Buchmessse Leipzig: „Das sind Stammgäste. Die kommen jedes Jahr“ Eva Holzmair, Schriftstellerin _ Wien 29.4.2023

Österreich_Gastland Leipziger Buchmesse 2023

Interview _ Eva Holzmair, Schriftstellerin_ Wien 

Eva Holzmair, Schriftstellerin

Liebe Eva Holzmair, was macht den österreichischen Gast aus?

In einem Hotel in Italien fiel uns eine österreichische Familie unangenehm auf, weil sie ständig etwas auszusetzen hatte. Als ich die Hotelbesitzerin fragte, wie sie solche Leute aushalten könne, antwortete sie lachend: „Das sind Stammgäste. Die kommen jedes Jahr.“

Sind wir so? „So sind wir nicht“, meinte Bundespräsident Van der Bellen nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos, das ebenfalls österreichische Gäste im Ausland zeigte und so einiges über deren (Politiker)Seele verriet.

Zusammenfassung: DEN österreichischen Gast gibt es nicht. Wir decken wohl die gesamte Palette von unauffällig bis goschert, von freundlich bis nervtötend ab.

Ist Österreich für Deutschland nicht immer (nur) ein Gastland?

Es mag sein, dass wir Ösis von den Wessis mehr als Urlaubsland gesehen und nicht für voll genommen werden. Wir sind ihnen aber auch als Studienort und Arbeitsstätte willkommen, ebenso den Ossis, die wiederum selbst mit den Vorurteilen ihrer westlichen Landsleute zu kämpfen haben. Denken wir nur an die zuletzt publik gewordenen Chats des Springer-Chefs Mathias Döpfner. Deshalb sollte die Leipziger Buchmesse stolz darauf sein, dass sie als die kleine, bunte Schwester der Messe in Frankfurt gilt. Klein und bunt, das sind wir doch gerne, Ösis wie Ossis.

Wird Leipzig das Literatur-Cordoba für Österreich?

Ach Cordoba, daran erinnern sich bloß in Österreich noch ein paar Leute. Und nein, österreichische und deutsche Literatur treten nicht gegeneinander an, außer in Freundschaftsspielen, bei denen unsere autochthone Fußballsprache so recht zur Geltung kommt: Corner versus Eckstoß, Penalty (bitte aussprechen, wie geschrieben) bzw. Elfer versus Strafstoß. Besonders zur Geltung kommt sie, sobald sich das Publikum einmischt: „Wast wos? Geh in Oasch bis zum Zwölffingerdarm, du Gsöchta! Bevor i mi söba vagiss. Soll i da die Hedi-Tant aufn Plotz schickn, mitn Plastik in da Hüftn links und rechts, damit s’ da zagt, wia ma flankt?“ (Zitat Johanna Sebauer, Der Standard, 12. Dezember 2022).  

Ist „Meaoiswiamia“ Ausdruck des österreichischen Minderwertigkeitskomplexes?

Nein. Eher ein Sprachspiel, das mehrmals laut gelesen werden muss, damit es auch in Westösterreich verstanden wird. Der Osten Österreichs vergisst allzu oft, dass es im Westen völlig andere Sprachinseln gibt.

…oder auf den Literaturbetrieb selbst bezogen?

Wieder nein. Ich denke, die österreichische Literatur wird in Deutschland ernst genommen, nicht so an österreichischen Germanistikinstituten, die mittlerweile fest in deutscher Hand sind und wo eine deutsche Literaturprofessorin an der Wiener Universität es ablehnte, eine Dissertation über Heimito von Doderer zu betreuen, mit der Begründung, sie mache „keine Regionalliteratur“. (Zitiert nach Egyd Gstättner, Die Presse, Spectrum, 22.4.2023)  

Was hat Österreich, was Deutschland nicht hat?

Die Österreicher sind „die Latinos des deutschsprachigen Raums.“ Das sagte der Australier Mark Garrett (Noch-Aufsichtsratspräsident der OMV) in einem Interview mit der NZZ (17.5.2021). Ich denke, da ist viel Wahres dran. Wir sind lockerer als die Deutschen und können, gerade in der Literatur, mit (Sprach)Witz und leiser Ironie punkten.

Herzlichen Dank!

Zur Person_Eva Holzmair wurde in Korneuburg geboren und ist in Wien aufgewachsen, wo sie nach Abschluss eines Dolmetschstudiums lebt und arbeitet. Seit mehreren Jahren ist sie auch literarisch tätig mit Veröffentlichungen von Romanen, Erzählungen, Krimis und Theaterstücken. Darin wechselt sie gerne die Sprachebenen und streut fremdsprachige Elemente ein. Die Welt ist bunt, und mit ihr die Sprache!

Mitglied der GAV, der Mörderischen Schwestern, im Literatukreis Podium sowie in der
Plattform Österreichischer Kriminalschriftstellerinnen und -schriftsteller.

Publikationen

  • Verwandte Seelen, 5-Minuten-Krimi in MordsZeit, Mörderische Geschichten für Zwischendurch
    Karina Verlag, Wien 2022, der Reinerlös aus dem Verkauf dieses Sammelbands geht an die Kinderkrebshilfe
  • Ali Chen Afumba, Kurzkrimi in Tatort Marktamt
    Falter Verlag, Wien 2021
  • Die Giftmischerin, Ländliches Kriminalstück
    Kaiser Verlag, Wien 2021 / http://www.kaiserverlag.at/apollo?METHODE=SHOP_KV_STUECK&IDSTUECK=3124
  • Helena – Ilona, Erzählung in Wien morbid
    Lychatz Verlag, Leipzig 2021
  • Der Verdrüssliche, Roman
    Gmeiner-Verlag, Meßkirch/Deutschland 2021
  • Der Bildermacher, Eine Kleinstadttragödie
    Kaiser Verlag, Wien 2018 / http://www.kaiserverlag.at/apollo?METHODE=SHOP_KV_STUECK&IDSTUECK=3026  
  • Doppelter Gewinn, Hörkrimi
    Hörmordkartell, Melle/Deutschland 2017
  • Hansi und MonaBlue, zwei Erzählungen
    Edition Taschenspiel, Wien 2016
  • Das Wassermännlein, Kurzkrimi in Tatort Gemeindebau 
    Falter Verlag, Wien 2016
  • Memento, Kurzkrimi in Tatort Burgtheater 
    Falter Verlag, Wien 2015
  • Lapis Lazuli – ein Versprechen, Tragikomödie
    edition moKKa, Wien 2014
  • Heimkommen, Erzählband
    edition moKKa, Wien 2014
  • Rose, Löwe Rosmarin, Kriminalroman
    Spittelberg Verlag, Wien 2014
  • Mir träumte, du lägest im Grab, Kriminalroman
    edition moKKa,Wien 2012

sowie Kurzprosa in diversen Literaturzeitschriften.

Foto_privat.

Interview_Walter Pobaschnig 29.4.2023

https://literaturoutdoors.com

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