In der Schulzeit begegnete mir Ingeborg Bachmann als Fixpunkt deutschsprachiger Literatur. Sie war und ist eine sehr starke Frau in allem. Es braucht Frauen wie sie jetzt und zu aller Zeit.

Der Roman „Malina“ spielt in Wien und hat ein sehr gutes Auge für Orte, Menschen dieser Stadt. Da ist sehr viel Aufmerksamkeit, sehr viel Kritik wie Liebe drin. Da ist Bachmann ganz „Wienerin“.
Und natürlich sehr viel Kultur, Kunst, Gespräch. Wien ist ja eine Kulturhauptstadt. In Geschichte und Gegenwart. Das begleitet bei jedem Schritt. Real wie im Wien_Roman Malina.

Wien wird immer meine Lieblingsstadt sein. Ich bin in Ottakring aufgewachsen und lebe auch heute hier. Da ist auch sehr unmittelbar das alte Wien zu spüren. Etwa die 10er Marie, einer der ältesten Heurigen. Ich liebe auch die Wiener Art, das legere wie das grantige.
Ich liebe auch die „Bachmann Stadt“ Klagenfurt. Ich spielte am wunderschönen Stadttheater. Und die Wege, Straßen, Plätze – die Bahnhofstraße, Radetzkystraße, Parkanlangen und den See, liebe das. Da geht mein Wiener-Herz auf bzw. fremd (lacht).

Die unmittelbare Publikumsbühne des Theaters steht ja derzeit leider still. Ich hatte im Februar/März Projekte mit der ORF Produktion „starmania“ wie Werbedrehs, darüber war/bin ich sehr froh. KollegInnen am Theater proben in der Ungewissheit der Premiere. Die Generalprobe findet statt und dann ist die Abreise. Das ist sehr schwierig und unangenehm.
Ich habe Projektplanungen für den Sommer und hoffe, dass diese stattfinden können – ich glaube fest daran, dass sie stattfinden.

In der Besetzung von Theaterrollen ist es oft sehr oberflächlich. Eine gewisse Typologie ist gefragt. Du kannst singen, tanzen, schauspielen aber dann ist die Haarfarbe, Größe, Körpergewicht wesentliches Kriterium. Das ist ärgerlich.
Bei Auditions geht es dann oft ab einen gewissen Level nicht darum wer am Besten spielt, singt sondern ob der Typ passt. Ich versuche dann positiv nach Vorne zu blicken und sage mir, dann soll es jetzt in dieser Produktion nicht sein. Ich akzeptiere es.
Bei den großen Häusern, den großen Produktionen weiß ich oft schon, dass einfach ein gewisses Aussehen gefragt ist, das über der künstlerischen Qualität steht, und ich bewerbe mich dann gar nicht mehr. Da suche ich lieber kleinere Häuser, Produktionen, wo in den Auditions/Gesprächen schon merke, da geht es um die Person, um die Kunst, nicht wir groß ich bin und ob ich blonde Locken habe oder nicht.
Das Showbusiness funktioniert so. Wenn ich ein Teil davon sein will, muss ich mitspielen. Das war wohl auch zur Zeit Bachmanns so, auf der Literaturbühne.

Eine gute Beziehung zu den eigenen Emotionen ist in unserem Beruf ganz wesentlich. Emotionen sind die Basis unserer Arbeit. Das Spiel mit Emotionen. Da geht es um Dramatik. Es ist ein Dialog mit eigenen Erfahrungen, Erlebnissen und dem künstlerischen Text. Selbstreflexion ist dabei sehr wichtig. Für jeden Menschen.

Wir wenden uns sehr oft nur der Schönheit von Emotionen zu. Aber es gibt auch das Dunkle, Verdrängte. Und das Eine gibt es nicht ohne das Andere.

Wir dürfen Emotionen fühlen, hell und dunkel. Diese Gegensätze sind zu akzeptieren und zuzulassen. Emotionen sind nicht wegzuschließen.
Ich liebe weinen.

Ich weine oft, hauptsächlich wenn ich gerührt bin. Da weine ich sehr schnell. Ich finde weinen hervorragend. Weinen würde ich nie als etwas Negatives empfinden. Es ist etwas Befreiendes wie Lachen. Ein Ventil vor der Explosion von Emotionen.
Mentale Gesundheit gewinnt immer mehr an Bedeutung und das ist sehr wichtig.
Ich freue mich auch sehr gerne über Alltägliches. Das fällt auf und mir fällt dann auf, dass es nicht so häufig ist.

Wir alle haben die Angst negativ aufzufallen. Da wird das angepasste „Mitschwimmen“ vorgezogen.
Menschen trauen sich oft nicht „aus sich rauszugehen“ obwohl sie es gerne würden in Freude und Traurigkeit. Es ist schade, dass dies nicht zugelassen wird. Ingeborg Bachmann geht da in „Malina“ einen ganz anderen Weg. Der Roman ist ein Feuerwerk, eine Achterbahn der Emotion. Da bleibt nichts verborgen.

Sich aus einer „toxischen“ Beziehung zu lösen, war zur Zeit der Romanentstehung sehr schwer möglich. Die finanziellen Abhängigkeiten waren etwa bei einer Ehescheidung sehr groß.
Vieles hat sich gesellschaftlich zum Besseren verändert. Aber auch heute gibt es Abhängigkeiten in der Liebe.
Es betrifft heute Frauen und Männer, die sich aus toxischen Beziehungen nicht lösen können.

Eine toxische Beziehung ist immer ein Hineinschlittern. Am Anfang zeigen wir nur die besten Seiten von uns. Es ist eigentlich eine Show, eine Bühne. Dahinter beginnt dann das tägliche Leben abseits des Scheinwerferlichts des ersten Verliebtseins. Dann kann das Toxische Raum greifen und erdrücken. Das Gewalttätige, Manipulative, das Drama. Bachmanns Roman Malina erzählt eindringlich davon.

Besser betrogen, belogen zu werden als allein zu sein. Auch diese emotionale Abhängigkeit ist Alltag heute, 50 Jahre nach Malina.
„Ich behandle dich jetzt so, weil es für dich das Beste ist!“ – da heißt es (spätestens) Ciao zu sagen.
Zu erkennen was gerade passiert in einer Beziehung ist ein harter, schwerer Weg.

Ich habe einen Wert und ich weiß das. Allein oder in einer Beziehung. Ich bin ich. Damit gehe ich in oder aus einer Beziehung.
Dass wir einen Wert haben, als Frau und Mann, kann und darf uns niemand wegnehmen. Genau darum geht es ja auch in „Malina“.
Selbstbewusstsein ist Beziehungsvoraussetzung.

Jede Frau, die aus einer toxischen Beziehung entkommt, hat meinen größten Respekt.
Das ist grundsätzlich ein gesellschaftlicher Auftrag. Aber oft ist es der Weg allein in die Wand, wie im Roman von Bachmann. Durch die Wand hin zur Realität. Eine „Todesart“ wie Bachmann es nennt.

In einer Beziehung ist immer auch emotionaler „Waschtag“. Fein- und Kochwäsche des Täglichen, das ist gut so. Leider kann aber auch massive Gehirnwäsche dabei sein – da braucht es dann die Stopptaste.
Die hohe gegenwärtige Scheidungsraten ist auch eine Errungenschaft.

Die Rolle der Frau ist immer eine anerzogene. Niemand wird für den Herd geboren.
Erziehung ist immer ein Stück Freiheit oder eine Kette der Unfreiheit.

Wir müssen an diesem vorgegebenen „mindset“ der gesellschaftlichen Rolle arbeiten – ob Frau oder Mann.

Liebe auf den ersten Blick gibt es nicht. Es gibt Anziehung aber Liebe entsteht.
Ich konnte noch nie am Anfang einer Beziehung sagen, ich liebe dich. Es kommt zuerst das Kennenlernen. Liebe muss entstehen, davon bin ich überzeugt.
Wie lange es braucht, um „Ich liebe dich“ zu sagen? Das ist nicht genau zu sagen, es kommt auf das Zusammenspiel an. Wenn ich um eine Zeitangabe gefragt werde – so rund ein halbes Jahr.

„Ich liebe dich“ auszusprechen ist für mich ein Miteinander von Empfindung und Wort. Ich empfinde es früher als ich es sage. Das mache ich bewusst, weil ich es da noch für mich behalten möchte. Dass es wachsen und mich erfüllen kann bis es zur Welt, zur Welt der Sprache kommt. Bis es raus muss in die Welt. In all der Schönheit aber auch Herausforderung und Verantwortung.
Wir sollten alles mit Empfindung und Bewusstsein tun. In der Liebe und im Leben.

Eine Fernbeziehung ist eine Beziehung zum Handy.
In der Liebe muss Gegenwart und Zukunftsausblick passen.
Liebe muss Geborgenheit vermitteln.

Das Warten auf einen Anruf, eine Nachricht charakterisiert eine Beziehung. Da hat sich seit Malina nichts verändert. Nur die Technik.
Da sind diese vielen Gedanken im Warten – Was macht er gerade? Warum meldet er sich nicht? – und dann kommt der Anruf und es geht einem gut. Da ist eine Freude aber auch eine Wahrnehmung von Abhängigkeit.


Glücklich bist du immer allein. Das ist ein Wert, gerade auch in einer Beziehung.
Beziehung ist für mich Bestimmung.

In der Beziehung müssen alle Karten auf den Tisch. Ich hasse betrügen.
Wenn dem Partner etwas fehlt und er spricht es aus, ist das ganz wichtig. Auch wenn es schwer ist für beide. „Dieses, es reicht nicht was wir haben“ auszusprechen und zu benennen, ist eine große Herausforderung aber unumgänglich.
Ich möchte in einer Partnerschaft immer die Möglichkeit zum Reagieren haben. Eine Affäre nimmt die Möglichkeit der Reaktion. Das ist unfair.


Polygamie und Beziehung funktioniert für mich nicht. Da ist es wichtig zu sagen, du hättest es gerne so aber ich schaffe es nicht.

Es ist sehr wichtig voreinander, miteinander zu weinen. Männer können, dürfen, müssen weinen.
Männer haben es schwer in ihrem Selbstbild. Darüber wird zu wenig gesprochen.
Männlichkeit wie Weiblichkeit muss authentisch sein. Der Roman ist dabei ja wie ein Lehrbuch.
Mann und Frau müssen nichts können. Nichts muss – alles kann, darf sein.

Ingeborg Bachmann lesen heißt, an die eigene Stärke zu glauben.
Ingeborg Bachmann lesen heißt – sich nichts dreinreden lassen.

Stärkerwerden ist eine Entscheidung.

50 Jahre Malina _ Roman _ Ingeborg Bachmann _ im Gespräch:
Elisabeth Blutsch, Schauspielerin, Sängerin _Wien.
Station bei Ingeborg Bachmann- alle Fotos/Interview_Walter Pobaschnig _ Hotel Regina_Wien_27.2.2021
Walter Pobaschnig _ 4_2021
Grossartiges Porträt, sehr schöne Fotos und wunderbare Gedanken zum Leben, zur Liebe, zu Beziehungen und zu Ingeborg Bachmann. Danke dafür!
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