„Dass wir uns gegenseitig nicht blunzn sind“ Evelyn Bubich, Schriftstellerin _ Wien 25.8.2022

Liebe Evelyn, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Ich bin immer viel unterwegs, pendle zwischen verschiedenen Orten; hin und wieder bin ich aber gern allein daheim, dort in einer Nussschale, da unter einem Baum, dort im Hinterlandgestrüpp einer Insel … zwischen dem Aufstehen und dem Schlafengehen … im besten Fall.

Derzeit arbeite ich an verschiedenen Projekten, die viel Zeit beanspruchen, mich aber auch glücklich machen, meistens halt. Ich trinke viel Kaffee, und das macht mich dann manchmal zittern (wie zum Beispiel beim Fotografieren, wenn man weiß, man hat nur mehr zwei Komma fünf Sekunden, um etwas festzuhalten). Und eigentlich sollte ich mehr tanzen.

Evelyn Bubich_ Schriftstellerin, Lektorin

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Vielleicht: Wachsam und nicht gleichgültig sein, sich weder streben gegen Herz noch Verstand. Vielleicht: eine Unmöglichkeit, vielleicht die einzige Möglichkeit. Aber wenn wir sowas wie ehrlich sind, muss jede/r immer selbst wissen, was für sie/ihn besonders wichtig ist, bevor am nächsten Tag die Sonne wieder aufgeht. Wir reden hier mit zu viel Leichtigkeit daher … würde sie das plötzlich nicht mehr tun, würd’s vielleicht anders sein in der Welt.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?

Dass wir uns gegenseitig nicht hassen – und nicht nicht lassen. Und noch viel krasser: dass wir uns gegenseitig nicht blunzn sind. Wir ist auch schon wieder sowas …
In der Literatur, in jeder Form der Kunst steckt die Kraft, Dinge auszudrücken, die mensch (wo)anders nicht »verstehen« kann. Angst (auch vor dem Nicht-Verstehen) ist vielleicht Teil der Wurzel allen Übels. Sobald mensch diesem Wesen näherkommt, das mensch be greifen lässt, ist mensch auch nicht mehr so an sich selbst gekettet. Weiten. Mit einer Figur in einer Geschichte muss man sich auch nicht immer selbst identifizieren.

Das Gegenteil von Leben sei nicht Tod, sondern Gleichgültigkeit, hat Elie Wiesel gesagt.

Was liest Du derzeit?

Neben kürzlich Erschienenem von Luljeta Lleshanaku (»was man mit zugekniffenem Auge sieht, das vergisst man nicht« aus Die Stadt der Äpfel), Pessoa (Erzählungen) oder Katja Petrowskaja (»Ein Mann steht am Strand, allein, er blickt in die Unendlichkeit des Horizonts« aus Das Foto schaute mich an) auch ein paar (Zufalls)funde, wie Helga M. Novak (»die Unkräuter / sind zu einem Siegeszug angetreten« aus Margarete mit dem Schrank, Gedichte) oder J. M. Synge (»Jeder Gegenstand auf diesen Inseln hat einen fast persönlichen Charakter […]« aus Die Aran-Inseln; Reisebericht v. Ende des 19. Jh.).

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Letztens kamen mir Grashüpfer in den Sinn, einfach so … als stünden sie kurz vor ihrer großen Flucht. Was immer das bedeuten mag. Da ist das folgende Zitat, das mich schon länger (immer wieder) begleitet, vielleicht etwas klarer im Ausdruck:
»leg deine Vernunft / neben meine Vernunft« (Das Zitat stammt von Dan Coman – aus dem Rumänischen übersetzt von Alexandru Bulucz.) Dieser Vers hält so viele offene und zugleich geheime Räume bereit, dass sich jedes Mal etwas Neues darin entdecken lässt und ich deshalb jedes Mal lächeln muss. A bisserl halt.

Vielen Dank für das Interview liebe Evelyn, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute! 

5 Fragen an Künstler*innen:

Evelyn Bubich_ Schriftstellerin, Lektorin

https://www.textzeit.at/

Foto_privat

16.8.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com

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