„Dass wir verlernt haben, uns selbst zuzuhören“ Elisabetha Pejcinoska, Schauspielerin und Drehbuchautorin _ Wien 11.1.2022

Liebe Elisabetha, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Ich beginne meinen Tag immer mit einem Frühstück und meinem Computer, wo ich gut 1-2 Stunden damit verbringe, meine E-Mails zu bearbeiten und Bewerbungen abzuschicken bzw. nach neuen Jobmöglichkeiten, Projekten etc. zu suchen.

Ich habe vor einem Monat meinen „normalen“ Job aufgegeben, um wieder mehr kreativ arbeiten zu können, und nutze jetzt diese Zeit, um mich sowohl mental als auch körperlich in Hochform zu bringen. Das heißt für mich, jeden Tag Sprech- und Schauspieltechnik, jeden Tag Bewegung (Sport oder Spazierengehen) und eine gesunde, ausgewogene Ernährung, die zumindest 1x Tag aus einer selbstgekochten Mahlzeit besteht. Um auch ohne fixe Anstellung Geld zu verdienen, habe ich letztes Jahr mit einer Freundin eine Serie von Luxus Dinner Events entwickelt, die 1x im Monat stattfinden werden. Unser erstes Event ist für Ende Februar angesetzt, und wir sind bereits ausgebucht. Wenn ich nicht am Organisieren oder Arbeiten bin, dann lese ich oder sehe mir Filme oder Serien an. Das Eintauchen in andere Realitäten war schon immer eine Leidenschaft, die sich durch Ausgangsbeschränkungen und Lockdowns noch intensiviert hat.

Elisabetha Pejcinoska, Schauspielerin und Drehbuchautorin

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Zuhören. Ich weiß nicht, ob es an der Einsamkeit oder Egozentrik der Menschen liegt, aber man hört einander nicht mehr zu. Es ist, wie wenn die meisten Menschen „aufeinander“ und nicht miteinander reden. Jeder möchte seine Information loswerden, völlig unberührt vom Gegenüber. Mit Covid hat sich diese Entwicklung noch gesteigert, der Ignoranz hat sich ein reaktionäres Verhalten hinzugesellt, das sich hauptsächlich durch Beschimpfungen und Schuldzuweisungen ausdrückt.

Vielleicht liegt das aber auch daran, dass wir verlernt haben, uns selbst zuzuhören. Wir orientieren uns zu sehr an Social Media und den Medien, die uns vorgeben, wie wir aussehen, denken und sein sollen. Wir werden tagtäglich von Bildern und Beispielen umgeben, dass alles für jeden möglich sein kann, wenn man nur fest an sich glaubt. Jeder, wenn er will, kann Ruhm und Reichtum erlangen. Dem ist aber nicht so. Die Realität ist völlig anders, und erzeugt in den Menschen einen unglaublichen Druck und daraus resultierenden Frust, weil man diese Erwartungshaltung, die ja gar nicht aus einem selbst heraus kommt, nicht erfüllen kann. Vielleicht, wenn wir wieder lernen, uns mit unseren menschlichen Schwächen und Grenzen anzunehmen, dann werden wir auch andere Dialoge führen und zuhören können.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?

Ich empfinde es nicht als Aufbruch oder Neubeginn, zumindest nicht kollektiv gesehen. Man dachte nach dem ersten Lockdown, die Menschen würden sich besinnen, in sich kehren, auf die wesentlichen Dinge im Leben konzentrieren, und die Welt würde besser werden. Das mag für eine kurzen Augenblick so den Anschein gehabt haben, aber wie man nach wiederholten Lockdowns sieht, ist jetzt eher das Gegenteil der Fall. Von Besinnung und Rückzug ist nichts mehr zu spüren, der Mensch ist ein Gesellschaftstier und sehnt sich nach Brot und Spielen.

Theater und Kunst hatten immer schon die Magie des unmittelbaren Erlebnisses und somit der Auseinandersetzung im Hier und Jetzt.

Was liest Du derzeit?

Ich lese derzeit von Christopher Vogler „The Writer’s Journey“. Es ist so etwas wie eine Bibel für Drehbuchautoren in Hollywood. Und nachdem ich selbst auch Drehbücher entwickle, ist dieses Buch schon lange auf meiner Liste. Christopher Vogler, der als Story Editor für die größten Hollywood Studios gearbeitet und unzählige Drehbücher geprüft hat, ist zu der Kenntnis gekommen, dass alle erfolgreichen Drehbücher eines gemeinsam haben: Ein archetypisches Grundmuster der „Heldenreise“. Dabei bezieht er sich auf die Mythosstudien von Joseph Campbell (The Hero with a Thousand Faces) und C.G. Jungs Tiefenpsychologie über Archetypen. In diesem Werk beschreibt Vogler die verschiedenen Stadien der „Heldenreise“ und erklärt sie anhand von Beispielen in der Filmgeschichte. Obwohl es als Handbuch für Drehbuchautoren und Schriftsteller gedacht ist, ist es für mich nicht nur ein Buch über das Schreiben, sondern ein Buch über das Leben.

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Eines meiner Lieblingszitate stammt von Akira Kurasowa: „Künstler sein bedeutet niemals den Blick abzuwenden“.

Elisabetha Pejcinoska, Schauspielerin und Drehbuchautorin

Vielen Dank für das Interview liebe Elisabetha, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen vielseitigen Projekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

5 Fragen an Künstler*innen:

Elisabetha Pejcinoska, Schauspielerin und Drehbuchautorin

Fotos_Phil Jelenska

6.1.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

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„Mach ich Theater, um dem Publikum etwas mitzugeben?“ Jacob Suske, Musiker/Regisseur _ Antwerpen/B 10.1.2022

Lieber Jacob, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Da ich jetzt wieder viel zu tun habe und meine Arbeit immer auch mit Reisen und Nicht-Zuhause-Sein zu tun hat, gibt es bei mir DEN Tagesablauf nicht. Das einzige was zu jedem Tagesbeginn gleich ist:

Café machen, „Europa heute“ hören, meine latenten Hüftschmerzen mit Dehnübungen im Zaum halten. Dann wird meistens geprobt. Nachts arbeite ich dann oft noch an meinen eigenen Projekten für die ich sonst keine Zeit finde. Allgemein enden die Tage also spät.

Jacob Suske, Musiker/Regisseur

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Abgesehen davon, dass die großen Konzerne und die obszön Reichen endlich einmal vernünftig Steuern zahlen müssten und die Weltpolitik das mit dem Klima hätte regeln sollen?

Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Musik, dem Theater, der Kunst an sich zu?

Aufbruch ? Ich kann leider keinen Aufbruch sehen. Habe ich etwas verpasst ? Ich empfinde leider eher eine Stagnation… im besten Falle. Nein, eigentlich ist es doch ein Rückschritt. Im Grunde sind ja alle Hoffnungen auf einen Aufbruch, die man sich im Windschatten der drohenden Katastrophe gemacht hatte verflogen. Der Staat wird nicht sozialer, die Reichen zahlen nicht mehr Steuern, die Emissionswerte sind wieder so hoch wie ehedem, wir arbeiten – wenn nicht gerade wieder Lockdown ist- wieder allzu häufig an der Belastungsgrenze, die extreme Rechte findet wieder zu ihren Themen, die Klimakonferenz bringt wieder nur Lippenbekenntnisse. Die Lockdowns kommen und gehen. Die Wissenschaft wird in offen angezweifelt, die Neuverschuldung muss in naher Zukunft wieder abgebaut werden. Nach beinahe 2 Jahren müssen wir immer noch mehr oder weniger zurückgezogen leben,  weil die Zeit nicht genutzt wurde um kreative Lösungen für das Gesundheitssystem zu finden.  Welcher Aufbruch also ?

Was das Theater angeht, bin ich gerade auch wenig optimstisch.

Das Theater ist leider aus gutem Grund sehr mit sich selbst beschäftigt.

Man schraubt also bei laufendem Betrieb am Motor herum,

und das ruckelt dann natürlich.

Wir produzieren- so meine Befürchtung- zu oft am Publikum vorbei in den Feuilleton oder in einen sehr abstrakten Diskurs hinein. Das ist in meinen Augen ein Teil eines systemischen Problems.

Überspitzt gesagt kann man sich entscheiden: mach ich Theater um dem Publikum etwas mitzugeben, oder mach ich Theater um betriebsintern Karriere zu machen. Diejenigen denen beides gelingt sind rar und beneidenswerte Ausnahmen. Im Allgemeinen schaffen wir es einfach zu selten den Kern eines Anliegens freizulegen. Die Anliegen sind ja vorhanden. Die Themen sind da.

Nur gilt es im Theater das Publikum nicht auszuschließen und sich dumm fühlen zu lassen. Das ist mir zu einfach. Natürlich muss man fordern und zuweilen auch überfordern, aber man muss sich klar darüber sein, was verstanden werden soll und wo es ins Assoziative, ins Überbordende oder Atmosphärische gehen kann.

Und ich persönlich wäre sehr dafür Theater dort zu stärken, wo es einmalig und nicht austauschbar ist. In der Nichtreproduzierbarkeit des Moments, in der Zumutung, in der Verneinung von Zuverlässigkeit und Berechenbarkeit und natürlich in seiner Freiheit.

Ich habe allerdings den Verdacht, dass das Publikum nach zwei Jahren Netflix nur noch wenig Nerv für die Anstrengungen und Zumutungen des mir vorschwebenden idealen Theaterabends hat…

keine einfache Gemengenlage mit keinen einfachen Antworten also.

Die Musikbranche hat jetzt natürlich auch einen riesigen Nachholbedarf.

All die verschobenen Veröffentlichungen und Konzerte.

Da ist´s gerade noch schwieriger sich Gehör zu verschaffen als ohnenhin schon.

Doch haben viele MusikerInnen die Zeit des Stillstands genutzt um sich weiterzuentwickeln. Alleine in meinem erweiterten Umfeld ist in den letzten beiden Jahren unglaublich viel Musik auf einem bewundernswerten Niveau entstanden. Auch wenn jetzt vieles ungehört in der Ecke liegen bleibt, bin ich davon überzeugt dass es einen kräftigen Kreativitätsschub in der Musik gibt.

Notgedrungener Maßen beruht vieles davon auf Solokonzepten, aber diese Tendenz weg von der Band oder dem Ensemble, hin zu Soloprojekten können wir ja schon lange beobachten.

Bleibt nur zu hoffen, daß die Stimmen der vielen vielen MusikerInnen auf dieser Welt denen in der Pandemie keinerlei Unterstützung zukam nicht verstummen werden.

Was liest Du derzeit?

Es liegen bei mir immer viel zu viele Bücher offen neben dem Bett.

Heute habe ich  „Nina & Tom“ vom Schweizer Schriftsteller Tom Kummer, von dem ich gerade eine Uraufführung vertont habe („Von schlechten Eltern“ in der Regie von Tilmann Köhler an den Bühnen Bern) gelesen. Er schreibt immer sehr nah und schonungslos an seiner von hohen Amplituden geprägten schillernden Biographie und rührt mich damit ungemein.

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Ich bekam einmal eine Postkarte die mit den Worten „bleib erschütterbar“ endete. Daran muss ich in letzter Zeit oft denken. Bei der derzeitigen Großwetterlage laufen wir nämlich Gefahr abzustumpfen und die Bedeutung des Wortes Empathie zu verlernen. Das Gegenteil sollte aber der Fall sein. Und nein, ich beziehe mich hier nicht auf Impfverweigerer. Es gibt Menschen die unserer Empathie noch nötiger haben.

Jacob Suske, Musiker/Regisseur

Vielen Dank für das Interview lieber Jacob, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Musik-, Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

5 Fragen an Künstler*innen:

Jacob Suske, Musiker/Regisseur

Fotos_Amandine Monsterlet

2.12.2021_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

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„Theater ist pure Menschlichkeit!“ Alexander Findewirth _ Schauspieler _ Wien 9.1.2022

Lieber Alexander, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Ich spiele derzeit im Theater der Jugend das Stück „Anne auf Green Gables“.  Dafür verwende ich gerade die meiste Zeit meines Tages. Wenn ich nicht gerade arbeite, lese ich gerne, mache Yoga oder treffe mich wahnsinnig gerne mit guten Freunden!

Alexander Findewirth _ Schauspieler

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Zusammenhalt, Toleranz, und ein friedliches Miteinander ist in diesen Zeiten extrem wichtig! Sich gegenseitig zuhören und eine offene Kommunikation sowie Akzeptanz ist meiner Meinung nach der Schlüssel, zu einem friedlichen Zusammenleben!

Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater, der Kunst an sich zu?

Die Besinnung auf sich selbst! Theater hat die Kraft eine breite Masse anzusprechen! Impulse zu geben, alle Menschen zum selbst Denken und Fühlen aufzurufen! Theater ist pure Menschlichkeit in einer Welt voller Computer und Zahlen!

Was liest Du derzeit?

the law of attraction von Esther und Jerry Hicks

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Der Schlüssel ist die Intuition.

Vielen Dank für das Interview lieber Alexander, viel Freude weiterhin für Deine großartigen Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute! 

5 Fragen an Künstler*innen:

Alexander Findewirth _ Schauspieler

Foto_Jan Frankl

29.12.2021_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

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„In der Pop-Musik der 1980er Jahre war alles Avantgarde“ Hristina Susak, Komponistin_Vienna Calling _ Wien 9.1.2022

Herzlich willkommen, liebe Hristina Susak, Komponistin, hier im Cafè Prückel, Wien!

Hristina Susak, Komponistin_Wien

Das Wiener Kaffeehaus und die Musik – welche Zusammenhänge gibt es da?

Schon in der Barockzeit gab es Kaffeehäuser, in denen man gemeinsam musiziert hat. Das ist eine sehr schöne Tradition bis heute. Ich persönlich habe dies aber noch nicht gemacht.

Wäre das für Dich interessant?

Früher vielleicht, da habe ich mehr Klavier und Geige gespielt, jetzt liegt meine Konzentration auf der Komposition.

Ist das Cafè für Dich künstlerischer Treffpunkt?

Es macht mir Freude, wenn ich mit meinen Kolleg*innen, Freund*innen ins Cafè gehen kann.

Leider war dies in letzter Zeit aufgrund der Lockdowns schwierig. Früher sind wir immer nach Klassenabenden, Klassenkonzerten ins Cafè, Restaurant gegangen. Da spricht man über Leben und Kunst. Oft mehr als im Unterricht.

Ist das Cafè auch eine künstlerische Inspiration für Dich?

Ja, in den Gesprächen gibt es immer viele Bezugspunkte, Perspektiven – klug, überraschend, inspirativ.

Diese Interviewreihe nimmt den 1980er Song „Vienna Calling“ des Wiener Musikers Falco im Titel auf. Welche Bezüge gibt es von Dir zur Pop-, Rockmusik?

Das sind für mich zwei verschiedene Sachen, Klassik und Popmusik, und die kann ich nicht so leicht verbinden.

Ich komponiere grundsätzlich in verschiedenen musikalischen Richtungen.

Auf meine klassische Musik gibt es jetzt keinen direkten Einfluss von Musikrichtungen.

Ich komponiere auch Popmusik, manchmal.

Ist die Musikepoche der 1980er Jahre für Dich interessant?

Es interessiert mich, ich kenne aber nicht so viel davon.

Meine Mutter kennt alles aus den 1980er Jahren (lacht). Ich habe da viel von ihr gelernt.

Eine meiner Lieblingssängerinnen aus den 1980er Jahren ist Kate Bush.

Was ich musikalisch an den 1980er Jahren besonders mag, ist, dass es da keinen bestimmten Stil gab. Alle Musiker*innen hatten ihren eigenen Stil.

In den 1980er Jahren war in der Pop-Musik alles Avantgarde.

Was fasziniert Dich an Kate Bush?

Diese musikalische Originalität.

Diese Stimme ist ganz ungewöhnlich. So etwas habe ich noch nie gehört.

Mein Lieblingslied von ihr ist „Wuthering Heights“.  Sie war da von dem Roman inspiriert, den ich auch mag und mehrmals gelesen habe.

Kate Bush ist auch sehr vielseitig. Sie komponiert auch, tanzt. Sie interessiert sich glaube ich auch für Mathematik.

Gibt es weitere Musik der 1980er Jahre, die Du gerne hörst?

Kate Bush ist eigentlich die einzige, die ich so in meiner Freizeit höre.

Queen, Duran Duran, Björk sind mir auch vertraut.

Was sind Deine aktuellen Projekte?

Im Jänner des Jahres steht der Abschluss meines Diplomes für Medienkomposition und angewandte Musik bevor.

Danach habe ich verschiedene Aufführungen. In Wien und Salzburg wird mein neues Stück für gemischtes Ensemble vom Phace-Ensemble aufgeführt. Das war ein Wettbewerb zu dem jeweils eine Studentin/ein Student von jeder Universität Österreichs ausgewählt wurde. Ich wurde da für meine uni in Wien ausgewählt.

Dann bin ich auch zu einem Orchesterprojekt in Valencia eingeladen. Wir werden da mit der berühmten Komponistin Elena Mendoza zusammenarbeiten.

Alles Gute für den Studienabschluss und die wunderbaren Projektausblicke!

Dankeschön. Wir haben auch ein Klassenkonzert im Wiener Musikverein im Jänner.

Wie entspannst Du Dich zwischendurch von den vielen Aufgaben, Vorhaben?

Die Musik macht mir große Freude, das ist auch Entspannung für mich.

Du hast auch einen wunderbaren Sinn für Mode. Was bedeutet Dir Mode?

Das ist für mich sehr wichtig, weil es ein Teil des Ausdrucks der Persönlichkeit ist.

Ich lerne da auch viel von meiner jüngeren Schwester. Sie hat einen sehr guten Sinn, Geschmack für Mode.

Was bedeutet Dir Wien?

Ich bin mit siebzehn Jahren nach Wien gekommen und verbinde große Emotionen mit dieser Stadt (lacht).

Hier waren die ersten Aufführungen meiner Stücke und ich bin hier aufgewachsen.

Als ich nach Wien gekommen bin, war ich noch ein Kind. Hier bin ich erwachsen geworden.

Wien ist ein großer Teil meines Lebens.

Wenn Du auf Deine Jahre in Wien künstlerisch zurückblickst, wie war der Entwicklungsprozess da für Dich?

Ich habe mich hier in Wien als Künstlerin, Komponistin, Person weiterentwickelt.

Der Dank gilt meinen Professor*innen und den Möglichkeiten Wiens in seinem großartigen Veranstaltungsspektrum und den besten Präsentationsmöglichkeiten für Konzertaufführungen und auch meine Performances.

Gibt es Projektkooperationen mit anderen Kunstbereichen?

Ja, ich habe im Jänner 2021 eine Performance zu Heinrich Heine „Und wüßten’s die Blumen, die kleinen“ gemacht.

Was bedeutet Dir Literatur?

Für mich sind Wörter, die Sprache die abstraktesten Ausdrucksmittel.

Poesie ist für mich die Spitze der Literatur.

Schreibst Du auch selbst Gedichte, Texte?

Nein (lacht).

Welche Literatur schätzt Du?

Eigentlich die Klassiker. Goethe, Heine, Rilke.

Was trinkst, isst Du gerne im Cafè?

Kaffee, Cappuccino oder Melange, dazu auch einen Kuchen, Apfelstrudel.

Wie verbringst Du Zeit im Cafè?

Manchmal arbeite ich, manchmal nehme ich meinen Laptop mit, manchmal treffe ich mich mit Freunden, ganz verschieden. Auch die Tageszeiten sind unterschiedlich.

Darf ich Dich zum Abschluss noch zu einem Achrostikon zu Vienna Calling bitten?

Vergessen

Ich

Egal

Nicht

Neben

Ausdruck

Chemie

Andere

Langsam

Literatur

Indem

Nacht

Gemeinsam

Hristina Susak, Komponistin_Wien

Herzlichen Dank, liebe Hristina, für Dein Kommen und Deine Zeit in großartigem Porträt/Performance wie die wunderbare Vorbereitung und Auswahl der Modevariationen wie Dein Interview!

Liebe Hristina, viel Freude und Erfolg für alle Musik-, Kunstprojekte 2022!

„Vienna Calling“ _ Porträt in Wort und Bild_

im Gespräch und Fotoporträt_

Hristina Susak, Komponistin_Wien

Interview und alle Fotos_Walter Pobaschnig _

Cafè Prückel_Wien

https://literaturoutdoors.com

Walter Pobaschnig 12_21

„Wir können alle was tun“ Julia Miesenböck, Literaturübersetzerin _ Prag 8.1.2022

Liebe Julia, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Wenn ich keine außerordentlichen Termine oder Reisen habe, ist mein Tagesablauf sehr routiniert, und ich mag diese Routinen: Arbeiten, tagsüber von etwa 9 bis 18 Uhr, zu Hause oder im Büro. Seitdem es keinen Lockdown mehr gibt, finde ich das Arbeiten zu Hause wieder angenehmer, da es möglich ist, auch abends noch außer Haus zu sein, im Kino, Theater, Café oder auf Lesungen.

Julia Miesenböck, Literaturübersetzerin

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Bei der Frage fällt mir ein Zitat ein, vom polnisch-französischen Filmemacher Kieślowski: Be careful, there’s people around you. Umsichtigkeit ist wichtig, in vielen Bereichen, das hat die Pandemie gezeigt.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?

Die Pandemie hat einige Probleme unserer globalisierten, den Planeten zerstörenden Lebensweise aufgezeigt. Ich denke, wir kommen nicht darum hin, uns mit diesen Problemen zu beschäftigen, im Großen und im Kleinen. Wir können alle was tun.

Und mir persönlich hat die Pandemie verdeutlicht, wie wichtig Kunst und Literatur ist, in zweierlei Hinsicht: Sie hat gefehlt, als Museen, Theater und Kinos geschlossen waren – und sie war gleichzeitig eine Möglichkeit, andere Themen aufzugreifen, als das doch sehr beunruhigende Virus. Literatur und Kunst werden bestimmt Fragen aufgreifen, die in den letzten anderthalb Jahren aufgekommen sind und uns so bald nicht loslassen werden.

Was liest Du derzeit?

Sally Rooney, Beautiful world, where are you – einen Roman über viele Zwischen-Räume und -Zustände und Jana Šrámková, Zázemí – eine Kurzprosasammlung mit feinfühligen Erinnerungen an die Großmutter der Erzählerin und Peter Handke, Die Obstdiebin.

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Neben dem obigen von Kieślowski habe ich in den letzten Tagen oft an die ersten Zeilen eines Gedichts von Alda Merini gedacht (von der leider noch kein Buch in deutscher Übersetzung vorliegt): Auch der heutige Tag ist Teil meiner Lebensgeschichte / aber ich erkenne darin nicht den Tag / den ich mir wünschte, als ich noch klein war.

Julia Miesenböck, Literaturübersetzerin

Vielen Dank für das Interview liebe Julia, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

5 Fragen an Künstler*innen:

Julia Miesenböck, Literaturübersetzerin

https://juliamie.net/aktuelles/intro/

Fotos_privat.

14.11.2021_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

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„klug sein und weich sein“ Bernadette Heidegger, Schauspielerin _ Salzburg 7.1.2022

Liebe Bernadette, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Mal so, mal so…je nach Proben…gerade meistens aufstehen, Hühner rauslassen, Katze füttern, Tee trinken, lesen, nachdenken, irgendwas erledigen, ab 15 Uhr proben.

Bernadette Heidegger _Schauspielerin, Regisseurin, Lehrende

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Zuhören, versuchen zu verstehen, auf mein Inneres hören, damit ich weiter mit mir leben kann, Natur aufsuchen, Humor nicht verlieren, tanzen, spielen, klug sein und weich sein

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?

Was dem Theater immer zukommt: gute Fragen stellen und keine Antworten wissen, Berührt-Sein suchen, Nebensächlichkeiten entdecken, eigenartige Wege gehen, Buntheit lieben, jenseits der abgegangenen Wege laufen, irritieren, Freude generieren

Was liest Du derzeit?

Hannah Arendt, Elif Shafak, Rilke, Ala al-Aswami, Foucault, Bernadine Evaristo, Mtihu Sanyal…

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Brecht: Reicher Mann und armer Mann standen da und sah’n sich an.
Und der arme sagte bleich, wär ich nicht arm, wärst du nicht reich.

Bernadette Heidegger _Schauspielerin, Regisseurin, Lehrende

Vielen Dank für das Interview liebe Bernadette, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

5 Fragen an Künstler*innen:

Bernadette Heidegger _Schauspielerin, Regisseurin, Lehrende

https://www.bernadetteheidegger.com/profil/

Fotos_Axel Müller

14.11.2021_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

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„Soziale Kompetenzen zurückzuerlangen“ Achim Wagner, Schriftsteller _ Berlin 6.1.2022

Lieber Achim, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

In den letzten Monaten sah mein Tagesablauf so aus, dass ich mich nach dem Frühstück an den Rechner setzte und als Jurymitglied Bewerbungen für Arbeitsstipendien in nichtdeutscher Literatur las. Das hinderte mich zwar daran, an eigenen Texten und Übersetzungen zu arbeiten, erlaubte mir aber auch einen spannenden Einblick in andere zeitgenössische literarische Sicht- und Herangehensweisen.

Ansonsten hat die Pandemie an meinen Abläufen relativ wenig geändert. Ich arbeite lieber im Gehen als im Sitzen, sprich: eigene Textüberlegungen und die Suche nach übersetzerischen Ansätzen finden meist bei längeren Spaziergängen und Wanderungen statt. Die Arbeit am Schreibtisch ist dem untergeordnet. Während der vergangenen anderthalb Jahre bedeutete das auch, beinahe täglich mit den dystopischen Alltagsbildern der Coronazeit konfrontiert zu sein.

Achim Wagner _ Schriftsteller

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Was für uns alle besonders wichtig ist, lässt sich natürlich nur schwer beantworten, da das von subjektiven Empfindungen und Erfahrungen abhängt und sich sicherlich individuell ganz verschieden ausnimmt. Soziale Kompetenzen zurückzuerlangen fällt mir spontan an. Das Ungewisse nicht zu verdrängen, als solches zu akzeptieren und sich dabei auf das oder die jeweiligen Arbeitsvorhaben konzentrieren zu können (was mir in den vergangenen Monaten bisweilen ziemlich schwer fiel).

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?

Aufbruch und Neubeginn sind ja nicht die schlechtesten Impulsgeber, sowohl gesellschaftlich als auch privat. Neugierig zu sein (oder zu bleiben) und anstehende Veränderungen mitgestalten zu wollen, dürften dabei wesentliche Punkte darstellen. Den Prozess der Veränderung reflexiv zu begleiten, könnte eine zentrale Aufgabe der Gegenwartsliteratur bzw. der Gegenwartskunst werden; Sichtweisen zu hinterfragen, auch sich selbst immer wieder in Frage zu stellen, aus dem Ungewissen Material für Experimente zu gewinnen, um im besten Fall neue Denkweisen zu entwickeln, Erkenntnisse zu generieren.

Was liest Du derzeit?

Derzeit lese ich „Nadeschda Mandelstam – Erinnerungen an das Jahrhundert der Wölfe“ (aus dem Russischen übersetzt von Ursula Keller, Die Andere Bibliothek, Berlin, 2021).

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Als Textimpuls ein kurzes Gedicht des türkischen Dichters Nâzım Hikmet in meiner Übersetzung:

(24. September 1945)

Das schönste Meer:

                            ist das noch nicht befahrene.

Das schönste Kind:

                            ist noch nicht herangewachsen.

Unsere schönsten Tage:

                            sind die, die wir noch nicht erlebt haben.

Und das schönste Wort, das ich dir sagen will:

                            ist das Wort, das ich noch nicht gesagt habe …

Vielen Dank für das Interview lieber Achim, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

5 Fragen an Künstler*innen:

Achim Wagner, Schriftsteller

https://de.wikipedia.org/wiki/Achim_Wagner

Foto_Björn Kuhligk

28.10.2021_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

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„Unsere Träume, Sterne nicht außer Acht lassen“ Ina Soléa, Schauspielerin_Station bei Lou Andreas-Salomé _ Wien 6.1.2022

Herzlich willkommen, liebe Ina Soléa, Schauspielerin, hier im Mercure Grand Hotel Biedermeier Wien!

Ina Soléa, Schauspielerin _ Wien

Unser literaturoutdoors Thema ist die vielseitige Schriftstellerin, Psychoanalytikerin Lou Andreas-Salomé (1861 – 1937), die auch wesentliche Wien Bezüge hat und deren Todestag sich 2022 zum 85mal jährt.

Träume, Traumanalyse spielen eine große Rolle in Leben und Denken Lou Andreas-Salomés. Welcher Traum ist Dir jetzt in Erinnerung?

Ich habe in letzter Zeit viel über Lou Andreas-Salomé und ihre Gespräche mit Künstlern, Philosophen wie R.M.Rilke oder Friedrich Nietzsche gelesen. Dabei hatte ich auch einen Traum, in dem ich mich mit Nietzsche unterhalte und ihm sage „Du solltest mal wieder nach den Sternen greifen!“ (lacht).

Lou Andreas-Salomé schätzte das Spielerische in Wort und Begegnung. Der Philosoph Nietzsche war ihr da in vielem zu ernst. In diesem Sternentraum habe ich dies wohl verarbeitet (lacht).

Wie liest Du selbst diesen Traum?

Wir sind alle, und natürlich auch in der Kunst, in einer sehr ernsten Situation. Dennoch sollten wir in die Zukunft schauen und unsere Träume, Sterne nicht außer Acht lassen. So weit es möglich ist.

Vielleicht wurden vieler unserer Träume zu einer Pflichterfüllung, zu einer pocket list. Es ist gut Sterne, Träume zu haben und daran zu arbeiten.

Träume haben einen Sinn. Psychoanalytisch gesehen und idealistisch. Lou Andreas-Salomè wusste dies und versuchte dies in ihren Werken und Leben zu verbinden. Wissen und Wege, Traum und Leben.

Sprich´ über deine Träume und du sprichst über dich.

Wir sollten öfters zu den Sternen blicken und danach greifen.

Sigmund Freud hat den Traum als „Königsweg“ der Erkenntnis des Unbewussten bezeichnet. Welche Bedeutung haben Träume für Dich?

Meine Träume sind intensiv und ich schöpfe daraus.

Im Traum reflektiere ich sehr stark meinen Alltag und wenn ich träume, entspanne ich mich auch davon.

Die Welt ist in vielem grenzenlos. In ihren Träumen, Visionen ist sie es nicht.

Ein Traum hat immer mit der Welt, Weltverständnis zu tun. Psychologie und Philosophie sind beste Freunde.

Träumst Du regelmäßig und schreibst Du diese auf?

Ja. Ich schreibe meine Träume nach dem Aufwachen auf.

Wenn ich sehr intensiv geträumt habe und auch meine Stimmung danach ist, male ich unmittelbar danach, bevor ich das Bild im Kopf wieder losgelassen habe.

Ich denke, wir haben alle die Träume der Nacht bei uns, aber wir lassen diese wieder gehen, weil uns der Alltag sofort ganz einnimmt.

Träume, Gedanken sind für uns sehr schnell Vergangenheit, unbeachtete Vergangenheit.

Wie gehst Du dann mit den notierten, gemalten, reflektierten Träumen in den Tag? Welchen Impuls bekommst Du da?

Ich lasse zunächst die Träume in Wort und Bild ruhen. Die Richtungen, Bedeutungen ergeben sich dann von selbst im Zusammenspiel von Tag und Traum.

Alle unsere Emotionen sind im Traum reflektiert. Freud spricht da ja von „Traumarbeit“.

Emotionen können verschiedenste Symbolformen im Traum annehmen. Das kann ein Buch oder Fenster etwa sein. Und wir selbst stecken da drin.

Im Traum sind Emotionen pur da, nicht kontrolliert vom Denken.

Das Interesse für Träume, für die in Wien von Sigmund Freud begründete Wissenschaft der Psychoanalyse, führte Lou Andreas-Salomè nach Wien. Welche Zugänge gibt es von Dir zu Ihr?

Mich fasziniert ihre Neugierde und auch ihre Konsequenz dieser nachzugehen.

Das Interesse sich Wissen anzueignen, auch über Konventionen der Zeit hinweg, finde ich sehr mutig und spannend.

Diese Selbstentscheidung der Frau bei Lou Andreas-Salomè ist bis heute ein Vorbild.

Sie war eine Superheldin und wenn wir in der Frauenemanzipation Stufen zurückgehen oder zurückkatapultiert werden, denken wir an sie.

Sehr schnell wurde sie als „intellektuelle Kurtisane“ bezeichnet. Lou war eine Frau, die sich nicht um Klischees kümmerte. Sie ging ihren Weg und setzte eigene Standards.

Lou hat die Frauenrolle der Zeit gleichsam zertrümmert. Sie war auch in der männlich dominierten Psychoanalyse eine Vorreiterin und wollte unbedingt an Freuds Vorlesungen teilnehmen.

Warum ist sie so neugierig? Allein das war in Zeit und Gesellschaft verstörend.

Lou war in Russland nicht unglücklich, aber sie wollte nach Wien. Das Weiterziehen war für sie selbstverständlich.

Die russische Melancholie ist sehr tiefgründig. Ich lerne auch gerade Russisch mit meinem Sohn.

Die Liebe, etwa die Mutterliebe, ist in der russischen Sprache sehr schön ausgedrückt.

Wie siehst Du den künstlerischen, intellektuellen Gesprächskreis um Lou?

Im Briefstil der Bezugspersonen ist eine interessante, fast kindliche, Aufgeregtheit zu bemerken, wenn Lou zur Sprache kommt. Da war auch viel Bewunderung, was Lou wohl überraschte. Sie wusste aber Bestens damit umzugehen, durchschaute vieles.

Sie schwärmten von ihr in großem Respekt.

Lou wurde sehr schnell intellektuell und persönlich akzeptiert. Das erstaunt in der so von Männern dominierten Zeit in allen Lebensbereichen.

Es gab wenig Misstrauen ihr gegenüber. Und Misstrauen gehört bis heute zu unserer Gesellschaft.

Fasziniert hat Lou alle. Das zeigen die Erwähnungen in den Briefen. Tiefgründige Diskurse gibt es da allerdings nicht.

Lou war nicht künstlich. Sie war menschlich sehr präsent.

In Wien wurde ihr Denken etwas dunkler, ernster. Das fällt auch in Fotografien auf.

Was nimmst Du von der Begegnung mit Lou in ihren Werken, Briefen mit?

Die Freude an Neugierde und Verspieltheit.

Lous Intellektualität macht Spaß. Sie entdeckt die Welt mit offenen Augen.

Sie ist ein interessantes, schönes Rollenbild.

Ich mag diese Balance von Neugierde und Kontrolle bei Lou.

Ich finde es faszinierend wie Lou mit ihren Fragen an der Festung einer männlich dominierten Gesellschaft in Denken, Liebe, Sinn rüttelt.

Mich fasziniert dieses direkte, kindliche Fragen, wie – „Was ist das Licht? Wie sehe ich es? Werde ich es im Dunklen vermissen? Werde ich mich erinnern?“. Genau so stellte ich mir Lou vor. Lou hatte diesen Mut Fragen zu stellen, den es zu allen Zeiten braucht.

Es gibt keine blöden Fragen, nur unzureichende Antworten.

Bei Lou ist in der Neugierde auch immer eine Zuversicht.

Liebe war für Lou immer auch eine intellektuelle Reise zu sich selbst.

Du hast Dich in der Vorbereitung auch für eine wunderbare Kostüm-, Requisitenwahl entschieden. Was hat Dich da angeleitet?

Ich habe das Buch „Und Nietzsche weinte“ von Irvin D.Yalom mitgebracht, weil ich die Beschreibung von Nietzsche, der ja mit Lou befreundet war, im Buch sehr interessant fand, weil in aller Emotion, Zerbrechlichkeit, auch in der Beziehung zu Lou, dargestellt.

Nietzsche sagte über Lou „von welchem Stern bist denn du uns zugefallen?“. Das fiel mir wieder ein und darum habe ich diese Sternenkette mitgebracht.

Nietzsche hat ja sehr selten so persönlich gesprochen.

Als ich die Sternenkette Zuhause fand, war Lou wieder in meinem Kopf (lacht).

Ich verbinde den Pelzmantel stark mit Russland.

Die Kapitänsmütze deswegen, weil Lou Herrin über ihren Kopf ist. Ich bin mein eigener Herr.

Das Buch „Sternstunden der Menschheit“ von Stefan Zweig hat mich auch an Lou erinnert, die Thematik in dem Buch. Wie wird die Welt von morgen sein? Ich kann da beide sehr gut verbinden, obwohl sie sich ja nicht kannten.

Der Kimono – weil Lou sehr weltoffen war und die Goldfarbe an ihre Epoche des Fin-de-Siècle erinnert. Ich könnte mir vorstellen, sie hätte es auch so provokativ – kulturverbindend – getragen.

Lous Horizont war sehr groß.

Zigarette und Kaffee gehören auch zu Lou.

So kann ich sie mir vorstellen mit all diesen Dingen.

Was sind Deine derzeitigen Schauspielprojekte, -ausblicke?

Ich habe im Dezember letzten Jahres für eine historische ORF Spiel-Dokumentation über die Habsburger Dynastie in der Rolle der Geliebten des Kaisers Leopold I (*1640  +1705) gedreht. „Habsburgs Allüren“ wird im Jänner des Jahres im ORF ausgestrahlt.

Auch das Literaturprojekt mit szenischen Lesungen zum Roman „Morendo“ von Klaus Oberrauner geht 2022 weiter und ich arbeite auch an weiteren szenischen Lesungen mit Künstlern.

Es gibt auch noch weitere Rollenangebote für das Jahr und vielleicht ja auch mit literaturoutdoors ein weiteres Projekt (lacht).

Darf ich Dich abschließend zu einem Lou Achrostikon bitten?

Literatur

Offenheit

Unbewusstes

Ina Soléa, Schauspielerin _ Wien

Herzlichen Dank, liebe Ina, für Dein Kommen und Deine Zeit in großartiger Wort/Porträt/Performance wie die wunderbare Vorbereitung und Auswahl der Kostüm- und Requisitenvariationen wie Dein Interview zum Thema Lou Andreas-Salomé, Schriftstellerin, Psychoanalytikerin (*1861 Sankt Petersburg   +Göttingen 1937).

Liebe Ina, viel Freude und Erfolg für alle Schauspiel- Literaturprojekte 2022!

Station bei Lou Andreas-Salomé _ Wien

im Gespräch und Fotoporträt_

Ina Soléa, Schauspielerin _ Wien

Interview und alle Fotos_Walter Pobaschnig _

Grand Hotel Mercure Biedermeier Wien_

https://literaturoutdoors.com

Walter Pobaschnig 1:_22

„Dass Kunst uns ein bisschen Lebensgefühl wieder gibt und auch verbindet“ Nataya Sam, Schauspielerin _ Wien 5.1.2022

Liebe Nataya, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Ich nutze diese Zeit der vielen Unmöglichkeiten letztes Jahr dazu, mich um meine Gesundheit zu kümmern. Ich habe mein Schauspielstudium abgeschlossen, wofür ich ein Stück erarbeitet habe, – was sehr viel Arbeit war, aber es war eine wunderschöne und sehr lustige Arbeit ( der Titel ist „Hommage an die Sinnlosigkeit“) – habe eine Bewerbungswelle hinter mich gebracht und gönnte mir dann eine kleine Auszeit in einem therapeutischen Programm. Deshalb war mein Tagesablauf unter der Woche mit vielen Therapien durchzogen, was mir sehr gut tat.

Ende November letzten Jahres war ich damit fertig und jetzt habe ich vor, mit den Bewerbungen weiter zu machen und mir beruflich etwas aufzubauen, da ich mir vorgenommen habe diese Spielzeit frei zu arbeiten. Ich bin sehr interessiert an allem und motiviert für alles, was auf mich zukommt, sei es Theater, Film oder sonst etwas. In meiner Freizeit versuche ich, trotz Corona, meine FreundInnen zu sehen, ins Theater und ins Kino zu gehen und mich auch handwerklich auszutoben. Ich übe mich gerade an der Bildhauerei: für meine Abschlussarbeit habe ich eine lebensgroße, goldene Kuh gebaut und vor kurzem habe ich aus Sandstein eine Schlange geschlagen. Außerdem plane ich, meine Hommage nochmal aufzuführen.

Nataya Sam, Schauspielerin

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Auf uns zu achten. Auf unsere Bedürfnisse und wie sie sich mit den Corona Maßnahmen vereinbaren lassen.

Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Musik, der Kunst an sich zu?

Ob wir tatsächlich vor einem Aufbruch stehen, weiß ich nicht. Dieses Aufbruchsgefühl war ja schon im Frühling da, als sich die Maßnahmen gelockert haben und unser Leben normaler wurde. Jetzt sieht es wieder anders aus, die Maßnahmen werden wieder verstärkt und es fühlt sich wie ein Rückschritt an. Außerdem dachten ja alle, dass es „nach Corona“ ganz anders werden würde. In dieses „nach Corona“ durften wir ja zum Glück im Sommer schon ein bisschen rein schnuppern, es hat sich zwar manches verändert, wie z.B. dass Kreuzfahrtschiffe nicht mehr nach Venedig rein dürfen, aber so ein starker Umbruch scheint es mir nicht zu sein. Aber vielleicht kommt das ja noch. Dafür scheint es mir wichtig, dass wir auf bestimmte Veränderungen beharren und unsere vielleicht neuen oder veränderten Lebenselemente mit aller Kraft beibehalten. Was natürlich einen großen Unterschied macht, sind die Abstandsregelungen und das Maskentragen. Das hat unser Leben schon sehr verändert. Ich glaube es ist wichtig, dass wir unser Näherverhältnis neu ausloten um Nähe wieder zulassen zu können und das vielleicht auf eine Art, die uns eher gut tut und passender ist.

Ein wichtiger Aspekt der Kunst ist gerade, dass sie unterhält, dass sie wieder stattfindet und uns ein bisschen Lebensgefühl wieder gibt und auch verbindet, vor allem wenn man Teil der Szene ist. Wichtig ist, dass sie die neuen Erfahrungen verarbeitet und bearbeitet. Viele Menschen und vor allem KünstlerInnen haben sich in dieser Corona Zeit viel mit Rückzug, Einsamkeit, Abgeschiedenheit usw. konfrontiert. Das sind meiner Meinung nach wichtige Themen, die davor vielleicht etwas untergegangen sind oder eventuell auch ein bisschen tabuisiert waren. Also zumindest kommt mir das beim Thema Einsamkeit so vor, wenn ich da an mich denke. Zuzugeben einsam zu sein scheint mir gefühlsmäßig – nicht rational! – eine Niederlage zu sein. Da finde ich es sehr praktisch, dass das jetzt so in den Vordergrund gerückt ist und dass es „okay geworden“ ist, sich einsam zu fühlen und darüber zu reden. Also ja, wahrscheinlich gibt es und gab es schon viele Aufbrüche, da habe ich mich vorher wohl geirrt.

Was liest Du derzeit?

Ich lese zur Zeit „Keine Ahnung“ von Nele Stuhler und „Im Grunde gut“ von Rutger Bregman. Mit Nele habe ich schon mal gearbeitet, wir haben zusammen eine Stückentwicklung gemacht, in der auch Textpassagen aus ihrem Buch vorkommen. Die Arbeit war wunderschön, mein liebstes Projekt bis jetzt, in dem ich mitwirken durfte. Ich bin ein großer Fan ihrer Texte, sie machen so viel Spiellaune und Lust damit zu experimentieren. Das Buch von Rutger Bregman hat mir meine Psychiaterin empfohlen und ich kann es nur allen Leuten und vor allem Menschen mit depressiver Neigung empfehlen. Bregman betrachtet die Welt aus der Sicht, dass der Mensch nicht im Grunde schlecht, sondern eben gut ist und das belegt er mit vielen geschichtlichen Ereignissen und wissenschaftlichen Studien. Zum Beispiel stellt er das Stanford Prison Experiment richtig: Die TeilnehmerInnen, die die Wärter spielten, waren nicht von sich aus so brutal und grausam zu jenen, die die Gefangenen spielten, sondern sie wurden vorher von Philip Zimbardo dazu instruiert und führten diese Vorgaben unter dem Glauben aus, etwas Gutes für die Wissenschaft zu tun. Unterm Strich behauptet Bregman die Menschen täten Böses unter der Annahme Gutes zu tun. Es ist sehr erfrischend die Welt aus dieser Sicht zu betrachten und wenn man das jetzt auf Corona und einen möglichen Blackout umlegt, macht man sich gleich viel weniger Sorgen.

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Der Abschlusssatz meines Stückes: „Zum Glück hat das Leben keinen Sinn.“ – Camus

Nataya Sam, Schauspielerin

Vielen Dank für das Interview liebe Nataya, viel Freude weiterhin für Deine großartigen Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute! 

5 Fragen an Künstler*innen:

Nataya Sam, Schauspielerin

https://de.stagepool.com/cvbase/cv/pro/870129

https://www.castupload.com/actors/nataya-sam

Fotos_Paula Hummer

8.11.2021_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com

„Mehr Freude an diversen, literarischen Stimmen jenseits von Stereotypen und Labels“ Andrea Schmidt, Visual Artist _ Berlin 4.1.2022

Liebe Andrea, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Aufstehen, lesen, in den Verlag spazieren. Arbeiten. Changieren zwischen Verlagsalltag und meiner Arbeit als Grafikdesignerin. Viele Pausen einlegen, spazieren gehen. Pandemiebedingt brauche ich aktuell eine gute Arbeitsstruktur und Ruhephasen zwischendurch, um mich fokussieren zu können. Der Ausgleich zwischen Komplexität und Entspannung ist in den letzten Monaten wichtiger geworden. Und die Gespräche mit Freund*innen. TaiChi. Viele Bücher. Einen ausgewogenen Schlafplan.

Andrea Schmidt_Verlegerin, Typografin und Lehrende

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Solidarität und Empathie. Keine gesellschaftlichen Grabenkämpfe. Ein wacher politischer Blick. Achtsamkeit im Umgang mit einem selbst und für andere.

Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?

Die letzten anderthalb Jahre empfinde ich als Zäsur. Ich denke auch, dass wir jetzt vor einem neuen, gesellschaftlichen und persönlichen Aufbruch stehen. Ich finde es wichtig, dass wir eine gemeinsame Sprache finden, die möglichen Spaltungen in der Gesellschaft entgegenwirkt. Vielleicht müssen wir sogar ein neues Vokabular entwickeln, um gemeinsam diese Krise überstehen und Handlungsweisen für zukünftige Krisenzeiten entwickeln zu können.

Kunst und Kultur sind neben Bildung und Sozialwesen tragende Pfeiler des sozialen Zusammenhalts demokratischer Gesellschaften. Die Geschichte zeigt, dass sich in Krisenzeiten Gesellschaften zunehmend polarisieren. Eine diverse Kulturlandschaft ermöglicht es, den Zusammenhalt einer vielfältigen Gesellschaft zu stärken und sie vor anti-pluralistischen und populistischen Tendenzen zu schützen.

Literatur im Speziellen ist wirksam und kann multidimensionale Perspektiven eröffnen, neue Bilder von Welt erschaffen, komplexe Themen formulieren und Debatten anregen. Sie kann unseren Blick erweitern und neue Räume eröffnen. Ich wünsche mir mehr positiven Umgang mit Vagheit und Komplexität, und auch mehr Freude an diversen, literarischen Stimmen jenseits von Stereotypen und Labels wie z. B. Frauen- oder Befindlichkeitsliteratur. Für das Verlagshaus Berlin und für alle Independent-Verlage wünsche ich mir eine unabhängige Verlagsförderung in Deutschland.

Was liest Du derzeit?

»Dream House« von Carmen Maria Machado (Serpent’s Tail, 2020) – brilliante, kaleidoskopartige Fragmente einer queeren Protagonistin, die über Missbrauch in einer toxischen Beziehung erzählt. In ihren Streifzügen durch verschiedene literarische Genres versammelt sie eine Menge Kompliz*innen um sich, allen voran Zora Neale Hurston, Louise Bourgeois oder Godspeed You! Black Emperor. Lyrische Prosa!

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

»Wir werden sie sammeln müssen, die körperlichen und psychischen Spuren, die sich in uns einschreiben, ob wir sie wahrhaben wollen oder nicht.« Carolin Emcke

(14. April 2020 aus: Emcke, Carolin: Journal. Tagebuch in Zeiten der Pandemie, S. Fischer 2021, S. 89)

Andrea Schmidt_Verlegerin, Typografin und Lehrende

Vita:

Andrea Schmidt lebt in Berlin und arbeitet als Verlegerin, Typografin und Lehrende. Seit 2005 führt sie als Mitverlegerin das Verlagshaus Berlin – ein Independentverlag für Gegenwartslyrik und Illustration. 2010 gründete sie »Typografie/im/Kontext«, ein Atelier für Grafikdesign mit Fokus auf Editorial und Corporate Design. Sie interessiert sich für multilinguale Typografie, inklusives Design, hält Vorträge und Workshops im Bereich transkultureller Gestaltung und lehrte Typografie und Designtheorie u. a. an der UdK Berlin, der FH Potsdam, der CAA Hangzhou (China) und der HBK Braunschweig. In dem Projekt »Ampersand Interart« inszeniert sie intermediale Musik- und Literaturprojekte in Form von Licht- und Bewegtbild. (www.typografie-im-kontext.de)

Vielen Dank für das Interview liebe Andrea, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Verlags-, Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

5 Fragen an Künstler*innen:

Andrea Schmidt_Verlegerin, Typografin und Lehrende

Fotos_1,2,6 Charlotte Werndt; 3 Verlagshaus Berlin; 4 Haus für Poesie; 5 Cordula Giese.

10.11.2021_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com