Liebe Cristina, wie sieht jetzt dein Tagesablauf aus?
Die Pandemie hat mein Leben sehr verändert, eine Zeit lang hatte ich gar keinen geregelten Ablauf mehr, gerade in den ersten Lockdowns. Von einem Tag auf den anderen war scheinbar alles weg. Langsam finde ich aber wieder zurück, auch wenn ich mich anfangs dazu zwingen musste.
Wenn ich gerade ein Projekt habe oder probe, checke ich als erstes am Morgen meine Mails, dann versuche ich noch schnell etwas zu frühstücken, gehe noch einmal die Szene, die gleich geprobt werden soll, durch und mache mich dann auf den Weg. Und ich trinke morgens nie Kaffee. Das hat sich auch während der Pandemie nicht verändert.

Nach der Arbeit versuche ich Zeit für meine Liebsten zu finden, zeichne viel und gehe, so Corona es zulässt, gerne ins Theater, Kino oder ein Konzert, gebe aber zu, dass das seit der Pandemie leider viel weniger geworden ist.
Ansonsten bereite ich Projekte für mein eigenes Ensemble, das SpielBAR Ensemble, vor, brainstorme oder versuche neue Themen zu finden, die ich spannend fände umzusetzen, wie derzeit ein Projekt zum Thema Scheinwelten auf Social Media, das aufgrund des Lockdowns im November leider verschoben werden musste. Was sich seit Beginn der Pandemie unglücklicherweise verändert hat, ist dass man* bei freien Projekten noch weniger als sonst weiß, ob die Arbeit Früchte tragen wird, oder im nächsten Monat wieder alles zusperren muss. Hier den Mut nicht zu verlieren ist manchmal schwer.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Auch wenn die Pandemie uns als Gesellschaft mehr gespalten hat, denke ich, dass es wichtig ist, uns nicht entzweien zu lassen und dringliche Themen, wie Rassismus, Umweltschutz, Gleichberechtigung etc, die durch die alles überschattende Corona Krise leider wieder etwas in den Hintergrund gerückt sind, nicht zu vergessen. Das wäre weltweit wünschenswert.
Im kleinen, persönlichen Rahmen finde ich es wichtig, dass man sich selbst den Raum gibt, über etwaige eigene Ängste zu sprechen, seine Liebsten nah um sich schart und auf seine psychische Gesundheit genauso achtet, wie auf physische.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/ Schauspiel der Kunst an sich zu?
Wir sollten als Gesellschaft wieder mehr Mitgefühl und Solidarität zeigen, anstatt uns in zwei Lager zu teilen und uns gegenseitig die Köpfe einschlagen zu wollen, das hat noch nie gut geendet. Einander wieder mehr zuhören und generell wieder mehr Empathie entwickeln wäre ein Anfang.
Kunst und Kultur könnten hierbei vielleicht vermitteln, gehören sie doch seit Jahrtausenden zu unseren menschlichen Grundbedürfnissen und dienen als Sprachrohr der Gesellschaft. Das Theater oder Kunst im Allgemeinen hätte die Möglichkeit, neue Wege aufzuzeigen, Denkweisen einander näher zu bringen und ein Spiegel der Gesellschaft zu sein. Leider sind wir davon derzeit aber noch weit entfernt. Ich würde mir für die Zukunft generell vor allem mehr Diversität auf österreichischen Bühnen und im Fernsehen wünschen, denn was wir von klein auf sehen, prägt unser Weltbild mit und gerade die Kunst hätte da die Möglichkeit, von stereotypen Darstellungen Abstand zu nehmen und etwas zu verändern. Die Gesellschaft wird bunter, die Bühnen sollten es auch werden.
Was liest du derzeit?
Die Zeuginnen von Margaret Atwood und Unsichtbare Frauen von Caroline Criado – Perez. Beides wunderbare, erschreckende Bücher, das eine Fiktion, das andere Tatsachenbericht.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest du uns mitgeben?
Da ich mich an dieser Stelle nicht entscheiden kann und sie beide für wichtig halte, hier beide Zitate.
Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihm nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.
-Max Frisch
Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen durch die sie entstanden sind.
-Albert Einstein

Vielen Dank für das Interview, liebe Cristina, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Cristina Maria Ablinger, Schauspielerin
Alle Fotos_Chérie Hensson.
3.2.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.