„Wie stark eine Person von der Corona-Krise betroffen ist, hängt immer von ihren Privilegien ab“ Lennardt Loß, Schriftsteller_Frankfurt/Main 15.5.2020

Lieber Lennardt, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Nicht viel anders als vor Covid-19. Meinen Arbeitstag verbringe ich wie immer zu Hause am Schreibtisch. Gerade recherchiere ich für mein zweites Buch: Ein Anti-Heimat-Roman, der im bayrischen Lederhosensexfilmmilieu der 1970er Jahre spielt. Zwischendurch bin ich damit beschäftigt, „Die Geschichte der Kunst“ von H. C. Gombrich, die ich in der Quarantänezeit endlich, endlich, endlich zu Ende lesen wollte, doch nicht weiterzulesen. Als ich das Buch vor einer gefühlten Ewigkeit beiseitegelegt habe, galt Karl-Theodor zu Guttenberg hierzulande noch als „heißer Kanzlerkandidat“.

 

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

 Wir sollten daran denken, dass die Probleme und Konflikte in dieser Welt nicht verschwinden, auch wenn wir uns gerade zu Hause einschließen. Die Geflüchteten auf den griechischen Inseln sind auch weiterhin gezwungen, in erbärmlichen und menschenunwürdigen Verhältnissen zu leben, während es hier die größte Sorge zu sein scheint, dass man diesen Sommer sein Ferienhaus in Schleswig-Holstein wohl nicht beziehen darf. Ich glaube, gerade zeigt sich eines überdeutlich: Wie stark eine Person von der Corona-Krise (oder von jeder anderen Krise auch) betroffen ist, hängt immer von ihren Privilegien ab. Wir könnten das zum Anlass nehmen, uns ehrlich zu fragen, warum wir so privilegiert sind – und warum es so viele andere Menschen nicht sind. Und wie das vielleicht zusammenhängt.

 

Lennardt Loß

 

Vor einem Aufbruch, Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?

Ich glaube nicht, dass die Literatur oder die Kunst im Allgemeinen einen Aufbruch oder einen Neubeginnen begleiten kann. Jedenfalls nicht synchron. Das ist die Aufgabe des Journalismus. Ein kluger Feuilletontext ist viel erkenntnisreicher als jeder hastig-heruntergetippte Covid-19-Roman. Literatur braucht Zeit und Abstand zu ihrem Erzählgegenstand. Der erste gute Wenderoman ist ja auch erst etwa 20 Jahre nach der Wende entstanden.

 

Was liest Du derzeit?

Den Short-Story-Band „Heimweh nach einer anderen Welt“ von meiner aktuellen Lieblingsautorin aus den Vereinigten Staaten Ottessa Moshfegh. (Nur Killersätze wie: „Manchmal steckte ich mir den Finger in den Hals. Außerdem drückte ich an meinen Pickeln herum. Die roten Stellen deckte ich mit flüssigem Make-up für Mädchen ab, das ich bei Walgreens klaute. Der Farbton, den ich benutzte, nannte sich ‚Classic Tan‘. Ansonsten hatte ich wahrscheinlich keine Geheimnisse.“)

 

Welchen literarischen Impuls möchtest Du uns mitgeben?

Aus Wolfgang Herrndorfs „Stimmen“: „In 200 Jahren wird außerdem völlig klar sein, dass die Spitzenleistung der bildenden Kunst der Jahrhundertwende ‚Grand Theft Auto‘ war und nicht dieser subventionierte Nachdenkquatsch in zehn Meter hohen Hallen, hergestellt von Leuten mit drei Zahnrädern im Gehirn und begutachtet von Leuten ohne ein einziges.“

 

Vielen Dank für das Interview lieber Lennardt, viel Freude und Erfolg für Dein aktuelles großartiges Buch „Und andere Formen menschlichen Versagens“ wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!

 

 

5 Fragen an KünstlerInnen:

Lennardt Loß, Schriftsteller

Aktuelles Buch des Autors: „Und andere Formen menschlichen Versagens“ 2019, Weissbooks

Weitere Informationen:

„Und andere Formen menschlichen Versagens“ Lennardt Loß. Roman. Neuerscheinung weissbooks.

 

 

3.5.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online/per Mail  geführt.

Foto_Lennardt Loß

 

 

„Wichtig wäre es daher, zuallererst einmal anzuerkennen, dass etwas fehlt“ DARUM, Kunstkollektiv_14.5.20 Wien

Liebe Laura, Liebe Victoria, Lieber Kai, wie sieht jetzt Euer Tagesablauf aus?

Momentan sieht unser Tagesablauf nicht viel anders aus als in der Zeit vor Corona – nur zu unserem Leidwesen mit weniger Frischluft und Bewegung. Da wir mit der Adaption von AUSGANG: OFFEN zum experimentellen Performancefilm nach wie vor allerhand zu tun haben, fühlen sich die Tage nach einer kurzen „Schockstarre“ Mitte März, die in der ganzen Szene zu spüren war, seit ein paar Wochen einem Arbeitsalltag wieder sehr nahe. Da wir gerade mit der Postproduktion des Films beschäftigt sind – Schnitt, Sounddesign, Onlinemarketing und so weiter – findet unsere Hauptarbeit nun an unseren Schreibtischen vor den Computerbildschirmen statt. Das mit der Heimisolation ist für uns also derzeit notgedrungen recht einfach. Etwas mehr Abwechslung gab es dafür vor ein paar Wochen an unseren fünf Drehtagen. Wir haben im kleinen Team im 10. Bezirk gefilmt und trotz Sicherheitsabstand und Masken war es für alle merklich erfrischend, zumindest wieder unter Menschen zu sein. Vor allem war es ein schöner Moment, unsere Spieler*innen nach wochenlangen Online-Proben zum ersten Mal live und am Spielort spielen zu sehen.

 

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Die momentane Zeit konfrontiert uns mit vielen Herausforderungen – ob privat oder gesamtgesellschaftlich – und macht auf verschiedenen Ebenen deutlich, welche Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten unsere Gesellschaft durchziehen. So eine Ausnahmesituation birgt ja immer auch ein enormes Potential für erneutes kritisches Hinterfragen und kann schon mal den einen oder anderen blinden Fleck der eigenen Position lösen. Wünschenswert wäre nun, die zahlreich angestoßenen öffentlichen Diskurse konsequent weiterzuführen. Wenn uns die letzten Wochen etwas gezeigt haben, dann womöglich, dass die eigenen Handlungen tatsächlich einen größeren gesamtgesellschaftlichen Einfluss haben können, als wir uns vielleicht hätten vorstellen können.

DARUM-Teamfoto-∏ DARUM

 

Vor einem Aufbruch, Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater, der Kunst an sich zu?

Ob und inwieweit die derzeitige Krise in einen Neubeginn mündet, muss sich noch zeigen. Derzeit sehen wir vor allem Tendenzen, auf Biegen und Brechen zum bisherigen gesellschaftlichen Zustand mit seiner alten Logik zurückzukehren. Es stimmt aber, dass ein Ereignis wie die Coronakrise zumindest das Potential birgt, neue Ideen von Gesellschaft zu denken und im besten Fall auch in die Tat umzusetzen.

Die Rolle, die dem Theater und der Kunst dabei zukommt, sehen wir gerade sehr widersprüchlich und ambivalent verhandelt. So schön und begrüßenswert es auch ist, dass Online-Streaming-Plattformen wie Pilze aus dem Boden schießen, Häuser ihre Archive öffnen und ganze Ensembles aus ihren privaten Bücherschränken vorlesen, so deuten diese kreativen Notlösungen (neben ihrem demokratischen und niederschwelligen Potential, große Zuschauerschichten zu erreichen, die sich so manche Theaterkarte sonst nicht leisten könnten) doch auch gleichermaßen auf eine große Lücke. Deutlich wird: Die Gemeinschaft, das Versammeln, Verhandeln und Begegnen an einem Ort – das alles kann eben nicht durch rein digitale Angebote ersetzt werden. Ein Glück, könnte man hinzufügen.

Die Krise führt uns also zeitgleich die Relevanz wie auch die Verwundbarkeit der Darstellenden Kunst vor Augen. Und ebenso die seiner Akteur*innen. Von Künstler*innen wird aber oftmals eine gewisse Kreativität, eine Flexibilität und ein nahezu aktivistischer Idealismus im Umgang mit der Krise erwartet, die in Anbetracht der desaströsen finanziellen Situation vieler Künstler*innen und der teils undurchdachten und intransparent kommunizierten Rettungspakete bestenfalls an Naivität, viel mehr jedoch an Unverschämtheit grenzen. Wichtig wäre es daher, zuallererst einmal anzuerkennen, dass etwas fehlt. Diese Lücke dann zu schließen und Kunst zu ermöglichen wird zukünftig heißen müssen, die Bedürfnisse der Akteur*innen und ihre Arbeitsumstände tatsächlich ernst zu nehmen.

 

Was lest Ihr derzeit?

Momentan lesen wir neben der Zeitung arbeitsbedingt hauptsächlich die Timecodes von Film und Sound im Schnittprogramm. Wir haben aber im Vorfeld unserer Recherche viele Bücher zum Thema Tod und Sterben gelesen. So etwa So stirbt man also von Marc Ritter und Tom Ising, Über den Tod, eine Sammlung poetischer und philosophischer Texte zum Thema, Die Tränen des Eros von Georges Bataille und Recht auf Trauer von der Kulturanthropologin Francis Seeck. Besonders empfehlen können wir auch Letzte-Hilfe-Kurs von Martin Prein, der praktische Empowerment-Tipps im Umgang mit dem Tod mit auf den Weg gibt, den Roman Nebel des Schriftstellers und Totengräbers Mario Schlembach und Das Leben beginnt mit dem Tod von Lotte Ingrisch. Mit letzteren dreien haben wir uns für AUSGANG: OFFEN auch getroffen und Gespräche geführt.

 

Welchen Impuls aus Euren Theaterprojekten möchtet Ihr uns mitgeben?

Wir leisten uns im Rahmen unserer Projekte eine in der Darstellenden Kunst eher unüblich lange Recherchephase, die uns nicht nur mit Positionen aus der Literatur, sondern auch mit Menschen unserer eigenen Stadt in Berührung bringt, die sich beruflich wie privat mit den Themen unserer Stücke beschäftigen. Wir haben an viele Türen geklopft, Institutionen besucht, Interviews geführt, Bücher gewälzt – wir sehen unsere künstlerische Arbeit immer auch als Anlass, uns mit einem Thema tiefergehend zu beschäftigen und das eigene Halbwissen zu erschüttern. Unsere Projekte leben sehr von diesem Aspekt, Expert*innen ihrer Gebiete zu befragen und uns von ihren Erzählungen inspirieren zu lassen. Wer stand selbst schon mal in der Pathologie vor einer Leiche? Wer hatte schon ein Nahtoderlebnis? Wer spannende Geschichten über das Leben erzählen will, stößt schnell an Grenzen, wenn er oder sie sich ausschließlich auf eigene Erfahrungen reduziert. Dazu kommt, dass diese oft sehr persönlichen Geschichten und Erkenntnisse nicht einfach in Büchern nachgelesen werden können. In unseren Augen lohnt es sich daher, die Theaterhäuser und Schreibtische zu verlassen und der Welt und ihren Menschen zu begegnen.

 

Vielen Dank für das Interview liebes Kunstkollektiv DARUM, viel Freude und Erfolg für Euer großartiges Kunstprojekt AUSGANG: OFFEN und die Filmpremiere am 20.Mai 2020 wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!

 

5 Fragen an KünstlerInnen:

Kunstkollektiv DARUM: Victoria Halper, Kai Krösche, Laura Andreß.

Aktuelles Projekt: AUSGANG: OFFEN _Ein experimenteller Performancefilm über den Tod_ Premiere: 20.Mai 2020

https://facebook.com/events/s/nachtkritikstream-filmpremiere/233126391301319/?ti=as

https://www.darum.at/

 

5.5.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com

Credit: @DARUM.

 

„Wo zur Hölle ist der Rochen!“ Birgit und Nicole Radeschnig, Kabarettduo RaDeschnig, Wien 13.5.20

Liebe Birgit und Nicole Radeschnig, wie sieht jetzt Euer Tagesablauf aus?

B (Birgit) : Wir sind Homeoffice gewöhnt, daher ist der Ablauf im Großen und Ganzen gleich geblieben: Zuerst den Pyjama ausziehen für eine klare Trennung zwischen beruflich und privat, Kaffee trinken und unzählige Sätze produzieren, um schließlich eine Essenz rauszuquetschen, mit der es sich arbeiten lässt. Die kleine Abweichung: Wir werden wesentlich öfter gefragt, wie unser Tagesablauf aussieht, starren öfter auf Kurven und sind plötzlich gerührt, wenn irgendwo Applaus erklingt – wohl eine Symptomatik des kalten Entzugs.

N (Nicole) : Dazwischen versuche ich meinen 6 Monate alten Sohn als sozialen Kontakt und momentanen Arbeitgeber unbeschadet durch den Tag zu bringen.

 

 

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

B: Über diese Frage nachzudenken.

 

Birgit und Nicole Radeschnig_Stefan Grauf-Sixt

 

 

Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Kabarett und Kunst an sich zu?

B: Da ein Teil der Kreativität momentan in die Frage fließt, wie man die nächsten Monate finanziell bewältigen kann, wäre eine Art der sozialen Absicherung wünschenswert, die die monetären Ausfälle unseres Berufes auch realistisch kompensiert.

N: Wobei sich die Rolle des humoristischen Ventils ja durchaus auch digital einnehmen lässt…

B: Schon, aber gratis Content zu produzieren macht auch wesentlich mehr Spaß, wenn man damit nicht dringend Geld verdienen muss. Außerdem fehlt mir die Dynamik der unmittelbaren Reaktion des Publikums. Gottesdienste sind ja ab Mitte Mai wieder erlaubt – da ist die Kollegschaft aus der Showbranche irgendwo richtig abgebogen.

 

Was lest Ihr derzeit?

B: Karlheinz Deschner „Der gefälschte Glaube. Eine kritische Betrachtung kirchlicher Lehren und ihrer historischen Hintergründe.“

N: Schwager & Steinlein „Mein Fühlbuch – Streicheltiere.“

B: Wollen wir tauschen, sobald wir fertig sind?

N: Gern. Ich sags aber gleich, der Hase ist schon sehr abgegriffen und fühlt sich mittlerweile an, wie Beton.

B: Ich mag Beton eh lieber, als Hasen. Wenn ich dich grad hier hab: Mir ist aufgefallen, dass die Mundschutzmaske den Rosenkranz als Windschutzscheibendekor großteils abgelöst hat. Vielleicht lässt sich daraus ablesen, dass der Glaube an die Wissenschaft allmählich zunimmt…?

N: Glaub nicht.

 

Welchen Impuls möchtet Ihr uns mitgeben?

B: Als Anreiz zur gehobenen Zerstreuung empfiehlt sich die Haus des Meeres WebCam aus dem Haifischbecken. Es war Balsam für die Seele, sich nach der wirren und frustrierenden Pressekonferenz der Staatssekretärin für Kunst und Kultur einfach auf die Frage zu konzentrieren: „Wo zur Hölle ist der Rochen!“

 

Vielen Dank für das Interview liebe Birgit und Nicole Radeschnig, viel Erfolg für Eure großartigen Kabarettprogramme und Kunstprojekte und persönlich alles Gute!

5 Fragen an KünstlerInnen:

Birgit und Nicole Radeschnig, Kabarettduo

Weitere Informationen: 

https://www.radeschnig.net/

Für „Doppelklick“ erhielten RaDeschnig 2019 den Österreichischen Kabarettpreis für das beste Programm.

 

26.4.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

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„Und Füße waschen nicht vergessen!“ Manfred Rebhandl, Schriftsteller, Wien 12.5.2020

Wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Aufstehen gegen Mittag, Körperpflege, danach Hände waschen, danach Pfui Filme schauen, ein paar Dick Pics verschicken (danach Körperpflege), kleine Runde im Hof um die Mülltonnen herum, mit der Nachbarin ratschn (wer wen bei was gesehen hat) anschließend SauerteigbrotBackung vorbereiten, dabei Geschmischter Satz trinken, ev. noch ein paar Pfui-Filme anschauen (vor allem Ärztinnen und Krankenschwesternfilme, da kann man was lernen: „Warum steht hier eigentlich ein Intensivbeatmungsgerät herum?“)

 

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Jetzt ist für uns alle besonders wichtig, dass wir einen Heuschnupfen nicht auch noch kriegen! Und Füße waschen nicht vergessen!

 

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur zu?

Bei einem Neuaufbruch muss die Literatur natürlich besonders gute Anfangssätze liefern, sonst wird das alles nichts.

 

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Was liest Du derzeit?

Donald Duck TB 19 „Das falsche Gold“. Da muss ich immer an die neue ÖVP denken und den Dr. Sebastian Kurz, den falschen Fuffzger. Dann lese ich wieder mal die Bibel, aber von hinten nach vorne, mal schauen, was am Ersten Tag passiert, bin gespannt. Und natürlich lese ich den ganzen Franzobel, der ist immer mein Betthupferl. Auch natürlich, weil er so gut ausschaut, ein wirklich fescher Schriftsteller. Und so sympathisch!

 

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Es wird schon wieder wern, sogt die Frau Kern, weil bei der Frau Horn is` a wieder worn

 

Vielen Dank für das Interview lieber Manfred und weiterhin viel Erfolg für Deine  großartigen Romane und vielfältigen Autorenprojekte!

5 Fragen an KünstlerInnen:

Manfred Rebhandel, Schriftsteller, Reporter

 

Weitere Informationen zu Büchern des Autors: 

https://www.haymonverlag.at/autoren/manfred-rebhandl/

 

27.4.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://lteraturoutdoors.com

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„Geschichten kräftigen unser Immunsystem“ Marlen Schachinger, Schriftstellerin, Wien 11.5.2020

Liebe Marlen, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Unvorhersehbar, noch enger getaktet denn je zuvor und an den Tagesrändern ausufernder, da mir ein Solidaritäts-Projekt von und für Autorinnen besonders am Herzen liegt: »Arbeit statt Almosen« auf Startnext (https://www.startnext.com/fragmente). Gemeinsam mit Robert Gampus (buchsucht.at) startete ich diese Buchidee, zu der wir 19 weitere Autorinnen einluden. Eine Crowdfunding-Kampagne initiiert für unsere Leser*innen, die sich»Fragmente: Die Zeit danach« vorbestellen können, ein Buch, welches es ohne sie nicht gäbe, und das vor allem eines nicht will: jammern. Covid-19 und Corona sind darin kein Thema – wir haben sie mit entschiedenem Auftrittsverbot belegt! Uns geht es vielmehr um das Danach, welches jedweder Krise folgt, in die wir doch alle fortwährend und unser Leben lang stolpern: Was lernen wir daraus? Wie lässt sich dieser Bestandteil unseres Menschseins erzählen? Welche Kraft schlummert auch darin und wie erwecken wir sie literarisch zum Leben?

Marlen Schachinger
Marlen Schachinger, Schriftstellerin

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Gelassenheit und Achtsamkeit im Umgang miteinander, Tatkraft und Elan füreinander. Es sind Kleinigkeiten, die entscheiden, ob wir gut durch diese Zeit kommen, die winzigen Gesten, die Aufmerksamkeit und Zuwendung bedeuten, damit wir alle nicht in Erstarrung verharren, im So-ist-es, sondern uns fragen: Was kann ich jetzt für ein Danach tun? Nennen wir es Hoffnungsschimmer, nennen wir es einen kreativen Umgang mit dem Seienden, das wir nicht ändern können. Ich denke dieser Tage oft an Boccaccios »Decamerone«: Wer konnte, floh vor der Pest aufs Land, wo man zuerst in Langeweile und Elend versumpfte, bis man auf die Idee kam, anderes in die Mitte des Denkens zu stellen und einander Geschichten zu erzählen, schaurige, spannende, unterhaltsame und pikante, absurde und witzige – allesamt rund um weitere unerhörte Begebenheiten arrangiert. Wie auch der Schwarze Tod eine war. Ein stilbildendes Werk, das zeigt, wozu Krisen führen können, wie Geschichten unser Immunsystem kräftigen und wie daraus in weiterer Folge etwas gänzlich Neues entstehen kann.

Es wird jetzt ein Neubeginn sein, vor dem wir gesellschaftlich und persönlich stehen werden. Was wird dabei wesentlich sein?

Man hat immer die Wahl an das Gute oder an das Schlechte zu glauben; ich ziehe ersteres vor, denn zweites raubt viel zu viel Kraft! Eine idealistische Optimistin zu sein, muss aber keineswegs Naivität im Gepäck führen; unser bisheriges Wirtschaftskonzept scheint uns nicht mehr ganz so siegreich, unser gesellschaftliches System ist eindeutig problematisch und von Werten haben wir jahrelang nur noch am Rande etwas vernommen. Gegenwärtig erleben wir auf einer breiteren gesellschaftlichen Ebene relevante Infragestellungen, sie beginnen bereits zu einer Entwicklung beizutragen, und das ist sehr gut so. Wesentlich sind immer die Weichen, die wir im Heute für ein Morgen stellen, danach ist es zu spät. Wie bringen wir uns ein oder wagen wir es aus Mattigkeit, Feigheit, Desinteresse, Ohnmachtsgefühlen nicht? Leben heißt in meinen Augen aber Verantwortung zu übernehmen, für unsere Kinder und Kindeskinder, ihnen eine bessere Welt zu hinterlassen, als diejenige, in die wir geboren wurden – im Kleinen wie im Großen.

Was liest Du derzeit?

Ich habe gerade Olga Tokarczuks »Der liebevolle Erzähler« abgeschlossen, lese in den Romantiker*innen, die ich in düsterer Zeit immer sehr bereichernd empfinde; und Maria Lazar »Leben verboten«, eine grandiose österreichische Autorin, die in den 1920er- und 30-er Jahren schrieb, alsdann ausgemerzt und vergessen wurde, bis Albert Eibl sie in seinem Verlag »Das vergessene Buch« wiederauflegte. Eine spannende Wiederentdeckung einer expressionistischen Literatin und großen Österreicherin, der ich ein fulminantes Echo wünsche!

Welches Zitat, welchen literarischen Impuls möchtest Du uns mitgeben?

Dieser Tage wurde ich zu meiner Namensgeberin befragt, Marlen Haushofer, da die Kollegin am 11. April ihren 100. Geburtstag feiern hätte können, hätte der Krebs sie nicht 1970 – mit gerade mal 50 – zum Sterben verurteilt, deshalb sei das Schlusswort hier ihr gewidmet. Ihr literarisches Vermächtnis lautet bekanntlich »Mach dir keine Sorgen«. Jener knappe Text kennt wohl so viele Auslegungen, wie es Kommentator*innen dazu gibt. Mir ist er vor allem tröstlich, weil er implizit aussagt, wie menschlich Scheitern ist. Es geht im Leben nicht darum, Scheitern zu meiden, sondern vielmehr, Leben zu versuchen: Mit Elan, Charme und jeder Menge Humor.

Vielen Dank für das Interview liebe Marlen, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

5 Fragen an KünstlerInnen:

Marlen Schachinger, Schriftstellerin

Aktuelles Buch: „Kosovarische Korrekturen“ Promedia 2019

https://www.marlen-schachinger.com/

 

28.4.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com

„Ja, das Biest will fressen“ Angelika Stallhofer, Schriftstellerin, Wien _ 10.5.2020

Liebe Angelika, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Am 17. März habe ich mit dem „SONNENKRANZ.“ begonnen. Unter diesem Titel schreibe ich jeden Tag einige Zeilen. Es sind Verdichtungen, knappe Notizen. Die Idee dazu kam spontan. Es war ein starker Impuls, dem ich gefolgt bin. In der ersten Notiz schrieb ich: „Ich bin nervöser als sonst, mir fällt das Wort aus der Hand, rollt unter den Tisch. Ich suche im Staub noch nach dem Wort von gestern.“ Mittlerweile bin ich sehr ruhig. Das überrascht mich, ich staune über mich: Wie gefasst ich geworden bin. Wie rasch man sich an das Unfassbare gewöhnt.

Und kein Schatten ohne Licht. Auch wenn die Situation beunruhigend ist, das Schreiben fällt mir gegenwärtig leichter als sonst. Die Zeit der Quarantäne erinnert mich an die Ruhe zwischen Weihnachten und Silvester. Ich kann gut arbeiten, wenn die Welt ein wenig inne hält. Die “SONNENKRANZ.“-Notizen nehme ich einmal in der Woche auf und stelle sie ins Kulturforum von Ö1. Diese Regelmäßigkeit ist wohltuend. Auch andere kleine Rituale und Wiederholungen wie Spaziergänge.

Außerdem arbeite ich an meinem nächsten Roman und gerade an einem langen Prosagedicht für das Buch „Fragmente – Die Zeit danach“. Marlen Schachinger und Robert Gampus haben mich und 18 weitere Autorinnen zu diesem Projekt eingeladen. Wir möchten das Buch via Crowdfunding finanzieren und hoffen auf die Solidarität unserer Leser*innen. Wer uns bis 15. Mai mit 25 Euro unterstützt, erhält im Herbst das gedruckte Buch.

 

Angelika Stallhofer _ www.detailsinn.st

 

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Die Nähe zueinander trotz der räumlichen Distanz nicht zu verlieren. Aber das sind ohnehin zwei Paar Schuhe. Nähe hat viele Gesichter, Entfernung muss dabei keine so große Rolle spielen.

An dem Tag, als Orbán das Parlament entmachtete, notierte ich: “Das Virus sperrt den Rachen auf und wir werfen die Freiheit hinein.“ Auch unsere Freiheit, zu denken, wachsam zu sein, zu kritisieren. Ja, das Biest will fressen. Doch es darf nicht sein, dass wir ihm wahllos alles servieren.

Ich neige nicht zum Pessimismus, trotzdem fürchte ich, wir werden nach der Krise die gewohnten Muster wiederholen. Wir werden konsumieren und die kapitalistischen Rädchen werden schneller greifen beim Versuch, das nun Versäumte zu kompensieren. Die Natur wird wieder den Kürzeren ziehen.

 

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur zu?

Die Literatur ist, wo sie aufrichtig ist, immer neu. Sie kann gar nicht anders. Und gewöhnlich berührt sie Menschen auf diese Art. Sie ist ein berühmter Spiegel. Das Spiegelbild kann Bestärkung bringen, Zweifel, Anregung, Trost. Ob man in diesen Spiegel hinein schauen will, muss jede/r selbst entscheiden. Aber es gibt ihn. Und er ist mindestens so notwendig wie schön.

 

Was liest Du derzeit?

Gertraud Klemm: Hippocampus. Michael Stavarič: Fremdes Licht. Und Paul Auer: Fallen.

 

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

„Ich sehe geträumte Landschaften so deutlich wie wirkliche. Beschäftige ich mich mit meinen Träumen, beschäftige ich mich mit etwas Wirklichem. Sehe ich das Leben vergehen, so träume ich etwas.“

(Fernando Pessoa, Das Buch der Unruhe)

 

Vielen Dank für das Interview liebe Angelika, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

 

5 Fragen an KünstlerInnen:

Angelika Stallhofer, Schriftstellerin

Aktueller Roman: „Adrian oder: Die unzählbaren Dinge“ Kremayr-Scheriau Verlag, 2018

https://www.kremayr-scheriau.at/autoren/angelika-stallhofer/

 

Der „SONNENKRANZ.“ auf Ö1
https://oe1.orf.at/ugcsubmission/view/5a4e8035-ded7-4a16-821a-e35ee2711f11/SONNENKRANZ-Maerz-2020

Das Crowdfunding-Buch „Fragmente“/Arbeit statt Almosen
https://www.startnext.com/fragmente

 

28.4.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com

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„Kunst schaffen, die nachhaltig und positiv verändert“ Ernst Kurt Weigel_Schauspieler, Regisseur, Theaterdirektor, Wien 9.5.2020

Lieber Ernst, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Ausschlafen (dauert bei mir bis etwa 7.30) – Frühstück – Joggen – Duschen- Frühstücken – Konzepte für Stücke/Konzepte für Produktionen/Konzepte für die Bühnenkunst im Allgemeinen und Speziellen/Konzepte für meine künstlerische Zukunft überdenken, bearbeiten, ersinnen und niederschreiben oder Bücher lesen – mehrere koffeinfreie Kaffees und Telefonate dazwischen – Ins OFF fahren und schauen, ob alles passt, wahlweise Theaterdirektor spielen und als solcher arbeiten (nicht zu viel, weil Kurzarbeit) – Nachmittags: Raus an die frische Luft und denken – Einkaufen-Kochen-Essen – Abends: Lesen / Serienschauen – Schlafen (etwa 23Uhr)

Ernst Kurt Weigel

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Nachdenken, ob wir unser Leben nach der Krise genauso weiterführen wollen, wie wir davor gelebt haben. Und regelmäßig Sex haben!

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater, der Kunst zu?

Das Wesentliche ist das oben genannte besonders Wichtige! Die Rolle, die das Theater für mich immer hatte: zu zerstreuen, zu erbauen, nachdenklich zu machen, dort hinzeigen, wo keiner hinschauen will, Licht hinhalten, wo Schatten ist, Kunst schaffen, die alle Menschen nachhaltig und positiv verändert…

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Was liest Du derzeit?

Ui, viel zu viel, und das parallel: Biografien über Stalin, Semmelweis und Nina Hagen, „Und sie wurden zerstreut unter alle Völker“ (kulturhistorischer Wälzer über das Judentum vom Anfang bis heute), „Die Zeit“ Ausgaben von vor 4 Monaten, die Falter vom ganzen April, und eine Menge anderer… Hab nämlich die dumme Angewohnheit, sehr viele Bücher anzufangen, wegzulegen und nach Tagen, oft Wochen wieder aufzunehmen, weiter- oder fertiglesen und so weiter. Deshalb habe ich Büchern gegenüber permanent ein schlechtes Gewissen. Hab ich eines ausgelesen, behalte ich es jedoch nicht, sondern verschenke es sofort, damit es mich nicht so provokant anstarrt und flüstert: „Komm, mich kannst Du ruhig nochmal lesen!“

Welches Zitat aus Deinen aktuellen Theaterprojekten möchtest Du uns mitgeben?

„Die Österreicher sind vom Unglück Besessene“ T.Bernhard

Vielen Dank für das Interview lieber Ernst und weiterhin viel Erfolg mit dem wunderbaren Bernhard Ensemble und dem großartigen Off_Theater Wien!

5 Fragen an KünstlerInnen:

Ernst Kurt Weigel, Schauspieler, Regisseur, Theaterdirektor

das.bernhard.ensemble

Programm

26.4..2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

Szenenfoto_“Taxi Speiber“ Bernhard Ensemble_ 2017

 

„Nach Ende der Pandemie wird nicht alles besser werden, schon gar nicht von allein“ Petra Piuk, Schriftstellerin, 8.5.2020

Liebe Petra, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

So gegen 4:00 Uhr aufstehen. Schreiben. Schreiben. Schreiben. Frühstücken zu Mittag. Mit meiner Familie telefonieren. Mit Freundinnen und Freunden telefonieren. Schreiben. Eine Runde um den Block gehen, ein bisschen Yoga, tanzen. Also alles fast wie immer. Ich telefoniere nur viel mehr als sonst.

 

Petra Piuk

 

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Mitmenschlichkeit. Solidarisches Miteinander. Den Mut nicht verlieren. Und: weiterhin Abstand halten. Das ist für Menschen, die wie ich im gemütlichen Home Office sitzen, leicht gesagt. Das ist unmöglich für die Menschen in den völlig überfüllten Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln. Man kann es nicht oft genug sagen, laut schreien: Leave no one behind.

 

Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?

Kunst, Literatur kann gesellschaftliche Missstände aufzeigen. Der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten. Ganz genau hinsehen. Hinhören. Ich mag Literatur, die schonungslos ist. Die mutig ist. Neue Formen findet. Risiken eingeht. Die in offenen Wunden bohrt. Literatur darf wehtun. Und nach Ende der Pandemie wird nicht alles besser werden, schon gar nicht von allein, ich befürchte eher das Gegenteil. Die Krise trifft die ohnehin schon sozial benachteiligten Menschen besonders hart. Es braucht dringend soziale Gerechtigkeit.

 

Was liest Du derzeit?

Mein Las Vegas-Manuskript, das ich in ein paar Tagen abgeben soll. Zeitungen. Schulaufsätze. Auf meinem Nachttisch stapeln sich die Neuerscheinungen, ich glaube nach der Manuskriptabgabe werde ich wieder die Zeit finden Romane zu lesen, besonders freue ich mich auf den Debütroman von Leona Stahlmann.

 

Welchen literarischen Impuls möchtest Du uns mitgeben?

Jetzt kann ich erleben, wer ich wirklich bin.
Lütfiye Güzel, dreh-buch

 

Vielen Dank für das Interview liebe Petra, viel Freude und Erfolg für Dein kommendes Buchprojekt und weiterhin für Deinen großartigen aktuellen Roman „Toni&Moni“ und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

 

5 Fragen an KünstlerInnen:

Petra Piuk, Schriftstellerin, 

Aktueller Roman: „Toni und Moni“ Kremayr&Scheriau Verlag 2017.

Taschenbuchausgabe „Toni&Moni“ Verlag Kein&Aber 2019

Petra Piuk

 

25.4.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com

Foto_Petra Piuk

„Hegel – der Philosoph der Freiheit“ Biographie, Klaus Vieweg. Beck Verlag

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Es ist eine Zeitenwende, in welche der älteste Sohn des Finanzkammersekretärs Ludwig Hegel und dessen Frau Maria Magdalene Louisa Hegel (geb.Fromm) vor 250 Jahren in Stuttgart geboren wird. Der Mensch greift nach den Möglichkeiten des Denkens und der Vernunft. Das neue Selbstbewusstsein zeigt sich in Bildungseinrichtungen wie gesellschaftlichen Ideen und Bewegungen. Schließlich wird die Revolution in Frankreich zum Brennpunkt und Ausgangspunkt eines neuen Verständnisses von Mensch, Lebenswelt und Freiheit für Europa und die Welt. Und der junge Student, Hauslehrer und spätere Universitätsprofessor Georg Wilhelm Friedrich Hegel nimmt Zeit und Gesellschaft, Moral und Sinn, Denken und Zukunft interessiert wie kritisch auf und entwickelt ein System, das zum bahnbrechenden Impuls und Modell modernen Denkens bis in die Gegenwart wird…

Klaus Vieweg, Professor für klassische deutsche Philosophie an der Friedrich- Schiller-Universität Jena und bedeutender Hegel Experte legt nun zum 250.Geburtstag des „Philosophen der Freiheit“ eine umfassende Biographie vor, die seine Lebens- wie Denkwege in Zeit und Gesellschaft öffnet, darstellt und erläutert.

In neun Überblickskapitel wird von der Kindheit und Jugend in der „lieben Vaterstadt“, den Studienjahren in Jena, der Hauslehrerzeit in Bern, den journalistischen Jahren wie den akademischen Stationen und der Entwicklung der „Philosophie des Geistes“ bis zu letzten philosophischen Projekten das Werk Hegels in den Kontext der Lebensstationen gesetzt und so anschaulich lebendig erklärt und vermittelt. Der Autor versteht es umfassende philosophische Denkmodelle kompakt zu erläutern und so Neugierde und Reflexion zu wecken. Das ist eine besondere Leistung und zeichnet diese Biografie in hervorragender Lesbarkeit aus.

 

„Das Leben und Denken eines Philosophen als bahnbrechendes Sinnmodell fulminant dargestellt“

Walter Pobaschnig 4_20

https://literaturoutdoors.com

„Die menschliche Welt war auch vor der Pandemie eine ungerechte. Man kann immer was ändern.“ Yulia Izmaylova, Schauspielerin, Theaterdirektorin, Klagenfurt 7.5.2020.

Liebe Yulia, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Ich genieße das Zusammensein mit meiner Familie und vermisse mein Publikum. Arbeiten tue ich nach wie vor. Ich bereite eine Lesung mit Texten von Engelbert Obernosterer vor; organisiere die postale Ausstellung „Sie haben Post/dobili ste pošto – Kunstwerke von Branka Jovanović mit Hauszustellung (ab 1.Mai 2020); in Kooperation mit dem UNIKUM entsteht ein online Projekt „FLASCHEN:POST – Nachrichten aus dem Packeis“, der Film „2020 – a Grace Odyssey“ ist in Arbeit, sowie eine neue Folge der Theater-Serie „Sternen Dreck / stari drek“ .

Yulia Izmaylova _ Foto_Leopold Fuchs

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Das mit „für uns alle“ ist schwierig… Meinst Du EuropäerInnen? Die Menschheit? Alle Lebewesen? Die menschliche Welt war auch vor der Pandemie eine ungerechte. Man kann immer was ändern. Ein konkreter Schritt in Österreich wäre eine Steuerreform.

 Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater, der Kunst zu?

Für mich ist das kein Neubeginn. Ich werde weiterhin nach neuen künstlerischen Formen suchen. Ich werde Menschen für ihre Umwelt sensibilisieren. Ich werde die Demokratisierung des Theaters vorantreiben. Und ich werde eine klassenlose Gesellschaft propagieren.

Was liest Du derzeit?

Ich lese immer mehrere Bücher parallel.

Robert Walser „Der Spaziergänger“ auf Russisch.

Bohumil Hrabal „Wie ich den englischen König bediente“ auf Russisch.

Edward Bernays „Propaganda“ auf Deutsch.

Valerian Albanow „Im Reich des weißen Todes“ auf Deutsch und auf Russisch:)

 

 

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Computer: „Der Mensch ist ein großartig astigmatisches Geschöpf. Es heißt, seine Stärke liege in der Fähigkeit des empathischen Empfindens und in seinem „Instinkt des Guten“. Aber wie sieht das sogenannte Mitgefühl in der Praxis aus? Sie empfinden Mitleid für das Opfer eines Unfalls und helfen ihm. Wenn Sie jedoch vor zehn tausend Opfern gleichzeitig stehen, können Sie nicht alle mit Ihrem Mitleid erfassen. Das Mitleid hat ein sehr begrenztes Fassungsvermögen. Es bewährt sich, solange es um einzelne geht, sobald aber die Masse auftaucht, breitet sich Ratlosigkeit aus. Die Aura der ethischen Verantwortung erstreckt sich nur auf die ersten Glieder in der Kette von Ursache und Wirkung. Der Auslöser eines Prozesses fühlt sich für die weiterreichenden Konsequenzen nicht verantwortlich. Die Atombombe ist nur ein Beispiel von tausenden. In eurer Auffassung von Gut und Böse seid ihr Menschen einfach lächerlich“

Aus „Die Verhandlung“ von Stanisław Lem (von VADA für das Stück „iHAL Die Liebe des Computers“ adaptiert)

Vielen Dank für das Interview liebe Yulia, viel Freude und Erfolg für Deine so engagierten Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

5 Fragen an KünstlerInnen:

Yulia Izmaylova, Schauspielerin, Regisseurin

Weitere Infos:

https://vada.cc/

25.4.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com

Foto_ Leopold Fuchs