Die ZuschauerInnen betreten über die Bühne den Theaterraum. Eine Frau und ein Mann sitzen sich da in einem großzügigen Atelier gegenüber. Julia, Kunsthistorikerin, und Paul, Musikproduzent. Ihre räumliche Distanz jetzt entspricht der ihrer Alltagswirklichkeitswirklichkeit. Leben, Arbeiten – aber ihre Liebe? Im Hintergrund sind Filmsequenzen zu sehen – „Wer hat Angst vor Virginia Wolf?“ (1966, Mike Nichols). Ein Filmklassiker, der die psychologischen Abgründe der Beziehungsrealitäten eines Ehepaares fulminant inszeniert. Dann klingelt es an der Tür…
Ein nächtlicher Besuch. Josefine, die neue Assistentin von Julia, und Tilmann stehen plötzlich vor der Tür. Nähe und Distanz in Begegnung und Gespräch der Paare werden nun zu ambivalenten Episoden zwischen psychologischen, aktionistischen und surrrealen Nachtbildern. Alles verliert jetzt den festen Boden im Blick vom abgründigen Seelenbalkon von Lebensweg und möglicher wie verpasster –richtung. Der freie Fall aus der Persönlichkeitsrolle im Tageslicht wird zum emotional explosiv-expressiven Szenario, dem niemand hier entgeht…doch wie wird es schließlich enden im Morgengrauen?
Das Schauspielhaus Wien zeigt mit der österreichischen Erstaufführung von „Schlafende Männer“ (Martin Crimp) modernes Theater, das in zahlreichen wie vielfältigen künstlerischen Referenzen gesellschaftliche Realitäten reflektiert. Die Fülle und Spannung der ästhetischen wie psychologischen Bezüge im Stück des gefeierten Autors Crimp macht es Inszenierung und Regie grundsätzlich nicht leicht. Eine Dramaturgie zu finden, die da für einen spannenden Theaterabend funktioniert, ohne zu viele kunsthistorische Voraussetzungen (Wiener Aktionismus, Maria Lassnig) einzubauen, ist eine Herausforderung, der Regisseur und Ensemble aber hervorragend gerecht werden. Vom ersten Bühnensetting und –dialog an wird eine Aufmerksamkeit erzeugt, die dem dramatischen Fortgang gebannt folgen lässt. Hervorragendes Schauspiel in stop and go motion trägt einen Abend, der auch in dem direkt ansprechenden ästhetisch-psychologischen Reflexionstransfer von Bühne und Publikum bestens greift. Sehen und Denkanstoss springen ausgezeichnet über. Es wird zerstört, aber auch aus den Trümmern eines Wohnzimmers an einem reflektierenden Menschenbild gebaut. Die kritische Einladung der Inszenierung, auch in hervorragendem Bühnenbild/Kostüm/Technik, kommt in Zeit und Leben der Gegenwart an – Gratulation!
„Schlafende Männer“
Autor: Martin Crimp
Regie: Tomas Schweigen
Besetzung: Vera von Gunten, Alina Schaller, Sebastian Schindegger, Anton Widauer
Bühne: Giovanna Bolliger
Kostüme: Anne Buffetrille
Musik: Dominik Mayr
Video: Tim Hupfauer
Dramaturgie: Tobias Schuster
Licht: Oliver Matthias Kratochwill
Ton: Benjamin Bauer
Regieassistenz: Sophia Fischer
Weitere Spieltermine: 14., 15., 16., 17.11 und 4., 5., 7., 8., 12., 13., 14. Und 15.12.2018
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Walter Pobaschnig 11_18
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