedel, freischaffende Jazzgeigerin und Sängerin

Alle Fotos_Walter Pobaschnig 8_21.

26.8.2021_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

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„Was wir scheinen“ Hildegard E.Keller. Roman. Eichborn Verlag.

„Was wir scheinen“ Hildegard E.Keller. Roman. Eichborn Verlag.

1975. Der letzte Sommer. Sie ist im Zug ins Tessin. Das stickige Raucherabteil und das Grün vor dem Fenster. Die quietschenden Bremsen. Die Stadt und die Berge. Das Unterwegssein und die Gedanken im Kopf. Es ist – als ob ein Leben vorbeizieht…ein letztes Mal…

Dann die Stimme des Schaffners und das Herausgerissenwerden aus einem Traum. Immer derselbe seit vielen Jahren. Genau seit 1961. Damals, als die Philosophin, Historikerin und Journalistin von April bis Juni in Jerusalem beim Prozess gegen den NS-Kriegsverbrecher Adolf Eichmann anwesend war und für den „The New Yorker“ berichtete und eine Generation wie das Wesen des Menschen schonungslos offenlegte. Ihre Analysen sind gleichsam die Summe und das Destillat ihres philosophischen Denkens. Eines Weges durch die Abgründe des Menschseins und einer Gesellschaft und deren männlicher Machtwelt, die grausamst in der Shoa gipfelte. Und jetzt in aller Banalität hinter Glas vor ihr saß. Und dieses zerschlägt sie in Wahrheit und Mut. Sie drückt damit auch aus, was ihr zeitlebens wichtig war und was Denken sein sollte – Bemühen um Klarheit und Mut zum Denken in Wort, Ausdauer und Konsequenz.

Doch jetzt kehrt sie noch einmal in den Sommer zurück und sitzt am Tisch im wunderbaren Garten des Hotels in Tegna. Begegnungen begleiteten ihr ganzes Leben und so ist es auch jetzt. Und sie geht offen darauf zu, auf das Unerwartete, Überraschende, Begleitende wie sie es ein ganzes Leben getan hatte. Als mutige Denkerin wie als suchende, liebende Frau. Die letzte Reise zu Grund und Abgrund des Menschseins in Erinnerung, Traum und Gespräch wie Konfrontation beginnt…

Die Schriftstellerin, Universitätsprofessorin und langjährige sehr geschätzte Jurorin des Klagenfurter Bachmannpreises Hildegard E.Keller legt mit „Was wir scheinen“ einen Roman über das Leben der Philiosophin, Historikerin und Journalistin Hannah Arendt (1096 – 1975) und deren biographischen wie politischen Lebensstationen vor, der in Spracheleganz, Erzählkraft wie inhaltlicher Tiefgründigkeit begeistert. Die Autorin beweist sehr viel Mut sich dem Leben und Wirken einer der bedeutendsten Persönlichkeiten moderner Philosophie und Gesellschaftstheorie literarisch zu nähern. Das literarische Konzept im Schwerpunkt der Lebensjahre der Aus- wie Nachwirkungen des Eichmannprozess ist äußerst gut durchdacht und geht vollends auf. In Reflexion und Rückschau kommt auch der Humor nicht zu kurz. In wunderbarer Leichtigkeit werden Alltagsgespräche mit Witz und Esprit dargestellt. Köstlich etwa auch wie die Philosophin einen Artikel über den Rennfahrer Clay Regazzoni in einer Zeitschrift entdeckt. Die Autorin geht hier einen ganz selbstbewussten literarischen Weg, der Hannah Arendt gleichsam aus der umfassenden politischen Theorie direkt ins Leben zurückholt und so Tiefsinnigkeit wie Menschlichkeit eines Lebens in aller Sehnsucht, Unsicherheit wie auch Zerbrechlichkeit darstellt. So ist der Roman ein Lesevergnügen mit sehr spannenden Annäherungen und Impulsen zu Leben, Werk und Zeit Hannah Arendts wie zu Mensch und Gesellschaft in Weg und Entscheidung an sich. Eine Frau – klug, mutig, zerbrechlich im Sturm der Zeit dargestellt – literarisches Experiment gelungen – chapeau!

„Hildegard E.Keller ergreift fulminant Herz und Seele einer mutigen wie zerbrechlichen Frau. Ein literarisches Ereignis!“

Walter Pobaschnig 8_21

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„Lasst uns alle Kultursuperspreader sein!“ Markus Köhle, Schriftsteller_Wien 30.8.2021

Lieber Markus, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Jetzt ist Ende August. Hoffentlich die Ruhe vor dem Buchungssturm. Ich sitze am Schreibtisch und arbeite Notizen und Fragmente der letzten Wochen auf, versuche aus den Sommergedankensplittern was Brauchbares zu machen, und mich langsam wieder an Arbeitsalltag zu Hause zu gewöhnen. Ich bin an sich ein Vormittagsschreiber. Konzentrierte zwei-drei Stunden am Vormittag schreiben, dann was kochen oder Essen gehen, am Nachmittag dann (korrektur-) lesen, Büroarbeit oder sonst was machen, abends dann im Idealfall selbst auftreten oder eben Kolleg*innen zuschauen.

Markus Köhle, Schriftsteller

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Solidarität.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?

Wirklich? Ist nicht vielmehr zu befürchten, dass alles wie gehabt nur in bestimmten Punkten schlechter wird, weil das „Koste-es-was-es-wolle“ vor allem auch der Kunst (den prekär in der Kunst arbeitenden) auf den Kopf fallen wird? Diese Veränderungen gilt es festzuhalten, aufzuzeichnen, aufzuzeigen. Stoff ist da, die Form, diesen zu Literatur zu machen, gilt es noch zu finden.

Was liest Du derzeit?

Komme gerade zurück aus Griechenland, habe in den drei Wochen Sommerakademie dort folgende Bücher gelesen:

Dalibor Markovic: Pappel

Ivan Repila: Der Feminist

Nora Gomringer: Poesiealbum

Sebastian Ingenhoff: Ghosting

Verena Güntner: Power

Wanda Coleman: Strände. Warum sie mich kaltlassen

und als nächstes nehm ich mir Adas Raum von Sharon Dodua Otoo vor.

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Lasst uns alle Kultursuperspreader sein!

Vielen Dank für das Interview lieber Markus, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute! 

5 Fragen an Künstler*innen:

Markus Köhle, Schriftsteller

Zur Person:

Foto_privat.

24.8.2021_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

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„Immer wieder innezuhalten, um sich zu spüren“ Marcela Selinger, Sängerin_Wien 29.8.2021

Liebe Marcela, wie sieht jetzt dein Tagesablauf aus?

Was meinen Tagesablauf betrifft, könnte ich jetzt einen halben Roman schreiben – allerdings denke ich nicht, dass das besonders aufregend ist! Was ich vielleicht darüber sagen kann ist, dass mein Alltag relativ unterschiedlich gehandhabt wird, je nach Situation. Mein Leben ist ziemlich dynamisch. Ich habe ein Schulkind zu Hause und in den Ferien ist natürlich alles sehr locker und ich kann mich hauptsächlich auf meine Dinge fokussieren. Nach dem Aufstehen kümmere ich mich meistens erstmal um mein körperliches Wohlbefinden- Wasser trinken, Sport, etc. währenddessen wird die To-Do-Liste gecheckt (von der ich meistens die Hälfte vergesse) und die Struktur für den Tag klargestellt. Dazu gehören Formalitäten, die Vorbereitung für Auftritte, Organisation, Studium, diverse Sidejobs, Kommunikation, kochen, putzen, raus gehen, meine Tochter unterstützen in zB schulischen Angelegenheiten. Dazwischen sozialisiere ich auch viel – ich mag den Austausch mit Menschen. Generell könnte man sagen- es herrscht immer viel Bewegung- innerlich wie äußerlich. Und manchmal ist es einfach ruhig.

Marcela Selinger, Sängerin

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Ich denke momentan befinden wir uns in einer Zeit, in der die Spaltung in der Gesellschaft besonders offensichtlich wird und sich leider immer mehr verstärkt. Gesellschaftliche Ungleichheiten gibt es seit eh und je- jedoch geht das momentane Geschehen weit darüber hinaus. Ich empfinde die Entwicklung als sehr gefährlich. Menschen feiern geradezu den Umstand sich gegenseitig durch den Dreck zu ziehen, sich auf Seiten zu positionieren- die andere Seite ins Lächerliche zu ziehen, ja- sogar Schadenfreude wird gefeiert. Und das für mich Erschreckendste daran ist, dass das verbindende Element, Neugier, aufeinander zugehen, offen zu bleiben für Anderes, völlig in den Hintergrund tritt. Ich empfinde die Entwicklung als sehr verhärtet- immer mehr. Mag es an der Informationsflut liegen, an der Unfähigkeit alles aufnehmen zu können. Wir sind sehr schnell sehr voll, was zu Überforderung führt- und somit fällt es schwer innezuhalten, zur Ruhe zu kommen und zu reflektieren. Es ist fast wie ein hormonelles High. In diesem Sinne denke ich, dass es besonders wichtig ist uns darauf zu besinnen, was uns verbindet:  Die Fehlerhaftigkeit, das Mensch-Sein, das Wachstum, Gefühle von Einsamkeit und die Nützlichkeit des tiefen Wunsches nach Verbindung, Zuneigung und Verständnis für Unterschiedlichkeit – jeder Mensch braucht das Gefühl angenommen zu sein, als der/die man einfach ist. Es sind wohl Empathie, Umsicht, Achtsamkeit Respekt und Behutsamkeit, die den Teppich bilden um einem anderen Menschen auch in schwierigen Gesprächen tatsächlich begegnen zu können- wenn man das denn will. Den Fokus auf das Miteinander halte ich für elementar um sich weiterzuentwickeln und oftmals wird man sich nicht einig. Ich denke auch nicht, dass das notwendig ist, nur leider ist das für viele Menschen ein Grund um Andersdenkenden den Respekt zu entziehen- natürlich mit vielen klaren „Gründen“. Aber wie heißt es so schön: wer ein Miteinander will, findet einen Weg, und wer nicht, der findet einen Grund. Und damit meine ich nicht, dass man jeden zum Freund haben muss- dennoch muss man sich niemanden zum Feind machen.

Vor einem Aufbruch werden wir nun alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Musik, dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?

Nun, vieles habe ich ja bereits oben erwähnt. Allerdings habe ich vergessen die Gesundheit zu erwähnen – denn ich denke, damit steht und fällt alles. Wir haben nun die Möglichkeit uns unseres Körpers bewusster zu werden und ich finde, das sollte man nutzen. Achtsam mit sich und den eigenen Ressourcen umgehen- eventuell fällt es dann auch leichter achtsam mit der Umwelt und seiner Umgebung zu sein. Trennende Gedanken nicht zu füttern, sondern durch ein Ankommen bei sich selbst die Grundlage für ein gutes Miteinander zu schaffen – frei von Abwertung und Schuldsuche. Wenn man bedenkt wieviel- äh wenig- Kapazität vom Gehirn genutzt wird, umgesetzt, dann muss wohl jeder Mensch zugeben, dass das eigene Mikrouniversum nicht die letztendliche Wahrheit sein kann. Auch wenn es sich so anfühlen mag. Die Gesellschaft befindet sich momentan auf jedem Fall in einer Transformation. Ich denke, niemand kann sagen wie die weitere „Ent-Wickelung“ vonstatten gehen wird und genau deswegen finde ich es besonders wichtig immer wieder innezuhalten, sich zu spüren und nicht in Gedanken zu verlieren, die von Angst geprägt sind, da einfach so vieles ungreifbar und angreifbar ist. Das ist eine große Herausforderung- wir Menschen sind ja „Gewohnheitstiere“ – Veränderung fällt uns nicht leicht, auch wenn wir danach streben!

Kunst war immer ein Ausdruck von Freiheit und Diversität – momentan spüre ich das nicht. Es ist, als wurde alles gemutet und unter viele Deckmäntel gestellt. In jeder Zeit der Geschichte wurde Kunst beschimpft, geliebt, geteilt, kritisiert und zensiert – aber sie hat berührt und gerüttelt. Den Künstlern ging es nicht primär darum, ob sie das “Richtige“ oder „Falsche“ darstellen. Es wurde einfach dargestellt und hat Wellen geschlagen- in alle Richtungen. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass das mittlerweile nicht mehr „erwünscht“ ist, sogar unter den Künstlern teilweise.  Aber: War es denn je wichtig was „erwünscht“ ist oder nicht? Es erscheint mir fast wie eine Paralyse in der Kunst. Nach wie vor denke ich, dass es die Aufgabe der Künstler auf jedem Gebiet ist, darzustellen, sich zu zeigen, in Frage zu stellen und zu provozieren. Kunst ist ein Raum, um das „Andere“ anzubieten, der Künstler nutzt diesen und setzt es um.

Was liest du derzeit?

Brene´Brown – „Braving the wilderness“

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

„Your are only free when you realize you belong no place – you belong every place, no place at all. The price is high, the reward is great.“ Maya Angelou

Vielen Dank für das Interview liebe Marcela, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Musikprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute! 

5 Fragen an Künstler*innen:

Marcela Selinger, Sängerin

http://www.marcy.at/

Alle Fotos_Walter Pobaschnig

23.8.2021_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

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„Nicht nur ein Foto in der Auslage eines Cafès“ Valerie Anna Gruber, Schauspielerin_ Station bei Peter Alexander _Wien 29.8.2021

Valerie Anna Gruber _ Schauspielerin _ reenacting Peter Alexander _
an den Lebensorten des Schauspielers und Sängers _Wien

Meine Eltern haben die Filme von Peter Alexander sehr geschätzt und daher begleiteten diese mich in der Kindheit. Der Tod von Peter Alexander 2011 war dann für mich ein weiterer Impuls seiner Kunst wie Persönlichkeit nachzugehen.

Peter Alexander schaffte es in seinen TV-Shows die ganze Familie vor dem Fernseher zu vereinen.

„Das kleine Beisl“ (1976) ist eines der prägnantesten Lieder von Peter Alexander, welches das Lebensgefühl der Zeit ausdrückt.

Die „Beisl“ Kultur ist heute Nostalgie. Da hat sich gesellschaftlich viel verändert. Das ist der Wandel der Zeit.

Ich schätze am Sänger Peter Alexander sein Lächeln in der Stimme, das ist ein Alleinstellungsmerkmal seiner Musik. In seinen Parodien wechselte das natürlich und er ist da fast gar nicht zu erkennen, das ist auch faszinierend.

Seine Musik ist so intensiv, ergreifend, auch nostalgisch, da braucht es eine bestimmte Stimmung für mich.

Ich mag auch die Filme von Peter Alexander sehr. Einen Lieblingsfilm zu nennen, ist da schwierig, weil es so viele sind (lacht). Der Film „Die Abenteuer des Grafen Bobby“ (1961) ist aber definitiv ein Liebling, der mich seit meiner Kindheit begleitet und fasziniert. Das ist ganz tolles Komödienhandwerk des Duos Peter Alexander und Gunter Philipp. Ich kann mir diesen Film alle paar Monate ansehen und immer darüber lachen. Die Begeisterung für Peter Alexander wurde in mir über seine Filme geweckt.

Am Beeindruckendsten ist für mich bei dem Schauspieler und Sänger Peter Alexander seine Ausstrahlung, Präsenz auf der Bühne, man schaut da einfach sofort hin. Es ist faszinierend, wenn Künstler sofort diese Aufmerksamkeit auf sich ziehen können. Dahingehend ist Peter Alexander auch ein großes Vorbild für mich als Schauspielerin.

Seine Parodie des Jazzsängers Al Jolson gehört für mich zu seinen beeindruckendsten künstlerischen Projekten. Es ist faszinierend wie in Stimme, Ausdruck bis zu Mikrobewegungen eine Verwandlung stattfindet. Diese Schauspielkunst der Verwandlung beherrschte Peter Alexander ganz beeindruckend.

Ich lese derzeit auch seine Biographie, heuer ist ja sein zehnter Todestag (Peter Alexander *1926 in Wien +2011 ebenda). In seiner Kindheit war Peter Alexander ja schon sehr musikalisch, sein Großvater hatte auch ein Musikgeschäft in Pilsen. Er war dann ja auch ein hervorragender Pianist, Jazz-Pianist, da hatte er unglaubliche Fähigkeiten und ist da etwas verkannt worden. Das ist ja kaum bekannt, weil der Schlager dann ganz in den Mittelpunkt der Produktionen rückte. Ich finde es persönlich schade, dass das Schlagerbusiness den vielseitig begabten Musiker Peter Alexander nicht so sichtbar machte.

Es gibt auch einen familiären Bezug meinerseits zu Peter Alexander. Mein Großvater war mit ihm bei der Kriegsmarine im II.Weltkrieg. Peter Alexander soll auch da schon sein Talent in Musik und Unterhaltung gezeigt haben. Es ist eine Fähigkeit, in solchen Situationen den Humor nicht zu verlieren.

Die Kunst war Peter Alexander in die Wiege gelegt. Die familiären Pläne waren wohl andere. Er hat aus Liebe, Räson zum Vater an der Universität Wien das Medizinstudium inskribiert aber keine einzige Vorlesung besucht. Er folgte seiner Begeisterung für Kunst konsequent, wo er spürte, da geht es hin für mich.

Die Schulzeit war für Peter Alexander schon Bühne. Streiche und Lehrerparodien werden ihm da ja schon nachgesagt. Der Unterhaltungsdrang zeigte sich schon stark.

Seine Mutter ermöglichte ihm in jungen Jahren einen Konzertbesuch von Frank Sinatra in London. Das war wohl ein weiterer Impuls für die Musikkarriere wie er später oft erzählte. Das Gewinnen eines Musikwettbewerbes in Wien, er sang da einen cover song, war dann sicherlich ein wichtiger Baustein in Selbstbewusstsein und Mut am Weg zur Bühne.

Peter Alexander ist in Wien/Alsergrund in der Sechsschimmelgasse aufgewachsen. Später war sein Wohnsitz eine Villa in Döbling/Paul-Ehrlich Gasse, die leider abgerissen wurde. Es ist derzeit Brachland und auch innerlich bewegend, dies zu sehen. Man kann sich nur wundern, dass es da nicht möglich war, für jemanden, der in Wien und weltweit so bekannt war, einen unmittelbaren Gedenkort am Lebensort zu ermöglichen.

Es gibt für Peter Alexander ja keine größere Gedenkstätte in Wien. Es gibt zwar den Peter-Alexander Platz in Döbling, der sehr schön ist, aber keine weiteren, anschaulicheren Gedenkplätze, etwa an seinen künstlerischen wie biographischen Bezugspunkten, in Wien.

In Döbling wäre wohl auch ein Museum am Villenstandort möglich gewesen, das bestimmt viele Besucher angezogen hätte.

Zum 100.Geburtstag des Wiener Künstlers wünsche ich mir schon eine Anerkennung, eine sichtbare Form des Gedenkens, etwa eine Gedenktafel am Haus in der Sechsschimmelgasse in Wien/Alsergrund und nicht nur ein Foto in der Auslage des Cafès im Haus. Es ist schade, dass es für so einen großartigen Künstler derzeit nicht mehr an sichtbarem Gedenken gibt.

Peter Alexander verkörperte den Wiener Charme. Das kam gerade auch in Deutschland sehr gut an. Das Galante und das Spitzbübische in einem.

Seine Frau und Managerin, die Schauspielerin Hildegarde Haagen (*1922+2003, Heirat 1952), war wesentlicher Teil seiner umfassenden Karriere. Sie plante seine Stationen und Präsenzen in der sich verändernden Medienwelt sehr überlegt und zielsicher.

Seine Frau war ein starker künstlerischer Antrieb für Peter Alexander, sie war wichtige Motivationsgeberin.

Das Künstlerleben von Peter Alexander war sicherlich wahnsinnig anstrengend. Diese unglaubliche Fülle an Filmen, Lieder, Shows, das ist wohl heute in dieser Form nicht mehr vorstellbar. Etwa in kürzester Zeit vier Hauptrollen pro Jahr zu spielen. Diese konzentrierte künstlerische Energie und auch dieses Level über so lange Zeit zu halten, ist zu bewundern.

Eine work-life Balance hatte Peter Alexander im heutigen Sinne wohl nicht und dies war sicher sehr kräftezehrend. Vielleicht ist sein Rückzug aus der künstlerischen wie Öffentlichkeit an sich damit verstehbarer.

Die Unterhaltungsbranche war sicherlich auch damals zur Zeit Peter Alexanders gnadenlos. Als feinfühliger Künstler ist das kein leichtes Pflaster. Das hat sich nicht geändert.

In meiner persönlichen work-life Balance genieße ich jetzt als Schauspielerin die Produktionen, die jetzt endlich nach so langer Corona-Ruhe wieder stattfinden sehr aber die Urlaubszeit ist dann auch sehr willkommen.

Das Spannende für mich am Schauspiel ist, dass die Energie, die man investiert auch wieder zurückkommt, wenn es gut läuft.

Die Lieder Peter Alexander hatten ja auch gesellschaftskritische Inhalte, etwa „Hier ist ein Mensch“ (1970) oder „Die süßesten Früchte“ (1953), das wurde inhaltlich ja gar nicht so wahrgenommen.

Peter Alexander war politisch interessiert und auch sozial engagiert, etwa im Bau einer Schule in Afrika. Er hat das nie nach außen getragen.

Peter Alexander war und ist für mich eine ganz starke Inspirationsquelle in seinem Entertainment Talent, seiner Ausstrahlung und seiner Konsequenz. Ich bin dankbar für die Begegnung mit seiner Arbeit in meinem Leben.

Wenn es mir nicht so gut geht, schaue ich mir einen Peter Alexander Film und die Welt ist wieder in Ordnung.

Das Werk Peter Alexander und seine Künstlerpersönlichkeit sind außergewöhnlich und Vorbild. Mein Wunsch ist, dass Peter Alexander nicht in Vergessenheit gerät.

Lieber Peter Alexander, Dankeschön, Sie waren bezaubernd, Dankeschön!

literaturoutdoors_Station bei Peter Alexander_Schauspieler, Sänger (1926-2011) Wien

Valerie Anna Gruber, Schauspielerin_Wien 

https://www.valerieannagruber.com/

Interview und alle Fotos_Walter Pobaschnig _8_2021

https://literaturoutdoors.com

„Literatur hilft uns, dass wir nicht im Mausloch dieser Welt verkommen“ Hildegard E.Keller, Schriftstellerin_ Zürich 28.8.2021

Liebe Hildegard, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Ich stehe um 6 Uhr auf und gehe gegen 23 Uhr ins Bett. Dazwischen ist buntes Treiben und wenn immer möglich ein Intermezzo im Zürichsee.

Lesung – Was wir scheinen“ _ Hildegard E.Keller_Schriftstellerin, Verlegerin, langjährige Jurorin beim Bachmannpreis und beim Literaturclub SRF, Professorin

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Offenheit. Weite. Angst macht alles eng (Herz, Geldbeutel, Kopf).

Herta unterwegs. Installation, Serie Herta & Horst. Hildegard E. Keller. 2017

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt der Literatur, der Kunst an sich zu?

Immer stehen wir am Anfang, auch das Ende wird ein Anfang sein. Eine meiner Kolleginnen schrieb, in der Kunst seien die Aristokraten unserer Spezies zu Hause. Warum genau, sagte sie nicht, aber ich vermute, sie schätzte die edle Geste, dass sich jemand die Mühe macht, in der eigenen Lebenszeit etwas aus dem Inneren zu bergen und so ans Licht zu bringen, dass es auch zu den anderen spricht.

Eine andere Kollegin hielt das Brückenbauen für ganz wichtig, also das Bauen poetischer Brücken, zum Beispiel mit Metaphern, die die sinnlich wahrnehmbare mit der unsichtbaren Wirklichkeit verbinden. Literatur hilft uns, dass wir nicht im Mausloch dieser Welt verkommen.

Im Museum. Installation, Serie Herta & Horst. Hildegard E. Keller. 2017

Was liest Du derzeit?

Wassili Grossman, Stalingrad. Das Monumentalepos wurde lektoriert (und ich glaube auch entdeckt) von der fabelhaften Ulrike Ostermeyer.

Der Welterklärer. Installation, Serie Herta & Horst. Hildegard E. Keller. 2017

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Mein Textimpuls stammt von Heinrich Heine, aus einem Memoiren-Fragment (Heine: Das Märchen meines Lebens, herausgegeben von Christian Liedtke 2020, S. 241). Es ist die Standrede des Vaters, der sich Sorgen um den Gottesleugner unter seinem Dach macht:

»Lieber Sohn! Deine Mutter lässt dich beim Rektor Schallmayer Philosophie studieren. Das ist ihre Sache. Ich, meines Teils, ich liebe nicht die Philosophie; denn sie ist lauter Aberglauben, und ich bin Kaufmann und hab meinen Kopf nötig für mein Geschäft. Du kannst Philosoph sein, so viel du willst, aber ich bitte dich, sage nicht öffentlich, was du denkst, denn du würdest mir im Geschäft schaden, wenn meine Kunden erführen, dass ich einen Sohn habe, der nicht an Gott glaubt; besonders die Juden würden keine Velveteens mehr bei mir kaufen, und sind ehrliche Leute, zahlen prompt und haben auch Recht, an der Religion zu halten. Ich bin dein Vater und also älter als du und dadurch auch erfahrener; du darfst mir also aufs Wort glauben, wenn ich mir erlaube dir zu sagen, dass der Atheismus eine große Sünde ist.«

Vielen Dank für das Interview liebe Hildegard, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte – aktuell vor allem für Deine Romanneuerscheinung „Was wir scheinen“ und Deine vielfältigen spannenden Verlags-, Kunstprojekte – persönlich in diesen Tagen alles Gute! 

5 Fragen an Künstler*innen:

Hildegard E.Keller_Schriftstellerin, Verlegerin, langjährige Jurorin beim Bachmannpreis und beim Literaturclub SRF, Professorin

Foto_1 Ayse Yavas, 2-4 Hildegard E.Keller, 5 Sandra Kottonau.

Hildegard E. Keller: Was wir scheinen. Köln (Eichborn) 2021.

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23.8.2021_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

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„Diese direkte Sprache der Emotion ist außergewöhnlich“ Leonie Wahl, Tänzerin_ Romanjubiläum Malina_Wien 28.8.2021

Leonie Wahl, Tänzerin _
am Romanschauplatz Malina _ Wien

Orte sind Weite und Nähe. Im Erleben von Emotionen im Moment und noch mehr in Erinnerungen.

Orte können auch Räume, deren Geometrie sein. Sie sind da Grundlagen, Bausteine von Kunst.

Räume können eine Einheit ausdrücken, zusammenführen oder separieren. Orte sind da Möglichkeit von Kunstintentionen.

Ich bin in Olten in der Schweiz geboren. Meine Familie ist dann als ich drei Jahre alt war nach Italien gezogen. Ich bin dann allein mit sechszehn Jahren nach Deutschland gegangen und habe da eine Ballettausbildung gemacht. Dann bin für fünf Jahre nach Rotterdam und habe weitere Ausbildungen im Tanz gegangen. Seit 2001 bin ich in Wien. Ich bin da pick`ngeblieb`n (lacht). In Wien pickt man gern, es ist ein wunderbarer Ort (lacht).

In Wien ist es äußerst angenehm zu leben. Es hat einen so hohen Lebensstandard und bietet so viele Möglichkeiten. Von Kultur bis Natur. Ich bin am Land aufgewachsen und schätzte das Grün hier auch sehr.

Auch die Sprache der Menschen hier ist faszinierend. Jeder Bezirk hat eine andere eigene Dialekt-Sprache, die je vor Ort erfunden wurde bzw. wird.

Ich finde auch diesen schwarzen Humor hier super.

Der Roman „Malina“ hat starke feministische Akzente. Besonders diese unmittelbare, direkte Sprache der Emotion als Frau ist außergewöhnlich, damals wie heute.

Frau und Gesellschaft, Mann und Frau, das sind Themen des Romans, die natürlich immer beschäftigen.

Der Frau kommt in unserer Gesellschaft eine bestimmte Rolle zu. In Italien, wo ich aufwuchs, ist es etwa die Rolle der Mutter, die großen Wert hat. Grundsätzlich gibt es eine große Kluft zwischen Mann und Frau in Freiheit und Selbstbestimmung. Die Frau ist da noch immer mehr Objekt als anerkanntes, handelndes Subjekt.

Es hat sich in unserer Gesellschaft in den Fragen der Gleichberechtigung einiges zum Besseren geändert, vor allem rechtlich, aber es ist noch viel zu tun. Emotional hat sich sehr wenig geändert. Da kann der Roman auch in der Gegenwart spielen.

Ich bin dafür, dass alle Geschlechter die gleichen Möglichkeiten haben, das ist ganz wichtig. Vor fünfzig Jahren war dies bei weitem nicht so und auch heute gibt es Ecken, in welche Menschen aufgrund ihres Geschlechtes, ihrer Identität gedrängt.

Es braucht in der Gleichberechtigung Zeit, viel Zeit (lacht). Ich bin da optimistisch utopisch (lacht). Manchmal zweifle ich allerdings das überhaupt möglich ist, sein wird.

Jedes Individuum ist die Mitte der Gesellschaft und es gilt dies anzuerkennen und wahrzunehmen.

Ich habe keine eigenen Kinder. Das ist eine bewusste Entscheidung von mir. Ich wollte diesen Weg so gehen und das Thema Kinder nicht als zentrale Mitte setzen.

Dieses Bewusstwerden von eigenen Grenzen im Roman ist sehr eindringlich beschrieben und nachvollziehbar. Die Frau wird ja im Roman mehr und mehr auf sich zurückgeworfen, bis nur die Wand bleibt. Das kann natürlich auch auf einen Mann zutreffen.

Selbstbewusstsein heißt auch an seinen Idealen zu arbeiten, vielleicht auch diese runterzuschrauben und sich zu akzeptieren wie man ist und das Beste in diesem Rahmen daraus zu machen. Nicht immer das Unmögliche zu wollen und da gegen sich selbst zu arbeiten. Ein Mittelmaß zu finden, in dem man das Leben auch genießen kann.

In unserer Gesellschaft haben sich viele Systeme, etwa die Wirtschaft, verselbständigt. Da ist vieles nicht mehr für den Menschen gemacht. Es ist Zeit, dass sich da etwas ändert. Wie, weiß ich nicht (lacht).

Was Ivan fünfzig Jahre später zu sagen ist? Schleich di (lacht).

Ivans gibt es auch heute. Sind mir auch schon begegnet. Ich finde ihr Handeln grenzt fast an ein Verbrechen.

Malina? Das ist ein Übergangsmann für sie im Roman.

Eine Beziehung ist immer eine Balance zwischen der eigenen und der Entwicklung des Partners. Da finden Prozesse, Veränderungen statt, die einen Ausgleich finden sollten. Es können da natürlich persönliche Erlebnisse sehr belasten, wie im Roman. Da geht es ans Eingemachte.

Literatur spielt in meinen eigenen Choreographien, in meinen dramaturgischen Ideen keine Rolle. Das hängt mit meinem Lehrer in der Tanzschule in Rotterdam zusammen, der den unmittelbaren Bezug zu Werken der Kunst ablehnte. „Das ist Tradition und es braucht Neues – so was ist keine Kunst“, war seine Meinung und er war da ganz streng. Das blieb mir. Das selbst erfinderisch werden, begleitet mich seit damals.

Leonie Wahl, Tänzerin _
am Romanschauplatz Malina

50 Jahre Malina _ Roman _ Ingeborg Bachmann _ im Gespräch und szenischem Fotoporträt:

Leonie Wahl_Tänzerin, Performerin, Schauspielerin__Wien 

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Station bei Ingeborg Bachmann_Romanschauplatz_Malina.

Interview und alle Fotos_Walter Pobaschnig _Wien_6_2020.

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„Es ist schön zu sehen, dass mehr Frauen Regie führen“ Lara Bumbacher, Schauspielerin_ Wien 27.8.2021

Liebe Lara, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Seit etwa drei Monaten ist mein Tagesrhythmus sehr unstet, ich bin viel unterwegs und kaum ein Tag gleicht dem anderen. Zurzeit bin ich gerade im Urlaub in der Schweiz, habe heute einige organisatorische Dinge erledigen müssen, lerne Text für Wiederaufnahmen, daneben lese ich viel, gehe wandern und genieße den (leider hier sehr verregneten) Sommer.

Lara Bumbacher_Schauspielerin

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Nähe. Empathie. Vertrauen.

Ich glaube wir müssen wieder lernen, dass wir einander brauchen. In der ganzen Zeit der Distanz und Isolation wurde klar: Man kann auch mit sehr wenigen Kontakten existieren. Für mich war es aber bloß existieren und nicht wirklich leben. Menschen sind alles was wir haben ­- ich glaube Glück, Freude, alles was das Leben lebenswert macht, wird erst real wenn wir es teilen können.

Wir haben uns – sowohl politisch als auch privat so sehr voneinander distanziert: Aufgeheizte Diskussionen, Verschwörungstheorien und dass jeder glaubt die Wahrheit zu haben. Das ist in einer Krise natürlich nachvollziehbar. Nun ist es an der Zeit, sich wieder gesamtgesellschaftlich zusammenzuraufen. Covid hat gezeigt, dass man durchaus in der Lage ist auf Krisen zu reagieren. Es ist nun allerhöchste Zeit auf die Klimakatastrophe genauso entschieden und ernsthaft zu reagieren.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?

Ich weiß gar nicht ab wann wir tatsächlich von einem Neubeginn sprechen können. Natürlich hoffe ich darauf, dass wir sobald wie möglich zu einer Normalität zurückkehren können. Seit dieser Pandemie bin ich allerdings viel vorsichtiger geworden mit meinem Optimismus oder meinen Prognosen wie lange das alles dauern wird. Ich glaube, für einen Neubeginn braucht es ein Bewusstsein, dass eine komplette Rückkehr in alte Systeme toxisch wäre. Das betrifft ganz viele Lebensbereiche: Umweltpolitisch muss endlich gehandelt werden, es scheint glücklicherweise eine neue Sensibilisierung zu entstehen bezüglich Rassismus und Homophobie in unserer Gesellschaft und ich hoffe es wird auch (wie man zurzeit bei Olympia sieht) mehr und mehr ein Verständnis für mentale Gesundheit und deren Auswirkungen entstehen.

Auch im Theaterbereich scheint sich langsam ein Wandel zu vollziehen. Es ist schön zu sehen, dass mehr Frauen Regie führen, neue Führungsformen wie Co-Intendanzen entstehen und es mehr Diversität gibt. Aber da gibt es noch viel zu tun. Ich glaube, die Rolle des Theaters im Allgemeinen wird sich nicht verändern. Was allerdings spannend wird, ist, ob sich Leute nach der ganzen Zeit des digitalen Erlebens wieder vermehrt auf Liveveranstaltungen freuen und diese auch wahrnehmen? Was mich betrifft finde ich Theaterstreams und dergleichen zwar keine schlechte Idee, aber meiner Meinung nach haben sie haben nicht wirklich was mit Theater, so wie ich es liebe, zu tun. Gutes Theater entsteht aus einer Wechselwirkung mit einem Publikum und sowas kann man per Kamera gar nicht gebührend einfangen. Ich bin gespannt, ob nun vermehrt das Bedürfnis entsteht, sich wieder real etwas anzuschauen. Wünschenswert wäre es.

Was liest Du derzeit?

Ich habe die Angewohnheit, meist mehrere Bücher gleichzeitig zu lesen. Sofern sie thematisch nicht allzu ähnlich sind, funktioniert das für mich sehr gut. Ich habe gerade „Detransition Baby“ von Torrey Peters abgeschlossen. Ein Buch in dem sich zwei Transfrauen und eine Cis-Frau überlegen, gemeinsam ein Kind großzuziehen. Absolut empfehlenswert! Daneben lese ich gerade „White Teeth“ von Zadie Smith und „Orlando“ von Virginia Woolf.

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

„Change is not a threat to your life, but an invitation to live.” – Von Adrienne Rich. Ich bin im ersten Lockdown über dieses Zitat gestolpert und war damals beinahe wütend oder verzweifelt als ich es gelesen habe, weil ich mir gedacht habe: Diese «Veränderung» oder dieser Lockdown ist es ja gerade, was diesen Stillstand in mir auslöst, beziehungsweise was mich vom Leben abhält. Ich glaube jedoch, Krisen bieten die Chance, zu reflektieren was man wirklich will im Leben. Man sieht, wie vieles im Leben nicht selbstverständlich ist und was einem wirklich wichtig ist. Es gibt keine Garantie oder Absicherung für irgendetwas und sofern sich Chancen auftun sollte man sie ergreifen, statt ständig zu zögern.

Lara Bumbacher_Schauspielerin

Vielen Dank für das Interview liebe Lara, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Film-, Theater-, Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute! 

5 Fragen an Künstler*innen:

Lara Bumbacher, Schauspielerin

Fotos_1&4 Barbara Maria Hutter; 2 Christina Nerea Burger; 3 Paul Vincenth Schütz.

4.8.2021_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

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„Die Qualitäten von Frau und Mann zulassen“ May Garzon, Schauspielerin_ Romanjubiläum Malina _ Wien 26.8.2021

May Garzon, Schauspielerin
_am Romanschauplatz Malina _ Wien

Orte beschäftigten mich gerade bei meinem Umzug letztes Jahr sehr. Es sind für mich Erinnerungen.

Persönliche Erinnerungen machen einen Ort besonders. Ein Ort mag für andere unscheinbar sein aber bei mir schlägt dann in jedem Vorbeigehen mein Herz höher.

Das Wort Heimat kommt mir jetzt in den Sinn. Es ist für mich aber gar nicht so ortsbezogen, weil meine Familie immer weit gewohnt hat.

Wien ist meine Heimat geworden, die ich in den letzten Jahren sehr zu schätzen gelernt habe. Wien hat etwa unglaublich viel kulturell zu bieten.

Wien erzählt sehr viel. Am Morgen oder in der Nacht besonders. Ich spaziere da sehr gern. Da ist so viel Ruhe und Kraft zu spüren.

Ich stelle mir oft vergangenes Leben in der Stadt vor, wenn ich ein Gebäude oder eine Gedenktafel sehe. Es ist besonders wie Zeit und Raum ineinander greifen.

Wien hat so viel verschiedene Seiten, das mag ich an Wien. Und ich vermisse dies jetzt schon, plane auch bald wieder auf einen Besuch zu kommen. Ich versuche das Pflaster langsam abzureißen (lacht).

Der Ort, an dem man aufwächst, ist immer mit gemischten Gefühlen verbinden. Es ist immer eine Form von Hassliebe.

Ich finde es extrem spannend neue Orte zu entdecken. Oder Orte, die ich sehr gut kenne, neu zu entdecken.

In Wien gibt es so viel Geschichte, Tradition, Schönheit. Aber oft denken wir in Gesellschaft und Leben nicht darüber hinaus – „das hat es schon gegeben, das kannst du auch machen.“ Das man nicht zu weit hinausfliegen darf oder soll.

Derzeit gehe ich alles in meinem Leben sehr ruhig an. Da wir ja nicht wissen was auf uns zukommt. Und in einer neuen Stadt weiß man dies ja noch weniger. Ich versuche offen zu sein, das zu empfangen was kommt.

Im Ankommen in München habe ich im Einrichten der Wohnung und den Besorgungen dazu die Stadt kennengelernt. Das war sehr weitverzweigt und ein schöner Zugang zu Straßen, Plätzen der Stadt.

In München erinnert mich vieles an. Viele sagen ja, es ist ein kleines Wien.

Ich habe drei Möbelstücke nach München mitgenommen. Eine Truhe, eine Lampe und einen Tisch. Das ist jetzt ein, mein Stück Wien in München (lacht). Das sind auch meine drei kleinen Anker. Möbel schaffen auch Heimat.

Ich hänge sehr wenig an Gegenständen. Aber persönliche Briefe, Geschenke, Erinnerungsstücke bewahre ich sehr gerne auf. Diese sind alle in Kisten, nicht unmittelbar bei mir.

In meiner Kindheit habe ich wohl wie jedes Kind gerne herumgeblödelt und Kaspertheater gespielt. Meine Großmutter sagte dann, „du könntest ja Schauspielerin werden.“ Ich dem Moment dachte ich, cool, das könnte ich werden. Das blieb mir dann hängen (lacht). Mit vierzehn Jahren besuchte ich dann erste Schauspielkurse. Mit achtzehn Jahren besuchte ich dann die Schauspielschule. Und ich habe dann einfach mit dem Schauspiel nicht mehr aufgehört (lacht). Es gibt da auch künstlerische Wegbegleiter*innen über viele Jahre wie die Wiener Schauspielerin Isabella Jeschke.  

Mich interessiert im Theater auch besonders die Stückentwicklung mit eigenen Texten. Die eigene Geschichte zu erzählen, zu vermitteln ist ganz besonders. Film und Fernsehen sind für mich auch beruflich sehr spannend und ich möchte da jetzt auch meinen Weg gehen.

In der Liebe, Affären hat sich seit „Malina“ nicht viel verändert. Es kommt heute allerdings eine größere Offenheit dazu.

Treue ist in der Liebe Ehrlichkeit, es ist im Herzen und wird für mich nicht über Sex definiert.

Das Leben ist bunt und komplex und das ist auch die Liebe.

Bei Mann und Frau hat sich seit den 1970er Jahren nicht so viel geändert. Die Themen, Problematiken sind noch immer da. Es werden noch viele Unterschiede zwischen Mann und Frau gemacht.

Mann und Frau habe je ihre eigenen Qualitäten. Es geht darum diese Qualitäten zuzulassen und zu leben, individuell wie gemeinsam. Wir müssen Wege finden, um das Gemeinsame zu suchen und zu leben.

Wir alle haben Wunden des Lebens, der Liebe wie auch die Verantwortung für Wege weg davon hin zur Zukunft.

Ich kann mit einem Geschlechterkampf nicht viel anfangen. Die Macht des Patriarchats ist auch eine Last für den Mann. Es ist ein gemeinsamer Weg der Befreiung.

Von gesellschaftlicher Poesie zwischen Mann und Frau sind wir weit entfernt. Das Bewusstsein des Miteinanders bildet sich aber. Die Zukunft ist allerdings offen.

Liebe auf den ersten Blick ist möglich. Aber wir haben es verlernt, weil der Partner zuerst abgescannt wird. Wir lassen uns nicht darauf ein, dass es sein darf.

Wir sind in der Liebe nicht mehr so kompromissbereit für einen „Zauber des Anfangs“. Wir haben viele Raster, die zu erfüllen sind.

May Garzon, Schauspielerin
_am Romanschauplatz Malina _ Wien

50 Jahre Malina _ Roman _ Ingeborg Bachmann _ im Gespräch und szenischem Fotoporträt:

May Garzon_Schauspielerin_München_Wien 

http://www.maygarzon.com/

Station bei Ingeborg Bachmann_Romanschauplatz_Malina.

Interview und alle Fotos_Walter Pobaschnig _Wien_6_2020.

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