





100.Geburtstag Oskar Werner, Schauspieler, Regisseur (*13.November 1922 Wien +23.Oktober 1984 Marburg/Lahn).

















































100.Geburtstag Oskar Werner, Schauspieler, Regisseur (*13.November 1922 Wien +23.Oktober 1984 Marburg/Lahn).
Herzlichen Willkommen, liebe Linda Pichler, Schauspielerin, hier im Kindheits- Jugendhaus des Wiener Schauspielers, Regisseurs Oskar Werner!
Wir führen das Interview „Station bei Oskar Werner“ im ehemaligen Luftschutzbunker des Hauses, das heute ein Musikstudio ist. Du hast gestern die umfangreiche Ausstellung in Wort und Bild zum 100.Geburtstag Oskar Werners im Filmarchiv Austria besucht.
Welche Eindrücke, Zugänge gibt es von Dir zum Künstler und Mensch Oskar Werner?
Ich habe mir im Vorfeld zu diesem Projekt Filme mit Oskar Werner, auch Ausschnitte aus „Hamlet“, den er ja selbst als seine Lebensrolle bezeichnet hat, angesehen. In Verbindung mit der Jubiläumsausstellung konnte ich mir so ein gutes Bild seiner Arbeit machen.
Oskar Werner sprach ja davon, dass er jede Film- Theaterrolle als einen „Bruder“ aber „Hamlet“ als Zwillingsbruder sieht. Da gab es eine besondere Identifikation und er hat mit dieser Rolle sowohl in Wien als auch in Deutschland große Erfolge gefeiert.

Ich konnte mir auch ein Bild zu seiner Arbeitsweise machen und zu seinem Zugang zu Film und Theater. Es gibt in der Ausstellung ein Heft zu sehen, das die Korrespondenz mit einem Regisseur festhält und Werners Anmerkungen sind darin sehr umfangreich. Dabei äußert er Kritik am Drehbuch und fordert etwa die Streichung einer Szene.

Oskar Werner wollte als Künstler in den Kunstprozess involviert sein, nicht „nur“ spielen. Er war da selbstbewusst und auch schonungslos, auch gegenüber sich selbst und seiner weiteren künstlerischen Perspektive. Er machte da keine Kompromisse.








Er war durch und durch der Kunst verpflichtet und lehnte auch sehr viele Film- Theaterrollen ab, weil er hohe Ansprüche hatte.

Oskar Werner war nicht bestechlich. Er drehte keinen Film, von dem er künstlerisch nicht überzeugt war. Das hat mich auch beeindruckt, denn es waren bestimmt lukrative Angebote, die er da bekommen hat. Und er hat nicht wenige Filme abgelehnt.

In der Ausstellung gibt es auch einen guten Überblick über sein Privatleben. Etwa die Briefe an Freunde, Kollegen*innen wie auch seine Mutter. Es werden auch die engen familiären Verbindungen deutlich, die sein Leben bestimmten. Auch seine Gedichte sind zu sehen, die er schon früh schrieb.


Seine Haltung zum Beruf des Schauspielers hat sich im Laufe seines Werdegangs verändert. Das hängt wohl auch mit persönlichen Lebenserfahrungen, etwa des Krieges, zusammen. Es gab für ihn kein einfaches „jawohl“ mehr auf Bühne und Leben. Er wollte wissen, verstehen und natürlich Spielfreude wie Sinn fordern.
Was ich auch spannend an Oskar Werner finde, ist seine Männlichkeit. Da ist eine Zerbrechlichkeit zu sehen, zu spüren, eine sehr charmante gepaart mit großer Aufmerksamkeit für das Gegenüber und immer einem überraschenden Anflug des Lächelns. Das hat etwas sehr Reizvolles. Dieses gewisse „Etwas“ hat ihn natürlich auch für Hollywood interessant gemacht. Das war eine ganz besondere Form, ein neues Rollenverständnis in der männlichen Darstellung.

Das Tragische bei Oskar Werner ist vielleicht künstlerisch – Erfolg flutet und ebbt ja in einem Schauspielleben und nur wenige sind dann im Alter am Höhepunkt ihrer Karriere – seinen eigenen Weg, in Situation und Möglichkeit, nicht zu erkennen und nicht zu akzeptieren einen gewissen Zenit überschritten zu haben und damit nicht mehr so viele Anforderungen stellen zu können an Menschen in der künstlerischen Kooperation.
Oskar Werner wusste immer, was er künstlerisch wollte, er hat sich da sehr viel rausgenommen, das ist einerseits eine respektable Haltung anderseits natürlich im künstlerischen Prozess herausfordernd. Das hat ihn auch in Verruf gebracht und es war schwer für ihn dies zu verkraften. Der Alkohol spielte dann ja auch eine Rolle.

Spannend finde ich auch sein großes Bedürfnis nach künstlerischer Freiheit. Er hat sich sehr schnell eingeengt gefühlt und stellte dann auch Eigenes im Theater auf die Beine. Bis zu seinem Lebensende hatte er große Visionen über Möglichkeit, Sinn des Theaters.



Was macht für Dich als Schauspielerin die künstlerische Charakteristik von Oskar Werner im Theater wie Film aus?
Er hat in der künstlerischen Arbeit eine ganz gewisse Feinheit. Sehr natürlich, sehr ehrlich, nicht überzogen.
Sein Sohn sagte ja über ihn „dass er stets als Mensch auf der Suche nach Wahrheit war“ und das sieht man ja auch in seinen Rollen. Da ist diese Wahrhaftigkeit.




In seinen Rollen ist immer etwas Melancholisches, Tiefgründiges und auch Undurchsichtiges. Das macht die Charaktere auch sehr interessant.
Da war etwas Einnehmendes und nicht Vorhersehbares in seinem Spiel. Zum Beispiel ein Lachen in einer Szene, das einem überrascht, weil es nicht erwartet wurde. Dieses scheinbare „aus der Rolle fallen“ in großer Natürlichkeit, Menschlichkeit, das machte Oskar Werner auch aus. Und dieses Überraschtwerden wünscht man sich ja auch im Kino, Theater.

Als ich den ersten Film mit Oskar Werner sah, wusste ich sofort, warum so viele Menschen von ihm begeistert, angezogen waren. Ja.

Es gab auch künstlerische Enttäuschungen, etwa als das von ihm initiierte Schauspielfestival in Innsbruck nicht so erfolgreich war oder die „Faust“ Verfilmung in Kooperation mit dem ORF nicht realisiert werden konnte. Oskar Werner war künstlerisch sehr kompromisslos und konsequent. Dies betraf eigene Regieprojekte wie jene mit Regisseuren wie Truffaut oder Kubrick, die dann scheiterten bzw. nicht zustande kamen. Es gab da eine Verschlossenheit gegenüber anderen künstlerischen Ideen, Ansätzen. In jedem Fall war er dezidiert, in dem was er künstlerisch wollte.

Was ist für Dich das Wienerische an Oskar Werner auf der Bühne, im Film?
Oskar Werner hat sich kein Blatt vor den Mund genommen. Das ist etwas sehr Wienerisches. Eine gewisse Direktheit. Und natürlich auch der Humor. Sein wienerischer Spitzname „Teixl“ drückt dies aus (lacht). Er sagte ja von sich selbst immer wieder, dass er Wiener ist und bleibt, dass er hier seine Wurzeln sind, auch wenn er später in Liechtenstein wohnte.


Ist auch seine Liebe zur Hamletrolle, die Nähe zum Tod, etwas Wienerisches an ihm?
Ja, bestimmt. Er hat ja den Tod immer wieder persönlich thematisiert, auch in Suizidgedanken. Etwa in einem Brief während des Krieges an seine Mutter, in dem er schrieb, dass die Gedanken an sie ihn ermutigen am Leben zu bleiben und in diesem Schrecken durchzuhalten.

Wir sind hier im ehemaligen Keller, Luftschutzbunker und waren auch im Hof, Siegenhaus dieses klassischen Wiener Zinshauses. Wie sehr hat Oskar Werner diese Kindheit hier geprägt?
Das Aufwachsen hier im Haus, den Hinterhöfen, den Parks, dem nahen Wienfluss, das war wohl eine wilde, abenteuerliche Kindheit, wenngleich die unmittelbaren Wohnverhältnisse sehr beengt waren, aber es war auch eine Kindheit/Jugend in der Zeit des Nationalsozialismus, die ihn sehr geprägt, erschüttert hat.
Seine Haltung zum Nationalsozialismus war ganz eindeutig, wenngleich er den gefeierten wie verehrten Schauspieler seiner Zeit Werner Krauss, der eine große Nähe und auch Funktion in der Zeit des Nationalsozialismus innehatte, verehrte und seinen Künstlernamen danach wählte. Er suchte auch nach 1945 die Zusammenarbeit am Burgtheater mit ihm.
Er hat aber bewusst immer wieder Rollen in antifaschistischen Filmen gespielt und auch das Shoa Gedenken war ihm persönlich ein großes Anliegen, dass er auch in der Initiative zu Gedenkfeiern im KZ Mauthausen und Wien Anfang der 1980er Jahre mit großem persönlichen, auch finanziellen, Engagement umsetzte. Die politische Erinnerungskultur war ihm hier sehr wichtig.


Oskar Werner selbst desertierte ja vor Kriegsende und flüchtete mit Frau und Tochter aus Wien. Dieses Grauen der Kriegsjahre blieb ihm zeitlebens und war auch künstlerischer wie persönlicher Auftrag.

Hier im Haus begann ein Leben, das künstlerisch facettenreich schillernd, tragisch und beeindruckend wie nachwirkend war und ist.


Dreharbeiten zu Reise der Verdammten, Barcelona, 1976.














Vielen Dank für das Gespräch, liebe Linda!
Walter Pobaschnig






100.Geburtstag Oskar Werner, Schauspieler, Regisseur (*13.November 1922 Wien +23.Oktober 1984 Marburg/Lahn).
Station bei Oskar Werner_Wien
100.Geburtstag_Oskar Werner, Schauspieler _
(*13.November 1922 + 23.Okober 1984 Marburg an der Lahn)
Linda Pichler, Schauspielerin _ Wien
Interview und alle Fotos_Walter Pobaschnig _Wien_1_2023
Fotos Oskar Werner_privat.
Aktuelle Ausstellung „Oskar Werner“ Filmarchiv Wien _ https://www.filmarchiv.at/program/exhibition/100-jahre-oskar-werner/
Walter Pobaschnig 1_23