Liebe Irmgard Sonnen, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ab dem Vormittag arbeite ich in meinem Atelier. Es befindet sich direkt über meiner Wohnung. Hier gibt es genügend Raum, um die Entwürfe für meine neuen Buchprojekte auszubreiten. Seite für Seite.
Zur Zeit ist der Andruck für eine neue Publikation auf dem Tisch ausgebreitet: Buchräume öffnen Denkräume. Editorial Design – Lehren, Lernen und Forschen sind für mich untrennbar miteinander verbunden und stellen im Rückblick nach 38 Jahren Lehre eine enorme Bereicherung in fachlicher und zwischenmenschlicher Hinsicht dar. Die Auseinandersetzung mit dem Medium Buch stand unter anderem im Fokus meiner Lehre:
»Wir betreten den Raum des Buches, die Seite scheint fast leer zu sein, doch die Zeichen verleihen dem Weiß Bedeutung, das Zeichen ist zu lesen als die Schwelle zu einem Raum, den wir als Leser betreten können«, so der niederländische Typograf Walter Nickels…
Die Nähe zu Sprache und Literatur ist in meinen Arbeiten immer zentral. Typografie kann Sprache sichtbar machen.
Da ich tagsüber viel lese, nachdenke oder am Computer arbeite, treibe ich zum Ausgleich regelmäßig Sport und fahre sehr gern mit dem Rad. Die Wege am Rheinufer bieten dazu Weite und Raum. Sehen und Bewegen ist dabei eine ideale Verbindung. Immer wieder entstehen dabei auch fotografische Arbeiten. Auch das Gehen und Lustwandeln in der Landschaft oder das Flanieren im urbanen Raum gehört zu meinem Ausgleich. Beim Gehen erschließen wir uns die Welt auf allen Sinneskanälen. Der Spaziergänger befindet sich auch immer auf einer Schwelle des Weges. Wir kommen an. Ist es ein Ende oder ein Neuanfang?
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Inmitten der Schwierigkeit liegt die Möglichkeit. (Einstein)
Wir dürfen nicht aufhören nach Lösungen zu suchen.
Solidarität, Akzeptanz, Empathie, das Eintreten für eine soziale und gerechte Gesellschaft, ein geeintes Europa sind wichtige Kernthemen.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Kunst zu?
Wenn es nur eine Wahrheit gäbe, könnte man nicht hundert Bilder über dasselbe Thema malen, so Pablo Picasso. Immer wieder neue Perspektiven und Sichtweisen aufzuzeigen, bedeutet ständigen Neubeginn.
Was liest Du derzeit?
Roger Willemsen, Wer wir waren
John Cage, Silence
Tanizaki Jun’ichirō, Lob des Schattens
Welches Zitat, welche Textstelle möchtest Du uns mitgeben?
Was inspiriert?
„Die Kunst ist die wichtigste Inspiration. Auch in unserem Beruf kommt ursprünglich alles aus der Kunst. Aus der Malerei, aus der Bildhauerei und aus der konzeptionellen Kunst. Sie gibt einem immer wieder Impulse und sagt einem auch, wie klein wir eigentlich sind. Die Kunst inspiriert mich und gibt mir Mut. Am meisten gefällt es mir, wenn die Grenzen zwischen Kunst und Kommunikation aufgehoben werden.“ (Klaus Hesse, Designer)
in: Irmgard Sonnen, Anna Blume ist rot. Farbe als Ereignis, Queredo-Verlag
Vielen Dank für das Interview, liebe Irmgard, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Kunstprojekte und persönlich alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Irmgard Sonnen, Kommunikations-Designerin, Künstlerin, Herausgeberin, Honorarprofessorin für Typografie und Editorial Design an der Hochschule Düsseldorf.
Zur Person: Irmgard Sonnen ist Kommunikations-Designerin, Künstlerin, Herausgeberin, Honorarprofessorin für Typografie und Editorial Design an der Hochschule Düsseldorf. Sie gestaltet Bücher und Kataloge an der Schnittstelle von Literatur, Poesie, Bildender Kunst und Design.
Sie wurde 1954 geboren und lebt und arbeitet in Düsseldorf. Für ihre Arbeiten erhielt sie und ihre Studierenden zahlreiche internationale Auszeichnungen.
Bibliographie
Irmgard Sonnen
Zur Poesie des Augenblicks
Ein Tagebuch für 365 Zeitpunkte
Düsseldorf 2004
Irmgard Sonnen
Anna Blume ist rot. Farbe als Ereignis
Düsseldorf 2007
Irmgard Sonnen
Balancieren auf dem Gedankenstrich
zwischen Reden und Schweigen
Düsseldorf 2009
Dieter Fuder
Der Funke der Semantik
Designtheorie als Erkenntnismethodik
Hg. Irmgard Sonnen/Hochschule Düsseldorf 2013
Sprache als Ereignis
Ein allegorischer Liebesbrief
Ausstellungskatalog
»Ideen. Das Buch Le Grand«
von Heinrich Heine
Peter Behrens School of Arts,
Fakultät Design
Hg. Irmgard Sonnen/Hochschule Düsseldorf 2016
Hans Georg Lenzen
Mit leichter Hand
Die szenische Metaphorik des Zeichnerischen Hg. Irmgard Sonnen/Hochschule Düsseldorf 2019
Der Morgen ist schön
Hanni Kowalczyk 1924-2004
Bilder haben Gedanken
Hg. Irmgard Sonnen
Düsseldorf 2020
Irmgard Sonnen, Lustwandeln
für Flaneure und Landstreicher
Szenarien eines Spaziergangs
Düsseldorf 2021
Irmgard Sonnen
Buchräume öffnen Denkräume
Editorial Design – Lehren und Forschen
Düsseldorf 2024
http://www.designbuero-sonnen.de
Fotos _ privat.
Walter Pobaschnig _ 24.6.2024