Lieber Martin, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich stehe auf, koche Tee, mache Sport, dusche, gehe einkaufen oder lese bis ich schreiben will oder schreibe, bis ich erschöpft bin. Der Abend gestaltet sich entweder mit Freunden vor dem PC, mit Schreiben oder mit Rausgehen. Ich versuche ein Gleichgewicht zwischen Zurückgezogenheit und gemäßigter Geselligkeit zu halten.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Was besonders wichtig ist, kann ich nicht beantworten. Ich weiß, dass es oftmals auf die Ballung von Einzelfällen ankommt. Was mir in letzter Zeit auffiel:
Soziale Medien haben ja wirklich geholfen die physische Distanzierung zu minimieren, doch ist es kein völliger Ersatz für ein Sozialleben. Ich denke es ist Zusammenhalt trotz Distanz, was wichtig ist.
Was die Corona-Zeit als Möglichkeit bot, war Selbstbesinnung, Selbstbewusstwerdung, doch ich schätze das auch sehr problematisch ein. Mit sich selbst ist man nicht immer in bester Gesellschaft. Viele Menschen sind, meiner Meinung nach deshalb so beschäftigt, weil dann keine Zeit mehr bleibt, sich mit selbst zu befassen. Und die Reflektion der eigenen Person kann eben auch erschütternd sein. Wir werden sehen.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Kunst ist immer ein kritischer Ort. In der Kunst wird gesucht, wird experimentiert, wird gespielt. Aufbruch und Neubeginn sind gängige Themen der Kunst. Ich sehe das sehr positiv. Wir brauchen diese Momente zur Entwicklung: Wenn alles so bleibt wie es ist, wird nichts besser. Daher bedarf es Mut, jedes Experiment kann schief gehen – doch ebenso besteht die Möglichkeit, daraus zu lernen. Kunst ist immer ein Mut.
Was liest Du derzeit?
Friedericke Mayröcker: da ich morgens und moosgrün. Ans Fenster trete
Nancy Hünger: 4 Uhr kommt der Hund
José Oliver: mein andalusisches Schwarzwalddorf
Georges Perec: Träume von Räumen
- Und irgendwie will ich ganz bald auch noch folgende Romane lesen
Sandra Gugić: Zorn und Stille
Ilja Trojanow: Doppelte Spur
Michael Stavarič: Fremdes Licht
Petra Piuk: Toni und Moni oder: Anleitung zum Heimatroman
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Ein Geist, der sich nicht selbst verstört, hat nicht zu denken begonnen
Vielen Dank für das Interview lieber Martin, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literaturprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an KünstlerInnen
Martin Löwe Piekar, Schriftsteller
Foto_privat.
12.8.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.