Liebe Nora, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Mein Tagesablauf (Arbeitstag ) beginnt meist gegen 7.40h mit Meditation, Yoga und einer großen Tasse Tee. Dann gehts raus mit meinem Hund Paco, anschließend ein kleines warmes Frühstück und ab auf die Probe.
Mittags gegen 14.00 ab nach Hause, raus mit Paco und dann was Gutes kochen. Das ist mir sehr wichtig, weil es die Seele beruhigt und mich wieder Zuhause ankommen und runterfahren lässt.
Am Nachmittag bereite ich mich dann auf die Abendprobe oder eine anstehende Vorstellung vor, kümmere mich um alles was sonst so liegen bleibt und wenn ich richtig gut drauf bin, schaff ich sogar nen Mittagsschlaf und/oder Telefonate. Soziale Kontakte muss man ja auch noch irgendwie pflegen 😉
Dann gehts gegen 19.00 wieder auf ins Theater, aber nicht, ohne mit Paco noch ne kleine Runde gedreht zu haben !
Nach der Probe/der Vorstellung geh ich meist nach Hause, mache die letzte Hunderunde des Tages und nehme mir Zeit für meine Abendroutine. Natürlich wieder mit Tee. Manchmal schaffe ich es dann noch, 3-4 Seiten zu lesen, bevor mir die Augen zufallen.
Momentan genieße ich aber eine Freirunde, bin also in keiner neuen Produktion besetzt und muss nicht zur Probe. Und so passiert es häufig, das Paco und ich die Morgenspaziergänge vor alles setzen, sie lang ausdehnen, die Herbstsemesters genießen und erst dann nehme ich mir Zeit für anderes.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Hui. Keine einfache Frage. „Ziemlich viel“ fällt mir als Erstes ein.
Doch vielleicht ist es einfach „da zu sein“. Für andere und für sich selbst. Und immer wieder zu versuchen, achtsam auf äußere Umständen und innere Zuständen zu regieren. Zu verstehen, wie sie zusammenhängen und zu gucken, wo unsere Hilfe gebraucht wird. Fokus nach Innen und Außen. Balance. Klingt abgedroschen, ist aber, wenn man sie hat mehr als Gold wert.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?
Umbrüche und Aufbrüche beherbergen vor allem Gutes. Davon bin ich felsenfest überzeugt. Sie bieten die Chance uns selbst und das Leben, das wir leben zu hinterfragen, neu zu strukturieren, andere Schwerpunkte zu setzen, zu sortieren, zu resetten und manchmal sogar ganz neu zu beginnen. Wichtig ist dann vor allem, einen kühlen Kopf, klaren Geist und ein offenes Herz zu haben.
Und grade in solchen Zeiten, können Theater (und natürlich Kunst an sich) „da sein“. Das tolle ist ja, dass Theater eigentlich alles sein kann, was es möchte. Wenn man es lässt. Es kann Anker sein, wenn einem Auf-und Umbruch zu viel sind und Angst machen. Es kann Erhalten, archivieren, es kann einen für einen Moment alles andere vergessen lassen. Zuflucht zu einem Sehnsuchtsort sein. Und genau so kann es auch Ideenschmiede für Neues/Anderes sein, einen anstoßen. Es kann unbequem sein, einen auf- und wachrütteln und Denkanstöße verpassen, die man sich vielleicht selbst nie gegeben hätte. Und und und. Wie könnte etwas so vielfältiges generell, aber grade in Umbruchszeiten, nicht eine wichtige Rolle spielen?
Was liest Du derzeit?
„Ein Dürener Junge kehrt immer zurück“, die Memoiren meines Großvaters Teil 1. Er hat sie anhand seiner Tagebücher verfasst hat. Teil 1 umfasst die Jahre 1934-ca.1958.
Vom Familienleben als ältester von fünf Brüdern, über die Erfahrungen eines Kindes im zweiten Weltkrieg , bis hin zur großen Liebe mit Hochzeit ist alles dabei!
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Et kütt wie et kütt und et hätt noch immer jot jejange“
(Versucht wörtlich zu übersetzen : Es kommt wie es kommt, und ist doch immer gut gegangen/ wird immer gut gehen)
Als waschechte Berlinerin natürlich ein riesen Fauxpas, hier mit so nem köllner Gebot um die Ecke zu kommen. Aber vielleicht sind es grade die Memoiren meines rheinländischen Großvaters, die mich zu dem Zitat verleiten.
Ich finde dieser Satz vermittelt eine Mischung aus Tiefenentspanntheit, positivem Blick nach vorn, aber auch der Bereitschaft aus ALLEM was kommt, das Beste zu machen. Finde ich grade in diesen Zeiten, keine schlechte Grundeinstellung.
Vielen Dank für das Interview lieber Nora Charlotte, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Theater-, Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Nora Charlotte Schulte, Schauspielerin und Sprecherin
Zur Person: Nach ihrem erfolgreich abgebrochenen Studium der Theater- und Literaturwissenschaften, zog es die waschechte Berlinerin nach München zum Schauspielstudium. Noch während diesem, tobte sie als Gastschauspielerin über die Bühnen des Metropol Theater München und des Staatstheater Nürnbergs, bevor es sie dann 2018 ins bezaubernde Halle an der Saale zog. Dort ist sie seitdem festes Ensemblemitglied. Parallel dazu ist sie als Sprecherin tätig und arbeitet vor allem gern und viel mit dem Buchfunkverlag Leipzig zusammen. Wenn sie Glück hat, lassen sich im Jahr auch ein paar Drehtage einrichten und so kann es auch schon mal passieren, dass sie über ihren (Fernseh)Bildschirm flimmert, oder Sie ihr auf der Kinoleinwand begegnen. Nora Schulte liebt guten Tee, lange Herbstspaziergänge mit ihrem Hund, dunkle Schokolade und den Geruch von Gewitter.
Foto_Johannes Ackner
22.10.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.