GIVE PEACE A CHANCE

Golofshan hieß sie und sah auf ihrem Hochzeitsfoto aus wie Jeanne Moreau.
Inzwischen dürfte sie weit über Siebzig sein, aber reiten kann sie bestimmt immer noch, besser als jeder Kerl.
Vor ein paar Jahren sind wir uns im Iran begegnet, in einem Dorf am Kaspischen Meer, wo es Bergleoparden gibt und man die Sterne viel heller sieht als hier.
Einen Hund darf man im Iran nicht haben, weil das den Mullahs nicht gefällt, aber sie hatte einen, in ihrem geheimen Garten hinter einem riesigen Tor.

Politik interessierte sie nicht, aber sie sagte: Die Frauen hier im Norden sind stark, sie machen das Geld, und die Männer bleiben zu Hause.
Eine halbe Nacht lang saßen wir in ihrer Webstube zwischen bunten Stoffen, auf denen sie Geschichten erzählt, für die man keine Sprache braucht.
Auch geheime Zeichen webt sie ein, ganz subversiv.
Chadorshab – so heißen die aus Wollfäden gesponnenen Märchen, es bedeutet: Arbeit, die man in der Nacht tut.
Es gab heißen Tee, den wir aus Untertassen schlürfen, und ihre Tochter war auch dabei, sie ist

Anwältin und geht an den Wochenenden mit jungen Mädchen in den Wald, um ihnen zu zeigen, wie man Feuer macht und sich auch ohne Männer behaupten kann.

Chamenei wettert gegen alles, was Freude macht – und er scheint von besessen zu sein von
Haaren, die man nicht sehen darf, aber Golofshan trug ihr Kopftuch stets trotzig am Hinterkopf.
An sie denke ich inzwischen jeden Tag, wenn ich die Nachrichten sehe, und ich weiß, dass sie sich
Nicht kleinkriegen lässt, auch nicht von einem geifernden
Chamenei, der nichts anderes hat als seine Haarobsession.
Es ist jetzt Zeit, die alten Männer mit euren Haaren aus ihren Sesseln zu fegen -du, Golofshan, und all die anderen.

Tania Kibermanis, Text und Fotos _ 9.10.2022

Give Peace A Chance_Akrostichon for peace:
Tania Kibermanis _Autorin
Fotos_Iran -Tania Kibermanis; Portrait – privat.
Walter Pobaschnig _ 9.10.2022.