Ursula Nocchieri, Schauspielerin, Regisseurin und Trainerin
Give Peace A Chance_Akrostichon for peace:
Ursula Nocchieri, Schauspielerin, Regisseurin und Trainerin
Zur Person_ Ursula Nocchieri, geb. 1962 in Wien, Schauspielerin, Regisseurin und Trainerin, Ausbildung in der „International School of Humor“ sowie bei internationalen SchauspiellehrerInnen. Schauspiel, Regie, Kabarett, Moderationen, Vorträge und Lesungen. Clown- und Theaterworkshops für Erwachsene, Kinder und Jugendliche und als Motivationstraining für Manager runden ihr künstlerisches Repertoire ab. Vier Jahre Leitung des Lenautheaters Stockerau (www.lenautheater.at). 2020 Gründung des Theatervereins „Il Salottino“ mit Fokus auf Produktion klassischer Theaterstücke. Schauspieltrainerin beim Kindertheater International (www.kindertheater-international.at) sowie in der Musik- und Kunstschule Waidhofen/Ybbstal. Sprachen: Deutsch, Englisch, Italienisch, Französisch.
Liebe Fabienne, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Bei mir stehen bald Proben zu „Die Verwandlung“ nach Kafka an. Da werde ich Gregor spielen. Und somit habe ich im Moment zu tun, mit Text lernen, mache regelmäßig Sport, gönne mir immer mal wieder Erholungszeit und erledige eben all die Dinge, die so anstehen. Daneben bin ich beschäftigt mit Vorstellungen von Stücken, die ich schon seit einiger Zeit spiele. Aufgrund der Lockdowns wurden viele Vorstellungen abgesagt oder verschoben und die Stücke sind somit länger im Repertoire. Dies finde ich im Moment grad sehr schön, da somit auch eine Entwicklung außerhalb der Rolle stattfindet und diese wiederum das Stück bereichert. Zudem ist es auch schön mit einem Team über einen längeren Zeitraum unterwegs sein zu können. Wenn die Proben beginnen, werde ich für sechs Wochen einen klaren Zeitplan haben und jeden Tag außer am Sonntag im Theater verbringen. Das Stück spielen wir dann ensuite, das heißt jeden Abend außer am Montag. Ich freue mich sehr auf die kommende Zeit und die Entwicklung der neuen Rolle.
Fabienne Trüssel, Schauspielerin, Sprecherin
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Gegenseitiger Respekt und Dankbarkeit.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?
Theater besteht aus Interaktion. Interaktionen auf vielen Ebenen. Die Interaktion zwischen dem Geschehen auf der Bühne und dem Publikum ist ein wichtiger Pfeiler von Theater. Alles geschieht – genauso – nur einmal. Es ist genauso wie es war nicht wiederholbar. Und das ist das, was mich schon immer sehr stark angezogen hat am Theater und das Besonders ist an dieser Kunstform. Wenn du im Publikum sitzt, kannst du dich in einem gemeinsamen Raum erfahren mit anderen Zuschauer:innen, den Schauspieler:innen, der Inszenierung, dem Text und deinen persönlichen Gedanken, Emotionen und Körperempfindungen. Du bist Teil von dem Ganzen. Und diese Erfahrung kannst du nun wieder machen, da die Theater wieder geöffnet sind. Und ein Theaterbesuch kann auch immer bedeuten mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen, neue Menschen kennen zu lernen, sich auszutauschen. Theater als ein Ort der Begegnung und Auseinandersetzung. Diese Rolle kommt dem Theater zu und wird vielleicht gerade nach der Zeit, wo Live Besuche nicht mehr möglich waren, wieder verstärkt geschätzt.
Fabienne Trüssel in NORA NORA NORA von Eva Rottmann unter der Regie von Bettina Glaus, Grenzgänger Luzern
Was liest Du derzeit?
„Blutbuch“ von Kim de l’Horizon.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„As you start to walk on the way, the way appears.” Rumi
Vielen Dank für das Interview liebe Fabienne, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Theater-, Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Fabienne Trüssel, Schauspielerin, Sprecherin
Zur Person_Fabienne Trüssel absolvierte von 2006-2010 die Freiburger Schauspielschule. Bereits während der Ausbildung spielte sie in verschiedenen Produktionen am E-Werk Freiburg mit. Danach folgte ein Engagement beim Eurotheater Basel mit dem sie deutschlandweit auf Tournee war. Anschliessend spielte sie u.a. Rosalinde in WIE ES EUCH GEFÄLLT, Natalja in DER HEIRATSANTRAG und Meroe in PENTHESILEA. Weitere Engagements führten sie ans Theater Bonn (GETÜRKT, Regie: Marita Ragonese), ans Zimmertheater Rottweil (Lucile in DANTONS TOD, Regie: Tonio Kleinknecht und Myrrhine in LYSISTRATE, Regie: Cornelia Schönwald) und zum Theater Kanton Bern (ROMEO UND JULIA und DES KAISERS NEUE KLEIDER).
Mit ihrem Soloprogramm MAN SUCHT PETERSILIE UND FINDET DILL brachte sie 2013 in Berlin erstmals eigene Texte auf die Bühne. Mit der Company urbanReflects entwickelte sie Formate wie KITCHEN TALK mit TänzerInnen, MusikerInnen und SchauspielerInnen. Mit dem Solostück NICHT ICH von SAMUEL BECKETT (Regie: Marek Kedzierski) trat sie 2017 beim internationalen Beckett Festival 111 im E-Werk Freiburg und in Trondheim (Norwegen) auf. Seit 2017 gehört sie zum Team des Theater Szene Bern. Dort spielt sie bisher in sechs Inszenierungen mit. Am Voralberger Landestheater Bregenz arbeitete sie 2019/20 unter der Regie von Silvia Costa in SPIEL von Samuel Beckett und WRY SMILE DRY SOB, das auch an die Kunstfestspiele Herrenhausen eingeladen worden ist.
In Frankfurt spielte sie 2022 unter der Regie von Mascha Pitz in einem Stück über Empowerment. Mit dem Theater Kanton Bern ist sie weiterhin auf Tournee unter anderem mit dem Stück AM HORIZONT unter der Regie von Antonia Brix. In der Grenzgänger Produktion NORA NORA NORA (Text: Eva Rottmann, Regie: Bettina Glaus) ist sie auch 2023 live zu sehen. Bald wird sie in DIE VERWANDLUNG nach Kafka unter der Regie von Petra Schönwald am Theater an der Effingerstrasse in Bern die Rolle des Gregor spielen.
Vor der Kamera war sie bisher für Tatort und in diversen Kurzfilmen zu sehen.
Sie begleitet zudem Theaterstücke als oeil extérieur, Regie, Workshopleitung und arbeitet als Sprecherin bei Lesungen, im Studio (Hörspiel/Hörbücher, Voice Over, Werbung) oder liest auf Anfrage ihre selbstverfassten Texte.
Lieber Thomas Strässle, in knapp drei Monaten beginnt der 46. Bachmannpreis in Klagenfurt. Du bist heuer erstmals in der Jury. Wie kam es dazu und wie gehst Du auf Klagenfurt zu?
Wie es dazu kam, kann ich nicht genau sagen. Ich erhielt einen Anruf des ORF, in dem mir mitgeteilt wurde, ich sei in die Klagenfurter Jury „berufen“ worden. Ich freute mich natürlich, erbat mir aber auch Bedenkzeit. Schließlich sagte ich zu. Wie ich auf Klagenfurt zugehe? Ohne bestimmte Erwartung, aber mit gespannter Vorfreude.
Thomas Strässle,Bachmannpreisjuror _ Literaturwissenschaftler, Autor
Welche Schriftsteller:innen, Bachmannpreissieger:innen, Texte, Ereignisse sind Dir spontan zu Klagenfurt in Erinnerung?
Es kommen mir viele in den Sinn, aber besonders gut erinnere ich mich an Hermann Burgers Wasserfallfinsternis von Badgastein, den Siegertext von 1985. Ich kannte Burger durch mein Elternhaus schon als Kind, er war der erste Schriftsteller, den ich aus der Nähe erlebte. Und ich weiß noch genau, wie triumphal er damals aus Klagenfurt zurückkehrte und von sich selber nur noch in der dritten Person als „The Number One“ sprach. Klagenfurt hat seine Manie auf die Spitze getrieben, die Depression danach muss umso schlimmer gewesen sein.
Warst Du auch in den vergangenen Jahren vor Ort?
Ich war noch überhaupt nie da!
Du bist Hochschulprofessor für Literatur in Zürich und Bern und Kritiker im „Literaturclub“ des Schweizer Fernsehens SRF. In Deinen Publikationen hast Du etwa über „Salz. Eine Literaturgeschichte“ (Hanser 2009) und „Gelassenheit. Über eine andere Haltung zur Welt“ (Hanser 2013) publiziert. Was ist für Dich das „Salz“ des Bachmannpreises und die „Gelassenheit“?
Ursprünglich war das Salz des Bachmannpreises, dass die Jury ihre Urteile ohne Vorkenntnisse der Texte treffen musste. Man konnte ihr bei der Urteilsfindung zusehen. Das war natürlich mit viel Risiko verbunden, aber ich finde die Idee weiterhin sehr reizvoll, das Setting ist attraktiv und spontan und auch demokratisch, weil Publikum und Jury dieselbe Ausgangslage haben. Die Gelassenheit besteht wohl darin, sich von dem ganzen Rummel rund um den Bewerb nicht allzu sehr beeindrucken zu lassen.
Welche drei Kriterien machen für Dich wesentlich eine gelungene Literaturkritik aus?
Offenheit, Nachvollziehbarkeit, Fairness.
Auf was freust Du Dich besonders in Klagenfurt und wovor hast Du auch etwas Angst?
Ich freue mich vor allem auf die Texte und die Diskussionen. Und auch auf den Rummel. Angst habe ich höchstens davor, dass mir im Eifer des Gefechts etwas rausrutscht, wofür ich mich nachher schäme.
Was wünscht Du Dir von den teilnehmenden Schriftsteller:innen und Deinen Jurykollegen:innen wie vom Publikum?
Von den teilnehmenden Schriftsteller:innen erhoffe ich mir natürlich Texte, von denen jeder einzelne den Hauptpreis verdienen würde, von den Jurykolleg:innen, dass sie klug, vergnügt und umsichtig auftreten.
Wie siehst Du die Zukunft des klassischen Buches?
Da bin ich sehr zuversichtlich. Abgesänge auf das klassische Buch haben ja ihre eigene Tradition. Wenn ich mir die Absätze von E-Books anschaue, mache ich mir wenig Sorgen um das gedruckte Buch.
„Hätten wir das Wort, hätten wir die Sprache, wir bräuchten die Waffen nicht“, sagte Ingeborg Bachmann in ihren Poetik Vorlesungen, 1959, Frankfurt. Was kann, muss Literatur angesichts des Krieges leisten?
Das ist natürlich eine schwierige Frage. Man sollte die Literatur nicht mit Aufgaben belasten, die sie überfordern. Sie kann den Krieg weder entscheiden noch beenden. Aber sie kann Stimmen hörbar und Perspektiven sichtbar machen, die uns ansonsten verschlossen blieben. Und das ist nicht wenig.
Du bist Präsident der Max Frisch-Stiftung an der ETH Zürich und Mitherausgeber von „Wir haben es nicht gut gemacht. Ingeborg Bachmann/Max Frisch: Der Briefwechsel“ (Suhrkamp 2022). Welche Herausforderungen gab es im Konzeptionsprozess und was ist für Dich das Bemerkenswerteste im literarisch-biographischen Kontext?
Dazu müsste ich weit ausholen, ich habe mich zehn Jahre lang mit diesem Briefwechsel beschäftigt. Eine besondere Schwierigkeit bei der Konzeption bestand darin, überhaupt festzulegen, was alles zu diesem Konvolut gehört, einschließlich Umkreisbriefen etc. Das Bemerkenswerteste am Briefwechsel liegt in dessen literarischer Qualität und in den Korrekturen am klassischen Bachmann/Frisch-Mythos, die nach der Veröffentlichung der Briefe nötig geworden sind.
Was schätzt Du literarisch und persönlich an Ingeborg Bachmann und Max Frisch?
Die Radikalität, mit der sie sich einander und der Literatur verschrieben haben.
Hätten Ingeborg Bachmann und Max Frisch selbst am Literaturformat Bachmannpreis teilgenommen?
Darüber lässt sich nur spekulieren. Mit anderen Worten: Ich weiß es nicht. Frisch hat ja nicht einmal an den Treffen der Gruppe 47 teilgenommen, Bachmann schon.
Welche 3 Dinge kommen unbedingt in die Reisetasche für Klagenfurt?
Sonnenbrille, Lesebrille, frische Hemden.
Thomas Strässle,Bachmannpreisjuror _ Literaturwissenschaftler, Autor
Vielen Dank für das Interview, lieber ThomasSträssle! Gutes Ankommen und viel Freude in Klagenfurt!
Zur Person_ThomasSträssle
Thomas Strässle wurde 1972 in Baden (CH) geboren, lebt in Zürich.
Er studierte Germanistik, Philosophie und Musikwissenschaft in Zürich, Cambridge und Paris. promovierte über Grimmelshausens „Simplicissimus Teutsch“ und habilitierte sich mit einer Studie über die Symboliken des Salzes von Homer bis zur Gegenwart. Parallel dazu ließ er sich zum Flötisten ausbilden und erlangte sein Konzertdiplom „mit Auszeichnung“.
Heute ist er Leiter des spartenübergreifenden Y Instituts an der Hochschule der Künste Bern und Professor für Neuere deutsche und vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Zürich. Außerdem ist er ständiger Kritiker im „Literaturclub“ von Schweizer Fernsehen SRF und Präsident der Max Frisch-Stiftung an der ETH Zürich.
Zu seinen Publikationen zählen „Salz. Eine Literaturgeschichte“ (Hanser 2009), „Gelassenheit. Über eine andere Haltung zur Welt“ (Hanser 2013), „Fake und Fiktion. Über die Erfindung von Wahrheit“ (Hanser 2019) sowie, zusammen mit Carolin Emcke, „Für den Zweifel“ (Kampa 2022) und, als Mitherausgeber, „Wir haben es nicht gut gemacht. Ingeborg Bachmann/Max Frisch: Der Briefwechsel“ (Suhrkamp 2022).
I always loved disappearing in the crowd and breathing the air so quietly, refusing to project any attention whatsoever, that even I believed: nobody can see me. This was and is my observing-mode, those moments when I’m able to look at the bigger picture and sink into life invisibly.
It’s a great contradiction, because as many other artists I do as well enjoy being on a stage, showing something that might surprise the audience, showing qualities that can appear as extraordinary in that specific context. Most of the time I make a splash and I swim happily on stage. What I mean with this is that nothing and nobody is black or white, and a certain amount of chaos will always remain. Being an artist is a big contradiction, not only because of my introvert side, but because while we all aim for integrity, completeness and for some sort of a value, beauty or miracle, art also has a purpose to trigger and challenge peace. James Baldwin once said: “Nobody knows what is going to happen to them from one moment to the next, or how one will bear it. This is irreducible. And it’s true for everybody. Now, it is true that the nature of society is to create, among its citizens, an illusion of safety; but it is also absolutely true that the safety is always necessarily an illusion. Artists are here to disturb the peace. They have to disturb the peace. Otherwise, chaos.” I belive that most people are aiming for some sort of a balance through life. A balance between all these contradictions, a balance between professional and private life, a balance between money and humanity, a balance between sugar and greens, shy and arrogant, Lexus and running, airplane and bike, trash and value, joy and pain, good and evil, etc… Today we miss this balance in regards tot hat greater picture. It is unbearable to see so much suffering, so much pain, so much money and evilness around. We often switch to survival mode and try to close out all that, because we don’t want to get sick, we don’t want to feel so much stress and sadness, we still want to live happily, feeling joy and beauty. I truly understand that, I often fall into that mode as well. As a Hungarian I experienced from close how good conscience can disappear from humans when power, money and the lack of knowledge overrules everything. Now an ongoing war is in the neighbour, and nobody has the power, ability or access to stop it. I do want to disturb peace when I am on stage, cause I want to show something interesting, something irregular, something extraordinary, but I wish that nobody would disturb peace when it comes to basic human rights, to the safety health and well-being of people, animals and nature. I don’t know whom to ask, but I do ask the WORLD to please, give peace a chance! It will be worth it and you will never ever regret it!
Give
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Protect
Encourage
Appreciate
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Empower
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Care
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Empathtize
Eszter Petrány, 31.3.23
Eszter Petrány, MA dancer, choreographer, dance educator
Give Peace A Chance_Akrostichon for peace:
Eszter Petrány, MA dancer, choreographer, dance educator
Liebe Karin Peschka, wir sind hier in der Ungargasse in Wien, den literarischen Bezugsorten des Romans „Malina“ (1971) von Ingeborg Bachmann.
Welche Bezüge und Zugänge gibt es von Dir zu Ingeborg Bachmann und dem Roman Malina?
Ich habe spät begonnen, Bachmann zu lesen, und nach wie vor entdecke ich sie mit Freude und Neugier. „Malina“ ist ein intensiver Roman, ein genaues, schmerzhaftes Hinsehen, ein schriftstellerisches Unterfangen von großem Wert.
In „Malina“ geht es auch um die Möglichkeiten von Liebe, Beziehung vor dem Hintergrund der Erfahrungen der Kindheit und des Heranwachsens in einer patriarchalen Welt. In Deinem aktuellen Roman „Dschomba“, Otto Müller Verlag/2023, steht des Heranwachsens und die Erfahrungswirklichkeit im patriarchalen „Kosmos“ eines Wirtshauses im Mittelpunkt. Wie prägend und bestimmend ist eine Kindheit darin?
Ich habe den „Wirtshaus-Kosmos“ nicht als patriarchal wahrgenommen. Ja, es stimmt, mein Großvater ist mir als eher strenger Mann in Erinnerung und mein Vater hatte eine zentrale Rolle in diesem Gefüge. Aber sowohl meine Großmutter als auch meine Mutter galten mir immer als ebenbürtige Gegenüber ihrer Männer, es gab ein spürbares Gleichgewicht. Vielleicht – oder sogar sicher – mit temporären Schwankungen auf beiden Seiten. Aber im Grunde war dieser Ausgleich bestimmt prägend für mein Bild einer erstrebenswerten Partnerschaft: sich gegenseitig Stütze zu sein, zueinander stehen, sich Freiraum geben und Eigenheiten akzeptieren.
Ungargasse _ Gasthaus „Zum alten Heller“
Ungargasse _ Frisör Herr Weber
Der Krieg in seiner Bedeutung als Generationenlast- und -aufgabe ist bei „Malina“ wie bei „Dschomba“ ein wichtiges Thema. Wie kann es gelingen vom Krieg zum Frieden in der Gegenwart und dann in den Generationen danach zu kommen?
Eine große Frage, auf die ich keine Antwort weiß.
Was hat Dich zum Thema Deines aktuellen Romans geführt?
Wie bei allen anderen Büchern: Die Lust, etwas Neues anzugehen. Und bei „Dschomba“ auch die Frage, wie es wäre, meine eigene Biographie zu korrigieren. Zu behaupten, als Kind schon vom großen Lager gewusst zu haben, das auf dem Gelände unter der Schaunburger Leithen errichtet worden war. Ohne dieses Bild zu dramatisieren, sondern es mir erzählen zu lassen von einem Fremden.
Ingeborg Bachmann hat einmal gesagt „alles Wesentliche im Leben einer Schriftstellerin passiert in der Kindheit“. Stimmst Du dem zu?
Nein, mir ist auch noch nach der Kindheit recht Wesentliches passiert. Aber ich denke, ich weiß, was sie mit diesem Satz meint.
Welche Bedeutung haben Orte in Deinem Schreiben?
Im besten Fall sind sie ein guter „Boden“ für die Erzählung, im allerbesten Fall werden sie selbst zu Protagonisten.
Welche Eindrücke hast Du von den Schauplätzen in der Ungargasse, die wir besucht haben?
Interessant! Besonders der weite Blick über die Dächer, sehr beeindruckend.
Ende April beginnt die Buchmesse in Leipzig mit dem Gastland Schwerpunkt „Österreich“. Du wirst daran teilnehmen. Welche Erwartungen und Wünsche hast Du als österreichische Schriftstellerin?
Nach den Absagen der letzten beiden Jahre: Die Messe soll stattfinden und ich gesund und munter teilnehmen können. Ich freu mich ganz egoistisch auf den Beginn der Reise, auf dem Moment, wo der Zug abfährt, ich ein Buch auspacke, meinen Kaffee trinke, ein Kipferl esse und weiß: Jetzt geht es los.
Mit Erwartungen halte ich mich lieber zurück. Wenn es gelingt, Literatur aus Österreich eine schöne Bühne zu bieten, ist viel gelungen. Und danach sieht es im Vorfeld schon aus.
Darf ich Dich abschließend zu einem Malina Akrostichon bitten?
Liebe Sandra, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Mein Alltag ist eigentlich immer wieder der gleiche. Familienleben, Liebesleben mit meinem Herzmann, momentan die Fortbildung… Und dazwischen sich immer wieder Freiräume schaffen, um schreiben zu können.
Ich hätte gerne mehr Raum für die Kunst! Manchmal habe ich das Gefühl, dass es mir als Frau immer noch einen Spagat abverlangt um alles unter einen Hut zu bekommen, dort braucht es mehr Gleichberechtigung.
Sandra Reinhart, Schriftstellerin
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Ein aufmerksameres und liebevolleres Miteinander. Es ist definitiv eine Zeit des Umbruchs und bei all dem Irrsinn, der hier passiert, ist es gerade unsere „kleine“ Welt, die uns jetzt Halt geben kann. Große Veränderungen fangen ja bekanntlich klein an.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Schwierige Frage…
Gesellschaftlich gesehen, wäre eine „Entgiftung des Geistes“ notwendig. Es geschieht so viel Unrecht aus Egoismus und Engstirnigkeit, aus einem noch zu starkem patriarchalem Machtstreben heraus. Es ist Zeit für gelebten Humanismus. Was eine große Portion Mut erfordert, sich einzugestehen, dass wir alle auf unsere eigene Art und Weise etwas ändern müssen. Wir dürfen wieder lernen, unseren Lebensraum und unsere Mitmenschen wert zu schätzen und die Welt für nachfolgende Generationen zu schützen.
Künstlerisch ist die Frage einfacher zu beantworten. Erreichen wir nur eine Person mit unserem Schaffen, dann haben wir die Welt schon ein Stückchen verändert… Und der Sinn und die Aufgabe der Kunst ist erfüllt…
Was liest Du derzeit?
Jens Böttcher: Das Leben ist sinnlos wenn du nicht liebst
Martina Laubner, Bettina Lindmeier, Anika Lübeck: Schulbegleitung in der inklusiven Schule
Gabriel Wolkenfeld: Nebelatlas
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Dieses Zitat begleitet mich schon längere Zeit:
“ Zwischen den Zeilen liegt der stille Friede des Himmels“
Jens Böttcher
Vielen Dank für das Interview liebe Sandra, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literatur-, Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Sandra Reinhart, Schriftstellerin
Zur Person_
Kurzbio_Sandra Reinhart wurde am 21. Januar 1978 im Landkreis Aschaffenburg geboren. Ihre ersten literarischen Versuche machte sie im Alter von 18 Jahren. Sie ist auch als Bloggerin aktiv. Auf Facebook betreut sie ihre Seelenherzseite.
Ihr Ziel ist es, ihre Text und Gedichte allen Menschen zugänglich zu machen. Das Gedicht Sternentraum ist 2022 in der Frankfurter Bibliothek erschienen. Regelmäßig nimmt die Autorin an Lesungen im Berliner Raum teil. Derzeit arbeitet sie an ihrem ersten Gedichtband.
Die Autorin ist Mutter von drei Kindern und lebt mit ihrem Partner in Berlin.
Foto_privat
5.3.2023_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.
Liebe Sybille, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Da ich mich seit ein paar Monaten durch eine depressive Episode quäle, ist mein Tagesablauf recht monoton. Ich gehe zur Arbeit, kümmere mich um Haushalt und Tiere und verbringe sehr viel sinnentleerte Zeit auf dem Sofa. Ich esse ungesund, schlafe schlecht, sehe mir dummes Zeug im Internet an und schreibe zu wenig.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Durchatmen und einen kühlen Kopf bewahren. Unsere Welt ist komplex. Wir müssen nicht zu allem, immer eine Meinung haben.
Wir brauchen zwingend mehr kitschige Sonnenaufgänge.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Es ist alles ein ständiger Aufbruch und Neubeginn, das letzte Jahrhundert war voll davon und dieses wird nicht anders sein. Wir leben in interessanten Zeiten. Ich sehe Literatur und Kunst in vielfältigen, begleitenden Rollen. Von der Verarbeitung gesellschaftlicher Traumata bis hin zur klassischen Trivialunterhaltung – alles wird gebraucht, um uns durch die kommenden Krisen zu bringen.
Was liest Du derzeit?
„Die Brüder Karamasow“ – Dostojewski
„Flying Dutch“ – Tom Holt
„Farbatlas Nutztierrassen“ – H.H. Sambraus
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Leg die Waffe aus der Hand, Bruder.“
Vielen Dank für das Interview liebe Sybille, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Sybille Lengauer,Schriftstellerin
Zur Person_Sybille Lengauer, Jhg. 1980, Schwerpunkt Gedichte und Kurzgeschichten, Letzte VÖ „Ziemlich schlechte Nachrichten“ bei Rodneys Underground Press.
Niederlege ich dich, Kind, zwischen Polyestertüchern mit
Camouflagemuster und aufgebrochenen
entzweiten Häuserreihen
Katrin Bernhardt, 29.3.2023
Katrin Bernhardt, Schriftstellerin, Musikerin, Künstlerin
Give Peace A Chance_Akrostichon for peace:
Katrin Bernhardt, Schriftstellerin, Musikerin, Künstlerin
Zur Person_
geb. 1982, Studium der Klassischen Archäologie und Philosophie an der Universität Wien, Promotion. arbeitete als PR-Assistentin, Archäologin, Lehrerin an einer Mittelschule und Projektentwicklerin
seit 06/ 2022 Fokussierung auf die Arbeit als Schriftstellerin und bildende Künstlerin
Literatur
Preise&Nominierungen
2023 Österreichische Gesellschaft für Literatur, Writer in Residence, Casa Litterarum, (geplant für 2025)
2022 Arbeitsstipendium Illustration, Bilderbuch „Dori Dachs ist heute faul“, BMKOES
2022 Artist in Residence im Künstleratelier Paliano / Italien, Land Burgenland
2005 FM4 Wortlaut, Longlist (Top 3 %)
2000 Jugendkulturpreis des Landes Burgenland
1998 Förderungspreis der Burgenlandstiftung Theodor Kery, Bereich Literatur und Publizistik
1997 Förderungspreis des Jugendliteraturwettbewerbs des Landes Burgenland
Publikationen
Derzeit Verlagssuche für den Roman „Verleumdungen“ (gefördert durch das Land Burgenland) und das selbstillustrierte Bilderbuch „Dori Dachs ist heute faul“ (gefördert durch das BMKOES)
Monographien
„Aufbrechen“, Lyrik, edition lex liszt 12, 2020.
„Auf bittere Haut geschrieben“, Lyrik, edition lex liszt 12, 2013.
„Die Gesichtslosen“, Erzählungen, Verlag Bibliothek der Provinz, 2000.
„Fluchtplan lebt nicht mehr“, Lyrik, Verlag Bibliothek der Provinz, 1998.
„Fallen ohne Aufprall“, Lyrik, Eigenverlag, 1995.
in Anthologien, Zeitschriften, im Rundfunk und Internet (Auswahl)
Literarisches Österreich. Zeitschrift des Österreichischen Schriftsteller/innenverbands, 2022, S. 12-18.
literaturhaus.at und literaturhausnö.at, Aktion „Stimmen gegen den Krieg“, 2022.
ORF, Radio Burgenland, Sendung Extra – Kunst und Kultur, 26.11.2020.
Poesiegalerie.at, mehrere Gedichte, 2020-2022.
R. Prosser, Ch: Szalay (Hrsg.), wo warn wir? ach ja: Junge Österreichische Gegenwartslyrik, Limbus, 2019.
Bibliothek deutschsprachiger Gedichte (Hrsg.), Ausgewählte Werke XXII, 2019.
ORF, Ö1, Nachtbilder, 2018.
Lichtungen – Zeitschrift für Literatur, Kunst und Zeitkritik Nr. 151/XXXVIII, 2017.
Landesschulrat Burgenland (Hrsg.), „Lesen ab 10. Gedankenplätze. Ein burgenländisches Lesebuch für Schülerinnen und Schüler der Mittelstufe“, edition lex liszt 12, 2017.
Mitgliedschaften
PEN-Club Austria
Österreichischer Schriftsteller/innenverband
IG Autorinnen Autoren
Literar-Mechana
BILDENDE KUNST
Performances, Versuchsanordnungen und Installationen zu den Themenfeldern Ritual und Gender
Malerei in Misch- und Acryltechnik auf Leinwand, Leintuch und Papier
Preise&Nominierungen
2022 Förderpreis für Bildende Kunst, Land Burgenland, shortlist
11/2023 Interaktive Versuchsanordnung und Ausstellung „Das letzte Hemd hat viele Taschen“, Schloss Bad Fischau (in Planung)
06/2023 Ausstellung, Pumpenhaus, Thermalbad Bad Fischau-Brunn (in Planung)
2022 Förderpreis für Bildende Kunst 2022, Kulturzentrum Mattersburg
2022 NÖ Tage der Offenen Ateliers, Bad Fischau-Brunn (solo)
2022 „Das letzte Hemd hat viele Taschen“, Ziegelmuseum Ziersdorf (solo)
2022 „Finde die Frau“, Ordination Dr. Winhofer-Stöckl, Mattersburg (solo)
2022 „Lockdown“, FORUM Bad Fischau-Brunn, Schloss Fischau
2022 „Das letzte Hemd hat viele Taschen“, Schloss Jedenspeigen (solo)
2012 „Kunstspinne“, NN-fabrik, Oslip
2010 „schik IV – Family“, schikaneder, Wien
Mitgliedschaften
Bildrecht
Kulturvernetzung Niederösterreich
Musik
2004–2013 Gründungsmitglied, Sängerin und Texterin der Band Xenesthis
Zahlreiche Supportshows für internationale Acts, Festivalauftritte und Konzerte in Österreich (u. a. Hauptbühne des Nova Rock Festivals 2009), Deutschland, Slowenien, Italien
Reviews und Interviews in internationalen und nationalen Magazinen
Phoebe Violet_Violinistin, Sängerin, Komponistin, Malerin _ Wien _ Station in Schönbrunn Phoebe Violet_Violinistin, Sängerin, Komponistin, Malerin _ Wien _ Station in Schönbrunn
Liebe Phoebe Violet, wir sind hier an einem strahlendem Frühlingsmorgen im Wiener Schloss Schönbrunn. Welche Bezüge, Zugänge gibt es von Dir zu diesem zentralen Wiener Bezugspunkt? Was schätzt Du hier besonders?
Ich bin mehrmals die Woche in Schönbrunn, meistens aus sportlichen Gründen. Ich nehme hier die Jahreszeiten wahr und die dadurch erzeugte fabelhafte Farbpalette der Natur. Die ständige Veränderung ist für mich sehr inspirierend.
Ist es auch ein Ort der künstlerischen Inspiration für Dich?
Oh ja, und wie!
Könntest Du Dir vorstellen hier im Schloss zu leben?
Nein.
Was schätzt Du am Frühling?
Die fantastische Hoffnung, dass der Winter doch ein Ende hat.
Du hast wieder einen wunderbaren Style in den Farben rot/schwarz für das Fotoshooting gewählt. Welche Überlegungen hattest Du da?
Ich dachte an die gelbe Fassade mit den dunkelgrünen Jalousien des Schlosses. Da war Rot ein guter Kontrast. Und schwarz mit goldenem Schmuck, alles leicht überdimensioniert, so wie dieser Ort. Monarchie bedeutet für mich nur das Stehlen und Ausbeutung anderer Menschen, Kulturen. Ich repräsentiere diesen Ort nicht mit Stolz, sondern eher in Form von Trauer.
Was bedeutet Dir Mode?
Ein tägliches Theaterspielen. Ich liebe es.
Es ist hier ein Ort mit viel Geschichte, persönlicher wie weltgeschichtlicher. Wie siehst Du das Leben und den frühen Tod von Kaiserin Elisabeth „Sissy“?
Ihre Geschichte ist mit viel Mythos verbunden. Ich habe mich bis jetzt nur auf oberflächlicher Art mit ihrem Leben beschäftigt. Ich glaube aber, wenn eine Person in so einem Umfeld geboren wird und aufwächst, bedeutet es kein schönes Leben. Viel Gewicht, viel Vergangenheit, viele Verhaltensregelungen. Und dann noch dazu, was es politisch bedeutet, in so einem Kreis existieren zu müssen. Für mich einen Alptraum.
Was macht für Dich Liebe, Leben aus?
Alles.
Was sind Deine kommenden Projekte?
Ich nehme Ende März mein nächstes Album auf, worauf ich mich schon sehr freue. Ein neues Stück für das großartige Ensemble “Kammerfunk” habe ich komponiert und wird am 11. April in Niederösterreich uraufgeführt, darauf freue ich mich auch sehr! Ich versuche meine neueste Komposition “Agua”, eine musikalische Tanz Performance ohne Tänzer*innen – klassische Minimalismus mit Einflüssen von Ritual und Yoruba Musik -, auf der Bühne zu bringen. Und in meiner Malerei-Welt arbeite ich gerade an einer neuen Bilderserie mit Ölfarben aus Wasserlandschaften, die meisten in Dämmerung. Das sind ungefähr meine Haupt Ankerpunkte gerade, die mir sehr viel Freude bereiten.
Welche Themen sind Dir in Deiner Musik, Kunst wichtig?
Das ändert sich ständig, je nach Projekt. Was ich immer erreichen möchte, ist ein ehrlicher Ausdruck meiner Wahrnehmung und meines Empfinden.
Wäre dies hier auch ein Ort für ein Konzert für Dich?
Ja. Der große Saal im Schloss ist wirklich wunderschön. Früher habe ich immer wieder mit Schönbrunner Schloss Orchester in dem Saal gespielt und es war jedes mal ein besonderes Gefühl. Auch in der Orangerie. Obwohl ich nicht mag, was dieses Gebäude politisch repräsentiert, kann ich auf jeden Fall die Arbeit und Energie schätzen, die hineingesteckt wurde, um so einen majestätischen Ort zu schaffen.
Was würdest Du Franz Joseph und Elisabeth von Österreich sagen, fragen wollen?
Ob sie mich kurz nach Frankreich bringen könnten, um Claude Monet und Claude Debussy kennenzulernen – ich gehe davon aus, dass ich diejenige bin, die zurück in die Zeit reist.
Darf ich Dich abschließend zu einem Schönbrunn Akrostichon bitten?
So
sChön, soll es
Heißen. Ich warte auf die
TÖne
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Blütezeit
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MeNschheit
Phoebe Violet_Violinistin, Sängerin, Komponistin, Malerin _ Wien _ Station in Schönbrunn