Ich war von September 1960 bis Juni 1961 Lektor für Deutsch am German Department der University of Wales in Aberystwyth.
University of Wales _Aberystwyth
Mein sehr liebenswürdiger Chef war Prof C. P. Magill, ein Hobbit wie ich heute weiß. Es gab eine „Medieval Society“, bei der ich als Mediaevist natürlich Mitglied war. Eines Tages hieß es (wohl im Spätherbst 1960), es werde ein Gast aus Oxford sprechen, ein Anglist namens Tolkien, der über Beowulf arbeite oder gearbeitet habe. Ich fand mich also im Talar (den ich dort trug) an der Stelle des Vortrags – ich glaube im Hauptgebäude der Universität – ein, der Vortragende war schon da, man stand plaudernd herum.
Magill, der mich sehr schätzte, stellte mich Tolkien vor und wir schüttelten uns die Hände.
Vom Vortrag weiß ich nur, dass es um Verbalformendubletten ging, so wie wrought neben worked. Mich hat dabei nur das Bestehen einer älteren Form neben einer moderneren interessiert (ich hab auch später über solche sprachlichen Archaismen gearbeitet). An eine Diskussion erinnere ich mich nicht, ebenso wenig an einen Umtrunk und falls es den gab, dann nur für die staff-members der Anglistik. Ich erinnere mich nur, dass jemand sagte, der Vortragende komme aus Südafrika, und an das Aussehen Tolkiens, eines mittelgroßen, hageren Manns mit scharfer Nase.
Ich bin bereit zu beschwören, daß von Tolkiens literarischer Tätigkeit mit keiner Silbe die Rede war. Magill, der wußte, daß ich über Märchen dissertierte, hätte sicher eine Bemerkung fallen lassen, auch als er mich Tolkien vorstellte. Eine Anglistin, deren Namen ich vergessen habe und mit der ich häufig bei Mittagessen zusammentraf und andere – ich war keineswegs isoliert – sagten nichts diesbezügliches über Tolkien. Und so ist mir der Gelehrte ganz gleichgültig geworden und in Vergessenheit geraten, bis ich den Little Hobbit kennenlernte und seinen Verfasser zu bewundern begann. Vor einigen Jahren hab ich einen kleinen Aufsatz über die verschiedenen Sprachen bei Tolkien geschrieben.
emer. o. Univ.-Prof. Dr. Helmut Birkhan_Wien
Ältere Sprachen und Literatur
Institut für Germanistik Universitätsring 1 1010 Wien
John Ronald Reuel Tolkien (*3.1.1892 Bloemfontein + 2.9.1973 Bournemouth) , Schriftsteller und Philologe
Sein Roman Der Herr der Ringe (The Lord of the Rings, 1954/55, deutsche Übersetzung 1969/70) ist eines der erfolgreichsten Bücher der Literaturgeschichte und wurde von Peter Jackson verfilmt (Triologie 2001 – 2003). Das Werk J.R.R.Tolkiens umfasst umfangreiche literarische Schriften, Studien, die bis heute eine große Leser*innenschaft begeistern und vielfältig künstlerisch inspirieren.
Liebe Corina, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich habe meine Tage immer gern strukturiert und organisiert. Ich habe täglich mein Tanztraining, da es mir sehr wichtig ist, mich nicht nur künstlerisch sondern auch tanztechnisch ständig weiterzuentwickeln, weshalb ich auch nicht nur Zeitgenössischen Tanz und Ballett trainiere, sondern auch andere Stile und Disziplinen wie Breaking und Akrobatik. Dann habe ich Proben, je nachdem, ob ich gerade in einem Projekt/einer Produktion tanze, oder selbst ein Projekt habe (z.B. mit der Blare Dance Company, die ich mit 6 Kolleg*innen gerade gegründet habe), mal mehr und mal weniger, wie es eben so ist als freischaffende Tänzerin. Nebenbei unterrichte ich auch.
Corina Hoser, Tänzerin
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Ich weiß gar nicht, was ich da sagen soll, es gibt so vieles. Ich denke was sehr relevant ist, ist nicht den Mut zu verlieren und gemeinsam aktiv zu werden/bleiben. In den letzten 2 Jahren, in denen unsere Leben ziemlich auf den Kopf gestellt wurden, hat sich nach und nach eine lose Gruppe von Tänzer*innen, zu einer richtigen Gemeinschaft entwickelt, die sich unterstützt und zusammenarbeitet und für einander da ist. Wir haben eine Trainingsgruppe organisiert, eine Company gegründet und haben vor, uns gemeinsam selbst Möglichkeiten zu schaffen, da diese von außen nicht gegeben sind. Wir sind nicht nur Kolleg*innen, sondern Freund*innen und sich nicht alleine irgendwie in dieser prekären Situation voran zu kämpfen, sondern miteinander, fühlt sich gleich bei weitem weniger aussichtslos an. Dies ist nur ein Beispiel auf meiner persönlichen Mikroebene, doch mit all den furchtbaren Dingen, die sich auf dieser Welt so abspielen, ist dies auch auf eine größeren Ebene übertragbar und von immenser Bedeutung, wenn auch natürlich schwieriger.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Tanz, der Kunst an sich zu?
Puh, auch hier, weiß ich wieder nicht wo ich anfangen soll. Ich denke, es wird wesentlich sein, dass die Menschen das herrschende Wertesystem hinterfragen und die bestehende Krise nutzen um eben dieses, in meinen Augen absolut verkehrte Wertesystem neu zu ordnen, was uns dann auch ermöglichen würde, die schwerwiegenden Probleme, wie Ungerechtigkeit und Diskriminierung auf verschiedensten Ebenen, Klima, Konflikte und Kriege und und und, zu lösen. Dabei ist mir sehr wohl bewusst, dass dies toll klingt aber die Veränderung solcherlei fixer Strukturen ist natürlich extrem schwierig, aber ich will einfach glauben, dass es nicht unmöglich ist. In dem Ganzen finde ich, müssen wir vorsichtig sein, dass wir beim Versuch die Situation in unserer unmittelbaren Umgebung zu verbessern, nicht vergessen über den Tellerrand zu blicken, denn der Neubeginn hier heißt leider nicht, dass das überall so ist und wie wir in vielen Regionen der Welt sehen, gibt es einiges, das nicht vergessen werden darf, um das sich gekümmert werden muss, und zwar von allen.
Die Kunst kann denke ich, dazu beitragen, dass es gelingen kann, die Aufmerksamkeit auf bestimmte Themen zu lenken. Als Künstler*innen können wir Problematiken, die andere Arten von Kommunikation nicht derartig zu vermitteln vermögen, auf eine einzigartige Weise in Diskurs bringen. Ich denke besonders im Tanz, mit unseren Körpern in Bewegung, können wir Inhalte auf eine ganz spezielle Art und Weise transportieren, auch wenn dies für manche vielleicht nicht auf den ersten Blick verständlich ist.
Was liest Du derzeit?
Derzeit lese ich das Buch „The Neurocognition of Dance“ herausgegeben von Bettina Bläsing, Martin Putze und Thomas Schack. Davor habe ich mehrere Bücher von Stephen Hawking und anderen Physikern gelesen, da ich eine Passion für Astrophysik und Kosmologie habe.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Da bleibe ich gleich bei Hawking, der sagte: „Der größte Feind des Wissens ist nicht Ignoranz, sondern die Illusion wissend zu sein“
Corina Hoser, Tänzerin
Vielen Dank für das Interview liebe Corina, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Tanzprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Corina Hoser, Tänzerin
Fotos_privat.
14.11.2021_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.
Liebe Ariane, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Wenn ich nicht aktiv für eine neue Produktion lerne oder probe ist mein Tag oft gleich strukturiert. Er beginnt mit einer Einheit Hot yoga und am Nachmittag breite ich mich für meine kommenden Auditions vor. (ob in Form von Gesangstunden oder Selbststudium).
Ich gehe oft zu kulturellen Veranstaltungen um die Kollegen zu unterstützen.Zweimal die Woche unterrichte ich Liedinterpretation bzw Auditionclass. Zur Zeit versuche ich auch mein Buch „Mein Audition-Journal“ Wegbegleiter für Musicaldarsteller*innen, bekannter zu machen und lerne wie man das auch online bewerkstelligt.
Ariane Swoboda, Schauspielerin
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Das wir gemeinsam durch diese Zeit kommen. Mit Respekt und Vorsicht.
Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater, der Literatur, der Kunst an sich zu?
Gerade habe ich mit lieben Kollegen einen Theaterworkshop mit Musik und Tanz für Kinder und Jugendliche gemacht. Es zeigt sich immer wieder, gerade in Krisen, wie wichtig jegliche Kunstform für Kinder ist. Sich auszuprobieren, in anderen Rollen zu schlüpfen, zu reflektieren, welcher Text einen anspricht oder etwas in dir auslöst. Spielerisch mit heiklen Themen umzugehen.
Aber eigentlich für alle Menschen : So kann Musik und Bewegung mir helfen die Gedanken des Alltags zu relativieren. Die Arbeit in der kreativen Gemeinschaft kann mir wieder Freude, Hoffnung und Mut geben.ein paar Stunden nicht an den Alltag erinnert zu werden ist für jegliches Alter die schönste Eigenschaft von Kunst.
Was liest Du derzeit?
Im Grunde gut vpn Rutger Bregmann
sehr zu empfehlen – da es in vielen Ansätzen Zeigt, dass der Mensch eine Zukunft hat
..und immer wieder den Falter – journalistische Professionalität
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtet Du uns mitgeben?
Wer loslässt, hat die Hände frei!
Vielen Dank für das Interview liebe Ariane, viel Freude weiterhin für Deine großartigen Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Ariane Swoboda, Schauspielerin
Foto_Daniel Murtagh
8.11.2021_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.
Wir sind hier im traditionsreichen Cafè Prückel an der Wiener Ringstraße. Welche Verbindungen gibt es von Dir zur Wiener Kaffeehauskultur?
Es gibt wunderschöne Kaffeehäuser in Wien und das Cafè Prückel ist eines davon, in dem ich mich besonders wohlfühle.
Lola Lindenbaum _ Be hutsam.Always. 07/21 100×100 Öl,Ölkreide,Spray,Acryl a.LW
Warum ich mich so wohlfühle hier, kann ich jetzt spontan nicht genau dingfest machen, aber es ist die Verbindung von typischer Kaffeehausatmosphäre und Innenarchitektur, die es für mich ausmachen.
Gerade am Vormittag ist auch der Lichteinfall hier besonders.
les étoiles ont des noms 80×120 Acryl,Öl Sprühfarbe, Collagenelemente auf textilisiertem Holzrahmen
Das Kaffeehaus ist für mich ein Ort der Kontemplation wie der Zerstreuung.
Ich könnte stundenlang im Kaffeehaus sitzen und einfach Leute beobachten.
Wenn ich mir Notizen im Kaffeehaus mache, Wortfetzen aufgreife, da entstehen oft die besten Ideen.
Ist es auch ein Ort des künstlerischen Austausches?
Ja, man trifft sich gern hier.
Es ist aber auch sehr viel Inspiration im stillen aufmerksamen Dasein im Kaffeehaus. Da ist Weg und Wahrnehmung im Innen wie Außen.
Welche Zugänge gibt es von Dir zur in Wien geborenen Schauspielerin Romy Schneider, deren Todestag sich 2022 zum 40mal jährt?
Romy Schneider ist ein Mythos und sie ist sagenumwoben.
Was mich an Romy Schneider immer schon faszinierte und fasziniert ist diese Zerbrechlichkeit, diese personifizierte Melancholie, auch die Tragik.
Ich liebe ihre Stimme, diese hat etwas kindlich-melancholisches.
Unvereinbare Realitäten produzieren Irritierendes. Um Okkupationsversuchen entgegenzuwirken bedarf es Schneid, Horn und Mucke. @lola_lindenbaum, 2021, 80×100 Öl, Acryl, Ölkreide, Spühfarbe, Collagenelement auf Leinwand
Den ersten Berührungspunkt gab es für mich mit dem Film „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“, den ich mit meiner Großmutter gesehen habe und dieser war ihr Lieblingsfilm.
Ich habe diesen Film dann über die Jahre immer wieder gesehen. Romy Schneider ist da noch in der Rolle des Kindes, die von der Mutter motiviert oder gedrängt wird. Man sieht aber auch da schon ihr Antlitz.
Menschen können Ausstrahlung haben aber ein richtiges Antlitz haben die wenigsten.
Ihre Lebensgeschichte, ihre unerfüllte, widerspenstige Liebe und Liebessehnsucht ist etwas, das ich immer mit Romy Schneider verbinde.
Liebe und Leiden. Man kann sich da immer wieder gut in Romy Schneider hineinversetzen.
Licht und Schatten, von Glanz und Glamour bis zu tragischen Schicksalsschlägen wie dem Tod ihres Sohnes, welcher ihr das Herz gebrochen haben muss, das alles begleitet sie bis zu ihrem frühen Tod.
Romy Schneider versprüht für mich den tragischen Glamour.
Ich habe von meinen Lyrikbänden auch Texte rausgesucht, welche zum Leben Romy Schneiders passen könnten. Ich kann nicht gut vorlesen aber ich versuch`s (lacht) :
Du verbindest in Deiner Kunst verschiedenste Genres in Experiment und Innovation. Wie ist es für Dich als Künstlerin immer wieder neue Wege zu gehen bzw. Wege zu verbinden?
Es ist der Anspruch mich selbst zu überraschen, auszutesten als Künstlerin.
Ich wechsle Medium, Methodik, Sujets, da ergibt sich einfach Neues.
Das in verschiedene Rollen zu schlüpfen, ist eine Form der Lebendigkeit und ganz wesentlich. Da entdecke ich neue Seiten an mir.
In verschiedenen Rollen kann ich neu, anders auf die Welt zugehen.
Gibt es weitere Filme von Romy Schneider, die Dich begeistern, inspirieren?
Ja, natürlich, etwa „Swimming Pool“, ein Klassiker, den ich sicherlich 20mal gesehen habe – ein Kunstwerk immer wieder aufs Neue.
„Swimming Pool“ ist von seiner Stimmung filmisch unübertroffen.
Es gibt ja auch Neuverfilmungen von „Swimming Pool“, aber das Original mit Romy Schneider, Alain Delon, Jane Birkin ist da nicht erreicht.
Dieser Film ist nicht nachzunahmen, auch in seinen vielen Details, etwa dem Grillenzirpen, welches im Sommer immer wieder an den Film denken lässt.
Apropos, da hätte ich auch ein Gedicht dazu (lacht). Ich habe es mir für das Interview markiert:
den Sommer suchen
nichts anderes tun
reglos in der Sonne liegen
warten ohne zu warten
nichts passiert
das gefürchtete Nichts
doch es war nicht so schlimm wie erwartet
habe das Nichts also abgepasst
und auch das Alles
in den Horizont starren
flimmernde Unendlichkeit
die Grenzen fließen
wo höre ich auf wo fängst du an
nichts wird alles
ich verschmelze mit
allem
sonst nichts.
Lola Linden, Liebe In Zwanzig Teilen, 2012
Ich habe heute morgen im Zusammenhang von „Swimming Pool“ an dieses Gedicht gedacht. Es symbolisiert für mich die Stimmung des Films.
Mit Romy Schneiders Filmpartner in Swimming Pool Alain Delon verband die Schauspielerin auch eine Liebesbeziehung. Sie haben sich in Wien beim Filmdreh zu „Christine“ (1958) kennengelernt und eine große wie tragische Liebe nahm da ihren Anfang.
Wie siehst Du Romy Schneider als Liebende?
Da ist viel unerfüllte Sehnsucht, die auch in den Filmen wie Interviews zu sehen, spüren ist.
Romy Schneider hat kurz vor ihrem Tod ein ausführliches Interview in Quiberon (F) gegeben, in dem sie auch über ihre Kindheit, Jugend, ihr späteres Privatleben offen sprach.
Romy Schneider war eine Projektionsfläche männlicher Begierde von Jugend an. Ihre Liebe blieb unerfüllt.
Die Todesursache „Herzversagen“ bei Romy Schneider hat auch eine symbolische Aussage.
Zum Abschied winke ich mit dem Wedel. Auf diese Reise gehst du ohne mich. 03/21, 120×80, Öl,Ölkeide,Collagenelemnte, Acryl, Spray,Eichenblätter a.textilisiertem Holzrahmen
Romy Schneider arbeitet in „Swimming Pool“ nach der gescheiterten Beziehung wieder mit Alain Delon zusammen. Wie ist diese Trennung von Kunst und persönlichem Schmerz, Trauer möglich?
Möglicherweise waren sie zu diesem Zeitpunkt schon freundschaftlich verbunden. Als Künstlerin/Künstler ist der Rollenwechsel ein Teil des Berufes und man trennt da Biografisches.
Romy Schneider ist in Wien geboren und hat hier in jungen Jahren ihre ersten Filme sehr erfolgreich gedreht. Was kannst Du Wienerisches an Romy Schneider erkennen?
In ihren ersten Filmrollen in den 1950er Jahren sind natürlich die Typologie des „süßen Wiener Mädels“ und das „Sisi Klischee“ bestimmend. Sie hat dann gekämpft, dies abzustreifen und hat sich wie ein Schmetterling aus dem Korsett dieser Rollenbilder herausgeschält. Das ist ihr sehr, sehr gut gelungen.
Sie findet dann als Schauspielerin in Frankreich in beeindruckender Weise künstlerisch zu sich selbst.
Als Schauspielerin zeichnet Romy Schneider eine Internationalität aus.
Romy Schneider wird in eine Schauspielfamilie geboren, vor allem väterlicherseits in die große Wiener Albach-Retty Tradition. Wie kann es da gelingen einen eigenständigen Weg künstlerisch zu gehen?
Das ist ihr beeindruckend und nicht selbstverständlich gelungen.
Mit so bekannten dominanten Eltern, die in der Filmbranche der Zeit einen klingenden Namen hatten, wenn man sich da emanzipiert und etwas Eigenes macht, bedarf es schon einer großen Eigenständigkeit.
Romy Schneider ist ein Mythos.
Viele Schicksalsschläge erschütterten das Leben Romy Schneiders. Kann Kunst da eine Hilfe, Stütze sein?
Bis zu einem gewissen Grad schon. Aber der Selbstmord ihres Ex-Mannes, der Tod ihres Sohnes, da kann man sich als Außenstehende nicht reinversetzen, dies wäre anmaßend.
Kunst kann mildern, aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass man an solchen Schicksalsschlägen wie jenen bei Romy Schneider zerbrechen kann.
Verändern Schicksalsschläge auch den persönlichen Weg der Kunst, auch zu den Grenzen darin?
Sicherlich, der Fokus und die Sicht auf Dinge, was ist wesentlich was ist nicht wesentlich, verändert sich.
Kunst ist der Weg, das auf das Papier, die Mal- und Filmleinwand zu bringen, was wesentlich ist.
Kunst stellt immer die Frage was ich berühren will. Und was ich auslassen will.
Schicksalsschläge verändern den Fokus der Berührung wie der Auslassung in der Kunst.
Die Lücke, die Auslassung sind wesentliche methodische Elemente der Kunst.
Die Lücke macht es aus (lacht). Das Wort kommt ja etymologisch von Glück (lacht).
Die Auslassung ist in der Lyrik die Quintessenz. Das unterscheidet auch die Lyrik von anderen Literaturformen, weil der Sinnzusammenhang ganz wesentlich mit der Form verbunden ist.
Das Ganzheitliche wie Spielerische sind in der Lyrik faszinierend.
Wie vollzieht sich dieser Entscheidungsprozess der Auslassung, Lücke?
Ich schreibe nicht regelmäßig. Wenn ich schreibe, ist es ein flow und ich habe da auch eine Lust darauf, die Lücke zu finden. Wo wird es skurril? Wo beginnt der Wortwitz?
Schreiben ist auch ein Antizipieren von glücklichen Erwartungen im Lesen. Das macht mir sehr viel Spaß.
Schreiben ist für mich etwas Spielerisches. Das ist die wesentlichste Komponente und ich freue mich selbst, wenn ich mit Worten spielen darf.
Wie kann es gelingen glücklich zu werden und Glück mittels des Setzens wie Annehmens von Lücken, auch tragischen wie bei Romy Schneider, festzuhalten?
Ich glaube, dass wenn man sehr intensiv leiden kann, kann man auch ganz tiefe Glücksmomente erleben.
Bei Romy Schneider gab es nichts Lauwarmes, keine Mittelmäßigkeit, da ist alles sehr polar.
Auf Fotos von ihr ist viel Melancholisches, Trauriges aber auch viel Glück zu sehen.
Jedes Fotos von ihr hat Ausdruck.
Romy Schneider wurde oft interviewt. Auch heute ist dies natürlich ein Element eines Künstler*innenlebens. Welche Bedeutung haben Interviews für Dich?
Es kommt natürlich auf das Gesprächssetting an, das Gegenüber – wem ich erzähle ich etwas, wo öffnet man sich, wie ist die Situation?
Wenn ich über meine künstlerische Tätigkeit erzählen kann, bin ich sehr offen. Das mache ich gerne und erzähle, was mich bewegt, was mich antreibt.
Ich spreche gerne über Details des künstlerischen Prozesses wie ich etwa eine Leinwand herstelle, mit Materialien experimentiere oder Asche über Bilder streue oder diese im Garten eingrabe. Es ist vielfältig und es gibt viel zu erzählen, wenn es interessiert (lacht).
Was sind Deine derzeitigen künstlerischen Projekte?
Mich interessiert nach wie vor das Spannungsfeld von abstrakten und figurativen Elementen.
Ich male jetzt wieder farbenfroher als vor einem Jahr.
too rarely we are gazing out of the window, version 21, Öl, Ölkreide, Acryl a.LW 100×100
Zeit für pure Synapsenschlüsse 86x73cm 2021 Öl, Ölkreide, Spray,Acryl a.collagierter Kartonage, gerahmt
Menschen kommen in meinen Bildern fast immer vor. Es ist ganz selten, dass ich Bilder male, auf denen sich kein Mensch befindet. Weil das doch oft auch der missing link ist (lacht).
Sag mir zuerst, was Flaubert damit zu tun hat? 10/21, 140×100, Öl,Ölkreide, Acryl, Spray, Collagenelemente a.Leinwand
Collagen als Gesamtbild sind ebenso eine wesentliche Form. Ich habe jetzt auch viele Zeitungen aus unterschiedlichen Epochen für meine Collagen gekauft. Das ist sehr spannend im Prozess des Ausschneidens. Etwa bei den Werbungen verschiedenster Epochen. Wie waren die Claims damals, wie sehen sie heute aus? Ich arbeite sehe gerne mit diesen Claims und da kommen oft sehr skurrile Dinge heraus, die mich dann wieder überraschen (lacht).
Deine Bilder faszinieren in Ausdruckskraft, Vielfalt und Hintergründigkeit. Sie umfangen und ziehen in der Betrachtung, filmähnlich, sehr stark hinein. Ist dies auch eine Intention in Deinem Kunstprozess?
Grundsätzlich ist Kunst für mich ein Antrieb und Drang es zu tun.
Im Entstehungsprozess kommt das Bild gleichsam aus mir heraus.
Das Feedback und der Dialog danach sind für mich sehr spannend.
Sehr gerne verstecke ich in einem Bild Elemente, die personenbezogen sind. Ich bin dann neugierig und oft überrascht wie die Reaktionen darauf sind.
Es gibt einen bestimmten Bildwitz, und damit zu spielen, im Dialog mit den Betrachtenden, ist sehr spannend.
Das Erschaffene und das Sehen haben ein Verbindungselement. Es schließt sich ein Kreis und die scheinbare Beiläufigkeit ist dann keine.
Es ist immer eine Dynamik zwischen Kunstschöpfung und Betrachtung. Und es ist ein Geheimnis, man kommt nie ganz dahinter.
Ich mag die spielerische Komponente im Werk.
Du lebst in Wien und Niederösterreich. Arbeitest Du künstlerisch an beiden Orten?
Ich arbeite künstlerisch mittlerweile ausschließlich in meinem Atelier in Niederösterreich. Ich kann die Welten gleichsam so besser trennen.
Meine Kunst ist intensiv im Entstehungsprozess. Ich schütte die Farbe etwa und brauche grundsätzlich einen Raum, wo ich nicht sorgsam sein muss und keine Angst haben muss mit bemalten Fingern wo hinzugreifen (lacht). Da muss ich werken können und brauche Raum. Diesen Raum habe in Niederösterreich.
In Wien bin ich auch beruflich in einem anderen Setting. Ich sammle mir da gleichsam die künstlerische Energie und wenn ich aufs Land fahre, sprudelt dies heraus (lacht).
Mein Mann hat einmal an einem Samstag auf die Uhr geschaut und ich war da neun Stunden im Atelier und bin nur einmal kurz raufgegangen, um einen Tee zu trinken (lacht). Da gibt es keine Zeit zu verlieren, es muss dann raus (lacht).
Wie vollzieht sich dieser intensive künstlerische Arbeitsprozess persönlich?
Ich kann nicht mehr aufhören.
Ich denke zwischendurch jetzt ist mir kalt oder ich ziehe mich um, aber ich muss das dann durchziehen, um ein Befriedigungsgefühl zu haben.
Das größte Befriedigungsgefühl ist, wenn ich am Abend mein Werk sehe und mit mir zufrieden bin, mit dem, was ich aus mir herausgelassen habe. Das ist extrem befreiend und dann kann ich andere Dinge tun (lacht). Kann ich gemütlich in ein Lokal oder Kaffeehaus gehen oder einen Film sehen. Aber vorher muss ich mit mir selbst ins Reine kommen und das funktioniert über die Malerei. Mein Leben ein bissl ordnen, scheinbar zumindest (lacht).
Du hast für Romy Schneider den Begriff des Antlitzes verwendet. Was macht für Dich ein Antlitz aus und hebt es hervor?
Ein Antlitz hat eine Tiefe. Es ist mehr als das Gesicht.
Ein Antlitz hat ein gewisses Leuchten, das sich durch das Medium der Fotografie, des Filmes durchspüre, weil es durchscheint.
Bei einem Antlitz liegt einfach mehr dahinter. Hinter den Augen, wie immer man das beschreiben möchte.
Ein Antlitz wird heute immer seltener.
Umso mehr die Bilderflut heute zunimmt, umso kostbarer sind Antlitze, weil sie kaum vorhanden sind.
Wenn ein tiefer Gesichtsausdruck nicht Zufall, sondern wiederkehrend ist, dann würde ich sagen, diese Person hat ein Antlitz.
Romy Schneider ist für mich das personifizierte Antlitz.
Ist ein Antlitz bleibend oder kann es sich verändern?
Es kann sich verändern.
Meine Theorie ist, dass sich Geschichten, die wir erleben, auf das Gesicht legen.
Das Gesicht, die Ausstrahlung verändert sich durch die Lebensumstände, die Erfahrungen, die man macht und daher verändert sich auch ein Antlitz.
Bei Romy Schneider war das Antlitz das Unverwüstbare.
Ende der 1970er, Anfang der 1980er hat das Leben Romy Schneider gezeichnet. Das Strahlen verschwindet und man sieht die Geschichten, die sich auf das Gesicht legen.
Das ursprüngliche Gesicht, wie es gedacht war – wie etwa bei der Klarheit kindlicher Gesichter – das scheint bei einem Antlitz immer wieder durch. Auch wenn die Person sich verändert, physiologisch verändert, scheint es durch. Das kann man durchblitzen sehen. Das ist altersunabhängig.
Erni Mangold hat etwa auch ein Antlitz. Es gibt mehrere, aber sie fällt mir jetzt spontan ein. Senta Berger zum Beispiel auch.
Oder Lola Lindenbaum.
(lacht) danke.
Romy Schneider und die Mode. Wie siehst Du ihren Stil, Stilwandlungen?
Da ist Eleganz fernab von jeder Protzigkeit. Eine sehr subtile Eleganz.
Zunächst vollzieht sie einen Imagewandel in der Abkehr vom süßen Wiener Mädel und dann sind die französischen Einflüsse erkennbar.
Sie hat etwa gerne Rollkragenpullover getragen und da einen späteren Modetrend antizipiert, war da ihrer Zeit voraus.
Ihren inneren Wandel vom süßen Wiener Mädel wollte sie auch nach Außen zeigen.
Sie legt ein sehr mondänes Modeverständnis an den Tag und ist da sehr französisch.
Und sie hat eine wunderschöne Stimme. Dieses Monotone, Melancholische, Mädchenhafte.
Vielleicht ist diese Klangfarbe ihrer Stimme auch etwas typisch Wienerisches?
Möglicherweise.
Was hat Dich heute in Deiner Kleiderauswahl zum Fotoshooting „Station bei Romy Schneider“ angeleitet?
Ich wollte verschiedene Facetten zeigen, die Romy Schneiders Leben begleitet haben.
Einerseits das Mondäne in Materialien, die weich und fließend sind, das Mediterrane auch, „Swimming Pool“ (lacht), anderseits auch die Kopfdeckungen. Romy Schneider hat gerne Hüte getragen. Auf vielen Fotos trägt sie auch ein Halsband.
Mäntel mit Gürtel sind für mich auch etwas sehr französisches. Der Trenchcoat gehört für mich zu Alain Delon (lacht).
Die Stiefel habe ich eher flach gewählt, weil sie auch da modisch sehr subtil agierte.
Gedeckte Farben, das passt auch gut zum Cafè Prückel.
Ich könnte mir gut vorstellen, dass Romy Schneider hier sitzt. Dies wäre absolut nicht abwegig.
Der Begriff des Antlitzes trifft auch architektonisch auf das Cafè Prückel zu. Da ist nichts getrickst. Alleine die Luster und die Farbe und der Samt. Ich habe die Haptik von Samt sehr gerne.
Romy Schneider war eine hocherotische Frau und Projektionsfläche. Sie ist mit großer Nonchalance damit umgegangen, auch modisch. Immer selbstbewusst.
Darf ich Dich abschließend zu einem Achrostikon zu Romy Schneider bitten?
Rar – sie ist unnachahmlich, nicht imitierbar. Das ist sehr, sehr rar.
Ortsunabhängig– ich würde sie keinen Ort zuordnen oder sie damit verketten.
Mild– sie hat etwas sehr Zartes, Mildes, etwa in ihrer Stimme.
Y –
Y ist natürlich ein besonders schwieriger Assoziationsbuchstabe. Aber etwas offenzulassen, gehört ja vielleicht auch zu Romy Schneider.
(lacht)
Wenn Lola Lindenbaum im Cafè sitzt, was gehört da dazu?
Das kommt auf die Tageszeit an. Ich bin gerne vormittags im Cafè und trinke da gerne einen Kaffee mit viel Milch. Es gibt auch sehr gute Kuchen hier, den Birnenkuchen etwa, das mag ich auch sehr gerne.
Wenn ich abends ins Cafè gehe, hier gibt es ja auch Klaviermusik, das ist eine ganz besondere Atmosphäre, hat etwas von einer Bar-Atmosphäre, sehr schön. Und am Abend trinke ich dann einen Wein. Da ist es vorbei mit dem Kaffee (lacht).
Herzlichen Dank, liebe Lola, für Dein Kommen und Deine Zeit in großartiger Wort/Porträt/Performancewie die wunderbare Vorbereitung und Auswahl der Kostüm- und Requisitenvariationen wie Deine Lyrik-, Bildauswahl und Dein Interview jetzt zum Thema Romy Schneider, Schauspielerin (*1938 Wien +Paris 1982).
Liebe Lola, viel Freude und Erfolg für alle Kunstprojekte 2022!
Also, ich stehe pünktlich um 6:30 auf und gehe joggen. Nach dem Duschen trinke ich einen Kaffee und lese oder schaue Nachrichten. Dann gehe ich entweder zur Probe oder ich arbeite zu Hause an meinen Projekten: u.a. Buch schreiben, Konzepte entwickeln, über neue mögliche Formate brainstormen usw….Ne Scherz!!! So ist das natürlich nicht:) Mein Tagesablauf ist immer anders. Und das ist etwas wofür ich sehr dankbar bin. Ich könnte sehr schwer damit umgehen, wenn es 365 Tage im Jahr die gleiche Abfolge wäre:) aber ich versuche in jeden Tag eine größere oder auch kleinere Menge an Sport zu packen, eine Riesenportion Spaß und gaaaaanz viel Liebe:) und das auch ganz besonders jetzt, in dieser neuen Zeit, die so Vieles verändert hat.
Anna Kramer, Schauspielerin
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Ich denke, dass es für jeden von uns sehr wichtig ist dankbar zu sein. Dankbar darüber was wir haben. Schon jetzt haben. Und nicht immer mehr zu wollen. Und dadurch vielleicht nie im Moment zu sein. Und ich glaube, dass das so wichtig ist – im Moment zu sein. Nicht die Vergangenheit oder die Zukunft leben. Jetzt. Das Jetzt ist so entscheidend.
Ich würde mir wünschen, dass wir alle mehr Demut hätten vor der Natur, vor unserem wundervollen Planeten, auf dem wir doch nur Gäste sind für eine kurze Zeit. Ich würde mir wünschen, dass wir uns auf Augenhöhe begegnen könnten. Alle Menschen. Wie schön wäre das denn! Ich denke das wäre wichtig. Aufhören zu glauben, dass man etwas Besseres ist. Aufhören, den Planeten auszubeuten und alle Lebewesen, die darauf sind. Ich finde wichtig, dass wir uns in Liebe begegnen und respektvoll miteinander umgehen. Und besonders wichtig ist, dass wir gemeinsam lachen.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?
Ja ein Neubeginn könnte es sein… Aber ist das denn wirklich so? Manchmal habe ich das Gefühl, der Mensch, in der Masse, ist unwillig dazuzulernen. Ich habe das Gefühl, dass sich alles im Kreis dreht, wieder und wieder. Es wiederholt sich, solange bis es nicht mehr weitergehen wird…
Welche Rolle die Kunst dabei spielen wird? Ich glaube, dass die Kunst, unter anderem dafür da ist, eine Gesellschaft oder gesellschaftliche Umbrüche zu spiegeln. Und in dem sie sie reflektiert, könnte sie dazu beitragen, dass die Menschen beginnen zu verstehen, sich wiedererkennen und vielleicht ein bisschen beginnen selbst zu reflektieren. Sie könnte ein Vermittler sein zwischen all den unterschiedlichen Welten und Anschauungen. Ja, ich bin fest davon überzeugt, dass sie Nähe vermitteln kann. Dass sie dazu beitragen kann, dass wir endlich die Augen öffnen und beginnen Verantwortung zu übernehmen. Dass Populismus, Rassismus, Fremdenhass, Ausgrenzung, Mobbing, nicht ein ganz normales Erscheinungsbild bleiben in unserer heutigen Gesellschaft. All das kann die Kunst, in welcher Form auch immer vermitteln. Und das kann sie nicht nur, das muss sie. Sie kann so viel, die Kunst, aber doch nur wenn sie frei ist. Und das ist für mich persönlich der wesentlichste Bestandteil der Kunst, die Freiheit. Die Freiheit alles sein zu können und alles benennen zu können. Ohne Angst. Das Theater/ Schauspiel/die Kunst hat einen großen Auftrag und gleichzeitig darf sie sich nie zu ernst nehmen.
Was liest Du derzeit?
„The forty rules of love“ von Elif Shafak
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„No matter who you are, no matter where you come from, you are beautiful“ Michelle Obama
Vielen Dank für das Interview liebe Anna, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!