
Herzlich willkommen, liebe Lola Lindenbaum, Künstlerin!
Wir sind hier im traditionsreichen Cafè Prückel an der Wiener Ringstraße. Welche Verbindungen gibt es von Dir zur Wiener Kaffeehauskultur?
Es gibt wunderschöne Kaffeehäuser in Wien und das Cafè Prückel ist eines davon, in dem ich mich besonders wohlfühle.


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Warum ich mich so wohlfühle hier, kann ich jetzt spontan nicht genau dingfest machen, aber es ist die Verbindung von typischer Kaffeehausatmosphäre und Innenarchitektur, die es für mich ausmachen.
Gerade am Vormittag ist auch der Lichteinfall hier besonders.

80×120 Acryl,Öl Sprühfarbe, Collagenelemente auf textilisiertem Holzrahmen
Das Kaffeehaus ist für mich ein Ort der Kontemplation wie der Zerstreuung.

Ich könnte stundenlang im Kaffeehaus sitzen und einfach Leute beobachten.
Wenn ich mir Notizen im Kaffeehaus mache, Wortfetzen aufgreife, da entstehen oft die besten Ideen.

Ist es auch ein Ort des künstlerischen Austausches?
Ja, man trifft sich gern hier.
Es ist aber auch sehr viel Inspiration im stillen aufmerksamen Dasein im Kaffeehaus. Da ist Weg und Wahrnehmung im Innen wie Außen.

Welche Zugänge gibt es von Dir zur in Wien geborenen Schauspielerin Romy Schneider, deren Todestag sich 2022 zum 40mal jährt?
Romy Schneider ist ein Mythos und sie ist sagenumwoben.
Was mich an Romy Schneider immer schon faszinierte und fasziniert ist diese Zerbrechlichkeit, diese personifizierte Melancholie, auch die Tragik.



Ich liebe ihre Stimme, diese hat etwas kindlich-melancholisches.

80×100 Öl, Acryl, Ölkreide, Spühfarbe, Collagenelement auf Leinwand
Den ersten Berührungspunkt gab es für mich mit dem Film „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“, den ich mit meiner Großmutter gesehen habe und dieser war ihr Lieblingsfilm.

Ich habe diesen Film dann über die Jahre immer wieder gesehen. Romy Schneider ist da noch in der Rolle des Kindes, die von der Mutter motiviert oder gedrängt wird. Man sieht aber auch da schon ihr Antlitz.
Menschen können Ausstrahlung haben aber ein richtiges Antlitz haben die wenigsten.


Ihre Lebensgeschichte, ihre unerfüllte, widerspenstige Liebe und Liebessehnsucht ist etwas, das ich immer mit Romy Schneider verbinde.
Liebe und Leiden. Man kann sich da immer wieder gut in Romy Schneider hineinversetzen.



Licht und Schatten, von Glanz und Glamour bis zu tragischen Schicksalsschlägen wie dem Tod ihres Sohnes, welcher ihr das Herz gebrochen haben muss, das alles begleitet sie bis zu ihrem frühen Tod.
Romy Schneider versprüht für mich den tragischen Glamour.






205X168 Öl,Spray, Acryl a.textilisiertem Holzrahmen

Ich habe von meinen Lyrikbänden auch Texte rausgesucht, welche zum Leben Romy Schneiders passen könnten. Ich kann nicht gut vorlesen aber ich versuch`s (lacht) :
Look at me
Die Empfindung
mein Leben
endlich gefunden
den Höhepunkt erreicht
zu haben
insgeheim
so geheim
dass ich glaube
Ratio würde dieses Gefühl gar nicht durch
die Pforte lassen
da gibt es nichts
zu verstehen
hör mir nicht zu
schau mich einfach an.
Lola Linden, Lyrizismus_2012; Edition Anthrazit_Deutscher Lyrik Verlag


Souveräne Sanftheit
hinter
allen souveränen Bewegungen
erspähe ich das Feingefühl
und empfinde heftige Sehnsucht
nach dem
was hätte sein können
im tiefsten Wesen
die diffuse Erinnerung
dass das Paradies
die absichtslosen Augenblicke
verloren
doch nun ist der Atemzug gekommen
intensiv und total
leben
nicht verpassen
das Nu ist so
wie es sein sollte
Lola Linden, Lyrizismus_2012; Edition Anthrazit_Deutscher Lyrik Verlag



Das nächste Gedicht könnte auf die Liebesbeziehung von Romy Schneider und Alain Delon zutreffen.
Nabel und Herz im Wandel
dem Gefühl aus Sehnsucht und Erschöpfung
noch nie
einen Namen gegeben
will sich
mein Nabel
beim Totschlagen der Erwartezeit
behilflich sein lassen
vom Herz
es wartet mit
bis es spürt
dass die Tür
geöffnet wurde
in Bewusstheit.
Lola Linden, Lyrizismus_2012; Edition Anthrazit_Deutscher Lyrik Verlag




Liebe Teil neunzehn –
klebt in der Tendenz
sonst komm ich da niemals drüber hinweg
keineswegs
nicht im Geringsten
niemals also
die Zeit klebt
und ich hänge fest in der Tendenz
zu den Bösen unter den Gemeinen
sage ich
und spüre doch anders
ich wusste
eines Tages
würdest du mich verletzen
ich hoffte nicht so bald
dass es nicht so schmerzt
dass das Herz nicht so krankt
an Leere unrettbar verloren
das Ende war schon im Anfang enthalten
als der Wind alles davontrug
deinen Geruch
deine Stimme
deine Nähe
Liebe ausgesprochen
lieber ausgesprochen glücklich und dann
unglücklich
als gar nicht.
Lola Linden, Liebe In Zwanzig Teilen, 2012



Vielen Dank für Deine wunderbaren Gedichte und Deine großartige Lesung!
Eine Kaffeehauslesung (lacht)


120×80, Öl,Ölkreide,Acryl a.textilisiertem Holzrahmen
Du verbindest in Deiner Kunst verschiedenste Genres in Experiment und Innovation. Wie ist es für Dich als Künstlerin immer wieder neue Wege zu gehen bzw. Wege zu verbinden?
Es ist der Anspruch mich selbst zu überraschen, auszutesten als Künstlerin.
Ich wechsle Medium, Methodik, Sujets, da ergibt sich einfach Neues.



Das in verschiedene Rollen zu schlüpfen, ist eine Form der Lebendigkeit und ganz wesentlich. Da entdecke ich neue Seiten an mir.

140×70, Öl,Ölkreide, Acryl, Collagenelemente a.textilisiertem Keilrahmen

In verschiedenen Rollen kann ich neu, anders auf die Welt zugehen.





Gibt es weitere Filme von Romy Schneider, die Dich begeistern, inspirieren?
Ja, natürlich, etwa „Swimming Pool“, ein Klassiker, den ich sicherlich 20mal gesehen habe – ein Kunstwerk immer wieder aufs Neue.
„Swimming Pool“ ist von seiner Stimmung filmisch unübertroffen.

Es gibt ja auch Neuverfilmungen von „Swimming Pool“, aber das Original mit Romy Schneider, Alain Delon, Jane Birkin ist da nicht erreicht.
Dieser Film ist nicht nachzunahmen, auch in seinen vielen Details, etwa dem Grillenzirpen, welches im Sommer immer wieder an den Film denken lässt.

Apropos, da hätte ich auch ein Gedicht dazu (lacht). Ich habe es mir für das Interview markiert:
den Sommer suchen
nichts anderes tun
reglos in der Sonne liegen
warten ohne zu warten
nichts passiert
das gefürchtete Nichts
doch es war nicht so schlimm wie erwartet
habe das Nichts also abgepasst
und auch das Alles
in den Horizont starren
flimmernde Unendlichkeit
die Grenzen fließen
wo höre ich auf wo fängst du an
nichts wird alles
ich verschmelze mit
allem
sonst nichts.
Lola Linden, Liebe In Zwanzig Teilen, 2012
Ich habe heute morgen im Zusammenhang von „Swimming Pool“ an dieses Gedicht gedacht. Es symbolisiert für mich die Stimmung des Films.








Mit Romy Schneiders Filmpartner in Swimming Pool Alain Delon verband die Schauspielerin auch eine Liebesbeziehung. Sie haben sich in Wien beim Filmdreh zu „Christine“ (1958) kennengelernt und eine große wie tragische Liebe nahm da ihren Anfang.
Wie siehst Du Romy Schneider als Liebende?
Da ist viel unerfüllte Sehnsucht, die auch in den Filmen wie Interviews zu sehen, spüren ist.



Romy Schneider hat kurz vor ihrem Tod ein ausführliches Interview in Quiberon (F) gegeben, in dem sie auch über ihre Kindheit, Jugend, ihr späteres Privatleben offen sprach.
Romy Schneider war eine Projektionsfläche männlicher Begierde von Jugend an. Ihre Liebe blieb unerfüllt.



Die Todesursache „Herzversagen“ bei Romy Schneider hat auch eine symbolische Aussage.

120×80, Öl,Ölkeide,Collagenelemnte, Acryl, Spray,Eichenblätter a.textilisiertem Holzrahmen
Romy Schneider arbeitet in „Swimming Pool“ nach der gescheiterten Beziehung wieder mit Alain Delon zusammen. Wie ist diese Trennung von Kunst und persönlichem Schmerz, Trauer möglich?
Möglicherweise waren sie zu diesem Zeitpunkt schon freundschaftlich verbunden. Als Künstlerin/Künstler ist der Rollenwechsel ein Teil des Berufes und man trennt da Biografisches.

Romy Schneider ist in Wien geboren und hat hier in jungen Jahren ihre ersten Filme sehr erfolgreich gedreht. Was kannst Du Wienerisches an Romy Schneider erkennen?
In ihren ersten Filmrollen in den 1950er Jahren sind natürlich die Typologie des „süßen Wiener Mädels“ und das „Sisi Klischee“ bestimmend. Sie hat dann gekämpft, dies abzustreifen und hat sich wie ein Schmetterling aus dem Korsett dieser Rollenbilder herausgeschält. Das ist ihr sehr, sehr gut gelungen.



Sie findet dann als Schauspielerin in Frankreich in beeindruckender Weise künstlerisch zu sich selbst.
Als Schauspielerin zeichnet Romy Schneider eine Internationalität aus.

Romy Schneider wird in eine Schauspielfamilie geboren, vor allem väterlicherseits in die große Wiener Albach-Retty Tradition. Wie kann es da gelingen einen eigenständigen Weg künstlerisch zu gehen?
Das ist ihr beeindruckend und nicht selbstverständlich gelungen.

Mit so bekannten dominanten Eltern, die in der Filmbranche der Zeit einen klingenden Namen hatten, wenn man sich da emanzipiert und etwas Eigenes macht, bedarf es schon einer großen Eigenständigkeit.

Romy Schneider ist ein Mythos.



Viele Schicksalsschläge erschütterten das Leben Romy Schneiders. Kann Kunst da eine Hilfe, Stütze sein?
Bis zu einem gewissen Grad schon. Aber der Selbstmord ihres Ex-Mannes, der Tod ihres Sohnes, da kann man sich als Außenstehende nicht reinversetzen, dies wäre anmaßend.



Kunst kann mildern, aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass man an solchen Schicksalsschlägen wie jenen bei Romy Schneider zerbrechen kann.

Verändern Schicksalsschläge auch den persönlichen Weg der Kunst, auch zu den Grenzen darin?
Sicherlich, der Fokus und die Sicht auf Dinge, was ist wesentlich was ist nicht wesentlich, verändert sich.

Kunst ist der Weg, das auf das Papier, die Mal- und Filmleinwand zu bringen, was wesentlich ist.

Kunst stellt immer die Frage was ich berühren will. Und was ich auslassen will.

Schicksalsschläge verändern den Fokus der Berührung wie der Auslassung in der Kunst.

Die Lücke, die Auslassung sind wesentliche methodische Elemente der Kunst.

Die Lücke macht es aus (lacht). Das Wort kommt ja etymologisch von Glück (lacht).

Die Auslassung ist in der Lyrik die Quintessenz. Das unterscheidet auch die Lyrik von anderen Literaturformen, weil der Sinnzusammenhang ganz wesentlich mit der Form verbunden ist.

Das Ganzheitliche wie Spielerische sind in der Lyrik faszinierend.

Wie vollzieht sich dieser Entscheidungsprozess der Auslassung, Lücke?
Ich schreibe nicht regelmäßig. Wenn ich schreibe, ist es ein flow und ich habe da auch eine Lust darauf, die Lücke zu finden. Wo wird es skurril? Wo beginnt der Wortwitz?

Schreiben ist auch ein Antizipieren von glücklichen Erwartungen im Lesen. Das macht mir sehr viel Spaß.

Schreiben ist für mich etwas Spielerisches. Das ist die wesentlichste Komponente und ich freue mich selbst, wenn ich mit Worten spielen darf.

Wie kann es gelingen glücklich zu werden und Glück mittels des Setzens wie Annehmens von Lücken, auch tragischen wie bei Romy Schneider, festzuhalten?
Ich glaube, dass wenn man sehr intensiv leiden kann, kann man auch ganz tiefe Glücksmomente erleben.


Bei Romy Schneider gab es nichts Lauwarmes, keine Mittelmäßigkeit, da ist alles sehr polar.

Auf Fotos von ihr ist viel Melancholisches, Trauriges aber auch viel Glück zu sehen.

Jedes Fotos von ihr hat Ausdruck.

Romy Schneider wurde oft interviewt. Auch heute ist dies natürlich ein Element eines Künstler*innenlebens. Welche Bedeutung haben Interviews für Dich?
Es kommt natürlich auf das Gesprächssetting an, das Gegenüber – wem ich erzähle ich etwas, wo öffnet man sich, wie ist die Situation?

Wenn ich über meine künstlerische Tätigkeit erzählen kann, bin ich sehr offen. Das mache ich gerne und erzähle, was mich bewegt, was mich antreibt.


Ich spreche gerne über Details des künstlerischen Prozesses wie ich etwa eine Leinwand herstelle, mit Materialien experimentiere oder Asche über Bilder streue oder diese im Garten eingrabe. Es ist vielfältig und es gibt viel zu erzählen, wenn es interessiert (lacht).

Was sind Deine derzeitigen künstlerischen Projekte?
Mich interessiert nach wie vor das Spannungsfeld von abstrakten und figurativen Elementen.

Ich male jetzt wieder farbenfroher als vor einem Jahr.

Öl, Ölkreide, Acryl a.LW 100×100

Öl, Ölkreide, Spray,Acryl a.collagierter Kartonage, gerahmt
Ich habe jetzt viel Großformatiges gemalt.

120×80, Ölkreide, Acryl, Asche a.textilisiertem Keilrahmen
Menschen kommen in meinen Bildern fast immer vor. Es ist ganz selten, dass ich Bilder male, auf denen sich kein Mensch befindet. Weil das doch oft auch der missing link ist (lacht).

140×100, Öl,Ölkreide, Acryl, Spray, Collagenelemente a.Leinwand
Collagen als Gesamtbild sind ebenso eine wesentliche Form. Ich habe jetzt auch viele Zeitungen aus unterschiedlichen Epochen für meine Collagen gekauft. Das ist sehr spannend im Prozess des Ausschneidens. Etwa bei den Werbungen verschiedenster Epochen. Wie waren die Claims damals, wie sehen sie heute aus? Ich arbeite sehe gerne mit diesen Claims und da kommen oft sehr skurrile Dinge heraus, die mich dann wieder überraschen (lacht).

Deine Bilder faszinieren in Ausdruckskraft, Vielfalt und Hintergründigkeit. Sie umfangen und ziehen in der Betrachtung, filmähnlich, sehr stark hinein. Ist dies auch eine Intention in Deinem Kunstprozess?
Grundsätzlich ist Kunst für mich ein Antrieb und Drang es zu tun.
Im Entstehungsprozess kommt das Bild gleichsam aus mir heraus.

Das Feedback und der Dialog danach sind für mich sehr spannend.

Sehr gerne verstecke ich in einem Bild Elemente, die personenbezogen sind. Ich bin dann neugierig und oft überrascht wie die Reaktionen darauf sind.

Es gibt einen bestimmten Bildwitz, und damit zu spielen, im Dialog mit den Betrachtenden, ist sehr spannend.

Das Erschaffene und das Sehen haben ein Verbindungselement. Es schließt sich ein Kreis und die scheinbare Beiläufigkeit ist dann keine.

Es ist immer eine Dynamik zwischen Kunstschöpfung und Betrachtung. Und es ist ein Geheimnis, man kommt nie ganz dahinter.

Ich mag die spielerische Komponente im Werk.

Du lebst in Wien und Niederösterreich. Arbeitest Du künstlerisch an beiden Orten?
Ich arbeite künstlerisch mittlerweile ausschließlich in meinem Atelier in Niederösterreich. Ich kann die Welten gleichsam so besser trennen.

Meine Kunst ist intensiv im Entstehungsprozess. Ich schütte die Farbe etwa und brauche grundsätzlich einen Raum, wo ich nicht sorgsam sein muss und keine Angst haben muss mit bemalten Fingern wo hinzugreifen (lacht). Da muss ich werken können und brauche Raum. Diesen Raum habe in Niederösterreich.

In Wien bin ich auch beruflich in einem anderen Setting. Ich sammle mir da gleichsam die künstlerische Energie und wenn ich aufs Land fahre, sprudelt dies heraus (lacht).

Mein Mann hat einmal an einem Samstag auf die Uhr geschaut und ich war da neun Stunden im Atelier und bin nur einmal kurz raufgegangen, um einen Tee zu trinken (lacht). Da gibt es keine Zeit zu verlieren, es muss dann raus (lacht).

Wie vollzieht sich dieser intensive künstlerische Arbeitsprozess persönlich?
Ich kann nicht mehr aufhören.

Ich denke zwischendurch jetzt ist mir kalt oder ich ziehe mich um, aber ich muss das dann durchziehen, um ein Befriedigungsgefühl zu haben.

Das größte Befriedigungsgefühl ist, wenn ich am Abend mein Werk sehe und mit mir zufrieden bin, mit dem, was ich aus mir herausgelassen habe. Das ist extrem befreiend und dann kann ich andere Dinge tun (lacht). Kann ich gemütlich in ein Lokal oder Kaffeehaus gehen oder einen Film sehen. Aber vorher muss ich mit mir selbst ins Reine kommen und das funktioniert über die Malerei. Mein Leben ein bissl ordnen, scheinbar zumindest (lacht).



Du hast für Romy Schneider den Begriff des Antlitzes verwendet. Was macht für Dich ein Antlitz aus und hebt es hervor?
Ein Antlitz hat eine Tiefe. Es ist mehr als das Gesicht.

Ein Antlitz hat ein gewisses Leuchten, das sich durch das Medium der Fotografie, des Filmes durchspüre, weil es durchscheint.

Bei einem Antlitz liegt einfach mehr dahinter. Hinter den Augen, wie immer man das beschreiben möchte.

Ein Antlitz wird heute immer seltener.



Umso mehr die Bilderflut heute zunimmt, umso kostbarer sind Antlitze, weil sie kaum vorhanden sind.

Wenn ein tiefer Gesichtsausdruck nicht Zufall, sondern wiederkehrend ist, dann würde ich sagen, diese Person hat ein Antlitz.

Romy Schneider ist für mich das personifizierte Antlitz.

Ist ein Antlitz bleibend oder kann es sich verändern?
Es kann sich verändern.
Meine Theorie ist, dass sich Geschichten, die wir erleben, auf das Gesicht legen.

Das Gesicht, die Ausstrahlung verändert sich durch die Lebensumstände, die Erfahrungen, die man macht und daher verändert sich auch ein Antlitz.
Bei Romy Schneider war das Antlitz das Unverwüstbare.

Ende der 1970er, Anfang der 1980er hat das Leben Romy Schneider gezeichnet. Das Strahlen verschwindet und man sieht die Geschichten, die sich auf das Gesicht legen.
Das ursprüngliche Gesicht, wie es gedacht war – wie etwa bei der Klarheit kindlicher Gesichter – das scheint bei einem Antlitz immer wieder durch. Auch wenn die Person sich verändert, physiologisch verändert, scheint es durch. Das kann man durchblitzen sehen. Das ist altersunabhängig.

Erni Mangold hat etwa auch ein Antlitz. Es gibt mehrere, aber sie fällt mir jetzt spontan ein. Senta Berger zum Beispiel auch.
Oder Lola Lindenbaum.
(lacht) danke.

Romy Schneider und die Mode. Wie siehst Du ihren Stil, Stilwandlungen?
Da ist Eleganz fernab von jeder Protzigkeit. Eine sehr subtile Eleganz.
Zunächst vollzieht sie einen Imagewandel in der Abkehr vom süßen Wiener Mädel und dann sind die französischen Einflüsse erkennbar.

Sie hat etwa gerne Rollkragenpullover getragen und da einen späteren Modetrend antizipiert, war da ihrer Zeit voraus.
Ihren inneren Wandel vom süßen Wiener Mädel wollte sie auch nach Außen zeigen.

Sie legt ein sehr mondänes Modeverständnis an den Tag und ist da sehr französisch.
Und sie hat eine wunderschöne Stimme. Dieses Monotone, Melancholische, Mädchenhafte.
Vielleicht ist diese Klangfarbe ihrer Stimme auch etwas typisch Wienerisches?
Möglicherweise.

Was hat Dich heute in Deiner Kleiderauswahl zum Fotoshooting „Station bei Romy Schneider“ angeleitet?
Ich wollte verschiedene Facetten zeigen, die Romy Schneiders Leben begleitet haben.
Einerseits das Mondäne in Materialien, die weich und fließend sind, das Mediterrane auch, „Swimming Pool“ (lacht), anderseits auch die Kopfdeckungen. Romy Schneider hat gerne Hüte getragen. Auf vielen Fotos trägt sie auch ein Halsband.

Mäntel mit Gürtel sind für mich auch etwas sehr französisches. Der Trenchcoat gehört für mich zu Alain Delon (lacht).
Die Stiefel habe ich eher flach gewählt, weil sie auch da modisch sehr subtil agierte.
Gedeckte Farben, das passt auch gut zum Cafè Prückel.

Ich könnte mir gut vorstellen, dass Romy Schneider hier sitzt. Dies wäre absolut nicht abwegig.
Der Begriff des Antlitzes trifft auch architektonisch auf das Cafè Prückel zu. Da ist nichts getrickst. Alleine die Luster und die Farbe und der Samt. Ich habe die Haptik von Samt sehr gerne.

Romy Schneider war eine hocherotische Frau und Projektionsfläche. Sie ist mit großer Nonchalance damit umgegangen, auch modisch. Immer selbstbewusst.

Darf ich Dich abschließend zu einem Achrostikon zu Romy Schneider bitten?
Rar – sie ist unnachahmlich, nicht imitierbar. Das ist sehr, sehr rar.
Ortsunabhängig– ich würde sie keinen Ort zuordnen oder sie damit verketten.
Mild– sie hat etwas sehr Zartes, Mildes, etwa in ihrer Stimme.
Y –
Y ist natürlich ein besonders schwieriger Assoziationsbuchstabe. Aber etwas offenzulassen, gehört ja vielleicht auch zu Romy Schneider.
(lacht)

Wenn Lola Lindenbaum im Cafè sitzt, was gehört da dazu?
Das kommt auf die Tageszeit an. Ich bin gerne vormittags im Cafè und trinke da gerne einen Kaffee mit viel Milch. Es gibt auch sehr gute Kuchen hier, den Birnenkuchen etwa, das mag ich auch sehr gerne.

Wenn ich abends ins Cafè gehe, hier gibt es ja auch Klaviermusik, das ist eine ganz besondere Atmosphäre, hat etwas von einer Bar-Atmosphäre, sehr schön. Und am Abend trinke ich dann einen Wein. Da ist es vorbei mit dem Kaffee (lacht).

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Herzlichen Dank, liebe Lola, für Dein Kommen und Deine Zeit in großartiger Wort/Porträt/Performance wie die wunderbare Vorbereitung und Auswahl der Kostüm- und Requisitenvariationen wie Deine Lyrik-, Bildauswahl und Dein Interview jetzt zum Thema Romy Schneider, Schauspielerin (*1938 Wien +Paris 1982).
Liebe Lola, viel Freude und Erfolg für alle Kunstprojekte 2022!
2022_Gedenkjahr_40.Todestag _Romy Schneider_
im Gespräch, Fotoporträt/Performance:
Lola Lindenbaum, Künstlerin
http://www.lolalindenbaum.com/de/
Interview und alle Fotos_Porträt/Performance _Walter Pobaschnig _Wien.
Alle Bilder_Lola Lindenbaum_Wien.
Cafè Prückel_Wien.
Walter Pobaschnig 12_21