„Und ich bin genauso am Durchwursteln wie die Meisten gerade“ Daniela Flickentanz, Liedermacherin _ Weppersdorf/Burgenland 2.5.2023

Liebe Daniela, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Mein Tagesablauf ist sehr individuell abgestimmt auf die künstlerische Arbeit, ich verwirklichen will und die Aufgaben, die zu erledigen sind. Was immer gleich ist: Ich schreibe gleich nach dem Aufstehen 3 A4Seiten mit der Hand auf glattem Papier. Die Technik der „Morgenseiten“ verfolge ich seit 2012 und habe ich aus „Der Weg des Künstlers“. Seit diesem Jahr meditiere ich danach, um mich halbwegs ruhig dem Tag zu öffnen.

Meistens stehe ich um 7.30/ 8.00 auf. Die Zeit vor 11 Uhr ist für Teaminterne Telefonate (zB. Mit meiner Bookerin) und zum Üben reserviert.

Danach  gehe ich mit dem, was vor mir liegt: Einer Zeichnung, der Auftrittsvorbereitung, Betreuung meiner Soicalmedia-Kanäle, Beantworten von Nachrichten und natürlich – meistens Abends – das Spielen von Auftritten.

Ich bin auch sehr gerne draußen und hole mir Stimmen aus der Umgebung: Sobald ich außer Haus gehe, spreche ich mit allen möglichen Menschen und werde inspiriert und berührt von den Geschichten und Eindrücken. Es ist eine Herausforderung, die Balance zu halten zwischen dran/ fokussiert bleiben und mit dem zu gehen, was sich spontan ergibt.  Meine Lieder kommen zu den unterschiedlichsten Zeiten zu mir. Manchmal beim Duschen, manchmal wache ich Mitten in der Nacht auf. Manchmal im Zug. Ich bin allzeit bereit, meine Schürze aufzuhalten und die Sternschnuppen, die auf mich herunterfallen, aufzufangen und herauszubringen. Da kann es auch mal passieren, dass ich mir Nächte um die Ohren schlage.

Studiotage mit meinem Produzenten Hartmut in Bayern sind ganz besonders für mich. Ich mache meine Morgenroutine inklusive einem kleinen Training für meinen Körper und trinke einen Café mit meiner Freundin aus Deutschland, bei der ich für die Studiozeit wohnen darf. Dann treffen Hartmut und ich uns um 10.00 oder spätestens 11.00 und frühstücken zusammen. Wir stimmen uns beim Frühstück emotional auf die Arbeit ein und machen einen groben Plan und besprechen unsere Ideen. Dann wird gesungen, gespielt, geweint und editiert. Es ist ein sehr tiefgreifende Prozess der Menschwerdung. Das ist wirklich eine Gnade.

Mein Alltag ist also bunt und vielfältig. Kein Tag ist wie der Andere. Und ich bin genauso am Durchwursteln wie die Meisten gerade.

Daniela Flickentanz, Liedermacherin, Künstlerin

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?  

Was für uns alle jetzt besonders wichtig ist, kann ich nicht sagen. Ich möchte nur für mich sprechen: Für mich hat sich herausgestellt, dass es mir wichtig ist, nach einer Ethik der Liebe zu leben und die eigene Liebesfähigkeit zu kultivieren. Die anderen Menschen wirklich zu SEHEN und sich im Gegenzug auch zu ZEIGEN, auch, wenn das manchmal panische Angst machen kann.

Auch, wenn man es vielen Menschen nicht ansieht: Jede:r hat sein Päckchen zu tragen. Ich nenne dieses Päckchen „trotz wegen allem“ und habe auch ein Lied darüber gemacht. Hättest Du gesehen, dass ich eine Narbe am Herz habe, manchmal sehr traurig und sehr verletzlich bin? Oder hätte ich gesehen, dass die wunderschöne Frau vor einigen Wochen noch mit ihrem Körperbild gehadert hat und eine Essstörung überwunden hat? Oder dass die beeindruckende Frau mit psychisch kranken Eltern aufgewachsen ist und schon viel zu früh die Verantwortung der ganzen Familie getragen hat? Nein, das sehen wir nur, wenn wir uns wirklich öffnen, zeigen, zuhören und berührbar werden und bleiben.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Musik, der Kunst an sich zu?

Ja, das denke ich auch. Die Rolle der Kunst ist in meinen Augen genauso vielfältig, wie die Künstler:innen selbst.  In meinen Augen wesentlich ist das kritische Begleiten des gesellschaftlichen Geschehens, das Erhalten und Ausbauen von gesellschaftlichen Errungenschaften (zB. Frauenrechte), Mut machen, zur Entspannung beitragen und das Teilen von Lebensfreude. Etwas ungewöhnliches Wagen. Den originären Ausdruck suchen und rausbringen. Eine Inspiration sein!

Was liest Du derzeit?

Ich lese zur zeit „Bell Hooks – alles über Liebe“ und „Der Distelfink von Donna Tartt“

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?  

Sehr gerne teile ich mein aktuelles Lieblingszitat mit Euch. Es ist aus Bell Hooks Ethik der Liebe und es ist die Zusammenfassung ihrer Definition der Liebe. Denn erst, wenn wir den Mut haben, „Liebe“ zu definieren, können wir uns ihrem Mangel in unseren Leben stellen und Wunden heilen: „Wenn wir lieben, bringen wir offen und aufrichtig Fürsorge, Zuneigung, Verantwortung, Respekt, Hingabe und Vertrauen zum Ausdruck.“ (Alles über Liebe, Bell Hooks)

Daniela Flickentanz, Liedermacherin, Künstlerin

Vielen Dank für das Interview liebe Daniela, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Musik-, Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute! 

5 Fragen an Künstler*innen:

Daniela Flickentanz, Liedermacherin, Künstlerin

Zur Person _ Daniela Flickentanz

Von goldenen Löffeln und der Kebapschule 

Ich bin mit sehr viel Liebe, selbstgeschriebenen Gedichten meiner Mutter zum Einschlafen und ohne Klavier und Hausbibliothek aufgewachsen. Wir sind oft umgezogen.

Die längste Zeit haben wir im Gemeindebau im 5. Bezirk verbracht, zur Schule gegangen bin ich in ein Gymnasium, das unter Junglehrer*innen liebevoll „die Kebapschule“ genannt wird, weil rund um die Schule außer Beton viele Kebapbuden sind. Was es außer Kebap dort noch gab, war ein toller Chor, eine Schulband und eine Musikwoche im Sommer, in denen ich alles rund um mich aufsaugen konnte und extrem viel durch abschauen lernen durfte.

„Du wurdest bestimmt schon früh gefördert.“  Höre ich manchma Leute sagen. Oder „Naja, Du hast ja bestimmt schon sehr früh das richtige Umfeld gehabt.“ Ja. Wenn Yamaha Früherziehung Gruppenunterricht als Beiwerk der kleinen Schwester, die ich war,  schon als Förderung zählt, dann wurde ich gefördert. Meine erste Klavierstunde hatte ich mit 17, bezahlt von meinem gesparten Taschengeld, meine erste Gesangsstunde hatte ich mit 23 Jahren. Gitarre habe ich jeweils eine Woche im Sommer am Gössenberg gelernt und den Rest des Jahres alleine weiter gemacht. Die erste Stunde hatte ich mit 32. 

Den Rest habe ich „on the fly“ in Freifächern gelernt. Ich habe mich an jedem Strohhalm, den ich finden konnte, weitergehangelt.

Mein erstes Lied habe ich für meine Mama zum Muttertag geschrieben. Zu meinem ersten großen Liebeskummer mit 18 sollte es richtig losgehen und von dort an hat es begonnen, dass die Lieder auf mich heruntergehagelt sind.

Und zuhause? Nein, da war kein Klavier, kein Bücherschrank. Da war Chaos, Emotion und ich als Wildwuchs mitten drin. Nicht wissend, was dieser laute Ruf in mir ist und dieses „heiß werden“ war, wenn ich Leute mit glitzernden Augen auf einer Bühne sah. 

Aber weißt Du, was? Es ist egal, woher man kommt. Das Dranbleiben, das Commited-sein zum eigenen Traum trennt die Spreu vom Weizen und nicht das Umfeld, in das man hineingeboren wird.

Ich habe viel in mich investiert und auf viel verzichtet, um diese Investitionen zu tätigen. Vielleicht hätte ich auf weniger verzichten müssen, wenn ich mehr, den anderen, doch endlich den „richtigen“ Background gehabt hätte. Aber Blut, Schweiss und Tränen, das haben alle gleich, die  es bis auf die Bühne geschafft haben, mehr als einmal auftreten und die wirklich ihr spüren könnt. Vielleicht hatte ich einen Vorteil dadurch, dass ich mit meiner künstlerischen Entwicklung weitgehend „in Ruhe gelassen“ wurde. Vielleicht war ich manchmal alleine damit. Aber wann sind die Umstände schon perfekt?

Nein, da war kein goldener Löffel in meinem Mund und auch keine Eislaufeltern. Abgeraten haben sie mir, weil sie wussten, dass ich als Künstlerin mit einem Bein im Prekariat stehen werde und dass sie mir nur sehr begrenzt helfen können, wenn ich nicht mehr kann.

Nein, ich hatte lange nicht den „richtigen Background“. Aber welcher Background ist schon der „richtige“?

Der einzige Grund, warum ich heute da bin, wo ich bin, ist, dass ich einmal mehr aufgestanden bin, als ich hingefallen bin. 

Daniela Flickentanz

https://www.flickentanz.at/

Fotos_Carina Antl

13.2.2023_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com

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