Liebe Karin Peschka, wir sind hier in der Ungargasse in Wien, den literarischen Bezugsorten des Romans „Malina“ (1971) von Ingeborg Bachmann.
Welche Bezüge und Zugänge gibt es von Dir zu Ingeborg Bachmann und dem Roman Malina?
Ich habe spät begonnen, Bachmann zu lesen, und nach wie vor entdecke ich sie mit Freude und Neugier. „Malina“ ist ein intensiver Roman, ein genaues, schmerzhaftes Hinsehen, ein schriftstellerisches Unterfangen von großem Wert.




Romanschauplatz „Malina“ Ingeborg Bachmann (1971) _
50.Todesjahr_Ingeborg Bachmann_ Schriftstellerin (25.Juni 1926 Klagenfurt – 17.Oktober 1973 Rom)

In „Malina“ geht es auch um die Möglichkeiten von Liebe, Beziehung vor dem Hintergrund der Erfahrungen der Kindheit und des Heranwachsens in einer patriarchalen Welt. In Deinem aktuellen Roman „Dschomba“, Otto Müller Verlag/2023, steht des Heranwachsens und die Erfahrungswirklichkeit im patriarchalen „Kosmos“ eines Wirtshauses im Mittelpunkt. Wie prägend und bestimmend ist eine Kindheit darin?
Ich habe den „Wirtshaus-Kosmos“ nicht als patriarchal wahrgenommen. Ja, es stimmt, mein Großvater ist mir als eher strenger Mann in Erinnerung und mein Vater hatte eine zentrale Rolle in diesem Gefüge. Aber sowohl meine Großmutter als auch meine Mutter galten mir immer als ebenbürtige Gegenüber ihrer Männer, es gab ein spürbares Gleichgewicht. Vielleicht – oder sogar sicher – mit temporären Schwankungen auf beiden Seiten. Aber im Grunde war dieser Ausgleich bestimmt prägend für mein Bild einer erstrebenswerten Partnerschaft: sich gegenseitig Stütze zu sein, zueinander stehen, sich Freiraum geben und Eigenheiten akzeptieren.




Der Krieg in seiner Bedeutung als Generationenlast- und -aufgabe ist bei „Malina“ wie bei „Dschomba“ ein wichtiges Thema. Wie kann es gelingen vom Krieg zum Frieden in der Gegenwart und dann in den Generationen danach zu kommen?
Eine große Frage, auf die ich keine Antwort weiß.

Was hat Dich zum Thema Deines aktuellen Romans geführt?
Wie bei allen anderen Büchern: Die Lust, etwas Neues anzugehen. Und bei „Dschomba“ auch die Frage, wie es wäre, meine eigene Biographie zu korrigieren. Zu behaupten, als Kind schon vom großen Lager gewusst zu haben, das auf dem Gelände unter der Schaunburger Leithen errichtet worden war. Ohne dieses Bild zu dramatisieren, sondern es mir erzählen zu lassen von einem Fremden.

Ingeborg Bachmann hat einmal gesagt „alles Wesentliche im Leben einer Schriftstellerin passiert in der Kindheit“. Stimmst Du dem zu?
Nein, mir ist auch noch nach der Kindheit recht Wesentliches passiert. Aber ich denke, ich weiß, was sie mit diesem Satz meint.

Welche Bedeutung haben Orte in Deinem Schreiben?
Im besten Fall sind sie ein guter „Boden“ für die Erzählung, im allerbesten Fall werden sie selbst zu Protagonisten.

Welche Eindrücke hast Du von den Schauplätzen in der Ungargasse, die wir besucht haben?
Interessant! Besonders der weite Blick über die Dächer, sehr beeindruckend.

Ende April beginnt die Buchmesse in Leipzig mit dem Gastland Schwerpunkt „Österreich“. Du wirst daran teilnehmen. Welche Erwartungen und Wünsche hast Du als österreichische Schriftstellerin?
Nach den Absagen der letzten beiden Jahre: Die Messe soll stattfinden und ich gesund und munter teilnehmen können. Ich freu mich ganz egoistisch auf den Beginn der Reise, auf dem Moment, wo der Zug abfährt, ich ein Buch auspacke, meinen Kaffee trinke, ein Kipferl esse und weiß: Jetzt geht es los.
Mit Erwartungen halte ich mich lieber zurück. Wenn es gelingt, Literatur aus Österreich eine schöne Bühne zu bieten, ist viel gelungen. Und danach sieht es im Vorfeld schon aus.

Darf ich Dich abschließend zu einem Malina Akrostichon bitten?
Meine Fähigkeit, Gedichte zu schreiben.
Akrostichon? Musste ich nachschlagen, das Wort.
Lieber das Dichten jenen überlassen, die es
In sich tragen und spüren und
Nicht wie ich darauf angewiesen sind, vom Gedicht
Angefallen zu werden. Oder an der Hand genommen.


Romanschauplatz „Malina“ Ingeborg Bachmann (1971) _
50.Todesjahr_Ingeborg Bachmann_ Schriftstellerin (25.Juni 1926 Klagenfurt – 17.Oktober 1973 Rom)
Vielen Dank, liebe Karin Peschka, für Deine Zeit in Wort und Bild bei „Malina“, alles Gute und viel Freude und Erfolg weiterhin!
Station bei Malina_Roman Ingeborg Bachmann_Wien_1971
Karin Peschka, Schriftstellerin _ Wien _
2023 _ 50.Todesjahr_Ingeborg Bachmann_ Schriftstellerin (25.Juni 1926 Klagenfurt – 17.Oktober 1973 Rom)
Interview und alle Fotos_ Walter Pobaschnig
Aktueller Roman von Karin Peschka _

„Dschomba“ Karin Peschka. Otto Müller Verlag. 2023.
„Karin Peschkas Sprachreich ist ein Wunderland des Lebens, das überrascht, fasziniert und bereichert.“
https://literaturoutdoors.com/2023/02/24/dschomba-karin-peschka-otto-muller-verlag/
Walter Pobaschnig, 4_23