Liebe Vivienne, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich bin im Festengagement am Theater in Bregenz, womit ich großes Glück hatte: da war ich in den letzten Jahren finanziell nicht so unter Druck wie viele viele freischaffende Kolleg*innen.
Mein Tagesablauf – vielleicht eher ein Tagesdurcheinander – gestaltet sich nach den Proben. Jedoch mache ich oft morgens um 6/7 Uhr schon Yoga, trinke dann viel Kaffee und Tee.
Je nach Projekt bin ich dann aber meist um 10 Uhr bei der Probe, mittags erledige ich Papierkram, lerne Text, mache Sport, organisiere irgendwelche zusätzlichen Projekte/Performances oder treffe Freund*innen.
Abends habe ich dann oft nochmals Probe, oder eben Vorstellung, auf die ich mich dann sprechenderweise vorbereite.
Am Wochenende arbeite ich manchmal in meinem kleinen Gemüsegarten, bin unterwegs in alle Himmelsrichtungen oder putze die Wohnung.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Nun ja, da könnte man jetzt so große Begriffe nennen und irgendwie fällt mir das schwer, weil sie doch oft flach verwendet – geradezu missbraucht – werden, oder die Zusammenhänge zu verstrickt sind, als dass man diese Begriffe gerne und frei von unangenehmen Konnotationen verwenden möchte.
Es ist wichtig: selbst zu denken, sich dabei nicht immer zu glauben, immer wieder zu hinterfragen; aber eben auch zuzuhören, menschlich miteinander umzugehen, sich auseinanderzusetzen mit den Mitmenschen, also sich zu überlegen, wie die andere Person fühlt, sich hineinzuversetzen, hineindenken ins Gegenüber. Und das immer wieder aufs Neue: lernwillig bleiben und sich niemals diese oder jene Scheuklappen aufsetzen lassen.
Derzeit jagt eine Katastrophe die nächste; Pandemie, Krieg, Klima… Ich wünsche uns, dass wir in gewisser Weise ruhig bleiben.
Es sollte uns bewusst sein, dass wir sowohl mit den kleinen Veränderungen – Lebensmittel ressourcenschonend verwenden// Menschen ein Dach über dem Kopf geben (Dinge die sich für viele nach ZU WENIG anfühlen, und welche wir darum oftmals bleiben lassen) – als auch mit den großen Veränderungen – die von der Politik „beschlossen“ werden müssen, und welche wir nur durch Druck auf die Regierung oder gescheite Politiker*innen (Tschuldigung, die Ausdrucksweise) erreichen – etwas bewirken können.
Wir brauchen beide Arten von Veränderung (von unten und von oben), und beides braucht Zeit und Durchhaltevermögen…
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater, der Musik, der Kunst an sich zu?
Ich glaube das Kunst – in jeder Form – dem Menschen die Möglichkeit gibt, sich zu treffen und eine Plattform bietet, sich ins Gegenüber – in eine Figur, in einen Künstler – hineinzudenken, den Blick über den Tellerrand wagen, oder sogar: den eigenen Teller mal von außen zu betrachten.
Ich habe erlebt, dass Theater und Musik Menschen wirklich berühren können, und daraufhin auch andere Dinge besprochen werden als die alltäglichen Smalltalk-Gespräche. Es gibt, angestoßen durch Kunst, einen Austausch über Tabuthemen. Das war, ist und bleibt die Rolle der Kunst: von einer emotional-kreativen Ebene aus, die Welt ein bisschen zu verändern.
In Anbetracht der Situation, dem Zustand der Welt, dem Wahn der Weltbevölkerung (wenn ich es jetzt mal so nennen darf, womit ausdrücklich keine Einzelperson gemeint ist) stellt sich die Frage: Was kommt auf die Kunst zu, welche Rolle spielt sie in Zukunft…
Dabei fällt mir ein: FARBE
Durch Kunst wird das Leben bunt und zauberhaft und fantasievoll und fleischlich und menschlich und unmenschlich und lebenswert.
Eine Fläche, die eigene Wahrnehmung immer wieder zu kalibrieren.
Was liest Du derzeit?
Zurzeit lese ich ABFALL BERGLAND CÄSAR und „in harten Schuhen“ von Werner Schwab, Drehbücher und afrikanische Märchen. Macht Spaß.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Einen Vers aus einer Komödie des Dichters Terenz:
„Homo sum, humani nil a me alienum puto“
Ich bin ein Mensch, nichts Menschliches ist mir fremd.
Das gefällt mir sehr gut.
Leider haben Manche Manches wohl verlernt. Aber ich bin sicher, das lässt sich auch wieder erlernen…
Vielen Dank!
Danke auch!
PS.: Dies ist eine Assoziation.. ich entschuldige mich für die orthographischen und grammatikalischen Außergewöhnlichkeiten, ich lese eben gerade Schwab..

Vielen Dank für das Interview liebe Vivienne, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Vivienne Causemann, Schauspielerin
Fotos_Thomas Leidig
15.5.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.