Lieber Georg, welche Bezüge gibt es von Dir zu Romy Schneider?
Keine. Aber ich habe sehr früh damit begonnen, mich für das Medium Film zu interessieren. Ihre „Sissi“-Movies habe ich nur am Rande wahrgenommen. Deren Punschkrapferl-Klebrigkeit ist mir eher auf die Nerven gegangen. Aber später – als sie in Frankreich war – habe ich sie einige Male im Kino gesehen und aus der Distanz bewundert und begehrt. Ich glaube, der erste Film, den ich als Teenager Anfang der 1970er mit ihr sah, war die leichtfüßige US-Komödie „Leih mir deinen Mann“ (Good Neighbor Sam) mit Jack Lemmon aus dem Jahr 1964. Da war sie Mitte 20 und jugendlich-frisch. Die blanke Unschuld …

Schauspieler, Regisseur und Kulturproduzent
Gab es auch Begegnungen mit Romy Schneider?
Ja, als ich noch ein Kind war. Mein Vater hat früher in einem feinen Wiener Hotel gearbeitet und viele Leute kennengelernt. Auch ein paar berühmte. Und die haben uns eingeladen. Die ganze Familie, Vater, Mutter, Kind: Im Winter nach St. Moritz. Im Sommer nach Südfrankreich. Wie das in den 1960ern halt so gewesen ist. Ich habe als Kind auf der Yacht von Curd Jürgens einen Drachen steigen lassen, Picasso hat mich so lange am linken Ohrläppchen gezogen, bis ich geweint habe, und bei Romy Schneider bin ich auf dem Schoß gesessen und habe mich von ihr mit frischen Feigen füttern lassen.
Wie hast Du Romy Schneider erlebt?
Mir war damals klar, dass Romy Schneider eine Berühmtheit war, weil sie die Menschen wie eine Berühmtheit behandelt haben. Und sie hat wirklich sehr gut gerochen, ich glaube, nach Pfirsichen und Jasmin. Sie hat unheimlich viel geredet mit den Menschen, die mit uns am Tisch saßen. Ich wollte von ihr mehr Aufmerksamkeit – und bekam Feigen. Immerhin!
Pflegte Romy Schneider künstlerische Kontakte, Freundschaften?
Darauf weiß ich aus erster Hand nichts zu sagen. Ich glaube aber, dass sie eine starke Freundschaft mit dem Schauspieler Helmut Berger verband. Zumindest von ihm gibt es dazu einige Aussagen.
Wie siehst Du Romy Schneiders künstlerischen Weg als Schauspielerin?
Angeblich schrieb sie nach ihren ersten Erfahrungen vor der Filmkamera mit 15 Jahren (noch vor dem „Sissi“-Hype) in ihr Tagebuch: „Ich weiß, dass ich in dieser Schauspielerei aufgehen kann. Es ist wie ein Gift, das man schluckt und an das man sich gewöhnt und das man doch verwünscht.“ Ich glaube, dass sie sich zwischen ihrem ersten Film, „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“ (1953), und „Die Spaziergängerin von Sans-Souci“ (La Passante du Sans-Souci, 1982), ihrem letzten Film, diesem Gift mit einer großen Leidenschaft hingegeben hat. Im traditionellen japanischen Nō-Theater spielen Masken eine große Rolle, und die Bühnenmenschen sind davon überzeugt, dass Götter und Dämonen beim Tragen der Masken Besitz von ihnen ergreifen und sie zu Höchstleistungen führen. Vielleicht war das bei Romy Schneider genauso – und schließlich wurde sie all diese Götter und Dämonen und alle Rollen, die sie in ihrer Karriere in mehr als 60 Filmen verkörpert hatte, nicht mehr los. „Ich bin eine unglückliche Frau von 42 Jahren und heiße Romy Schneider“, sagte sie 1981, wenige Monate vor ihrem Tod, in einem Interview mit der Zeitschrift »Stern«.
Welchen Film möchtest Du hervorheben?
Mit 16 Jahren haben meine Freunde und ich 1974 den Film „Trio Infernal“ (Le trio infernal) gesehen, der uns angezogen und zugleich abgestoßen hat – zwei Leichen, die in mit Schwefelsäure gefüllten Badewannen aufgelöst wurden. Ich denke, es hat Romy viel Überwindung gekostet, die Rolle der hemmungslosen Philomene zu übernehmen und skandalöse Sexszenen mit Michel Piccoli und Mascha Gonska abzuliefern. Damit war das „Sissi“-Image vom Tisch.
Gibt es etwas typisch Wienerisches bei Romy Schneider?
Als sie eine junge Schauspielerin war, hat man schnell gehört, dass ihre Sprache wienerisch angefärbelt war. Sie kam als süßes naives Wiener Mädl daher, das von ihrer Mutter, der Schauspielerin Magda Schneider, offenbar dazu gedrängt wurde, auch in Interviews dieses Image zu benützen. Als sie erwachsen wurde, legte sie Wien ab wie einen Mantel und wurde zu einer gesellschaftskritischen Weltbürgerin. Dadurch hat sie aber leider auch den Halt in ihrem Leben verloren – Alkohol und Drogen sind kein Ersatz für Wien. Leider hat es sich nie ergeben, dass ich sie interviewen konnte: Als sie im Mai 1982 starb, war ich gerade mal 23 Jahre alt, und meine journalistischen Themen waren damals die Bürgerkriege in Lateinamerika.
Wie siehst Du die Situation für Schauspieler*innen in Österreich heute?
Nur wenigen gelingt es, sich durchzusetzen und von diesem Beruf durch gute Engagements auf Theaterbühnen oder vor (TV-) Kameras zu leben, ohne sich zu prostituieren. Die meisten haben entweder wohlhabende Eltern oder Partner bzw. irgendwelche Jobs und sind ständig in der Selbstausbeutung ihrer Talente unterwegs. Generell ist es so, dass alle hochwertigen Produktionen mit einem Publikumsschwund zu kämpfen haben. Übrig bleiben meistens nur die seichten Ereignisse, die den Darsteller*innen nur wenig abverlangen und sie oft nur zu x-beliebigen Marionetten degradieren. Ich glaube nicht, dass heute von Wien aus eine Karriere à la Romy Schneider möglich wäre, weil die Rahmenbedingungen völlig andere sind.
Was sind Deine nächsten Projekte?
Ich habe mir abgewöhnt, über ungelegte Eier zu sprechen …
Darf ich Dich abschließend zu einem Romy Schneider Achrostikon bitten?
Reiz mich nicht, du …!
Oder du musst meine Liebe ertragen.
Manchmal träume ich und glaube:
You are the only one I miss!
Vielen Dank für das Interview!
Im Gespräch: Georg Biron _ Schriftsteller, Reporter, Drehbuchautor,
Schauspieler, Regisseur und Kulturproduzent
Foto_Nikolaus Similache
Walter Pobaschnig 2_22