Liebe Fabienne, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Bei mir stehen bald Proben zu „Die Verwandlung“ nach Kafka an. Da werde ich Gregor spielen. Und somit habe ich im Moment zu tun, mit Text lernen, mache regelmäßig Sport, gönne mir immer mal wieder Erholungszeit und erledige eben all die Dinge, die so anstehen. Daneben bin ich beschäftigt mit Vorstellungen von Stücken, die ich schon seit einiger Zeit spiele. Aufgrund der Lockdowns wurden viele Vorstellungen abgesagt oder verschoben und die Stücke sind somit länger im Repertoire. Dies finde ich im Moment grad sehr schön, da somit auch eine Entwicklung außerhalb der Rolle stattfindet und diese wiederum das Stück bereichert. Zudem ist es auch schön mit einem Team über einen längeren Zeitraum unterwegs sein zu können. Wenn die Proben beginnen, werde ich für sechs Wochen einen klaren Zeitplan haben und jeden Tag außer am Sonntag im Theater verbringen. Das Stück spielen wir dann ensuite, das heißt jeden Abend außer am Montag. Ich freue mich sehr auf die kommende Zeit und die Entwicklung der neuen Rolle.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Gegenseitiger Respekt und Dankbarkeit.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?
Theater besteht aus Interaktion. Interaktionen auf vielen Ebenen. Die Interaktion zwischen dem Geschehen auf der Bühne und dem Publikum ist ein wichtiger Pfeiler von Theater. Alles geschieht – genauso – nur einmal. Es ist genauso wie es war nicht wiederholbar. Und das ist das, was mich schon immer sehr stark angezogen hat am Theater und das Besonders ist an dieser Kunstform. Wenn du im Publikum sitzt, kannst du dich in einem gemeinsamen Raum erfahren mit anderen Zuschauer:innen, den Schauspieler:innen, der Inszenierung, dem Text und deinen persönlichen Gedanken, Emotionen und Körperempfindungen. Du bist Teil von dem Ganzen. Und diese Erfahrung kannst du nun wieder machen, da die Theater wieder geöffnet sind. Und ein Theaterbesuch kann auch immer bedeuten mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen, neue Menschen kennen zu lernen, sich auszutauschen. Theater als ein Ort der Begegnung und Auseinandersetzung. Diese Rolle kommt dem Theater zu und wird vielleicht gerade nach der Zeit, wo Live Besuche nicht mehr möglich waren, wieder verstärkt geschätzt.

Was liest Du derzeit?
„Blutbuch“ von Kim de l’Horizon.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„As you start to walk on the way, the way appears.” Rumi
Vielen Dank für das Interview liebe Fabienne, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Theater-, Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Fabienne Trüssel, Schauspielerin, Sprecherin
Zur Person_Fabienne Trüssel absolvierte von 2006-2010 die Freiburger Schauspielschule. Bereits während der Ausbildung spielte sie in verschiedenen Produktionen am E-Werk Freiburg mit. Danach folgte ein Engagement beim Eurotheater Basel mit dem sie deutschlandweit auf Tournee war. Anschliessend spielte sie u.a. Rosalinde in WIE ES EUCH GEFÄLLT, Natalja in DER HEIRATSANTRAG und Meroe in PENTHESILEA. Weitere Engagements führten sie ans Theater Bonn (GETÜRKT, Regie: Marita Ragonese), ans Zimmertheater Rottweil (Lucile in DANTONS TOD, Regie: Tonio Kleinknecht und Myrrhine in LYSISTRATE, Regie: Cornelia Schönwald) und zum Theater Kanton Bern (ROMEO UND JULIA und DES KAISERS NEUE KLEIDER).
Mit ihrem Soloprogramm MAN SUCHT PETERSILIE UND FINDET DILL brachte sie 2013 in Berlin erstmals eigene Texte auf die Bühne. Mit der Company urbanReflects entwickelte sie Formate wie KITCHEN TALK mit TänzerInnen, MusikerInnen und SchauspielerInnen. Mit dem Solostück NICHT ICH von SAMUEL BECKETT (Regie: Marek Kedzierski) trat sie 2017 beim internationalen Beckett Festival 111 im E-Werk Freiburg und in Trondheim (Norwegen) auf. Seit 2017 gehört sie zum Team des Theater Szene Bern. Dort spielt sie bisher in sechs Inszenierungen mit. Am Voralberger Landestheater Bregenz arbeitete sie 2019/20 unter der Regie von Silvia Costa in SPIEL von Samuel Beckett und WRY SMILE DRY SOB, das auch an die Kunstfestspiele Herrenhausen eingeladen worden ist.
In Frankfurt spielte sie 2022 unter der Regie von Mascha Pitz in einem Stück über Empowerment. Mit dem Theater Kanton Bern ist sie weiterhin auf Tournee unter anderem mit dem Stück AM HORIZONT unter der Regie von Antonia Brix. In der Grenzgänger Produktion NORA NORA NORA (Text: Eva Rottmann, Regie: Bettina Glaus) ist sie auch 2023 live zu sehen. Bald wird sie in DIE VERWANDLUNG nach Kafka unter der Regie von Petra Schönwald am Theater an der Effingerstrasse in Bern die Rolle des Gregor spielen.
Vor der Kamera war sie bisher für Tatort und in diversen Kurzfilmen zu sehen.
Sie begleitet zudem Theaterstücke als oeil extérieur, Regie, Workshopleitung und arbeitet als Sprecherin bei Lesungen, im Studio (Hörspiel/Hörbücher, Voice Over, Werbung) oder liest auf Anfrage ihre selbstverfassten Texte.
http://www.fabiennetruessel.com/
Foto_Gregory B. Waldis
Walter Pobaschnig _ 6.3.2023