Liebe Sabina Naber, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Derzeit atypisch, da ich gerade eine Schreibpause einlege, um meinen Kopf wieder einmal frei zu bekommen. Stattdessen beschäftige ich mich stark mit meinem zweiten künstlerischen Standbein, der Fotografie – Aufarbeiten der Frühjahrsausstellung, Vorbereiten eines größeren Auftrags und Planen einer Herbstausstellung. Dazwischen gehe ich bzw. fahre ich Fotografieren, weil ich gerade an einem Projekt über Österreichs Landeshauptstädte arbeite. Und Ausgleich finde ich in meinem jüngst gepachteten Garten, den ich zu gestalten beginne.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Derzeit fände ich es wichtig, dass die Menschen diese Hysterie in Bezug auf alles und jeden, die um sich gegriffen hat, etwas ablegen, sowie dass sie ihre Ohren entstöpseln, um einander wieder zuhören und jenseits der virtuellen auch die reale Welt mitbekommen zu können. Das bereitet nicht immer Spaß, was mir klar ist, aber die unzähligen kleinen Blasen, die sich gebildet haben, sind weder für den einzelnen noch für die Gesellschaft auf Dauer von Vorteil. Denn wir brauchen einander. Und ich fände es substanziell notwendig, was mit dem Beenden der Hysterie Hand in Hand geht, dass die Menschen wieder den (schwarzen) Humor und die Selbstironie entdecken. Entspannung täte uns gut, im Stress löst man selten Probleme, weil man durch den Tunnelblick nur beschränkt denkfähig ist.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Ich bin mir nicht sicher, welche Rolle die Kunst mittelfristig einnehmen kann, da ihr im Moment gerade zunehmend Maulkörbe verpasst werden. Sittenwächter und -wächterinnen aus den unterschiedlichsten Lagern versuchen gerade zu bestimmen, was gesagt/getan/gezeigt/dergleichen werden darf oder nicht (siehe Hysterie oben). Glattgebügeltes verbreitet sich. Doch ich denke, Kunst lässt sich nicht auf Dauer den Mund verbieten. Ich hoffe es zumindest.
Was liest Du derzeit?
„Eine Geschichte aus zwei Städten“ von Charles Dickens.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Etwas Wienerisches: Das letzte Hemd hat keine Taschen.
Vielen Dank für das Interview liebe Sabine, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literatur-, Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Sabina Naber, Schriftstellerin und Fotokünstlerin
Zur Person_Sabina Naber arbeitete nach ihrem Studium in Wien u.a. als Regisseurin, Journalistin und Drehbuchautorin. 2002 startete sie ihre schriftstellerische Laufbahn, mittlerweile sind etliche Romane und unzählige Kurzgeschichten erschienen (Friedrich-Glauser-Preis 2007 und Nominierung für den Leo-Perutz-Preis 2013 und 2021). Seit Kurzem ist sie auch als Fotokünstlerin tätig.
Aktuelle Bucherscheinung_Sabina Naber, Leopoldstadt. Kriminalroman. Emons Verlag.

Tödliche Hitze in Wien
Wien 1966: Ein ehemaliger Besatzungssoldat wird ermordet aufgefunden. Die US-Botschaft will ihn nicht kennen. Wurde er wegen seiner Hautfarbe umgebracht? Oder haben die geheimnisvollen Treffen in einem Hotel etwas mit seinem Tod zu tun? Auf der Suche nach Hinweisen begegnet Chefinspektor Wilhelm Fodor ehemaligen Kämpfern im Spanischen Bürgerkrieg, deutschen Nazis, Südtirol-Aktivisten und liebenden Frauen. Die entscheidende Frage aber ist: Verfolgt ihn der schwarze Mercedes tatsächlich, oder leidet er unter Paranoia?
Sabina Naber, Leopoldstadt. Kriminalroman. Emons Verlag.
Broschiert
13.5 x 20.5 cm
320 Seiten
ISBN 978-3-7408-1136-5
13,00 € [DE] 13,40 € [AT]
Erscheinungsdatum: 22. April 2021
https://emons-verlag.de/p/leopoldstadt-4624
Foto_Michael Haberle
29.4.2023_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.