Liebe Valentina, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich kann mich glücklich schätzen, vor kurzem mit einer neuen Produktion Premiere gehabt zu haben, die bis Juni 2021 gespielt wird. Mein Tagesablauf ist also gerade wieder recht normal.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Das was davor auch schon immer wichtig war:
Empathie, Achtsamkeit, Solidarität, Sensibilität, Humor, Schlaf, gutes Essen.
Und liebe Leute um sich zu haben!
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater, Schauspiel, der Kunst an sich zu?
Ob es am Ende wirklich ein gesellschaftlicher Neubeginn ist, kann ich schwer sagen.
Mir fällt aber auf, dass mich in dieser Zeit vermehrt wieder Fragen beschäftigen wie:
Warum, für wen und mit welcher Motivation und Intention mache ich das, was ich mache?
Und wie kann ich die oben erwähnten, für mich wichtigen Werte in meine Arbeit, ins Theater miteinbeziehen?
Was liest Du derzeit?
Den Roman „Herkunft“ von Saša Stanišić.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
‚Wenn es nur um die Sache geht und man das ganze Ego weglässt, dann ist es so einfach.‘
-Dirigentin Joana Mallwitz
Vielen Dank für das Interview liebe Valentina, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Musik-, Theaterprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an KünstlerInnen:
Valentina Inzko-Fink_Sängerin, Schauspielerin
Foto_ David Visnjic.
14.8.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.
Lieber Stephan, in Deinem Roman geht es um Erinnerung einer Kindheit, eines Lebens unter schwierigsten persönlichen Voraussetzungen. Wie wichtig ist Erinnerung für Gesellschaft und Mensch?
Mein Roman selbst ist ja als fundamentaler Erinnerungsakt konzipiert. Für die erzählende Stimme hat es eine wesentliche Bedeutung und Funktion. Erinnerung ist der Weg des Aufhebens, im Sinne von „Stachel ziehen“, vielleicht Frieden finden zu können mit dem Geschehenen, Erlebten.
Erinnerung ist zunächst etwas zutiefst Menschliches. Aber Erinnerung ist auch ambivalent. Der Mensch muss und soll sich erinnern, wenn es um Gesellschaft und Wert geht. Es gibt aber auch persönliche Dinge, die einfacher sind, wenn man diese vergisst. Das klingt jetzt nach Eskapismus. Aber es ist auch ein Glück sich nicht an alles erinnern zu können. Es ist auch wichtig, dass unser Bewusstsein da eine Auswahl trifft, ansonsten würden wir verrückt werden.
Der Protagonist Deines Romans ist ein Junge, der zwischen der schwerkranken Mutter und dem in vielen überforderten Vater als dramatischen Angelpunkten aufwächst. Was lässt ihn darin weitergehen und Kraft schöpfen?
Das bleibt im Innersten offen. Die Annahme „da muss es ja noch etwas geben, das kann doch nicht das Leben gewesen sein“, trägt ihn aber weiter. Und so etwas wie Zuversicht auf Erlösung, eine Befreiung von diesem Zustand. Es muss doch irgendwo einen Raum geben wo nicht alles schwarz ist.
Religion spielt eine wichtige Rolle auf Seiten des Vaters. Dieser lebt seinen Glauben sehr biblisch orientiert. Das Buch der Offenbarung und die starke Bildsprache sind dabei zentral. Welche Bedeutung und Funktion hat Religion in dieser Dramatik und Tragik einer Familie?
Ich würde den Vater als Traditionschristen bezeichnen. Es geht dabei nicht um Erfahrungshorizonte von Religion, des Glaubens, um tiefe Wurzeln im persönlichen Erleben. Sondern darum, dass Religion einfach zum Leben dazugehört. Für den Vater wie die Mutter. Es ist eine Frömmigkeit aus Routine. Da steht ein großes „das gehört sich so“ dahinter. Aber es ist ein Halt in schwierigen Lebenssituationen, eine Dimension, auf die gebaut werden kann. Für den Vater ist es eine Quelle von Kraft und Zuversicht. Sein Sohn findet die Figurenwelt der Bibel, der Apokalypse – Drachen, Löwen – sehr spannend, aber ein Schritt zum Glauben ist das nicht, da das Geschehe um ihn so massiv ist. Seine Sehnsucht nach Befreiung, Veränderung wird in der Religion nicht gestillt. Er zieht weiter und kehrt der Religion – wie er sie kennengelernt hat – schließlich den Rücken zu.
Die familiäre Vermittlung, Erzählung von Religion seitens des Vaters kennt keinerlei persönliche altersadäquate Sensibilität sondern nur die Wucht biblischer Worte und apokalyptischer Bilder als direkte Ansprache. Wie geht der Sohn mit dieser Überforderung um?
Der Vater oktroyiert seine Religiosität dem Sohn nicht auf. Einerseits hat der Sohn selbst ein Interesse an diesen wuchtigen Bildern und Ereignissen der Bibel, andererseits wird er damit und darin dann vom Vater alleingelassen, in dieser durchaus gewalttätigen und pathetischen Welt der Bibel.
Wie sind Deine persönlichen Bezüge zu Religion?
Ich bin seit jeher interessiert an Formen der Transzendenz, in Philosophie wie Religion. Selbst wurde ich katholisch erzogen, hatte aber immer ein großes Interesse an verschiedenen konfessionellen wie interreligiösen Religionsmodellen. Ich habe da auch Gottesdienste und Zusammenkünfte besucht, konnte da aber nichts finden was ich voll und ganz hätte annehmen können. Mein kritischer Geist war da so beharrlich, dass ich mich da nicht einrichten konnte. Ich bin dann auch früh aus der Kirche ausgetreten, habe mir aber immer das Interesse und die Offenheit für Transzendenz bewahrt. Als Atheisten oder Agnostiker würde ich mich nicht bezeichnen. Ich verstehe zutiefst die Sehnsucht, dass die bloße physische Welt in ihrer kruden Materialität wenig zufriedenstellend ist – wenn man Sehnsucht nach einer gewissen Tiefe im Leben hat.
Warum ist die Offenbarung als biblisches Buch so zentral in Deinem Roman?
Dieses inhaltliche Gewicht des Zerstörens von Welt und die Gewalt der Sprache, diese Bildhaftigkeit in der Offenbarung waren für das Thema meines Romans natürlich sehr dienlich. Der Junge, der Protagonist, empfindet ja eine große Zuneigung zu Monstern, nicht nur gegenüber dem titelgebenden Triceratops (Anm. Dinosaurier), sondern auch etwa dem Drachen in der Bibel gegenüber, der ihn in seiner Fremdartigkeit und Stärke fasziniert.
Die Offenbarung ist ja in der theologischen Grundaussage ein Hoffnungsbuch. Welche Perspektiven aus der Offenbarung gewinnt der Junge in seiner dramatischen Familiensituation?
Im Buch führe ich dies jetzt nicht genauer aus. Aber Trost, Hoffnung auf Verwandlung sind für den Jungen zentral und eben auch in diesen biblischen Bildern präsent.
Wie wichtig ist Gemeinschaft für den Jungen?
Gemeinschaft ist ein zentrales Thema im Buch. Dies spiegelt sich schon in Selbstbezeichnung „wir“ des Jungen. Dieses „wir“ hat verschiedene Gründe, ein zentraler Punkt ist die Einsamkeit in der Welt und das Stemmen in der Sprache dagegen. Das ist natürlich eine ambivalente psychische Dynamik. Einerseits ist es Schutz, anderseits verhindert es das Gesuchte, weil das gesagte „wir“ ja das Ego ist. Es fehlt also ein Wort für Gemeinschaft, die so sehr gesucht wird, dieses Aufheben von Verlassenheit. Er läuft da gegen eine Wand, verliert Menschen im Scheitern von Beziehungen oder Tod und steht dann wieder alleine da. Die Suche nach dem „mehr als ich“ bleibt.
Was bedeutet Sprache für ihn?
Der Junge denkt, wie es in vielen dysfunktionalen Familien der Fall ist, er muss dieses Drama ausbalancieren, tragen. Das ist natürlich eine Überforderung. Die Sprache ist so ein Versuch für ihn, die Welt „zu halten“, dass nicht alles explodiert oder zerfällt. Erst später lernt er, dass etwas zerfallen darf.
Welche Rolle spielt Bildung in der Dramatik der Welt des Jungen?
Bildung ist eine Chance Ereignisse einzuordnen und damit umzugehen. Zunächst ist es das Wissen man ist nicht allein, das ist ja schon ungemein hilfreich. Dann geht es darum, die Probleme zu benennen wie das Erlernen von Begriffen dafür. Bildung ist keine Garantie für etwas, aber eine Chance, eine ganz wichtige. Abgesehen von Bildung gibt es so etwas wie eine Herzensweisheit, die aus sich selbst heilsame Handlungen setzt, ohne jemals ein Buch aufgeschlagen zu haben.
Wie ist es mit der Inanspruchnahme von professioneller Hilfeleistung, etwa psychologisch, für den Jungen?
Der Roman spielt in den 1980er und 1990er Jahren. Heute hat sich da gesellschaftlich schon etwas verändert in der Möglichkeit psychologischer Hilfe und auch der gesellschaftlichen Akzeptanz. Vor vierzig Jahren war z.B.Psychotherapie noch stark tabuisiert. Wir wissen heute wie real psychische Krankheiten von Burnout bis Depression sind.
Ist die heutige vielfältige Bilderwelt in Medien und Internet auch ein Angebot zu Modellen von Hoffnung und Zuversicht?
Es gibt in jedem Fall eine Fülle von Superheldinnen und -helden in der gegenwärtigen Popkultur, wie auch etwa Zombies. Ein Buch lässt aber in jedem Fall mehr Freiheit für das Bewusstsein zu als etwa ein Film. Beim Lesen kommt es gleichsam auch auf die Mitarbeit, die Phantasie der LeserInnen an. Es wird gemeinsam eine Welt erschaffen wie auch Raum für Identifizierungsprozesse, auch Schutzprozesse, eröffnet. Im Kino prasselt dies ja auf einen herein. tendenziell
Was gibt unserer Gesellschaft in den gegenwärtigen Herausforderungen Zuversicht?
Es geht um das Anerkennen und Schützen des Unverzweckbaren, um Dimensionen, die nicht nur Wert sondern auch Würde haben. Wenn wir uns für diese Dimensionen offenhalten, tritt etwas zutage was tatsächlich Schönheit und ganz große Hoffnung birgt. Das gilt es zu schützen als das Leben an sich und das Leben, das nicht der Ausbeutung anheimfällt, sondern als das was es ist, genügt und geliebt wird.
Herzlichen Dank für das Interview lieber Stephan und viel Freude und Erfolg für Deinen großartigen Roman „Triceratops“!
Stephan Roiss „Triceratops“ Roman
„Stephan Roiss schreibt virtuos und mitreißend über eine Welt aus den Angeln. Ein Romanereignis.“ literaturoutdoors
Lieber Mathias, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Tagesablauf ist ein schönes Wort. Nachdem sich jeder Tag einen eigenen Ablauf sucht, ist es schwierig das zu beschreiben. Je nach den Umständen, die der Abend ausgesucht hatte, sitze ich gleich nach dem Frühstück (oder währenddessen) bei einem meiner Projekte, je nachdem für welches sich mein Kopf entscheidet. Zur Zeit schreibe und komponiere ich ein neues Kindermusiktheater für half // half, schneide ein Musikvideo, komponiere für trio wundersam und erdenke und schreibe für mein nächstes Musiktheaterstück. Je nachdem was im Kalender steht, passiert es am Computer, im Heft, an den Instrumenten oder beim Fahren mit dem Zug zu einer Vorstellung. Das heißt, dass jeder Tag, sich bei mir einen eigenen Ablauf sucht, den ich immer erst im Laufe erfahre.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Das ist eine schwierige Frage ohne einer einfachen Antwort, finde ich.
Jeder und jede von uns hat auf der Liste andere Dinge stehen, um die es geht und das halte ich für wichtig diese zu haben und zu erfüllen. Nur weil auf meiner Liste steht, dass die Los Angeles Lakers NBA Basketball Champions werden sollen, steht das nicht auf vielen Listen der Leute. Auf meiner steht dafür nichts (mehr) vom täglichen Fitness Center Besuch aber auf Listen einiger anderer. Deswegen halte ich es für wichtig bewusst damit umzugehen und das umzusetzen was jedem von uns wichtig ist.
Mit einem Blick auf sich selbst wird das Leben eine Spur schöner.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Musik, der Kunst an sich zu?
Wenn man sich ansieht seit wann es Musik, Geschichten und Malerei gibt, ist es relativ schnell klar. In der Steinzeit war es genauso wichtig zu trommeln, singen und malen wie Beeren und Kräuter zu sammeln, manchmal Tiere zu töten und im Stamm und der Familie zu leben.
Das sind noch immer wesentliche Dinge.
Musik ist, was uns zum Schlafen bringen kann, das richtige Lied erweckt große Energien in uns und die schöne Ballade lässt unsere Trauer zu und unterstützt uns dabei.
Aber nicht nur das macht Musik.
In der Sklaverei in Amerika wurde gesungen und somit sogar neue Stile erfunden, nämlich Jazz und Blues. Das hat die Leute damals unterstützt.
Die Opfer in Sammellagern und KZs in der Nazizeit, haben sich ebenfalls mit Liedern und Geschichten gegenseitig Trost gegeben.
Und genau das ist was Kunst, Musik und Geschichten mit uns machen.
Deswegen finde ich es wichtig einen Zugang dazu zu haben, sei es im Konzert, Ausstellung, auf CD, MP3, Graffiti, Märchenbücher, Sagen oder Lieder selbst zu singen.
Auf diese Weise können wir uns selbst und gegenseitig unterstützen.
Was liest Du derzeit?
Zur Zeit lese ich „Der Stadt-Schamane“ von Serge Kahili King.
Darin geht es um die hawaiianische Form der praktischen Ausübung der Lehre Huna, die jedem von uns helfen und mit der man auch das eigene Umfeld unterstützt. Es geht um Übungen aus der ländlichen Gegend, die in den Städten verschwunden sind, die aber genau von Stadtmenschen am meisten gebraucht werden. Sie unterstützen und helfen die Wege zu gehen.
Ein tolles Buch, das zeigt wie man zur eigenen Mitte kommt und was einen zu mehr Klarheit und Kraft bringt.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Als der letzte Ton gesungen
und das letzte Wort gesagt,
war die Antwort längst erklungen
und doch blieb sie ungefragt.“
So beginnt mein Lied „Schon Gut“ aus meinem Musiktheater „ASPERITAS, ein Stück in 12 Liedern“ wovon man sich hier auf youtube die EP ansehen, und man im Internet auch anhören kann.
Was oftmals in jemanden zurückbleibt sind Antworten unseres Umfeldes, die man spürt ohne, dass sie ausgesprochen wurden.
Bleib bei dir, hör gut zu, sprich aus was dich bedrückt, erhellt, Kraft gibt, einsam fühlen lässt.
Mit offener Ehrlichkeit verliert man sich selbst nicht und muss nicht in der „Alleinsamkeit“ vor sich hin Trotten.
Steh zu dir, steh zu deinem Umfeld, steh groß.
Vielen Dank für das Interview lieber Mathias, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen vielfältigen Musikprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Vielen, vielen Dank für diese Fragen die einen zum Hinsetzen und Nachdenken bringen.
Liebe Elisabeth, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Im Sommer stand ich um 6 Uhr auf. Nach ein paar Sammlungsmomenten mit Kaffeegeschmack begab ich mich ins Atelier zur Vorbereitung auf die Workshops für meine Sommercampkinder. Und so glitt der Tag voran und ich in ihm – unter Trost, Zuspruch, Ermunterung und Fokus auf das Tun.
Mit Dankbarkeit stellte ich mich dem Erwartungsfluss junger, gelangweilter Menschen, holte sie ab und fuhr sie hin zum Eigenen, manchmal auch Sperrigen, Widerständigen. Um 16 Uhr schloss das Camp und ich war erschöpft, glücklich, müde, beschenkt.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Sich selbst wahrzunehmen im Kontext der Welt und niemals mit einer Selbstflucht voller Projektionen zu handeln und anderen – Dingen, wie Menschen – dadurch zu schaden, weil man den eigenen Seelenpalast nicht eingerichtet hat.
Wichtig ist hinzuhören, hinzusehen, hinzuspüren. Was braucht die Welt an Heilung? Was ich? Was wir alle?
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Textilkunst, der Kunst an sich zu?
Ein Neubeginn kann dort stattfinden, wo etwas Altes zu Ende ist.
Ich kann nicht sehen, dass die Gier endet, die Dummheit, die Manipulation der Massen und die daraus folgende Zerstörung gewachsener Natur und Kultur.
Wesentlich ist aber trotzdem, nicht zu resignieren. Immer wieder das „Gewirke“ des eigenen Herzens spüren. Woraus bin ich selbst „gestrickt“ und in welchem Zustand befindet sich meine „linke“ Stoffseite, meine „verkehrte“ Seite.
Sich mit Textilien zu beschäftigen heißt pure Achtsamkeit, Langsamkeit, heißt das Werden spüren, das Mögliche wahrnehmen, den roten Faden stets im Auge behalten, das Gesamte erahnen und es gleichzeitig erst wachsen lassen. Das kann die Textilkunst.
Was liest Du derzeit?
„Wut“ von Salman Rushdie
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Peter Handke
„Lass dich ein und verachte den Sieg.“
Vielen Dank für das Interview liebe Elisabeth, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen vielfältigen Kunst- und workshop Projekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Ich schreibe. Ich betreue die Übersetzungen meiner Texte und versuche so, sie den verschiedenen Leser-Kulturen nahezubringen. Im Sommer war auch ein Tag in der Woche für meine Studenten reserviert, ich begleite sie in ein Handwerk, das Dienst am Menschen bedeutet.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Die Rückbesinnung auf die wesentlichen Qualitäten jeglicher Menschenwürde, jeglicher Zivilisation: Neugier, Selbstkritik, Humor.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur und der Kunst an sich zu?
Kunst ist Denken, Erfinden und Vermitteln, sie ist frei.
Was liest Du derzeit?
Die Recherchen zu meinem nächsten Roman, der in den politisch bedrohlichen späten 1930er spielt: Paris, Buenos Aires, Patagonien und zurück.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Die Zeit ist geschenkt. Nur die Hast ist teuer.
Vielen Dank für das Interview liebe Jana, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literaturprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Lieber Martin, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich stehe auf, koche Tee, mache Sport, dusche, gehe einkaufen oder lese bis ich schreiben will oder schreibe, bis ich erschöpft bin. Der Abend gestaltet sich entweder mit Freunden vor dem PC, mit Schreiben oder mit Rausgehen. Ich versuche ein Gleichgewicht zwischen Zurückgezogenheit und gemäßigter Geselligkeit zu halten.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Was besonders wichtig ist, kann ich nicht beantworten. Ich weiß, dass es oftmals auf die Ballung von Einzelfällen ankommt. Was mir in letzter Zeit auffiel:
Soziale Medien haben ja wirklich geholfen die physische Distanzierung zu minimieren, doch ist es kein völliger Ersatz für ein Sozialleben. Ich denke es ist Zusammenhalt trotz Distanz, was wichtig ist.
Was die Corona-Zeit als Möglichkeit bot, war Selbstbesinnung, Selbstbewusstwerdung, doch ich schätze das auch sehr problematisch ein. Mit sich selbst ist man nicht immer in bester Gesellschaft. Viele Menschen sind, meiner Meinung nach deshalb so beschäftigt, weil dann keine Zeit mehr bleibt, sich mit selbst zu befassen. Und die Reflektion der eigenen Person kann eben auch erschütternd sein. Wir werden sehen.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Kunst ist immer ein kritischer Ort. In der Kunst wird gesucht, wird experimentiert, wird gespielt. Aufbruch und Neubeginn sind gängige Themen der Kunst. Ich sehe das sehr positiv. Wir brauchen diese Momente zur Entwicklung: Wenn alles so bleibt wie es ist, wird nichts besser. Daher bedarf es Mut, jedes Experiment kann schief gehen – doch ebenso besteht die Möglichkeit, daraus zu lernen. Kunst ist immer ein Mut.
Was liest Du derzeit?
Friedericke Mayröcker: da ich morgens und moosgrün. Ans Fenster trete
Nancy Hünger: 4 Uhr kommt der Hund
José Oliver: mein andalusisches Schwarzwalddorf
Georges Perec: Träume von Räumen
Und irgendwie will ich ganz bald auch noch folgende Romane lesen
Sandra Gugić: Zorn und Stille
Ilja Trojanow: Doppelte Spur
Michael Stavarič: Fremdes Licht
Petra Piuk: Toni und Moni oder: Anleitung zum Heimatroman
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Ein Geist, der sich nicht selbst verstört, hat nicht zu denken begonnen
Vielen Dank für das Interview lieber Martin, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literaturprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Liebe Melamar, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich stehe auf, bereite Kaffee zu, mache mich frisch, setze mich an den Schreibtisch.
Manchmal ist da die Erinnerung an einen Traum, diesen notiere ich. Dies führt gleich zu weiterem Schreiben. Anderntags starte ich den Computer, lese Nachrichten, E-Mails, beantworte, was gleich beantwortet sein will, telefoniere, bin dann sozusagen im Büro.
Nach ca drei Stunden wandere ich in die Küche, kümmere mich um Essbares und Haushalt. Anschließend fahre ich meine Patenhündin im Tierschutzhaus besuchen, eine äußerst liebe, aber sehr scheue junge Hundedame aus Kroatien. Vom Tierschutzhaus aus fahre ich in mein Text-Atelier, in meinen Arbeitsraum, um zu schreiben oder an einer Übersetzung zu arbeiten oder einen Text Korrektur zu lesen. Für gewöhnlich verweile ich dort bis spät nachts.
Natürlich gibt es auch Tage, an denen ich Freunde treffe, Veranstaltungen besuche, auch wenn es gerade jetzt nicht sehr viele davon gibt, Einkäufe erledige, lange Spaziergänge unternehme, in der Lobau beispielsweise oder im Lainzer Tiergarten.
Es gibt Foto-Tage, an denen ich mit meiner Kamera losziehe. Zum Glück sind nicht alle Tage gleich.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Ich würde sagen: Besonnenheit. Man muss vorsichtig sein und doch darf man sich nicht von Angst beherrschen lassen. Ich habe das Gefühl, dass viele Menschen jetzt in extreme Standpunkte verfallen. Auf Facebook wird das für mich besonders sichtbar. Da gibt es Menschen, die sprechen von „Corona-Hysterie“ und meinen, alle Sicherheitsmaßnahmen, wie zum Beispiel Mund-Nasenschutz in der U-Bahn, wären völlig übertrieben, andere wiederum behaupten, die Regierung würde fahrlässig handeln, weil die Maßnahmen ihnen nicht weit genug reichen. Ich habe Freunde aus beiden Lagern und stehe selbst mitunter etwas ratlos in der Mitte.
Was es auch braucht, ist Kreativität und nicht nur im künstlerischen Sinne. Durch das Aushebeln des Epidemiegesetzes stehen jetzt viele Betriebe vor dem Nichts, unter ihnen auch Veranstaltungsorte, mit denen ich mich verbunden fühle, weil ich dort Lesungen und andere Kulturveranstaltungen gemacht habe. Es braucht kreative Ideen, um Überlebensstrategien zu entwickeln, alternative Konzepte, neue Einnahmequellen. Crowdfunding ist eine gute Sache, aber das alleine wird nicht reichen.
Es braucht auch Widerstandsgeist. Wir dürfen uns nicht alles gefallen lassen! Ich sehe die Regierung in der Verantwortung, den wirtschaftlichen Schaden, der durch die Corona-Maßnahmen entsteht, auszugleichen.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Literatur und Kunst spiegeln den menschlichen Geist wider. Sie sind keine Luxusgüter, sondern essentieller Bestandteil menschlichen Seins. Jetzt gerade gibt es nur sehr wenige öffentliche Veranstaltungen und da wo Lesungen, Ausstellungen und Konzerte stattfinden, tun sie es im kleinen Rahmen. Wenn diese Krise – in hoffentlich naher Zukunft – überwunden sein wird, wird es zu einem Boom kommen. Davon bin ich überzeugt. Die Menschen werden hungrig nach Kunst und Kultur sein. Künstler*innen aller Sparten werden ihre Spielfreude wieder vor Publikum zelebrieren können und sie werden dieses Publikum mitreißen. Momentan sind die Nachrichten voller Meldungen über Krankheit und Tod, dieser Phase des Thanatos wird zwangsläufig eine Phase des Eros und der Lebensfreude folgen und die Literatur wird dies ebenso ausdrücken wie alle anderen Künste.
Was liest Du derzeit?
Bei mir gibt es immer mehrere Bücher mit Lesezeichen. Manche meiner Freunde finden dies schrecklich. Ich bin gerade dabei die „Metamorphosen“ des Ovid auszulesen und habe ein Sachbuch über „Angsthunde“, das auch so heißt, von Bettina Specht, begonnen. Und dann gibt es noch Lyrikbände, die ich in kleinen Häppchen genieße, unter ihnen die „Datenpoesie“ von Jörg Piringer.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
ich bin eine träumerin und ich gestehe, in der welt, aus der ich ich stamme,
ist dies ein schimpfwort und kein ehrentitel. noch nicht!
Vielen Dank für das Interview liebe Melamar, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen vielfältigen Literaturprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Jetzt die Tunnelwand. Die Angst. Der Rucksack. Judith kauert im Dunklen und Ungewissen. Schritte. Taschenlampen. Hunde…das Warten. Das Gedankenlenken. Die Baumarten. Die Routine. Dort das Wasser. Das Suchen. Und dann das Öffnen. Der Weg ins Freie für Judith…
Doch das kommt erst. Es beginnt in der Stadt. Wien. Die Wege zur Holzwerkstatt. Das Wunder der Welt „…manche Holzarten ließen sich lesen wie Braille. Sie strich über den Tisch, fuhr mit den Fingerspitzen die Maserung entlang bis zu ihrem Ende, eine lange gerade Straße Richtung Rand der Welt…“. Der Rucksack neben ihr im Souterrain…
Und Lin. Das schlafwarme Laken am Morgen. Die Ordnung des Raumes. Das Tippen am Computer von Lin ist zu hören, während Judith noch im Bett ist. Dann der erste Kaffee. Der Rundblick zum Haus. Das stille Leben…
Und dann die Schiffsreise. Urlaub. Die Fähre. Zwischen zwei Städten. Bratislava – Wien. Jetzt beginnt etwas. Im Kopf und der Welt. Hier und dort. Der Rucksack kommt mit und öffnet sich. Die Musik der Überraschung und des Zufalls ergreift Judith und die Welt um sie…
Jana Volkmann, Schriftstellerin und Journalistin, legt mit „Auwald“ einen Roman vor, der vom ersten Satz an mit einer außergewöhnlichen Dynamik und Rhythmik von Sprache und Spannung begeistert. Leserin und Leser folgen neugierig und gebannt den Lebensgedanken, -wegen und -überraschungen von Judith und ihres Lebensumfeldes. Es ist ein Roman als Plädoyer für das Leben in Offenheit und Freiheit. In einer Sprache, die zum Besten gehört was in moderner Literatur zu lesen ist.
„Ein Roman in Sprache, Spannung und Leichtigkeit, die zum Besten gehören was in moderner Literatur zu lesen ist“
Lieber Stephan, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Im Moment gibt es keinen geregelten Tagesablauf, da ich viel unterwegs bin und fast täglich eine neue Aufgabe in neuer Umgebung wartet. In ruhigeren Phasen bemühe ich mich vormittags Sport zu machen, zu meditieren und Organisatorisches zu erledigen; nachmittags zu schreiben und abends frei zu sein für Gemeinschaft, Gespräch, Politik, Kunst, Essen, Trinken, Bäume, Sterne, Tuchent.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Wir tun gut daran, unsere Angst wahrzunehmen, aber uns nicht von ihr leiten zu lassen. Wir tun gut daran, achtsam und solidarisch zu bleiben. Wir tun gut daran, unseren Blick nicht vom großen Ganzen abzuwenden und uns nicht zurückzuziehen auf uns und unsere unmittelbare Umgebung. Corona hat die weltweiten Ausbeutungsverhältnisse nicht aufgehoben, die patriarchalen Strukturen nicht gesprengt, rassistischen Dynamiken keinen Einhalt geboten, den gewaltsamen Umgang mit der Natur und nicht-menschlichen Lebewesen nicht aufgehalten, weder Kriege noch Fluchtbewegungen gestoppt. Im Gegenteil. Leider hat die Pandemie vielerorts Vorwände geliefert die Ungerechtigkeiten zu vergrößern.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Kunst sollte das tun, was sie immer tun sollte. Bereichernde Formen finden, das Leben mit ästhetischen Mitteln spiegeln und kritisieren und vertiefen, uns an die nichtinstrumentellen Dimensionen der Wirklichkeit erinnern, das Unverzweckbare verteidigen, unserer Wahrnehmung und unserem Denken und unserem Empfinden Räume eröffnen, unsentimental an unsere Menschlichkeit rühren …
Was liest Du derzeit?
Ich habe die Angewohnheit, immer mehrere Bücher parallel zu lesen. Derzeit sind das u.a. „Die Niederschrift von der smaragdenen Felswand“, Christine Wunnickes „Die Dame mit der bemalten Hand“, Gedichte von Sophie Reyer, Wittgensteins „Philosophische Untersuchungen“, der zweite Teil von „A Song of Ice and Fire“, Julia Wolfs „Walter Nowak bleibt liegen“, ein wissenschaftlicher Band über vegane Ernährung und – zum zweiten Mal – Richard Obermayrs Roman „Der gefälschte Himmel“.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Ich würde eine Reihe von wunderschönen Zitaten aufsagen – bedächtig und besänftigend – die tiefsinnigen Köpfen entsprungen sind; wenn ich mich denn nur an irgendwelche der verdammten Dinger erinnern könnte.“
(Dorothy Parker)
Vielen Dank für das Interview lieber Stephan viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literaturprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Mille grazie meinerseits & die besten Wünsche zurück.
Am Anfang stand die Politik. Die Suche nach Verbündeten. Der byzantinische Kaiser Alexios I rief um Hilfe in das Abendland. Nach Rom. Und Papst Urban II antwortet auf der Synode von Clermont 1095. Anders als erwartet für Alexios. Denn nun bricht ein Sturm los – „Gott will es“. Eine Pilgerreise in Waffen. Die Befreiung des „Heiligen Landes“ wird zum Unternehmen von Macht und Gewalt. Das Ziel ist Jerusalem und den Weg dorthin pflastern Plünderungen, Verfolgungen, Pogrome. Das Schwert regiert jetzt und die Erde blutet da und dort über Jahrhunderte…
Es entstehen neue Staaten, Fürstentümer, Königreiche. Jerusalem, Antiochia, Akkon. Jetzt beginnt das Ringen um Macht und Einfluss. Gnadenlos. Die Völker des Nahen Ostens stellen sich diesen Ansprüchen und es kommt zu erbitterten Auseinandersetzungen in Krieg, Verrat und unermesslichem Leid…
Und dann, Ende des 13.Jahrhunderts, steht die letzte Schlacht bevor. Die Hafenstadt Akkon ist die letzte Bastion der Kreuzritter und eine noch nie gesehene Streitmacht der Völker des Nahen Ostens macht sich auf den Weg vor die scheinbar uneinnehmbaren Mauern, die drohend ins Meer ragen…
Roger Crowley, ein profunder Kenner der mediterranen Geschichte, unterrichtete Englische Literatur in Cambridge, bereiste Städte wie Küstengebiete im Mittelmeerraum oftmals und lebte in Malta und Istanbul. In zahlreichen Buchveröffentlichungen beschrieb und analysierte er die politischen Entwicklungen der Zeit.
Mit dem vorliegenden Werk gelingt Crowley gleichsam eine Zusammenschau und Gesamtanalyse der Entwicklungen der Epoche der Kreuzzüge, die in Kompetenz wie spannender Darstellung beeindruckt.
„Dramatik und Spannung – Geschichte in bester Form erzählt“