Erfahrung ist ganz wesentliche Mitte menschlicher Identität. Erfahrung ist dabei immer in einer Wechselwirkung mit persönlicher Sinndynamik wie gesellschaftlicher Konzeption. Darin bildet sich der Mensch geistig, sozial und kulturell.
Diese Grundkomponente menschlichen Lebens erfährt in der Kulturgeschichte der Menschheit spezifische Ausformungen. Eine davon ist etwa die christliche Mystik, die auf eine kontinuierliche wie wechselvolle Geschichte verweisen kann. Dabei gibt es unterschiedliche theologische wie gesellschaftliche Spannungsfelder, die hierbei eine Rolle spielen. Die mystische Intention sucht sich darin zu behaupten.
Volker Leppin, mehrfach ausgezeichneterProfessor für Historische Theologie an der Yale-university legt mit „Ruhen in Gott“ einen spannenden Abriss der christlichen Mystik in Geschichte und theologischer Ausrichtung vor. Besondere Bedeutung kommt dabei auch den individuellen Konzepten und Persönlichkeiten wie Mechthild von Magdeburg, Johannes Tauler oder Martin Luther zu.
Der Autor vermag in konzentrierter wie gut lesbarer Weise die Schwerpunkte der unterschiedlichen mystischen Ausrichtungen und Konzepte im Laufe der Geschichte darzustellen und zu erläutern. Hervorzuheben ist auch ein umfangreicher Bildteil, welcher einen wunderbaren Einblick in die Kunstgeschichte und deren Bearbeitung des Themas gibt. Es ist in Summe eine gelungene Zusammenschau mystischen Denkens, welche auch Impulse zu weiterführender Reflexion gibt.
„Ein spannender Überblick über die Geschichte des mystischen Denkens im Christentum“
Hristina Susak _ Komponistin, Performerin – am Romanschauplatz Malina_Wien
Orte sind für meine Arbeit als Komponistin sehr wichtig. Sie sind Inspiration. Ich kann nur an besonderen örtlichen Bezugspunkten komponieren.
Ich kann Zuhause nicht komponieren. Es muss etwa ein Cafè sein oder in der Natur. Natürlich auch im Arbeitsbereich der Universität. Ich komponiere dort besonders gerne, wenn ich alleine bin.
Wenn die Inspiration da ist, kann es ein ganzer Tag sein, an dem ich an einer Komposition arbeite. Manchmal auch die ganze Nacht. Ich vergesse hin und wieder auch zu essen dabei (lacht).
Eine Gesamtkomposition kann drei Tage oder ein Monat dauern. Das hängt von der musikalischen Besetzung ab, der Stückdauer und der persönlichen Inspiration.
Ich habe mein erstes Musikstück mit acht Jahren geschrieben. Ich hatte da noch keine Ahnung was komponieren heißt. Ich bin einfach am Klavier gesessen und habe geschrieben (lacht). Das setzte sich fort und mit siebzehn Jahren habe ich dann die Aufnahmeprüfung an der Universität in Wien gemacht. Seitdem studiere ich Komposition hier.
In meiner Arbeit gibt es verschiedene Schwerpunkte. Ich komponiere entweder ganz instrumental oder für Medien – Film, Werbung – oder auch für das Theater. Und ich mache auch konzeptuelle Performances. Bei meinen Performances arbeite ich auch mit Live-Elektronik.
Eine tolle Erfahrung war für mich auch die musikalische Gestaltung und Mitwirkung beim Theaterstück „Watschenmann“ von Karin Peschka am Wiener Volkstheater (2019). Die Regisseurin Berenice Hebenstreit hat mich dazu eingeladen.
Es gibt verschiedene künstlerische Interessen. Ich male, vor allem als ich jünger war, und tanze sehr gerne. Besuche auch eine Ballettklasse. Ich interessiere mich auch sehr für Film und Videoproduktionen.
Ich lebe jetzt sieben Jahre in Wien. Es ist für mich der ideale Ort für Kunst und Leben und ich erfahre als junge Frau und Künstlerin viel Unterstützung und Förderung, gerade auch in diesen sehr herausfordernden Zeiten.
Im Roman „Malina“ finde ich besonders die Traumsequenzen interessant und die psychologischen Überlegungen dazu. Ich lese persönlich auch viel über Psychologie und interessiere mich für die Psychoanalyse Sigmunds Freuds sehr. Wie aber auch für Physik und da für die Relativitätstheorie von Albert Einstein.
Ich denke, dass das Strukturmodell der Psychoanalyse mit ICH, ES und ÜBER-ICH auch eine Interpretationsmöglichkeit des Romans darstellt. Besonders auch da der Protagonist Malina ja als Spiegelbild der Frau gesehen werden kann.
In meiner Arbeit will ich meine Persönlichkeit und meine Weltsicht, meine Ideen abstrakt ausdrücken. Emotionale Erfahrung ist dabei ganz wichtig.
In meinem Stück „Anima“ geht es etwa um die Unterschiede wie Ähnlichkeiten von Lachen und Weichen. Was sind Übergänge und Grenzen. Im Stück „Infants“ geht es um Gefühle von Kindern, die in abstrakter Form musikalisch fühlbar gemacht werden.
Träume spielen nicht direkt in meinen Kompositionen eine Rolle. Aber es kommt vor, dass ich träume und dann nach dem Aufwachen dies als Inspiration für ein Stück aufnehme. Ich schreibe meine Träume nicht auf.
Auch in der Liebe braucht es Zeit für sich. Die persönliche Entwicklung ist sehr wichtig.
Ein Beziehungsende ist immer schwierig. Damals zur Zeit des Romans wie heute.
Kunst ist ein Geschenk für uns alle und verschönert das Leben.
Kunst kann nicht die Welt verändern aber Kunst kann viele positive Impulse geben.
Ich arbeitete jetzt weiter an meinen Projekten. Was kommt, kommt. In dieser Coronazeit ist ja wenig vorhersehbar.
Die Atmosphäre hier am Romanschauplatz ist sehr inspirierend. Ich denke, ich werde da unbewusst viel mitnehmen für meine Arbeit.
Hristina Susak _ Komponistin, Performerin – am Romanschauplatz Malina_Wien
50 Jahre Malina _ Roman _ Ingeborg Bachmann _ im Gespräch und szenischem Fotoporträt:
Hristina Susak _ Komponistin, Performerin_Wien
Station bei Ingeborg Bachmann_Romanschauplatz_Malina.
Interview und alle Fotos_Walter Pobaschnig _Wien_6_2020.
Lieber Kevin, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Nach dem Aufstehen erstmal kurz frisch machen und dann mit dem Hund eine Runde spazieren. Danach bin ich bereit für Frühstück, Nachrichten und Lesen. Ich bin freiberuflich, das heißt auch, dass sich meine Projekte immer wieder verändern, deswegen sind meine Wochen oft verschieden und voller spontaner Änderungen. Im September nehme ich mir ganz frei von allen Projekten und konzentriere mich auf das Schreiben, will aber auch viel Lesen und ich freue mich auf Spätersommerspaziergänge mit meinem Hund.
Kevin Junk, Schriftsteller
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Es wird eine Weile dauern, bis wir uns vom konstanten Stress durch die Pandemie erholt haben werden. Deswegen ist es wichtig, glaube ich, dass wir selbstverzeihlich und behutsam mit uns und anderen umgehen. Das sage ich mir immer wieder im Austausch mit Menschen, die mir nah sind. War einfach viel los und es wird noch eine Weile viel los sein.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Literatur, aber auch Kunst im weiteren Sinne, kann uns ins Stauen versetzen, uns an die Hand nehmen und neue Wege durch neues Terrain aufzeigen. Sie kann zugleich scheinbar Bekanntes neu anordnen und damit neue Zusammenhänge im Gewebe aufzeigen. Das Spannungsfeld zwischen nahbar und weit weg verhandelt für mich die Empathie, die man beim Lesen aufbringen muss. Genau darin liegt für mich die Kraft von Literatur: Die Auseinandersetzung mit Fragestellungen, die mich beschäftigen und zugleich nicht direkt greifbar mit mir zu tun haben. So sehe ich auch die Relevanz von queerer Literatur für ein breiteres Publikum. Mir erschließt sich nicht, warum queere Themen immer wieder in die Nische gedrängt werden.
Was liest Du derzeit?
Derzeit lese ich einen Band aus der Reihe 33 1/3 in der Musikjournalist*innen und Autor*innen einen längeren Essay zu einem Album schreiben, das sie fasziniert oder geprägt hat. Der Essay bespricht „Selected Ambient Works Vol II“ von Aphex Twin, eine Ambient-Platte aus den 90ern, die ich sehr wertschätze. Ich lese gerne über Musik, gerade über elektronische Musik, dann interessiert mich jedes auch noch so unwichtige Detail. Außerdem recherchiere ich für eine Roman-Figur, die Musik produziert und sich für Ambient interessiert.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
My idea of a writer: someone interested in everything. – Susan Sontag
Kevin Junk, Schriftsteller
Vielen Dank für das Interview lieber Kevin, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an KünstlerInnen:
Kevin Junk, Schriftsteller
Kevin Junk – über mich:
Ich bin Kevin, Schriftsteller und Kreativstratege aus Berlin.
Als freier Autor schreibe ich über Kultur, Gegenwart und Gesellschaft.
Im März 2021 erschien mein Debütroman „Fromme Wölfe“ im Querverlag. Daneben habe ich Prosa, Gedichte und Essays in Anthologien und Magazinen veröffentlicht.
Lieber Pedro, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
– Mein Tagesablauf – Eigentlich immer wie immer – Aufstehen, Kaffeetrinken, am Computer die News in den Zeitungen durchstöbern. Unwichtige E-Mails in den Papierkorb versenken. Gleichzeitig eine Banane essen – Zwischendurch ein Blick aus dem Fenster – Wie ist das Wetter? – So beginnt für mich der Tag.
Daraufhin folgt ein wichtiges Ritual: – Der 5-Minuten Text – Quasi Schreib-Fingerübungen.
Ich greife zu meinem Notizblock und notieren mir das erste Wort, das mir einfällt. Von diesem Wort aus spinne ich weiter. Ein Assoziations-Text.
Ich lasse mich vom den Wörtern überraschen. Heute notiere ich mir das Wort »Glas«. Und schreibe weiter: »Glas kommt oft als Gefäß daher. Dann natürlich als Fensterglas, Panzerglas, Sicherheitsglas, Milchglas. Spiegel sind auch Gläser. Als Knabe spielte ich mit gläsernen Marmeln – und verspielte so viele. Schneewittchen lag in einem Glassarg. Die Piraten tragen Glasaugen …«
Gegen ein Uhr mittags koche ich mir eine Suppe. Dann legte ich mich eine halbe Stunde aufs Kanapee.
Heute Nachmittag übe ich meine eigenen Gedichte zu lesen. Für eine Lyrik-Lesung im Kloster St. Urban, im Abtsaal des ehemaligen Zisterzienserkloster. Ich lese aus meinen 2 neuen Lyrik-Büchern »Das Gewicht des Schattens im Sonnenschein« – Gedichte und Polaroids – Streifzüge durch Berlin. Und aus »Parallelwelten – Wasteland Factory oder Der Garten der Lüste – Lyrik und Mauerspuren«. Beim Lesen schaue ich auf die Uhr. Ich möchte weder zu lange noch zu kurz lesen. Mir mangelt es noch an Zeitgefühl. Diese Lesung wurde wegen Corona zweimal verschoben, nun endlich findet sie statt.
Gegen Abend kritzelte ich mit einem Kugelschreiber oder einem Bleistift Zeichnungen auf Briefumschläge. Manchmal schließe ich beim Zeichnen die Augen. So entstehen meine Blind-Zeichnungen. Auch kommen Brief-Couverts meiner Scheu vor dem so genannten weißen Blatt entgegen. Die Stempel, Briefmarken und Schrift des Absenders und Adressaten, so wie das vielleicht zaghafte durchschimmern des Briefinhalts beflügeln meine Fantasie. Beschriebene Briefumschläge, so genannte gelaufene Briefe, sind für mich ein ideales Medium. Und so mutieren meine Zeichnungen zu Palimpsesten zu Hypertexten der anderen Art.
Gegen Abend ziehe ich mir Schuhe an und wandere ca. 1 Stunde durchs Dorf.
In den Zeiten von Corona ist es entscheidend die Relation zu wahren. Vor kurzem erst das Inferno des 1. & 2. Weltkrieges. Die Spanische Grippe nach dem Ersten Weltkrieg. Der Tsunami von 2004 im indischen Ozean. Die Schwarze Pest im Mittelalter. In China kostete Maos kommunistische Revolution 40-80 Millionen Menschen das Leben. Ich war in den 1970er Jahren in Saigon zur Zeit des Vietnamkrieges. Das hat mich für immer geprägt. Seither habe ich eine andere Sicht auf die Menschen. Ich plädiere in Zeiten von Corona für mehr – Pragmatismus, Demut und Gelassenheit.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Musik, der Kunst an sich zu?
– Ich glaube nicht an Schlagwörter wie Aufbruch & Neubeginn. – Nichts wird sich ändern.
– Die Spaßgesellschaft nimmt ja nach wie vor überhand – auch im öffentlichen, staatlichen Fernsehen.
– Die Seuche von Egoismus und Materialismus dominieren nach wie vor den Alltag.
Literatur, Musik, Kunst fristen immer noch ein Elfenbeinturm-Dasein.
Pedro Meier _ „Olymp Illuminiert – Zeus Tagebuch«, 2016. Neon, Licht Installation, Performance.
Was liest Du derzeit?
– Georges Perec – »Träume von Räumen« – »Das Leben – Gebrauchsanweisung«.
– Richard Brautigan »Der Tokio Montana Express«.
– Täglich lese ich Gedichte auf der Internet-Plattform – liyrikline.org.
– Auch auf YouTube bin ich auch oft, da gibt es viele Videos zu Literatur & Kunst etc. – zum Beispiel: #kanalfuerpoesie
Pedro Meier – Rauchperformance_Apokalypse now 2017
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
»Man kann nichts von nichts sagen. Daher kann es keine Grenze für die Zahl der Bücher geben.« – E. M. Cioran aus »Vom Nachteil, geboren zu sein«.
»Leben und Kunst sind ein und dasselbe.« – Ludwig Hohl
»Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum.« – Friedrich Nietzsche
»Die Hoffnung ist der Regenbogen über den herabstürzenden jähen Bach des Lebens.« – Friedrich Nietzsche
Pedro Meier_Künstler, Schriftsteller, Lyriker, Autor, Multimedia Artist. _ work in progress 1999
Vielen Dank für das Interview lieber Pedro viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Pedro Meier_Künstler_Schriftsteller, Lyriker, Autor, Multimedia Artist
Lieber Julian, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Im Kaffeehaus frühstücken, Text lernen, viel lesen, die Abende mit Freunden verbringen. Aber bald fangen ja die Proben und Vorstellungen wieder an, dann fühlt man sich wieder wie ein Schauspieler.
Julian Valerio Rehrl _ Schauspieler
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Zusammenhalt. Wir müssen uns gemeinsam den aktuellen Problemen stellen und zusammenstehen. Solidarität beweisen und nicht die Augen verschließen. Die Situation ist für alle eine Herausforderung und je eher wir das verstehen und versuchen das Beste daraus zu machen, desto schneller werden wir sie auch überwinden.
Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?
Die Kunst ist die Nahrung der Seele, man braucht sie nicht um zu überleben, aber ohne sie verkümmert der Geist. Die gesamte Kunstwelt sollte nach ihrer Auferstehung, ein Feuerwerk der Fantasie und des Rausches abbrennen, das wir so lange vermisst haben. Das Theater ist ein Spiegel der Gesellschaft und der Menschen in ihr. Ich freue mich wieder auf die persönliche Auseinandersetzung mit dem Publikum, auf das gemeinsame Erleben und auf die Freude des Spielens.
Was liest Du derzeit?
„Zärtlich ist die Nacht“ – F. Scott Fitzgerald und „Was ihr wollt“ – William Shakespeare.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Wenn es Musik ist, was die Liebe nährt, spielt weiter, immer weiter, bis zum Exzess, bis mein Verlangen nachlässt, meine Sehnsucht stirbt.“ – Was ihr wollt. Shakespeare.
Vielen Dank für das Interview lieber Julian, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Theater-, Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Liebe Phoebe, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Aufstehen, frühstücken, komponieren, üben, Mittagessen, Kinder vom Kindergarten abholen, Zeit mit Kindern verbringen, laufen gehen, essen für Kinder machen, Kinder ins Bett bringen, komponieren, essen, schlafen. So ungefähr. Klar, mit meinem Mann, die Geschichte mit den Kindern bleibt flexibel; sprich einmal ich, einmal er…, Teamarbeit.
Jetzt und vor 50 Jahren und in 50 Jahren: Uns gegenseitig respektieren. Lernen emotionales und rationales Denken zu beherrschen, soweit es geht. Endlich mal kapieren, dass Gier nur Gift ist; dass Kreativität das einzige Schöne ist, was die Menschheit besitzt. Und das man / frau nicht Künstler oder Künstlerin sein muss um kreativ zu sein. Und wenn wir das kapieren, dass wir dies für ein Gemeinwohl verwenden lernen, um klug mit dem Konzept von Existenz an sich umzugehen. Das wäre mir wichtig.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Musik, der Kunst an sich zu?
Ich glaube, die Rolle der Kunst bliebt die Gleiche: Menschen durch Kunst ihrer Abstraktion in neue Gedanken verleiten, die eine persönliche Entwicklung hervorrufen. Ich persönlich wünsche mir, dass Kunst sich in eine mehr emotionale Richtung bewegt. Ich vermisse es öfters, wenn Künstlerinnen und Künstler nur mit dem Kopf arbeiten. Natürlich, auch sehr spannend. Aber ich will fühlen. Ich sehe die Gesellschaft treibt dazu, nur das Intellektuelle auf ein Podest zu stellen. Wir sehen es in der Art wie (akademische) Bildung danach gerichtet ist. Ich liebe es, wie Kunst eben eine der wichtigsten Quellen des „Emotion-Austausches“ ist, und freue mich, wenn diese Rolle stärker im Vordergrund steht. Meinungen hat es schon immer tausende gegeben. Aber wir haben uns immer durch Gefühle gefunden. Ich glaube die Rolle der Kunst ist, uns wieder durch diese Ebene zu verbinden.
Was liest Du derzeit?
Bilderbücher. Sehe ich also. Ich schaue mir die Gemälde von Giorgio de Chirico und Egon Schiele an. Taschen hat eine größere Ausgabe über Künstlerinnen und Künstler, die ich gerne kaufe, um die Werke zu analysieren.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
“The goal which my freedom aims at is conquering existence across the always inadequate density of being.” – The Ethics of Ambiguity, Simone de Beauvoir
Vielen Dank für das Interview liebe Phoebe, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Musik-, Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Der Romanschauplatz hier in der Ungargasse ist ein Ort mit viel Geschichte und Detail. Etwa der Brunnen im Hof oder die gusseisernen Stiegengeländer im Haus. Es strahlt als Ganzes eine Ruhe aus.
Die Bedeutung von Orten hat für mich mit den Erinnerungen zu tun, die ich damit verbinde. Das ist etwa die Kindheit und wichtige Lebensereignisse oder auch Wohnorte.
Orte haben für mich viel mit menschlichen Begegnungen, Freundschaften und Ereignissen zu tun. So können Orte in mir eine Heimigkeit, ein positives Gefühl, aufkommen lassen oder aber auch Negatives.
Orte beeinflussen also schon meinen Gemütszustand, weil in ihnen immer eine bestimmte Energie schwingt.
Die Natur bedeutet mir sehr viel. Der Wald, die Berge oder das Meer sind wunderschöne Orte, um Gedanken schweifen zu lassen, sich zu erden.
Orte sind wichtig.
Orte haben auch in meiner Musik, ich komponiere, eine Bedeutung. Ich habe etwa in Dresden, wo ich studierte, abends einen Zug verpasst. Ich schrieb dann im Bahnhof darüber ein Stück – „Dresden“. Da sind die Erinnerungen an die Zeit in der Stadt und die Gefühle im Moment drin.
In Beziehungswirklichkeiten hat sich seit Erscheinen des Romans Malina vor fünfzig Jahren verändert, dass Fragen von Beziehungsansprüchen und auch Aspekte von Geschlecht und Identität offener verhandelt werden. Natürlich sind wir da, was bestimmte geographische Räume betrifft, noch nicht überall gleich auf.
In Beziehungen ist das offene Wort wichtig, das vieles ausräumen und heilen kann. Oder eben nicht aber die Bedürfnisse und Positionen sind dann klar.
Liebe ist eine große Inspiration der Musik.
Ich bin in einem Musikerhaushalt groß geworden. Meine Eltern sind beide Berufsmusiker. Meine Mama ist Klavierlehrerin. Mein Papa ist Gesangslehrer und war als Solosänger tätig. Auch meine Großeltern waren Musiker. Das Haus war immer schon voller Musik und Instrumente und ich kam damit früh in Kontakt. Und irgendwann sagte ich dann aus heiterem Himmel – „ich möchte Geige lernen“ (lacht). Das war dann ein sehr schöner persönlicher wie familiärer Weg. Meine Oma hat mit mir geübt. Meine Mama hat mich am Klavier zu Konzerten und zu Wettbewerben begleitet. Wir waren da ein sehr, sehr schönes Duo (lacht).
An der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber in Dresden begann ich mit achtzehn Jahren ein klassisches Geigenstudium. Ich lebte da in einer Wohngemeinschaft mit Jazz Musikern, die mich auf bestimmte Weise wieder zurück zum Ursprung, in meinen Augen der Freude und Offenheit gegenüber der Musik, schauen lassen hat. Es war ihr Umgang mit Musik, der mich sehr begeistert hat. Das war leider in der klassischen Ausbildung auf der Universität nicht so.
Ich mag Klassik aber es zog mich dann in die Richtung Jazz. Da war für mich einfach viel mehr Freiheit, Bereicherung und Feuer und ich sagte mir, man kann auch Geige im Jazz spielen, also mache ich das jetzt (lacht).
Ich bin heute musikalisch stark im Jazz zuhause. Ich spiele zwar noch gerne Klassik aber das sind Momente Zuhause. Ansonsten steht der Jazz im Mittelpunkt und ich mag das sehr.
Jazz ist Freiheit.
Natürlich gibt es auch in der Jazzmusik Regeln und Raster. Diese sind aber mehr wie übergeordnete Rahmenbedingungen, die ich mehr als Hilfe zum wieder Erlernen der eigenen Freiheit empfinde. Nach dem Motto „You gotta know the rules before you can break the rules“.
Alles in allem ist man doch im Jazz mehr die Herrin der eigenen Musik, die in einem klingt, die man ausdrücken möchte.
Jazz ist Individualität.
Jazz ist eine soziale Musik, die vom Austausch, den Impulsen, den Energien, die dabei zusammenfinden, lebt. Es entsteht dann etwas Gemeinsames mit den Musikern, mit denen man spielt.
Ich lebe seit sieben Jahren in Wien und schätze die Internationalität wie auch die Heimigkeit in dieser Stadt. Man trifft hier immer Leute auf der Straße, die man kennt. Ich mag auch den Wiener Grant (lacht).
Die innere, wie auch äußere Mariahilfer Straße, Schloss Schönbrunn, den Auer-Welsbach Park, das Neubauviertel, der Donaukanal – ich schätze etwa diese Stadträume sehr. Sehr gerne mag ich auch den Prater. Ich spaziere da von meinem Proberaum im Gasometer (Simmering) rüber. Und man kann im Prater auch Bärlauch sammeln. Der Lainzer Tiergarten ist auch super.
Ich fühle mich jetzt in Wien sehr wohl, es hat aber eine Weile gedauert, bis ich mich eingelebt habe, da die Mentalität im Vergleich zu Dresden und meiner Heimat in Thüringen doch anders ist.
Alles in allem tut mir Wien aber sehr gut, weil die Stadt für mich letztendlich eine Ruhe und Erdung hat und ich dem Lebensgefühl hier viel abgewinnen kann. Ich bin also völlig hier angekommen.
In der Coronazeit war es sehr schwierig. Man ist jung, neue Projekte entstehen und dann diese Zeit, die wohl eine der schwierigsten war und immer noch ist für junge MusikerInnen, die spielen wollen, in die Welt rauskommen wollen, sich vernetzen wollen, was ja ganz wichtig ist. Begegnungen, Treffen mit anderen Musiker*innen all das war im Lockdown dann unmittelbar nicht mehr möglich und man sitzt dann im Kämmerchen.
Mein erstes eigenes Bandprojekt, das Constant-Quartet, entstand nach Abschluss meiner Bachelor Prüfung im Februar 2020. Wir waren sehr motiviert und dann kam im März der Lockdown und wir alle waren deprimiert. Es hat da dann auch die Energie gefehlt. Wir probten, wenn es möglich war, aber kamen nicht zum Spielen. Die allgemeine Situation wirkte da einfach und es war mühsam und schwer.
Im Sommer ´20 hatten wir ab und an mal ein Konzert, aber gegen Herbst war dann ja wieder alles zu. Die Bandbesetzung formierte sich dann etwas um und in dieser Besetzung hatten wir unseren ersten Auftritt (stream) mit Ende des 3. Lockdowns im Radiokulturhaus im Mai 2021. Und da ging uns dann wieder der Knoten auf und ich dachte umso mehr, Konzerte sind so extrem wichtig für Musikprojekte allgemein aber gerade auch für junge Projekte, dass da was weitergeht (lacht).
Im Moment spiele ich mehr in unterschiedlichen Projekten, unterschiedlichen Bandbesetzungen, auch in unterschiedlichen Bereichen, etwa im Theater, was mich sehr freut. Wir spielen da als MusikerInnen und SchauspielerInnen/TänzerInnen in Strukturen, die improvisatorischen Raum und Offenheit innerhalb der musikalischen Interpretation des schauspielerischen Geschehens geben.
Dass es gerade so viele spannende Dinge zu tun gibt, gibt mir so viel Lebensfreude und ich hoffe, der Sommer würde ewig weiter gehen.
Ich komme leider derzeit wenig zum Lesen. An einem Buch bin ich aber immer wieder dran – „Effortless mastery“ von Kenny Werner, einem Jazzmusiker. Im Buch geht es um mentale, philosophische Zugänge zum Musikerinsein und dem Üben an sich. Früher las ich auch viel Fantasy und Bio-Lexika (lacht).
Ich spüre als Frau und Instrumentalistin schon noch einen Unterschied in der Musikwelt, spezieller im Jazz. Und besonders mit der Geige habe ich manchmal immer noch das Gefühl, nicht richtig akzeptiert zu sein, bevor ich mich nicht bewiesen habe. Aber ich versuche, dieser Wahrnehmung keine Aufmerksamkeit mehr zu schenken, weil dann vieles auch Einbildung sein kann und man sich musikalisch dadurch hemmt.
Die Geige ist im Jazz ja eher selten anzutreffen und wenn, dann immer verstärkt in bestimmten musikalischen Stilrichtungen, wie Folk, Gypsy…es wird oft als Gefiedel bezeichnet. Und klar, an dieses geschichtlich gewachsene Klangbild hat sich das Ohr natürlich gewöhnt. Daher gibt es auf der Geige im Jazz auch einen „Stempel“. Ich mag diesen Stempel aber nicht so gerne.Und es gibt zu wenige GeigerInnen, die so richtig anders gespielt haben, die man dann auch kannte. Die Vorstellung fehlt da oft, weil es das zu selten gibt.
Ich persönlich spiele sehr gerne Modern Jazz, Fusion, soulige, funkige, rockige Musik, Bossa Nova, frei, mit Interaktion zwischen Poesie, Tanz und Rede. Ich spiele gerne mit Effekten und habe vor Kurzem das „instrumentale“ Singen im Jazz für mich entdeckt. Und das bringt gerade super viel Elan mit sich, weil ich eigentlich immer schon aus Freude seit ich klein bin gesungen habe.
Mir ist als Musikerin und in meiner Musik wichtig, dass es ehrlich und authentisch und keine Kopie von irgendwas ist, etwas Nachgemachtes oder was gerade hip ist.
Dass man das, was man selbst ist, ohne sich zu verbiegen oder sich dafür zu schämen spielt oder in der Komposition schreibt.
Seinen eigenen Sound zu finden als Musikerin ist für mich eines der wichtigsten Themen und das ist auch eine Suche nach sich selbst.
Der eigene Sound ist vielleicht ein ganz anderer, als der, den man anstrebte oder der gerade angesagt ist. Und der Weg dorthin ist ein offener, herausfordernder Prozess mit vielen Emotionen. Da sind Ernüchterung, Traurigkeit wie auch positive Impulse, Erkenntnisse, Einsichten und Offenbarungen aus Feedback dabei.
Es ist wichtig, in der Musik eine Energie zu den Menschen zu bekommen und nichts ist da stärker als Authentizität. Egal ob man beim Spielen Fehler macht.
Herausfinden, was in einem liegt und dies zu sich selbst und zu den Menschen zu bringen. Was auch immer das ist, ich weiß es auch nicht genau. Es zeigt sich Stück und für Stück und ich bin glücklich, so wie es gerade ist.
Für seine Musik und sich selbst zu stehen und sich nicht zu verstecken – das ist es letztendlich.
Cozy Fredel_Jazzgeigerin, Sängerin, Komponistin
50 Jahre Malina _ Roman _ Ingeborg Bachmann _ im Gespräch und szenischem Fotoporträt:
Liebe Sakina, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Für mich sind tägliche Rituale und ein geplanter Ablauf wichtig. Aber manchmal gebe ich mich auch einfach dem Lauf des Tages hin. Drei Tage der Woche verbringe ich als Beraterin in der Beratungsstelle „Volkshilfe Wien/FAIR“. An diesen Tagen bin ich schon sehr früh mit dem Zug von Wien nach St. Pölten unterwegs und verbringe dann den gesamten Tag bis abends im Büro. Ich stehe dort beratend und unterstützend Menschen bei, die mit einer Flüchtlingsgeschichte in Fragen zum Aufenthaltsrechts, zur Klärung bürokratischer Angelegenheiten, aber auch beim Prozess der Arbeitsstellensuche sich an uns wenden und in ihrer Muttersprache Hilfe benötigen.
Ich empfinde tiefe Verbundenheit zu diesen Menschen, da ich all die schwierigen Fluchtgeschichten und die damit verbundenen Traumata aufgrund meiner eigenen Fluchterfahrung sehr gut nachvollziehen kann. Es sind natürlich keine heiteren und unterhaltsamen Themen, denen ich mich widme, aber Menschen helfen zu können, die nach so viel Leid- und Verlusterfahrungen versuchen, ein neues Leben aufzubauen, erfüllt mich mit Freude.
Wenn ich dann abends nach Hause kehre, nutze ich den Weg vom Bahnhof nach Hause zu Fuß, um die untergehende Sonne noch auf mich wirken lassen zu können und versuche die Schwere solch belastender Themen auf diese Art und Weise von mir abzulegen.
Die restlichen Tage verbringe ich mit verschiedenen künstlerischen Tätigkeiten; Musik, Proben, Aufnahmen, Austausch mit Freunden und versuche die nun wieder stattfindenden künstlerischen Tätigkeiten zu verfolgen und oft auch Sport zu machen.
Wenn ich nicht arbeite, habe ich bestimmte Routinen: morgens beim Kaffee schaue ich mir an, was in der Welt so passiert, beantworte anschließend Mails und erledige administrative Angelegenheiten auf meinen sozialen Accounts im Web.
Mich reizt es sehr, neue und unbekannte Länder zu entdecken und neue Kulturen kennenlernen zu dürfen, aber im Sommer ist es auch wirklich schön, einfach in Wien zu sein. Man kann jederzeit und an den verschiedensten Orten der Stadt Freiluftkinos begegnen oder Festveranstaltungen besuchen. Ein Muss für mich ist auch der Zeitvertreib an der Donau und am Kanal.
Sakina Teyna_singer, songwriter
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Was für Menschen mal vorrangig oder wichtig war, kann sich verändern. Faktoren wie beispielsweise Geburtsort, das soziale Umfeld, die wirtschaftlichen Verhältnisse, das eigene Seelengemüt und noch viele weitere Einflüsse können hierauf wirken. Daher denke ich, dass jeder für sich selbst feststellen muss, welche Prioritäten man wählt. Das, was für mich besonders wichtig ist, kann für einen anderen belanglos sein. Dennoch glaube ich, dass es für alle Menschen gemeinsame universelle Werte gibt. Auch wenn ich seit 14 Jahren in Österreich lebe, beschäftigen mich die Probleme meines Herkunftslandes auf einer persönlichen Ebene. Mit all diesen Erfahrungen bin ich natürlich besonders sensibel, wenn es um Fragen der Freiheit und Gerechtigkeit geht. Ich versuche, so gut ich kann, aktiv gegen Umweltkatastrophen, faschistische Angriffe, Diskriminierung, Rassismus, Flüchtlings- oder Fremdenfeindlichkeit, Frauenmorde, Kindesmissbrauch, Sexismus, Homophobie, Armut und Hungerleiden Widerstand zu leisten, egal wo auf der Welt diese Gräueltaten stattfinden.
Es gibt natürlich auch Erkenntnisse, die ich aus der fast zweijährigen Zeit der Corona-Krise gezogen habe. Die Gesundheit des Einzelnen und der Gesellschaft im Allgemeinen beeinflussen sich gegenseitig Schicht für Schicht. Selbst, wenn man im Besitz der ganzen Welt sein sollte, kann ein Virus jemanden in die eigenen vier Wände zwingen. Ich bin aber natürlich nicht so naiv, dass ich behaupten würde, dass die Krise einen Ausgleich zwischen arm und reich geschaffen hat. Die Ärmeren haben eindeutig mit größeren Schwierigkeiten und Hürden zu kämpfen.
Es ist wichtig, dass man aus all den Erfahrungen Vor- und Nachteile erkennt und sich bewusst macht, dass das Leben einen nicht immer auf das vorbereitet, was passiert und dass man im Anschluss richtige Strategien für solche Krisen entwickeln sollte. Diese Phase hat mich persönlich in meiner Empfindlichkeit und Empathie gegenüber der Natur, meinem Umfeld, den Menschen, allen Lebewesen und in meinen solidarischen Gefühlen in Bezug zu all dem gestärkt. Der Solidaritätsgeist tut meiner Seele gut. Ich denke, dass Gleichgültigkeit, Hass, Angst und die Abwendung vom gesellschaftlichen Leben einen innerlich auslaugt und eine große Leere schafft.
Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Musik, der Kunst an sich zu?
Jede künstlerische Disziplin hat eine für sich eigene Eigenschaft, aber egal um welchen künstlerischen Zweig es geht, haben alle Tätigkeiten etwas Heilendes, Wohltuendes, Hinterfragendes und Vereinendes. Wenn ich speziell auf meinen künstlerischen Bereich, der Musik schaue, so hat Musik den Vorteil, dass sie Menschen auf einer visuellen, auditiven und auch seelischen Ebene begleitet. Wenn man eine Kunstausstellung hinter verschlossenen Räumen weiß, dann erreicht man kein Wissen darüber, wohingegen man auf einer Straße laufen und aus dem Fenster eines unbekannten Menschen herausragende Musik wahrnehmen kann, die einen vielleicht sogar ungewollt in den Bann ziehen kann.
Die Musik impliziert daher etwas Magisches. Die Sprache einer Ausstellung beispielsweise spielt auf musikalischer Ebene meistens keine große Rolle. Selbst Menschen, die unterschiedliche Sprachen sprechen, können über die Musik in einer gemeinsamen Sprache kommunizieren, da die Musik den Weg zur Seele eines jeden findet und diese Fähigkeit auf eine natürliche Art und Weise besitzt.
Ich bin mir nicht sicher, ob künstlerische Tätigkeiten die Welt verändern können. Aber als friedfertigste Form des Widerstands kann sie Achtsamkeit schaffen und besitzt zudem die Kraft, die Gesellschaft, in der wir leben und die Erde zu verschönern. Mir persönlich schenkt die Musik Mut und Stärke, um all die Missstände auf der Welt aushalten zu können, mich selbst zu heilen, weitermachen zu können und die Freude über die Musik in Austausch mit anderen Menschen kommen zu dürfen. Deshalb kann ich mir ein Leben ohne die Kunst (die Musik) nicht vorstellen.
Was liest Du derzeit?
Ich lese den Roman „Seher“, was in deutscher Übersetzung ‘Morgengrauen’ bedeutet. Das ist eine Sammlung von 12 Erzählungen, 12 Schicksalsgeschichten, geschrieben von Selahattin Demirtas.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Und ich habe etwas Wichtiges gelernt:
Wenn du nur kräftig und voller Mut voranschreitest,
kommst du manchmal schneller voran als ein Auto.
Ich bin Nazan, die Putzfrau.“
Sakina Teyna_singer, songwriter
Vielen Dank für das Interview liebe Sakina, viel Freude weiterhin für Deine großartigen Musikprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Orte haben viel erlebt und sie speichern das Geschehen, diese Energien verorten sich.
Orte spielen im Theater eine große Rolle. Es geht da ja vom Proberaum, der Besprechung, Erarbeitung zum Bühnenraum. Das Bühnenbild kann da noch alles komplett umstülpen.
Die Umgebung des Ortes ist für ein Bühnenstück sehr wichtig.
Der Romanschauplatz hier ist ein sehr offener, schöner Ort, an dem zu spüren ist, dass er mit vielen Geschichten getränkt ist.
Ingeborg Bachmann ist eine sehr starke Frau, die persönlich und künstlerisch ihren Willen durchgesetzt hat und bei ihrem Fokus blieb, unabhängig vom Mann an ihrer Seite bzw. den Männern um sie. Sie blieb sich immer treu.
Es sind wahnsinnig schöne Bilder im Schreiben Ingeborg Bachmanns. Sie sagte ja auch einmal, dass es in der Dichtung gilt, eigene Worte, Beschreibungen zu finden. Sie imponiert mir sehr.
Das Melancholische ist auch in ihren Gedichten zu spüren. Dies ist wohl auch ein Element der Zeit.
Literatur ist ein wichtiger Teil meiner Arbeit als Schauspielerin. Es ist auch sehr schräg und erschütternd, wenn man über die Systemrelevanz von Literatur an sich diskutiert. Literatur gehört zur Bildung und zum Füttern des Geistes dazu.
In meiner Generation gehen Frauen ihre Wege ohne der Priorität einem Mann anzugehören. Das ist in der nun nachfolgenden Generation wieder manchmal etwas biederer und anders.
Es ist ein Wahnsinn, wie langsam unsere Gesellschaft im Rollenbild von Frau und Mann voranschreitet.
Es gibt unterschiedliche Lebens-, Liebescharaktere, die sich heute wie damals finden oder verlieren. Es gibt da viel mehr Freiheit heute.
Das Verschwinden in einer Beziehung oder Beziehungen ist auch heute noch so. Hoffentlich durch die Tür und nicht durch die Wand (lacht).
Liebesemotionen verändern sich über die Zeit nicht wesentlich, egal wie weit Fortschritt und Technik sind.
Liebe ist zeitlos und es gibt von „es ist mir egal“ bis „ich komm` von ihr nicht los“ alles. Dies ist auch, bei aller persönlichen Stärke, oft nur schwer beeinflussbar.
In der idealen Beziehungsform ist Malina und Ivan, Intellektualität, Aufmerksamkeit und Leidenschaft in einem.
Ich habe Liebe gerne kompakt in einem Menschen und ich habe das auch zum Glück schon das eine oder andere Mal vorgefunden. (lacht).
Eine Leidenschaft hat immer Feuer und das Unerwartete. Das reizt, fasziniert und macht aber auch unbeständig.
Die Dauer der Liebe hat immer Seelenverwandtschaft in sich.
In der Liebe passiert eine Ganzheitlichkeit. Ein Gefühl davon, dass mit dem Menschen und mit Sehnsucht zusammenhängt. Wenn dieser nicht da ist, vermisst man etwas.
Eine Begegnung in Seelenverwandtschaft ist zu spüren. Ob es da einen Menschen oder mehrere gibt, ich weiß es nicht. In jedem Fall gibt es sie, aber bestimmt nicht viele.
Ich würde für Leben wie Kunst überall hingehen, weil ich gerne reise und Orte kennenlerne. Es ist Weltoffenheit, die da entsteht.
Wien hat alles und ist sehr eigen.
Wien ist wunderschön und hat irrsinnig viel Charme. Ich lebe sehr gerne hier.
Lieber Hanno, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Wie bei einigen meiner Kolleginnen und Kollegen haben sich die Ereignisse der letzten Monate vor allem auf meine sozialen Kontakte bezogen. Die Arbeit an Texten hat das nicht so sehr betroffen. Ich bin froh, dass sich die Situation jetzt einigermaßen entspannt. Im Moment widme ich mich der Öffentlichkeitsarbeit für mein soeben erschienenes Buch „Der Charme der langen Wege“.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Uns nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Alles dafür tun, um möglichst bald wieder zu einem einigermaßen „normalen“ Alltag zurückzufinden. Keine Häme, kein Besserwissen.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Wie immer ist es an der Kunst und Literatur jene Nischen zu beleuchten, die dem allgemeinen Blick entgehen, das Denken zu erweitern, Stimmen, die meist überhört werden, hörbar zu machen.
Was liest Du derzeit?
Ich lese gerade „Das Salzfass“ von Simon Sailer und „Betriebsstörung“ von Gustav Ernst.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Wir verstehen euch am besten, wenn wir über uns nachdenken.
Vielen Dank für das Interview lieber Hanno, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!