Lieber Matthias, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich stehe früh auf, so um 5.30 Uhr. Ich arbeite als Berater für Familien, als Jugend- und als Hypnosystemischer Coach. Ich treffe viele Menschen in für sie schwierigen Lebenskontexten. Gemeinsam suchen wir Wege und Lösungen zu einem weniger beschwerlichen Leben. Am Abend lese und schreibe ich, zum Entspannen höre ich Musik.
Matthias Gysel, Schriftsteller
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Beziehungen pflegen, in Kontakt treten, sich auf sich selbst besinnen und lernen, die Stille auszuhalten. Die Freiräume, die noch vorhanden sind, können wir aktiv gestalten.
Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Die erzählende Literatur, die Poesie, das Haiku können uns Kraft geben und die Energie, selbstwirksam zu bleiben, sich einzumischen und mitzugestalten. Sie stellen vielleicht Inseln der Fantasie, der Gefühle und der Gedanken dar, die da sind, egal, welche Veränderung uns von außen beeinflussen.
Was liest Du derzeit?
Andreas Neeser „Die Sonne ist ein Hasser Hund“ Miniaturen Consuelo Casula „Gärtner, Prinzessinnen, Stachelschweine“ Metaphern und Geschichten für die persönliche und berufliche Entwicklung.
Welches Zitat, Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten“.
Vielen Dank für das Interview lieber Matthias, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Lieber Florian, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Kinder wecken, mit meiner Tochter spielen, meinen Sohn dazu anhalten, seine Homeschooling-Aufgaben zu machen, lesen, Wohnung putzen, mit meiner Tochter auf den Spielplatz gehen, lesen, essen, Gute-Nacht-Geschichte vorlesen, lesen, schlafen. Zwischendrin aus dem Fenster in den Regen schauen.
Florian Voß, Schriftsteller
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Ich habe keine Ahnung.
Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Keine. Wenn es überhaupt einen Aufbruch geben wird, was ich stark bezweifle, wird die Literatur keine Rolle dabei spielen, weil die Literatur in dieser Gesellschaft keine Rolle mehr spielt.
Was liest Du derzeit?
Robert R. McCammon – Matthew Corbett und die Hexe von Fount Royal
Attilio Brilli – Als Reisen eine Kunst war
Inger Christensen – Alphabet
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Das Wesen einer Seuche ist, dass man sie nicht aufhalten kann.
Vielen Dank für das Interview lieber Florian, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Liebe Steffi, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Steffi Neuhuber, Musikerin
Mein Tagesablauf ist sehr von der Jahreszeit abhängig. Momentan, im Winter, ist meine erste Tätigkeit mit einer heißen Tasse Kaffee vor unser Häuschen zu gehen, bei meist Minusgraden so richtig wach zu werden und Holz ins Haus zu bringen, um den Ofen einzuheizen. Meine Tage in diesem Winter sind relativ entspannt und ich versuche viel Zeit in den Wäldern rund um mich zu verbringen. Anscheinend haben wir, als wir vor gut zwei Jahren in die Berge gezogen sind, glücklicherweise auch einen Sonnenort gefunden – das tut gut. Langsam kehren auch meine Inspiration und Motivation zurück. Ruhe beflügelt neue Ideen.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Vertrauen! Im Hier und Jetzt zu leben und nicht zu verzweifeln. Inspiration und Motivation suchen und finden und auch schlechte Tage zu zulassen. Kaffee und Tee zu trinken, sich bewegen und sich mit anderen auszutauschen. Einzelkämpfer*innen mussten alle viel zu oft sein.
Resignieren und wieder neuen Mut finden. Miteinander anstatt Solokämpfertum. Zwischenmenschlichkeit. Verständnis. Gefühle zulassen. Akzeptanz und Offenheit.
Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Musik, der Kunst an sich zu?
Kunst hatte schon immer verschiedene Funktionen auf verschiedensten Ebenen. Ich fühle aktuell eine Stimmung des Aufbruchs, ein Umdenken aber auch ein Resignieren. Bemerkenswert ist, was bereits alles umgesetzt wurde. Nicht nur im letzten Jahr, sondern wieviel Energie und Geist in Schaffen und künstlerische Weiterentwicklung gesteckt wird – immerwährend.
Wie motiviert und inspiriert manche das letzte Jahr verbracht haben, wie handwerklich, wie reduzierend ich, wie ruhend andere. Abstand gewinnen um neu zu beginnen ist ebenfalls Kunst, eine Form des Ausdrucks, des persönlichen als auch des gesellschaftlichen. Aufbruchsstimmung beflügelt oder schränkt ein – Stimmungen bewirken Reaktionen und diese werden uns noch überraschen, beiseite stehen, aufwühlen und uns auch Halt geben. Mein Credo ist Optimismus mit einer großen Portion Wahrnehmung der Realität!
Was liest Du derzeit?
Aktuell lese ich: Emma, Ein anderer Blick – ein feministischer Comic gegen die Zumutungen des Alltags, welches ich im Dezember von meiner längsten Begleiterin geschenkt bekommen habe.
Ein Buch, welches ich demnächst zu lesen beginnen werde, habe ich von einer über 90jährigen Dame zu unserer Hochzeit dieses Jahr geschenkt bekommen. Ich habe sie nie getroffen, bekomme aber immer wieder von ihr ausgewählte Bücher mit einer kleinen persönlichen Nachricht. Ich bin gespannt auf „Ein wunderbares Leben“ von Joachim Fernau.
Welches Zitat, Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Ich musste bei dieser Frage sofort an Marion Zimmer Bradley denken, an ihre Darkover Reihe, welche mich lange Zeit auch in schwierigen Zeiten begleitet hat und mir Anknüpfungspunkte an meine Lebenssituationen gegeben hat. Es gibt viel Widersprüchliches zu finden, allerdings gefällt mir gerade in diesem Moment die Reaktion von Joanna Russ in Bezug auf Darkover Landfall: We Who Are About To…
Vielen Dank für das Interview liebe Steffi, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Musikprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Lieber Andreas, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Im Moment habe ich irrsinnig plastische Träume. Ich hinterfrage die Träume und beleuchte sie aus verschiedenen Perspektiven. Das erzeugt Energie. Mit diesen Schwingungen erschaffe ich im Moment ein noch nicht existierendes Stück. Ich lese, verändere und kürze erarbeitete Texte, um die wichtigsten Themen zu kanalisieren. Dann mache ich bewusst eine Pause. Singe beim Kochen und lade meinen Bruder sowie den Hausgeist zum Essen ein. Anschließend lege ich die Beine hoch und stelle mir ein dunkles Gelb vor, dabei versuche ich an nichts zu denken. Das Vorstellen von Farben hilft mir zur Ruhe zu kommen. Dann geht’s im gesunden Takt zur Probe ins Theater. Dort treffe ich Kollegen, wir reden über Geschichten aus unserer Vergangenheit, denken dabei in die Zukunft und entdecken die Gegenwart neu. Am Abend spaziere ich durch einen kleinen Park und an einem ziehenden Fluss entlang finde ich nach Hause.
Andreas Jähnert, Schauspieler, Regisseur
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Wir haben Strom. Wir haben Wasser. Wir haben Medizin. Die Müllabfuhr kommt auch regelmäßig vorbei. Jetzt brauchen wir eine respekt- und liebevoll Sprache miteinander, die uns vereint, um den Aufbruch zu wagen in ein neues Wofür.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater, der Kunst an sich zu?
Aufpassen, dass sich der Weg, welcher sich jetzt schwierig darstellt, nicht in einer Sackgasse endet. Jeder soll etwas dazu beitragen können, um die auftauchenden Fragen, die in uns geweckt werden, nicht von anderen beantworten zu lassen, sondern wir selbst nachdenken und handeln sollten. Das Theater, die Kunst überhaupt kann dazu konkretere Impulse senden, sogar noch mehr als die herkömmlichen Nachrichtenagenturen sowie die Leute im tief verankerten System, die heute noch lautstark bellen, weil sie nicht erkennen, oder an einem kaputten Instrument krampfhaft festhalten und uns Töne vorspielen, die längst nicht mehr einem gesunden liebevollen Menschenverstand helfen. Deswegen sollten wir die neugefundenen Töne im stillen Kulturbetrieb hervorbringen.
Was liest Du derzeit?
Das klingt ungewöhnlich, aber derzeit meine Träume.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
When I was 5 years old, my mother always told me that happiness was the key to life. When I went to school, they asked me what I wanted to be when I grew up. I wrote down ‚happy‘. They told me I didn’t understand the assignment, and I told them they didn’t understand life.
John Lennon
Vielen Dank für das Interview lieber Andreas, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Theater-, Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Liebe Emese, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Nach dem Frühstück erst mal Zeitung lesen, dann gehe ich meistens laufen oder spazieren. Gemeinsam mit meinem Mann entdecke ich auch gerade die vielen schönen Wanderwege, die es rund um Wien gibt. Ich telefoniere oft mit lieben KollegInnen und Freunden, um mit ihnen in Kontakt und im Austausch zu bleiben.
Ich kümmere mich auch viel um meine Mutter, die alleine lebt und meine Unterstützung braucht.
Am Nachmittag mache ich dann meist „Homeoffice“. Ich nehme an Online-Castingseminaren teil, und ich beschäftige mich auch gerade sehr mit meinen beiden anderen Sprachen, Ungarisch und Englisch, da gibt es online auch sehr gute Angebote.
Am Abend kochen wir dann meistens was und anschließend schauen wir ausgewählte Serien auf Netflix oder Amazon.
Mein Mann und ich versuchen, den Tag halbwegs strukturiert zu verbringen, auch wenn wir gerade beide nicht proben oder spielen können, um geistig und körperlich fit zu bleiben. Das gelingt uns Gott sei dank sehr gut.
Emese Fay, Schauspielerin
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Den Stillstand in bestimmten Lebensbereichen zu akzeptieren und trotzdem positiv zu bleiben. Und trotz der momentanen Isolation einen offenen Blick für andere Menschen und deren Lebenssituationen zu behalten. Energien nicht an ständige Empörung zu verschwenden, sondern dankbar zu sein für die guten Dinge im Leben.
Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater und der Kunst an sich zu?
Es hat sich im Sommer bereits gezeigt, wie wichtig eine funktionierende Kulturlandschaft für unser Land ist und dass die vielen Theaterfestivals und Sommerspiele auch ein extrem wichtiger Wirtschaftsfaktor sind. Gibt es in einer Region keine Theaterfestspiele, gibt es auch keine Umwegrentabilität in Form von Hotelübernachtungen, Gasthausbesuchen, etc.
Ich würde mir wünschen, dass wir, die Kulturschaffenden in diesem Land, den Stellenwert unserer Arbeit neu definieren und mit mehr Selbstbewusstsein und einem größeren Selbstwertgefühl unsere Interessen und Rechte vertreten.
Was liest Du derzeit?
Ein Gentleman in Moskau von Amor Towles, ein wundervoller tragisch-komischer Roman über einen russischen Grafen, der aus seinem Leben in der Isolation jeden Tag das beste macht.
Die Geschichte der griechischen Philosophie von Luciano De Crescenzo, eine humorvolle und kurzweilige Einführung in die unterschiedlichen Schulen des abendländischen Denkens.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Vernunft ist die Fähigkeit, objektiv zu denken. Die ihr zugrunde liegende Haltung ist die Demut.“ — Erich Fromm
Emese Fay, Schauspielerin
Vielen Dank für das Interview liebe Emese, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Theater-, Schauspielprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Liebe Alina, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Alina Schaller, Schauspielerin
Seit Anfang der Pandemie erinnere ich mich an meine Träume, sie sind in der Früh, wenn ich aufwache noch so lebendig als würde ich noch schlafen. Mein Tag beginnt also damit, dass ich mich frage, was da in mir drinnen vor sich geht. “Wie geht es mir heute?”. Dann wecke ich meinen Körper auf und bewege ihn. Sport, am liebsten an der frischen Luft. Die eigenen vier Wände wirken dann doch oft dünkler und so ein weiter Himmel über dem Kopf lässt mich freier atmen.
Dann geht’s ran an Mails, Zoom-Sessions und aktuelle Aufgaben, dazwischen dann das Mittagsjournal und weiter geht’s. Früher war ich viel unterwegs, war kaum zuhause, meist nur zum Schlafen – das vermisse ich sehr. Der tägliche Austausch mit anderen Menschen, egal ob Freunde oder Fremde hat mir immer schon sehr viel Kraft und Motivation gegeben. Jetzt passiert das eben über Videocalls oder beim Spaziergang. Aber als Künstlerin finde ich mir immer etwas zu tun und das nächste Projekt wartet auch schon um die Ecke, ein schöner Kinofilm wird das.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Die Augen offen zu halten, ob jemand Hilfe braucht, in einem dunklen Loch versinkt, einen Einkauf benötigt oder einen warmen Schlafsack. Die Risse in einer Gesellschaft werden in einer Krise zu Schluchten. Zusammenhalt und Solidarität sind unglaublich wichtig.
Wir haben noch einige Monate vor uns und wir müssen alles dafür tun, dass wir diese Zeit sowohl gesundheitlich, als auch psychisch und finanziell gut überstehen. Einfach das nächste Mal nachfragen, wie es der Nachbarin oder der Freundin geht. Oder bei der Volkshilfe, Caritas oder Courage – Mut zur Menschlichkeit anrufen und fragen, was die Menschen in den Flüchtlingslagern in Bosnien oder Griechenland brauchen, um zu überleben. Nutzen wir unser europäisches Privileg!
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Schauspiel, der Kunst an sich zu?
Dynamisch bleiben und Reflexion. Und wer ist besser darin als die Kunst die Menschen in den verschiedensten Situationen zu unterstützen. Ob man sich für ein paar Stunden in eine andere Welt flüchtet oder Ideen holt wie man mit einer komplexen Situation im eigenen Leben umgeht oder auf keinen Fall umgehen sollte.
Geschichten anderer bieten Verständnis, Schauspiel bedeutet in den Schuhen anderer zu stehen und zu verstehen. Dieses Einfühlungsvermögen wird uns in der Zukunft helfen als Gesellschaft wieder zusammenzuwachsen und unseren Blick zu öffnen. Nähe und Intimität müssen wieder erlebbar gemacht werden. Das wird aber nur Schritt für Schritt möglich werden. Wir Menschen befinden uns ja ständig in Entwicklung, das war schon immer so. Also einfach weitergehen und Blick nach vorn!
Was liest Du derzeit?
Auf meinem Nachtkästchen liegen “Unsichtbare Frauen” von Caroline Criado-Perez, was eine Pflichtlektüre sein sollte und das Buch “Ich erwarte die Ankunft des Teufels” von der jungen Mary MacLane aus dem 19. Jahrhundert. Sie schreibt von ihrem Leben in der isolierten Einöde Amerikas und ihren Träumen, die sie für ihr Leben hat, ein wunderschönes Spiel zwischen Selbstzweifeln und Übermut.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
“Kindness is just love with its work boots on.”
Und weil ich Zitate so sehr liebe…
“There is an Indian proverb that says that everyone is a house with four rooms, a physical, a mental, an emotional, and a spiritual. Most of us tend to live in one room most of the time but unless we go into every room every day, even if only to keep it aired, we are not a complete person.” – Rumer Godden
Alina Schaller, Schauspielerin
Vielen Dank für das Interview liebe Alina, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an KünstlerInnen:
Alina Schaller, Schauspielerin
Alle Fotos_Walter Pobaschnig _ Cafè Prückel_Wien 1_2021
23.1.2021_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.
Lieber David, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich arbeite im Krankenhaus, also ist mein Tagesablauf recht unverändert. Ich arbeite untertags, bin dann mit meiner Familie und schreibe abends oder frühmorgens. Im Krankenhaus ist es natürlich ein stark veränderter Alltag und ich vermisse auch Lesungen, Reisen und Treffen mit Freunden inzwischen sehr.
David Fuchs, Schriftsteller
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Dass wir einander zuhören, miteinander sprechen, nicht abstrusen Verschwörungstheorien auf den Leim gehen und vor allem: dass wir uns möglichst alle möglichst rasch impfen lassen.
Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Ich glaube, dass die Kunst bzw. die Literatur wunderbare Beiträge für eine Aufarbeitung dieser Krise leisten werden. Wesentlich ist aber der zeitliche und emotionale Abstand, dass die Erlebnisse reifen können, damit die Beiträge sich nicht in einer Nabelschau erschöpfen.
Was liest Du derzeit?
Zwei alte, aber großartige Bücher von Eric Cassell: „The Nature of Suffering“ und „Talking with Patients“. Außerdem viel Lyrik, aktuell „Nimbus“ von Marion Poschmann.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Einen Satz aus einem Songtext („Deiche“, Kettcar): „Nur weil man sich so dran gewöhnt hat, ist es nicht normal.“
Vielen Dank für das Interview lieber David, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
„Durst der Krieger“ Liebesgedichte. Tamara Labas. Neuerscheinung LuBurn Verlag
Da ist der Anfang. Der Blick auf das Nackte, Bloße. Das Öffnen. Das Wagnis. Die Poesie. In die Stille, das Unbekannte hinein. Der Prolog von allem…
Und dann die Wiese und das Leben „…wir spielten…löschten unseren gierigen Durst…“ umgeben von Tod. Die Sonne und das Dunkel – „…würden all die krieger doch ihren trunk nicht zwischen leichen suchen…“. Und dann die Liebe, der Weg und der Meeresschaum „…verliere mich im traume am meeresufer…“.
Was ist die Liebe? Wohin führt sie? Farbtopf und Krümel, Nabel und Atemzug, Muschel und Salzwasser…
Da ist der Anfang. Der Mensch. Die Liebe. Und der Weg. Der Durst. Die Wiese und der Krieg…
Die Schriftstellerin Tamara Labas legt mit ihrem Gedichtband „Durst der Krieger“ eine beeindruckende poetische Reflexion von Liebe, Mensch-, Frausein, Welt in allen Facetten des Beginnens, Leidens, Hoffens und Festhaltens vor, die in Form und Inhalt faszinierend mitnimmt.
Die Direktheit und Variation des Wortes fesselt von Beginn an und lässt gleichsam unmittelbar erleben wie nachdenkend innehalten. Die Autorin setzt wunderbar schwingende musikalisch tragende Metaphern im Wechsel zum „nackten“ Wort und trifft Harmonie und Dissonanz von Sehnsucht, Erwartung und Mut herzgenau. Liebe wird in Wort, Gestalt und Welt fühlbar, dass es bis auf Haut und Knochen berührt und von Kopf bis Fuß erzittern lässt. Es ist eine Richtung zu spüren – jene der Liebe – in und durch Durst und Krieg in allem. Liebe als ein Geschleudertwerden in Schönheit und Veränderung und vielleicht Erkenntnis.
„Bei Tamara Labas brennt die Sprache und leuchtet das Leben, die Liebe – lichterloh und faszinierend!“
So banal das auch in jedem Ratgeber steht, stimmt es auch. Ich beginne meinen Tag mit viel Wasser, einer halben Stunde Yoga mit anschließender Meditation. Alleine das macht jeden Tag einen enormen Unterschied. Ganz egal ob ich gerade auf der Bühne stehe, wie noch im November am Theater der Jugend hier in Wien oder um 6 Uhr früh, möglichst wach, am Filmset stehen muss. Auch wenn vieles derzeit nicht möglich ist, bleibe ich bei meiner Routine. Was nicht immer einfach ist. Aber was ist schon einfach.
Rita Radinger, Schauspielerin
Was ist jetzt für uns alle wichtig?
Nicht zu vergessen, dass es uns trotz allem, noch viel besser geht als vielen anderen Menschen auf dieser Welt. Was ist mit all den obdachlosen Menschen? Was passiert an den EU-Außengrenzen? Was passiert im Amazonas? Wie lösen wir das Plastikproblem? Wann und wie lösen wir den Klimawandel? Die Liste ist endlos und unterm Strich wäre es für uns alle wichtig solidarisch an einer gemeinsamen Zukunft zu arbeiten. Wir haben nur den einen Planeten und alles was uns ausmacht ist unsere Menschlichkeit. Gerade wir Künstlerinnen haben dafür eine exponierte Rolle in der Gesellschaft.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt gesellschaftlich und persönlich stehen. Welche Rolle kommt dabei dem Schauspiel, der Kunst ansich zu?
Die Kunst war schon immer am pochenden Puls der Zeit und spürt Veränderungen früher als viele andere Bereiche. Deshalb ist es entscheidend, ein reflektierendes Momentum in dieser Veränderung zu sein. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es immer besser wird, auch wenn vieles dagegen spricht und es nie jemand glauben will. Und genau an dem müssen wir arbeiten. Das ist auch unsere Rolle. Das heißt, als treibende Kraft an dieser Veränderung, mit all ihren Herausforderungen, die wir jetzt haben, zu arbeiten. Bei all diesen Schwierigkeiten im Moment, zeigt sich auch, welche Kraft entstehen kann, wenn wir global ein Problem angehen. Diese Kraft und Energie müssen wir halten – das ist die größte Herausforderung. Nicht wieder zurückzufallen. Wenn wir uns diese Kraft und Energie auch für all die anderen Herausforderungen nehmen, dann dürfen wir uns auf ein super geniales nächstes Jahrhundert freuen.
Was liest du derzeit?
Gerade jetzt `Der Weg des Künstlers´ von Julia Cameron.
Welches Zitat, welche Textstelle möchtest Du uns mitgeben?
„Lass dich nicht unterkriegen, sei frech und wild und wunderbar!“
Astrid Lindgren (Schriftstellerin)
Rita Radinger, Schauspielerin
Vielen Dank für das Interview liebe Rita, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an KünstlerInnen:
Rita Radinger, Schauspielerin
Alle Fotos_Stefan Klüter
7.1.2021_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.
Liebe Claudia, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
während ich den ersten lockdown für einen unheimlich ruhigen und produktiven rückzug am land nutzen konnte, war mein alltag im 2.lockdown bis jahresende durch 2 jobs extrem durchgetaktet, für meine künstlerische tätigkeit blieb wenig kraft – das war natürlich frustrierend, aber finanziellen notwendigkeiten geschuldet. die kaum verbleibende zeit nutzte ich für einreichungen, organisatorischen aufwand der kunst. Im hinterkopf, im hinterzimmer der seele, beschäftigten mich 2 ausstellungen, die im frühjahr 2021 geplant waren. oder phantasierte über den letzten teil einer gruppenprojekt-triologie.
Claudia Schumann, Multimedia Künstlerin
nun im dritten lockdown gelandet, ist vorerst wieder alles anders. ich habe wieder zeitlichen freiraum für meine künstlersche arbeit geschaffen, was wunderbar ist, bin aber auch erschöpft. mit der verschiebung der geplanten ausstellungen konfrontiert, muss ich neu planen. das gesamte fotowien festival wurde zb auf 2021 verlegt. das frustriert schon sehr, trotz aller akzeptanz notweniger programmänderungen. ausserdem realisiere ich gerade wie ausgehungert ich schon nach einem normalen, vollen kunst und kulturbetrieb in wien oder woanders bin, ich vermisse das damit verbundene soziale leben, zufällige treffen, spontanes feiern des augenblicks ;-)) anstelle über weite strecken alleine weiterzuwurschteln .. anfangs hat mich dieser stillstand gar nicht gestört, im gegenteil, das hatte was sehr beruhigendes, jetzt kommt ein fehlen dazu
über mein aktuelles persönliches zeitfenster bin ich glücklich, ich kann mich wieder vertiefen, lesen und recherchieren, vorrangig zum projekt „biographie als landschaft“, ohne zeitdruck, ausserdem überarbeite ich gerade alte zeichnungen und photographien, mache an leinwänden weiter .. das finde ich sehr interessant, bestehendes aufzugreifen und fortzuspinnen, verschiedene zeiten zu collagieren ..
solidarität beginnt ja schon im kontakt halten, sich für anliegen und sorgen der anderen zu interessieren, sich auszutauschen. mir war es ganz wichtig mich für gemeinsame künstlerische projekte zu engagieren, dh teilen von fördermittel, waren sie auch minimalst. zb mit tatjana hardikov zusammen, wir haben 2 erfolgreiche gruppenprojekte verwirklicht, gleich nach dem 1. lockdown „from nowhere to nowhere“ und noch vor dem 2. das projekt „wir“, jeweils mit 10 anderen künstlerInnen – das hat allen extrem gut getan, zusammenzuarbeiten, auch wenn die sozioökonomischen belastungen im herbst schon sehr an allen gezerrt und spuren hinterlassen hatten. jetzt im dritten lockdown sieht es schon wieder anders aus .. angestrengter, erschöpfter, viele sind im rückzug .. der herbst hat auch mich ausgelaugt .. künstlerfreundinnen geht es aehnlich, die aufrechterhaltung des alltags wird immer mühsamer: zu wenig gemeinsames lebendig sein!!
aus: WIR, 2020 gruppenprojekt 2/3 (organ. mit tatjana hardikov)
so bleibt nur die aufrechterhaltung individueller lebensgestaltung, wird selbstsorge noch wichtiger, ecken von wohlbefinden, die von der aussenkontrolle unerfasst bleiben, viel kleine entscheidungen, momente, die stärken: bewusstes essen, lesen, telephonieren, zb mit freunden im ausland, wenn ich schon aufs reisen verzichten muss, was mir schwerfällt. dafür cruise ich durch unbekannte stadtteile mit dem rad, oder mache stundenlange stadtwanderungen, um mich zu regenerieren, das ist auch toll, macht den kopf frei und inspiriert um die kunst weiterzutreiben… das ist ja meine tür. nach aussen. nach innen. suche, sein, lust, hoffen, trost, genuss, zweifel, verlust, wieder suche..
aus: im dschungel des moments, 2019 kooperation mit maximiliano leon, internat. gruppenprojekt
Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
kunst ist eine konstante der menschheit, expressiv, reflexiv
krisen vorausdenkend, kreativ gestaltend, verarbeitend .. in der kunst ist veränderung inhärent, kein tabu, sondern entwicklung, arbeitsprozess
für mich funktioniert kunst wie ein kollektives organ, das auf zustände und vorgänge in der gesellschaft reagiert, diese aufnimmt, verdaut, ausspuckt, neue stoffe synthetisiert, sensibel, abhängig und doch autonom: im besten falle! dadurch hat kunst eine zentrale rolle eine gesellschaft lebendig, entwicklungsfähig zu halten.
unaussprechlich, objekt, 2019
leider ist sie vom markt oft verdreckt und ausgehöhlt, billig instrumentalisiert, teuer gehandelt: als luxus von sozialschmarotzern für reiche mächtige gebildete menschen, die sich damit selbst darstellen..
mit der lebensrealität der meisten künstlerinnen bzw der künstlerischen tätigkeit an sich hat das ja nichts zu tun. diese wertzuschätzen, nötige bedingungen anzuerkennen, adäquat in der öffentlichkeit zu kommunizieren und zu verteidigen sowie dementsprechend zu fördern mit allen angemessenen dh auch öffentlichen mitteln ist aufgabe der politik – da happerts wieder und wieder quer durch alle parteien an wirklich informierten und leidenschaftlichen vertreterinnen – eine ziemliche katastrophe – es braucht aber fortwährend laute stimmen um die bedeutung von kunst und kultur zu verdeutlichen und das überleben der künstlerinnen und kulturtreibenden zu sichern
inner delay, installation mit stahlobjekten, 2019 aus: inner delay.yxxx, kooperation mit milan mladenovic
Was liest Du derzeit?
angela steidele anne lister
kristine reffstrup ich, unica
ianina ilitcheva 183 tage
lisa fittko solidarität unerwünscht: meine flucht durch europa: erinnerungen 1933-1940
thomas bauer die vereindeutigung der welt. über den verlust an mehrdeutigkeit und vielfalt
marc auge die illusorische gemeinschaft
eric vuillard der krieg der armen
adams philips & barbara taylor on kindness
eva ribarits, gitta stangl erinnern- suche nach dem vergessen(en)
hrsg lothar schirmer frauen sehen frauen
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
DER SCHLUND AUS DEM DU FRISST (cs)
Vielen Dank für das Interview liebe Claudia, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!