Zum Projekt _ Das Projekt Literatur outdoors ist ein interdisziplinäres Kunstprojekt an den Schnittstellen von Literatur, Fotografie und Theater/Performance.
Dabei kommt den topographischen und biographischen Bezügen eine besondere Bedeutung zu, indem Dokumentation, Rezeption und Gegenwartstransfer, Diskussion ineinandergreifen.
Künstler:innen werden eingeladen an diesem Projekt teilzunehmen und in ihren Zugängen Perspektiven zu Werk und Person am biographischen bzw. werksgeschichtlichen Bezugsorten in Portrait/Performance/Interview beizutragen.
Lieber Norbert Maria Kröll, wir sind hier in Wien beim Haus des Schreibateliers von Gert Jonke, Schriftsteller *1946 Klagenfurt +2009 Wien, ist Dir die Umgebung hier vertraut? Welche Eindrücke hast Du vom Schreibort Jonkes in Wien?
Die Umgebung ist mir bekannt, aber nicht vertraut. Die Wohnung, in der er gearbeitet hat, habe ich ja nicht gesehen. Aber ich konnte mir Jonke gut vorstellen, wie er auf der Terrasse sitzt und schreibt.
Welche Bezüge und Zugänge gibt es von Dir zu Gert Jonke und seinem Werk? Was sind für Dich zentrale Themen und Aussagen des Werkes Jonkes?
Das zentrale Thema Jonkes ist meiner Meinung nach die Musik, die aber nicht (nur) inhaltlich zum Tragen kommt, sondern dem Text quasi eingeschrieben ist. Wie Anton Thuswaldner bereits angemerkt hat: Jonke „schrieb seine Texte nicht, er komponierte sie“. Ich habe beinahe alle Prosatexte und Gedichte von Jonke gelesen. Er hat mein anfängliches Schreiben stark beeinflusst. In meinem Debütroman „Sanfter Asphalt“ erwähne ich in einer Szene in der Wiener Hauptbücherei auch seine Bücher: Der Hauptprotagonist entleiht sie der Reihe nach. Leider habe ich Jonke nur ein einziges Mal lesen gehört. Ich war damals noch Musiker und hatte sein Schaffen sozusagen erst mit dieser Lesung kennengelernt, dann lange wieder vergessen, und viele Jahre später zum Glück wiederentdeckt.
Schreiben und Musik waren für Gert Jonke wesentliche Lebensprojekte. Auch das verbindet Euch, Du hast mehrere erfolgreiche Bandprojekte initiiert und bisher drei Romane veröffentlicht. Was verbindet für Dich Literatur und Musik?
Das stimmt, diese Verbindung könnte als Gemeinsamkeit erkannt werden. Wobei ich das Gefühl habe, dass bei ihm die Musik und die Sprache (fast) eins sind, wohingegen bei mir die Musik in einiger Entfernung, sozusagen von den Zuschauerrängen aus zusieht. Vielleicht wird sie irgendwann wieder näherkommen. Wir werden sehen. Da ich Schlagzeuger war, würde ich meinen, dass mir der Rhythmus – auch wenn meine Texte (im Moment) nicht experimenteller Natur sind, wo diese Verbindung sicherlich wichtiger erscheint –, immer sehr wichtig ist. Beim Lesen muss der Takt stimmen.
Wie war Dein Weg zum Schreiben?
Zuerst war die Musik, dann war das Lesen, dann war das Schreiben. Das Lesen ist der wichtigste Teil. Ich wünschte, ich hätte nach wie vor so viel Zeit zum Lesen wie damals, als ich nach der Matura von Kärnten nach Wien gezogen bin.
Was inspiriert Dich und ist Dir in Deinem Schreiben wichtig?
Ein wiederkehrendes Thema meines Schreibens ist die Kunst. Dort liegt gewiss auch ein Teil der Inspiration. Als zweiten wichtigen Punkt könnte vielleicht die Freundschaft herangezogen werden. Welche Arten sind möglich. Wo endet sie, wo beginnt eine Beziehung.
Was sind Deine derzeitigen Projektpläne?
Mein vierter Roman „Arcus“ erscheint im Herbst bei Kremayr & Scheriau. Da bin ich nach wie vor mit dem Überarbeiten des lektorierten Manuskripts beschäftigt. Dann kommen erst mal die Lesungen. Und danach – wie immer – der nächste Roman!
Hättest Du mit Gert Jonke gerne einen Tag in Wien verbracht und wenn ja, wie hätte dieser ausgesehen?
Ja, das wäre schön gewesen. Ein Kaffee auf seiner Terrasse. Ein Spaziergang vielleicht. Ein Konzert?
Darf ich Dich abschließend zu einem Jonke Akrostichon bitten?
Anstelle eines Jonke Akrostichons, füge ich hier ein Gedicht ein, das ich 2011 geschrieben habe. Ein Akrostichon für „Winfried Kudszus“, der sich in einer Publikation eingehend mit Literatur und Schizophrenie beschäftigt hat. Hier habe ich mich von Jonkes „Sprachgewitter“ inspirieren lassen und ihm daher auch das Gedicht gewidmet:
APOKALYPTICHON
(Hommage an Gert Jonke)
Warteschlangentonspurengekrächz
Instrumentalverherrlichungsopposition
Naturforscherdurchhaltelattenrost
Findelkindhinterlassungsgewerkschaftsverbund
Radfahrerverbotszonengebälk
Intonationsmuskelbauchgefühlsverschiebung
Erdumfangstolerierungsgesetztesmissbrauch
Durchhaltevermögenssteuerberechnung
Kundendienstbetreuungsgeldumverteilung
Umrissverteidigungszonengeleut
Druckkabinenumrundungsverlautbarung
Sarginspektionsunternehmensverfahren
Zungenpiercingdurchschussgerätsverblödung
Urheberrechtsgebenedeitenauslosungsgefahr
Sonnenuntergangsverherrlichungsverein
Zum Projekt _ Das Projekt Literatur outdoors ist ein interdisziplinäres Kunstprojekt an den Schnittstellen von Literatur, Fotografie und Theater/Performance.
Dabei kommt den topographischen und biographischen Bezügen eine besondere Bedeutung zu, indem Dokumentation, Rezeption und Gegenwartstransfer, Diskussion ineinandergreifen.
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Station bei Gert Jonke_
Norbert Maria Kröll, Schriftsteller_ Wien _
Gert Jonke, Schriftsteller * 8. Februar 1946 Klagenfurt † 4. Jänner 2009 Wien.
Fotos _ im Haus des Schreibateliers von Gert Jonke in Wien _
Interview und alle Fotos _ Walter Pobaschnig 5/24
Walter Pobaschnig 5/24