„Aber so kann ich nicht gehen“ Mara Christine Koppitsch, Schauspielerin _ acting Undine geht/Ingeborg Bachmann _ Wien 9.9.2022

Mara Christine Koppitsch, Schauspielerin_Wien_
acting „Undine geht“ _ Erzählung_ Ingeborg Bachman
n

Liebe Mara, wie liest Du den Text „Undine geht“ von Ingeborg Bachmann? Welche Grundaussagen gibt es da für Dich?

„Und ich, war ich je einverstanden?“, Undine wird nicht von Hans nach ihrer Meinung gefragt – Undine reflektiert und fragt sich schließlich selbst – Undine geht (einen Schritt weiter).

Frauen sind keine Gefahr für das andere Geschlecht. Es besteht eine Eigenverantwortung auch auf Seiten der Männer. Ich kenne durchaus Frauen, die mit dem Gedankengut aufgewachsen sind, eine Gefahr für Männer darzustellen, sie mussten auf ihr Äußeres und ihr Verhalten achten um „ja niemanden zu verführen!“ Da geht das Selbstbewusstsein oftmals flöten.

Undine denkt, versteht, hört zu – sie kann Hans 1, 2, 3… Parole bieten.

Liebe braucht oftmals nicht mehr als gemeinsam die Zeit vergessen zu können und DA zu Sein.

Nicht zu verbittern. „Aber so kann ich nicht gehen.“

„Undine geht“ wurde vor 60 Jahren veröffentlicht. Was hat sich seit damals im Rollenbild von Frau und Mann verändert und was sollte sich noch ändern?

Zum Glück hat sich vieles positiv entwickelt. Ich bin sehr dankbar, für die Errungenschaften mutiger Frauen, die vor oder schon in meiner Zeit gelebt haben/leben. Wenn ich z.B. Werbungen aus den 50/60er Jahren ansehe, dann lässt mich das Staunen, wie Frauen damals noch reden, spielen und sich zeigen sollten… Es ist erleichternd zu wissen, dass solche Werbungen heute keinen Platz mehr haben in unserer Gesellschaft. Das ist natürlich nur ein kleines Beispiel.

Heutzutage finde ich es außerdem seltsam, dass zwar in Texten oder der Bundeshymne gegendert wird aber die Behandlung und Bezahlung am Arbeitsplatz noch immer nicht überall geschlechtsunabhängig ist. Manchmal kämpfe ich aber auch mit Ausdrücken wie z.B. „Frauenquote“. Ist es wirklich so notwendig Frauen durch eine extra Tür hineinzulassen? Warum kann es noch immer nicht überall selbstverständlich sein, dass auch Frauen genauso gute Arbeit leisten können wie Männer.

Durch die vielen Geschlechter-Diskussionen die zurzeit in unserer Gesellschaft stattfinden, wird sich vermutlich noch einiges neu gestalten. Man bleibe gespannt.

Der Monolog geht mit der patriarchalen Gesellschaftswelt schonungslos ins Gericht. Wie siehst Du die Situation patriarchaler Macht heute?

Nach wie vor ist sie spürbar. Auch wenn die gesetzlichen Grundlagen bei uns eine machtmäßige Gleichstellung garantieren, sind diese patriarchalen Strukturen heute in verschiedenen Milieus trotzdem noch existent. Es liegt viel an den einzelnen Personen, wie damit umgegangen wird.

Was mir lange nicht bewusst war: Erst seit 1975 dürfen Frauen in Österreich ohne Zustimmung ihres Mannes arbeiten.

Der Text drückt auch viel Trauer über das Scheitern der Liebe und eines Miteinander von Mensch und Mensch im gesellschaftlichen Lebens aus. Welche Auswege siehst Du da?

Ehrlich gesagt, finde ich es sehr schwierig auf solche „großen Fragen“ eine Antwort zu geben.

Was mir persönlich ein Anliegen ist und wo ich denke, dass es für ein gutes Miteinander grundlegend ist: Aufrichtigkeit und Vergebung.

„Wenn dir nichts mehr einfiel zu deinem Leben, dann hast du wahr geredet aber nur dann.“

Was kannst Du als Frau und Künstlerin von „Undine geht“ in das Heute mitnehmen?

Lernen sich abzugrenzen, wenn es notwendig ist. Nein sagen zu können. Emotionen/Gedanken an- und auszusprechen. Umstände beim Namen zu nennen. Sich zugestehen, wenn etwas zu viel ist / zu viel wird. Aber nicht zu resignieren. Nicht alles Versagen und jeglichen Weltschmerz auf sich selbst zu beziehen. Ungesunde Abhängigkeiten erkennen, eingestehen, auflösen.

Was bedeutet Dir Natur?

Natur ist ein weiter Begriff… Eigentlich gehört der Mensch zur Natur. Sollte ein Teil davon sein. Aber er handelt meist nicht so. Ich brauche es z.B. an einigermaßen „naturbelassene“ Orte zu gehen. Da, wo der Mensch noch nicht alle Finger im Spiel hat. Wo Pflanzen und Tiere ein wenig in Ruhe gelassen werden. Da ich grundsätzlich im Zentrum von Wien lebe, ist das nicht immer so einfach. Aber man findet seine Ecken und Winkel.

Wie kann der moderne Mensch in Harmonie zur und mit der Welt leben?

Das ist die Frage. Ich denke, wir Menschen, zumindest in der westlichen Welt, müssen auf alle Fälle rasch lernen mit weniger Ressourcen auszukommen (egal ob Strom, Gas, Treibstoff, Essen, Wasser…). Sparsamer zu sein. Doch ich muss ehrlich sagen, manchmal frage ich mich ob der Wille zu dieser Harmonie bei uns Menschen überhaupt noch existiert oder durch Neid und Gier verschüttet ist. Alles natürlich allgemein formuliert. Ausnahmen gibt es zum Glück. Durch meine Nebenarbeit als Archäologin in Hallstatt und am NHM Wien bin ich jedenfalls immer wieder erstaunt wie Leute z.B. in der Bronze- und Eisenzeit ihre Ressourcen effizient genutzt haben und doch einen gewissen Reichtum aufbauen konnten. Oder gerade deshalb jenen Reichtum aufbauen konnten. Man kann als moderner Mensch sehr viel von diesen alten und keineswegs verstaubten Gesellschaftsformen mitnehmen. Der Mensch damals hat sich, wie es scheint, noch viel mehr als Teil der Natur gesehen und sich nicht dermaßen über die Tier- und Pflanzenwelt erhoben. Nachhaltigkeit und Recycling war „normal“.

Was braucht Liebe immer, um zu wachsen, blühen?

Zuwendung. Zärtlichkeit. Einsatz. Vergebung.

Was lässt Liebe untergehen?

Bitterkeit, Enttäuschung, Selbstsucht, zu hohe Erwartungen an sich und andere.

Wie war Dein Weg zum Schauspiel?

Mit einer Kasperl-Folge, in einem Kinder-Magazin abgedruckt, hat es begonnen. Das war mein ersten Lieblingsstück als kleines Kind. Das Nachspielen der Rollen, vor allem der Kasperl selbst hatte es mir angetan, hat die Schauspielbegeisterung in mir ausgelöst. Und die ist bis heute nicht gewichen.

Welche Berührungspunkte/Impulse mit/von Literatur gab es bisher in Deinen künstlerischen Projekten?

Einige. Ich wage zu behaupten, dass Theater und Literatur Hand in Hand geht.

Nicht umsonst gibt es ein eigenes Fach dazu in der Schauspielausbildung. Aber neben Pflichtlektüre habe ich auch selbst Werke gesucht und gefunden. Vor allem in den „eigenen“ Projekten/Performances spielte Literatur bis jetzt eine große Rolle. Wichtige Impulse haben mir z.B. C. Wolf mit „Kassandra“ und H. C. Artmann mit seinen Mundartgedichten geliefert.

Welche Impulse gibt es von der Natur für Dich persönlich?

Ich freue mich über eine schöne, grüne, nach Blumen, Blüten und Gräsern duftende Umgebung. Gute Gerüche sind für mich etwas unglaublich Belebendes. Oder am Wasser. Da ist es natürlich speziell. Bach, See, Meer, Regenpfütze. Die Wellen, die Spiegelungen, die Wasserläufer. Der Meeresgeruch. Das Salz. Gerne auch am Berggipfel mit Aussicht. Das liefert einen tollen Perspektivenwechsel. Rückt die (nur mehr um sich selbst drehenden) Gedanken wieder zurecht. Oftmals helfen aber auch Gewitter, Sturm und Nebel um Stimmungen für sich einzufangen.

Was bedeutet Dir das Element Wasser?

Viel, mehr, alles?! Gerade in Dürrezeiten wie diesem Sommer, wo der Wasserspiegel in Flüssen und Seen rundherum sinkt etc., wird man wieder stärker daran erinnert wie kostbar Wasser ist. Wie gut, wenn man an der „Quelle sitzen“ kann. Außerdem, das Gefühl im kühlen Nass unterzutauchen, wenn es draußen heiß ist und alles ächzt, ist unbeschreiblich – der gesamte Körper wird auferweckt, bekommt neue Energie! Die größere Challenge ist es, dann ins Wasser zu hüpfen, wenn es schon lange keine 27°C draußen hat. Aber auch das kann irrsinnig animieren. Und: Laufen im Sommerregen – what a feeling! Wasser hat aber auch etwas Geheimnisvolles und eine irrsinnige Kraft. Man darf es nicht unterschätzen!

Wie lebst Du den Kreislauf der Jahreszeiten?

Mittendrin statt nur dabei. Immer wieder freuend, wenn die Tage „wieder länger werden“.

Was sind Deine kommenden Projektpläne?

Ein eigenes Projekt mit zwei Schauspielkolleginnen gespielt im Oktober in der Steiermark und in Wien. Ab November wird wieder mit Ergo Arte für die nächste Produktion geprobt.

Welches Zitat aus „Undine geht“ möchtest Du uns mitgeben?

„Ich liebe das Wasser, seine dichte Durchsichtigkeit, das Grün im Wasser und die sprachlosen Geschöpfe (und so sprachlos bin auch ich bald!), mein Haar unter ihnen, in ihm, dem gerechten Wasser, dem gleichgültigen Spiegel, der es mir verbietet euch anders zu sehen. Die nasse Grenze zwischen mir und mir…

Darf ich Dich zum Abschluss zu einem Achrostikon zu „Undine geht“ bitten? (Wortassoziation zu der Buchstabenfolge – U=Stichwort, N=…..)

U ntertauchen

N achdenken

D ein

I nneres

N eu

E rleben

G efangen

E rlöst

H offnung

T reue

Undine geht….

Mara Christine Koppitsch, Schauspielerin_Wien_
acting „Undine geht“ _ Erzählung_ Ingeborg Bachman
n

Station bei Ingeborg Bachmann_“Undine geht“:

Mara Christine Koppitsch, Schauspielerin_Wien _
acting „Undine geht“ _ Erzählung_ Ingeborg Bachmann _ 1961

Performance/Choreographie/Kostüm_Mara Christine Koppitsch, Schauspielerin_Wien_

Regie und alle Fotos_Walter Pobaschnig

Interview_Walter Pobaschnig _

Ort_Donau/Wien 8/2022

Walter Pobaschnig 8_22

https://literaturoutdoors.com

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s