„Station bei Bachmann“ Gespräch mit Ines Birkhan, Autorin und Künstlerin, Teilnehmerin Bachmannpreis 2019.

Als Ines Birkhan das Wohnhaus der Schriftstellerin Ingeborg Bachmann in Wien betritt, ist es schon klar. Literatur, Erinnerung und viele Geschichten sind hier allgegenwärtig. Eine Hausbewohnerin begegnet uns und berichtet von ihrem Vater, der wohl zur Romanfigur bei „Malina“ geworden sei. Die Schilderung der Autobahnwerkstätte im Buch lässt diesen Schluss zu. Der Vater wollte dies zwar zeitlebens nicht bestätigen, aber es sei offensichtlich. Eine Familie Malina habe ebenso hier gewohnt…

Eine Tür geöffnet und schon ist die ganze Kraft von Literatur zu spüren – „Da ist der Stein nicht tot, der Docht schnellt auf, wenn ihn ein Blick entzündet…“ (Das erstgeborene Land, Ingeborg Bachmann). Mittendrin das Weitererzählen. Gut so. So schnell geht das im „Ungargassenland“. 

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Am Weg zur Wohnung Ingeborg Bachmanns spricht Birkhan von der besonderen literarischen Konstruktion und dem Charakter des Schreibexperimentes im Roman „Malina“ (1971) von Ingeborg Bachmann. „Bachmann sei zwar kein unmittelbares Vorbild“ aber es gibt Parallelen im Sprachspiel und der Offenheit für formale Variation und Wagnis. Unmittelbar ist für Birkhan „Oulipo“, eine experimentelle literarische Stilrichtung, welche die Möglichkeiten von Sprache in strikter formaler Vorgabe (contraint) zu erweitern sucht, eine große Inspiration. Der neue Roman der Autorin ist auch ein Ausdruck dieses künstlerischen Weges als konkrete literarische Arbeitsweise. „Dabei gibt es offene und verdeckte Formen der Anwendung dieser „contraintes“. Ebenso sind „innere Bilder“, die in einem Dialog zur realen Wahrnehmung stehen, bedeutsam. Das „Fließende“ sei ein treffendes Bild dafür. Unmittelbare psychoanalytische Intention stehe dabei nicht im Vordergrund.

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Bei der Wohnung angekommen, erinnern wir uns an die erste Information der freundlichen Dame im Eingangsbereich. „Bachmann wohnte zur Miete hier. Es könnte die Frau…der Name der Vermieterin, ich bin mir jetzt nicht mehr sicher..“. Wir blicken aus dem Fenster. Ingeborg Bachmann wohnte von 1946-1949 im Haus. Damals müssen noch die Spuren des Krieges hier sichtbar wie spürbar gewesen sein. Trümmer, Bausteine – ein Haus, das erst wieder seine neue Form finden muss. Wie die Sprache.

Gestaltung, Form und Experiment begegnen im beeindruckend renovierten Bachmannhaus überall. Von den kunstvollen schmiedeeisernen Wandläufern begleitet, kommen wir in den Hof zu den imposanten Laternen mit phantasievoller mythologischer Symbolik. „Ein Drache?, ein Löwe?“, wir rätseln. Jetzt wäre wohl der Vater der Autorin zu Rate zu ziehen, der renommierte Mediavist und Keltologe, Helmut Birkhan. Aber die Zeit drängt. In jedem Fall liegt das Interesse wie Talent für Sprache und Kunst offensichtlich in der Familie.

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Im Eingangstor zum „Ingeborg-Bachmann-Park“ spricht Birkhan von Arbeitsprojekten, die Literatur und Vortrag wie Musik zu verbinden suchen. Die Arbeit an Stimme und Körper sei dabei ganz wesentlich. Es sei auch ein Kreis, der sich da wieder schließt. Der Ausgangspunkt des Körpers ist zentral, da die Autorin Tanz und Choreographie in Amsterdam studiert hat und längere Zeit als Tänzerin tätig war.

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Die vereinbarte Stunde für den Rundgang im Bachmannhaus ist beinahe um. Doch ein Treffpunkt steht noch an. Das Blumengeschäft gegenüber des Bachmannhauses hat eine Überraschung für die Wiener Bachmannpreisteilnehmerin vorbereitet. Ein von Geschäftsinhaberin und Floristin Cara Bronold eigens für diesen Besuch entworfener „Bachmann Blumenstrauß“ begrüßt die Autorin. Auch hier begegnet beeindruckend Form und Kreativität. Ein weiterer Kreis schließt sich charmant. „Blumen bringen Glück“, gibt die Floristin der Autorin Ines Birkhan mit auf den Weg.

 

 

 

sdr

Die Wolken über dem Wiener Himmel haben sich jetzt etwas verzogen. Die Sonne blinzelt hervor. Die Autorin lässt jetzt das „Ungargassenland“ mit so viel Literatur und Geschichten hinter sich. „Es ist mein erster Wettbewerb“ sagt sie. Freude und Neugierde sind zu spüren. Der Dame im Haus empfehlen wir noch die Übertragungstermine der Lesungen in 3sat. Dann bricht Ines Birkhan mit einer eigenen Geschichte nach Klagenfurt auf – vielen Dank für diese Begegnung am Weg, alles Gute!

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Walter Pobaschnig 6.6.2019

https://literaturoutdoors.com

Alle Fotos_Walter Pobaschnig

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