„Frauenzimmer“ Frauen schreiben Geschichte. Begeisternde Uraufführung des „Alice Ensemble“ Wien, 3.5.2019
Eine Cellistin und fünf Frauen in ausdrucksstarken historischen Kostümen sind zunächst im Halbdunkel der Bühne zu sehen. Es liegt viel hinter ihnen und noch mehr vor ihnen. Das ist an der Nachdenklichkeit und den Koffern und Taschen zu erkennen. Buch, Stift, Gedanken und Mimik unterstreichen dies eindrücklich. Ein Ziel, zu dem sie allein unterwegs sein werden, ist zu spüren. Die Ansprache an das Publikum kommt in Spannung und Neugierde an.
Dann nehmen sie das Gepäck auf und erzählen vom Weg hierher. Vom durch Mauern gehen. Von Erwartungen und Grenzen des Lebens. Die Bühne wird nun zur spektakulären, mitreißenden Landkarte von Vision und Persönlichkeit, Zeit und Selbstbewusstsein in Geschichte und Gegenwart…
Das 2015 gegründete Wiener „Alice Ensemble“ setzt in ihrer neuesten Produktion wagemutig auf die szenische Bühnenkarte von Rezeption, Narration, Variation und Dynamik. Das Wechselspiel biographisch-historischer Mitte und Dramatik erfordert eine Fülle von schauspielerischer Variation, um die Vielfalt der Perspektiven im Bühnentransfer sprechen zu lassen. Es braucht dazu auch wesentlich Momente von Stille, in dem das Publikum selbst Entscheidungen von Beobachtung und Wahrnehmung trifft. Die Ausdrucksmöglichkeiten von Theater sind dabei bis an die Grenzen gefordert.
Nicht viele moderne Bühnen sind zu dieser Herausforderung bereit. Das „Alice Ensemble“ ist es und versteht zu überraschen. Es begeistert mit Ansprache, Dialog und Choreographie. Im variantenreichen Bühnenspiel gelingt ein szenischer Rhythmus, der Aufmerksamkeit, Emotion, Spannung und Humor in Erzählung und kritischem Gegenwartstransfer fulminant ankommen lässt. Das Öffnen der Biographien von Anne Bonny, Amelia Earhart, Emily Davison, Florence Nightingale und Ida Pfeiffer im Blick auf gegenwärtige Rollen- und Selbstbilder und der Stimmung gegenwärtiger Existenz wird selbstbewusst umgesetzt. Das Ensemble spielt alle szenischen Register und hebt damit Biographie zum mitreißenden Bühnenleben und zum Prozess persönlicher Reflexion von Kontext, Inspiration und Utopie.
Dem Ensemble, welches selbst Regie führt, ist zu Mut und Schauspielkunst zu gratulieren und es sind auch die Kostüme anzusprechen, die sicherlich Maßstäbe in Ausdruck, Gesamtbild wie Detail setzen und dieses wichtige Stilmittel eindrücklich wirken lassen. Ebenso ist auf das dialogische Cellospiel in variantenreicher Performance hinzuweisen. Einmalig wie dies szenisch gesetzt wird.
„Ein Theaterabend, der selbstbewusst auf Biographie und Transfer setzt und damit in Spiel und Ansprache begeistert.“
Frauenzimmer – Frauen schreiben Geschichte. Alice Ensemble
Ensemble: Sophie Isermann, Denise Neckam, Lisa Neumaier, Leonie Reiss, Caroline Weber
Regie: Ensemble
Regie Assistenz: Charlotte Morschhausen
Cello: Jana Thomaschütz
Kostüme: Alma Kugic
Weitere Spieltermine: 04./10./11. Mai 2019
Walter Pobaschnig, Wien 5_2019
Alle Fotos: Walter Pobaschnig
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