

Liebe Valentina, welche Bezüge, Zugänge gibt es von Dir zu Romy Schneider?
Romy Schneider ist gewissermaßen mitverantwortlich dafür, dass ich Schauspielerin werden wollte: Als junges Mädchen habe ich die Sissi-Trilogie von Ernst Marischka gesehen und war – wie viele andere – begeistert von diesem Märchen. Aus der Faszination für Kaiserin Elisabeth und die Sissi-Filme ist schrittweise die Bewunderung für Romy Schneider gewachsen. Neben der Sissi-Verfilmung enthielt die DVD, die ich damals geschenkt bekam, auch eine Dokumentation über Romy Schneider – sie hat mich sofort in ihren Bann gezogen und seither nicht mehr losgelassen! Ich wollte alles über sie wissen – habe Alice Schwarzers Biographie über Romy Schneider verschlungen, wobei ich sicherlich als etwa neunjähriges Mädchen nicht alles verstanden habe; aber ich habe genug begriffen, um zu verstehen, dass sie eine sehr besondere Schauspielerin war. Damals kam erstmals der Wunsch in mir auf, Schauspielerin zu werden. Insofern schließt sich mit diesem Interview sehr schön der Kreis zum Beginn meines Berufswunsches.






Wie siehst Du Werk und Leben von Romy Schneider?
Romy Schneiders Leben und auch ihre Karriere wirken von außen betrachtet stark in Abschnitte untergliedert, die eng mit ihren Ortswechseln verbunden sind – vom deutschsprachigen Raum aus nach Frankreich, dann wieder zurück nach Deutschland und schließlich abermals nach Frankreich. Dabei hat sie nicht eine Schauspielkarriere gemacht, sondern gleich mehrere. Ich bewundere ihren Mut zur Veränderung – mit Anfang zwanzig neu anzufangen, noch dazu in einer fremden Sprache!

Gibt es einen Film von Romy Schneider, den Du hervorheben möchtest und warum?
Ein sehr besonderer Film ist für mich „Nachtblende“ von Andrzej Żuławski, in dem Romy Schneider eine erfolglose Schauspielerin verkörpert, die versucht sich mit pornographischen Rollen ihren Lebensunterhalt zu sichern. „Nachtblende“ hat mich insofern tief beeindruckt, als ich als Mädchen Ausschnitte daraus in besagter Dokumentation gesehen habe und überzeugt davon war, dass es sich dabei um keinen Filmausschnitt, sondern um reale Szenen aus Romy Schneiders Leben handelt – so glaubhaft war ihre Darstellung für mich!











Gab es Berührungspunkte zu Werk und Leben Romy Schneiders in Deinen bisherigen Schauspielprojekten?
Bisher gab es in meinen Arbeiten nur indirekte Berührungspunkte zu Romy Schneider: So habe ich versucht mir an ihrer Arbeitsweise, ihrer Schauspielkunst ein Beispiel zu nehmen.

Wie siehst Du das Spannungsverhältnis von Leben und Schauspielberuf bei Romy Schneider wie an sich?
Interessant bei Romy Schneider ist, dass sich ihre Rollen und ihr Leben – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung – zunehmend überlagerten und die Grenzen fließend wurden. Persönliche Schicksalsschläge vermischten sich gerade in späteren Jahren oft auf grausame Art und Weise mit den Charakteren, die sie spielte – das trug sicherlich nicht zuletzt auch zum Mythos Romy Schneider bei.



Gleichzeitig offenbart diese Vermischung von Fiktion und Realität das große Talent Romy Schneiders, die sich fiktive Charaktere so zu eigen machte, dass eine Abgrenzung zu ihrem realen Leben schwierig wurde.




Ich glaube aber, dass sich dieses Spannungsverhältnis zwischen Kunst und Realität im Leben aller Schauspieler*innen zeigt – wenn auch vielleicht nicht ganz so drastisch wie bei Romy Schneider. Oft werden etwa Vermutungen angestellt, was die aktuell verkörperte Rolle mit dem Privatleben des Schauspielers bzw. der Schauspielerin zu tun haben könnte. Manche sehen sich aufgrund ihres Berufes gar mit dem Vorwurf konfrontiert, man könne ja gar nicht wissen, wann sie auch in ihrem Privatleben Theater spielen und demnach lügen würden.




Eine andere Spannung ergibt sich auch daraus, dass der Beruf Schauspieler*innen abverlangt sensibel zu sein, damit sie sich eben auch gut in andere Charaktere hineinversetzen können. Diese Sensibilität hat aber auch ihre Kehrseite, da man gerade in diesem Beruf oft kritisiert und nicht gerade mit Samthandschuhen angefasst wird.





Romy Schneider wechselte nach großen Schauspielerfolgen in den 1950er das Filmgenre wie das Land. Wie siehst Du die Möglichkeiten persönlichen Entwicklungsweges im Schauspielberuf?
Gerade im Schauspielberuf sind die persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten nahezu unendlich. Mit jeder neuen Rolle entwickelt man sich weiter und erweitert den eigenen Horizont. Man lernt viel über sich selbst, aber auch über menschliches Verhalten im Allgemeinen. So gesehen hat die Schauspielerei sehr viel mit Psychologie zu tun.


Gibt es etwas typisch Wienerisches bei Romy Schneider?
Sie selbst hat sich ja als sentimentale Wienerin bezeichnet. In ähnlicher Weise verband Luchino Visconti mit Romy Schneider den „Spleen Germanique“ – den „ständigen, totalen Widerspruch“, wie sie selbst in einem Interview mit Alice Schwarzer freimütig bekannte. Glaubt man Wegbegleiter*innen Romy Schneiders, so begriff sie sich zwar durchaus auch als Österreicherin, hatte aber Schwierigkeiten damit als Deutsche bezeichnet zu werden – sie gab sich eben große Mühe als Französin anerkannt zu werden.

Was bedeutet Dir Wien und welche Erfahrungen hast Du hier im Schauspielberuf gemacht?
Wien bedeutet mir sehr viel. Ich habe seit meiner frühen Kindheit ein sehr enges Verhältnis zur Hauptstadt: So bin ich zwar im Südburgenland aufgewachsen, mein Vater ist aber gebürtiger Wiener und so habe ich schon als Kind viel Zeit hier verbracht. Als geschichtlich interessierte Schauspielerin ist es sehr angenehm in Wien zu leben – ich genieße Kunst und Kultur, auch die Architektur:



Wenn ich manchmal in der Innenstadt spazieren gehe, die wunderschönen Altbauten sehe und dann vielleicht auch noch eine Kutsche vorbeifährt, bin ich selig. Demnach bin ich wahrscheinlich auch eine sentimentale Wienerin!

Diese Stadt ist für mich auch insofern besonders, als ich fast all meine schauspielerischen Erfahrungen hier gesammelt habe – Wien und die Schauspielerei sind für mich fast untrennbar miteinander verbunden.





Wie siehst Du die Möglichkeiten als junge Schauspielerin in Wien/Österreich?
Natürlich ist Österreich nicht riesig, aber gerade in Wien gibt es einige Möglichkeiten – nicht zuletzt auch durch die vielen Theater, die die Stadt prägen.

Was wünscht Du Dir für den Schauspielberuf?
Für meine schauspielerische Zukunft wünsche ich mir, dass ich viele, möglichst unterschiedliche Charaktere verkörpern darf und damit Zuschauer*innen im weitesten Sinne bewegen, sie zum Lachen, zum Weinen oder auch einfach zum Nachdenken bringen kann.



Was sind Deine kommenden Projekte?
Am „Theater Delphin“, das mir sehr am Herzen liegt, werde ich im Mai die Linda aus Ferdinand Raimunds „Barometermacher“ spielen.

Weiters stehen zwei spannende Kurzfilm-Drehs an, wobei sich ein Projekt mit psychischer bzw. physischer Gewalt innerhalb einer Paarbeziehung beschäftigt – ein Thema, das derzeit traurige Aktualität besitzt. Ein weiteres Herzensprojekt werde ich mit zwei wunderbaren Kolleginnen und Freundinnen, Myriam Angela und Tess Hermann umsetzen: Der experimentelle Kurzfilm „Die Frage nach dem Fenster“ befasst sich mit Ängsten in Zusammenhang mit Sprache bzw. Identität.



Was möchtest Du Schauspielstudenten*innen mitgeben?
Seid mutig und lasst euch von niemandem einschüchtern! Eine Absage heißt noch nicht, dass ihr nicht talentiert seid! Unsere Branche ist hart und wir sind ständig mit Kritik konfrontiert – da ist es manchmal gar nicht so leicht weiterhin an sich selbst zu glauben. Umgebt euch deshalb mit Kolleg*innen, die euch fordern und fördern; die euch durch konstruktive Kritik weiterbringen, aber vor allem auch bestärken, wenn der Weg gerade wieder einmal steinig ist.




Was würdest Du Romy Schneider sagen, fragen wollen?
Ich würde mich einfach für ihre großartige Kunst bedanken wollen, mit der sie so viele Menschen inspiriert und berührt hat – und dafür, dass sie mich jetzt doch schon eine ganze Weile auf meinem Weg begleitet!




Was kann eine junge Schauspielerin von Romy Schneiders Werk und Leben mitnehmen?
Auf jeden Fall ihre intuitive Spielweise, ihre unverstellte Ehrlichkeit und ihre emotionale Intensität. Romy Schneider spielte aus dem Bauch heraus und war dabei immer großartig.



Gerade zu Beginn der schauspielerischen Laufbahn oder unmittelbar nach Beendigung der Schauspielausbildung neigt man oft dazu die Rollen zu zerdenken und sich zu sehr zu verkopfen.

Im besten Fall nimmt man die Anregungen, die man aus der Ausbildung mitgenommen hat, auf und bewahrt sich dabei die eigene Intuition – denn die ist oft genug genau richtig!

Darf ich Dich abschließend zu einem Romy Schneider Achrostikon bitten?
Radikal

Offenherzig

Melancholisch-mysteriös

Yourself

Herzlichen Dank, liebe Valentina für Deine Zeit in Wort und szenischem Porträt! Viel Freude und Erfolg für alle Theater-, Schauspielprojekte!






40.Todesjahr _ Romy Schneider, Schauspielerin (*1938 Wien +1982 Paris) _ im Gespräch und szenischem Fotoporträt:
Valentina Himmelbauer_Schauspielerin_Sängerin_Wien
https://www.valentinahimmelbauer.com/
Interview und alle Fotos_Walter Pobaschnig _Wien
Grand Hotel Wien
https://de.grandhotelwien.com/
Walter Pobaschnig 1_22