„Kunst braucht Freiräume, in denen Widerspruch möglich ist“ Jutta Weber-Bock, Schriftstellerin _ Stuttgart 6.3.2023

Liebe Jutta, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Immer beginnt der Tag bei mir mit dem Schreiben der Morgenseiten. Er  setzt sich fort mit Recherchieren, Plotten und Schreiben am aktuellen Romanprojekt. Nachmittags lege ich stets eine längere Pause ein und „lüfte“. Ich jogge im Wald, atme leichter mit den Jahrenszeit und jauchze im Frühling beim ersten Grün und streichele die Buchenblätter. Ich genieße es, wenn der Herbst seine Farben verschwendet oder der Schnee unter den Sohlen knirscht. Danach kann ich mich ganz dem Alltag und seinen Anforderungen stellen. Ich beschließe den Tag mit Lesen auf dem blauen Sofa. Immer. Aber welch Lust liegt doch im Brechen der Regeln! Wie das knackt im alltäglichen Chaos zwischen Telefon und Mittagessen, Mails und Lesungsvorbereitung versteckt sich eine neue Idee für ein Gedicht, das nächste Romankapitel … und ein Lachen.

Jutta Weber-Bock, Schriftstellerin

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Austausch mit anderen, mit Kolleginnen und Kollegen. Aber auch das Reden mit Nachbarn, Bekannten, Freunden. Gespräche und Diskussionen. Zuhören. Toleranz gegenüber anderen Meinungen. Wieder zu reisen, neue Perspektiven gewinnen und neuen Menschen und Situationen begegnen. Hinausgehen.

Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei, der Literatur, der Kunst an sich zu?

Die Kunst an sich, mit all ihren Möglichkeiten und in all ihren Ausprägungen, aber besonders die Literatur, sollte keine Rollen übernehmen und sich nicht einspannen lassen von Politik und Gesellschaft. Kunst braucht Freiräume, in denen Widerspruch möglich ist. Mehr denn je kommt es darauf an, wieder etwas zu wagen, was andere nicht denken.

Was liest Du derzeit?

José Saramago, Die Stadt der Blinden. Vor 25 Jahren auf Deutsch erschienen. Das Szenario, beängstigend nah.

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

„Dass die Welt weit ist, sagt man so; die Welt ist nicht geräumiger als die Köpfe, die sie in sich fassen, und die Köpfe sind zumeist enge Nester für selbstbehagliche schmorende Gedanken.“ (Ernst Barlach, aus: Wider den Ungeist, 1929)

Vielen Dank für das Interview liebe Jutta, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute! 

5 Fragen an Künstler*innen:

Jutta Weber-Bock, Schriftstellerin

Zur Person_Jutta Weber-Bock wurde 1957 in Melle geboren und ist dort aufgewachsen. Schon als Kind liebte sie alte Mühlen und Fachwerkhäuser. Darauf gründet sich ihre Liebe zur Geschichte. Sie studierte Germanistik und Philosophie an der Universität Osnabrück und ist ausgebildete Gymnasiallehrerin. Im Jahr 1983 ist Jutta Weber-Bock mit einer Liebe nach Stuttgart gekommen und aus Liebe zur Stadt geblieben. Heute lebt sie im Heusteigviertel und joggt bei jedem Wetter zum Fernsehturm oder wandert in Istrien, auf der Suche nach Riesen und alten Bahnstrecken. Sie ist freie Schriftstellerin sowie Dozentin und in verschiedenen Autor:innenvereinigungen aktiv.

Homepage: https://weber-bock.de

2020 erschien mit dem historischen Roman „Das Mündel des Hofmedicus“ der erste Band zum Leben der Giftmörderin Christiane Ruthardt, 2022 ist die Fortsetzung „Das Vermächtnis der Kurfürstin“ herausgekommen.

https://www.gmeiner-verlag.de/autoren/autor/1276-jutta-weber-bock.html

Foto_Wolfgang Haenle


17.1.2023_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com

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