Liebe Bérénice, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Zurzeit recht unspektakulär. Ich stehe zwischen 8 und 9 Uhr auf und mache Yoga zum in den Tag kommen. Danach mache ich Musik an, bereite mir mit der Mokkamaschine einen Espresso zu. Bis der fertig ist, gehe ich ins Bad. Mein Espresso-Frühstück genieße ich dann, während ich meine Mails checke und die Nachrichten lese. Danach arbeite ich meine selbstgeschriebenen To-do-Listen ab, die momentan eher kurz sind.
Ich gehe raus, um meinen kleinen Erledigungen nachzugehen und kaufe mir dann noch irgendwas Leckeres zu Essen. Zuhause wieder angekommen, mache ich mir noch einen Kaffee und arbeite an meinen eigenen kleinen künstlerischen Projekten weiter, wie zum Beispiel an UNDINE, ein Langzeitprojekt von mir, in dem ich inspiriert von Ingeborg Bachmanns Undine geht, Jean Giraudouxs Undine und Friedrich de La Motte Fouqués romantischen Undine Märchen einen Text bzw. Monologe entwickle und in Form von Videos, Fotos und Musik als Ausdrucksmittel dessen experimentiere.

Öfter veröffentliche ich dann auch mal Videos auf Instagram und Facebook. Es tut mir gut mit meinen Gedanken und Ideen nach außen zu gehen. Auch wenn es die Situation vor Publikum auf der Bühne zu spielen natürlich nicht ersetzt. Aber mir ist es vor allem wichtig weiterhin künstlerisch aktiv zu bleiben. Manchmal habe ich dann aber auch doch keine Motivation daran weiterzuarbeiten und lese dann lieber oder gehe draußen spazieren. Da kommen mir aber manchmal neue Gedanken und Input.
Oftmals begegne ich nach dem Spaziergang meiner Nachbarin von gegenüber, eine ältere Dame, mit der ich dann immer noch ein bisschen plaudere. Neuerdings legt sie mir fast jeden Tag eine Kleinigkeit, wie etwa ein paar Trauben, eine Zwiebel oder einen Apfel vor die Tür, weil sie zu viel davon hat und mir eine Freude bereiten will. Das zaubert mir immer ein Lächeln ins Gesicht. Ich bringe ihr dann am Wochenende mal ein Stück selbstgebackenen Kuchen oder eine Räucherforelle vom Fischladen mit. Abends mache ich dann meistens nochmal Yoga, koche mir danach Abendessen, zünde Kerzen an und schaue mir einen Film auf Mubi an. Gegen 0 Uhr bin ich dann sehr müde und gehe ins Bett.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Positiv bleiben und noch ein bisschen durchhalten. Versuchen das Beste aus der Situation zu machen. Momentan ist ja schon etwas mehr Licht in Sicht. Auch wenn ich mir darüber bewusst bin, dass ich das aus einer sehr privilegierten Position heraus sage mit meiner Festanstellung hier am Theater. Für viele Menschen ist es wahrscheinlich nicht so einfach positiv zu denken.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?
Das Theater hat zum einen die die Aufgabe thematisch intensiv auf die Pandemie und die vergangenen Ereignisse einzugehen, zu reflektieren, zu verarbeiten und Menschen die Chance zu geben, sich darüber auszutauschen und in Kommunikation darüber zu kommen. Bis vor kurzem haben wir hier im Schlosstheater Celle an dem Stück „Die weisse Krankheit“ von Karel Čapek geprobt. Ein tschechisches Stück aus den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts. In diesem Stück geht es auch um eine Pandemie: die weiße Krankheit, die im Originalstück aber in Zusammenhang gebracht wird mit den Folgen und Auswirkungen des Faschismus und dem Krieg. In unserer Fassung haben wir aber den Fokus vor allem auf einen Abgleich mit aktuellen Zeitgeschehen, zum Beispiel die Gefahr des Zerbröckelns der Demokratie durch Unmut in der Gesellschaft und aufkommende Radikalisierung gelegt. Ich war in der Probenzeit dankbar für die Möglichkeit, mich mit meinen Kolleginnen und dem ganzen Team der Produktion regelmäßig über aktuelle Geschehnisse austauschen und das dann auf die Bühne bringen zu können. Auf Abstand und mit Maske natürlich. Ich bin sehr gespannt wie das Publikum die Inszenierung dann aufnehmen wird, sollte es dann zur Aufführung kommen.
Zum anderen glaube ich, dass sich die Menschen jetzt auch Ablenkung und Erfrischung wünschen. Sie wollen nicht immer wieder mit den Problemen ihres Alltags und der Corona-Krise konfrontiert werden. Ich denke, dass es wichtig ist, einen Ausgleich zwischen Reflexion aktuellen Zeitgeschehens, das Entwerfen und Nachdenken über neue Perspektiven in der Zukunft und aber auch mal ablenkender Unterhaltung zu finden. Denn ich verstehe auch die Sehnsucht nach Ausbruch aus dem Alltag. Und wir dürfen auch nicht vergessen, dass es noch viele andere wichtige Themen und Problematiken zu bearbeiten gibt abgesehen von Corona. Jedoch ist es wichtig sich mit der aktuellen Problematik der Pandemie auseinanderzusetzten. Diese Krisensituation wird wohl sowieso von alleine in die Kunst miteinfließen und unsere Zeit wiederspiegeln, ob wir es wollen oder nicht. Es wird auf jeden Fall viel neuen Stoff und alten Stoff neu zu bearbeiten geben.
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Vielen Dank für das Interview liebe Bérénice, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Schauspielprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!
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10.3.2021_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.