
Liebe Judith, welche Bezüge, Zugänge gibt es von Dir zu Romy Schneider?
Wir haben beide Bezüge zu Deutschland und Österreich und ich übe denselben Beruf aus, den sie hatte. Ich habe nur einen Zugang zu dem Mythos Romy Schneider, denn ich glaube, dass kaum jemand Zugang zu dem Menschen Romy Schneider hat – es handelt sich hierbei eher um persönliche Projektionen.

Wie siehst Du das Spannungsverhältnis von Leben und Schauspielberuf bei Romy Schneider wie an sich?
Romy Schneider musste einige Schicksalsschläge hinnehmen, hat viel gelitten und weitergemacht. Ich bin überzeugt davon, dass das Spielen ihr immer wieder auch geholfen hat und neue Hoffnung und Kraft gegeben hat, doch es verlangt auch viel von einem und irgendwann kann es passieren, dass man nichts mehr zu geben hat; besonders weil einen der Arbeitsmarkt des Schauspielberufs nicht gerade mit Samthandschuhen anfasst.

Der Beruf geht mit vielen Veränderungen und Unsicherheiten einher, so zum Beispiel etlichen Wohnungswechseln, dem immer wieder Einlassen auf ein wechselndes Arbeitsumfeld, dem sich den eigenen Ängsten Aussetzen, dem Verhandeln von Gagen, der Ungewissheit über die eigene finanzielle wie berufliche Existenz etc. Das ist sehr aufregend und bereichert auch mein Leben, jedoch in Phasen, in denen gehäuft auch im Privatleben Stressfaktoren und Belastungen dazukommen, wie der Tod eines nahen Angehörigen, das Ende einer Partnerschaft etc., kann es manchmal sehr schwer sein, mit so vielen Unsicherheiten auf einmal klarzukommen. Immerhin haben wir Menschen auch alle das Bedürfnis nach Sicherheit.

Ich bin sehr froh, dass sich unsere Gesellschaft in Mitteleuropa in eine Richtung entwickelt, in der Psychologie und Persönlichkeitsentwicklung immer mehr und mehr in den Blickpunkt der Gesellschaft rücken. Das war zu Romy Schneiders Zeiten noch nicht so. Ich glaube, dass sie mit ihren Ängsten und ihrer Trauer sehr alleine war und Hilfe gebraucht hätte.




Ich finde toll, was sie trotz all dieser Widrigkeiten geschafft hat. Jedoch müssen wir aufpassen solche mythischen Figuren, wie Romy Schneider, nicht zu sehr zu romantisieren. Denn es war hart für sie und ich hoffe, dass Menschen, die ähnliche Schicksalsschläge betreffen, die nötige Hilfe bekommen und auch nicht stigmatisiert werden.



Gibt es einen Film von Romy Schneider, den Du hervorheben möchtest und warum?
Nachtblende – Der Film hat so viele Facetten und ihre Darstellung wirkt aufgrund ihrer persönlichen Geschichte besonders authentisch und geht unter die Haut. Die Zerrissenheit, die Ermüdung Nadines (Romy Schneiders) ist deutlich zu spüren.




Außerdem stößt der Film so viele Themen an, die mich immer wieder beschäftigen:
Inwieweit ist Schauspielkunst Prostitution? Man verkauft seinen Körper, seine Gefühle, Gedanken..



Dieser vielschichtige, raue und leidenschaftliche Film zeigt die harten Seiten des Schauspielberufs in Theater und Film.





Manchmal gibt man so viel von sich preis, investiert viel Zeit und Energie; man nimmt so viel auf sich, belastet sein Privatleben, seine Psyche, führt hitzige Diskussionen mit Regisseur*innen etc. ..und dann endlich: die lang ersehnte Premiere. Jetzt kann es ganz toll werden. Manchmal sitzt man jedoch genau so da wie die Darsteller*innen im Film. Das Stück wird von der Kritik zerrissen oder es kommt beim Publikum nicht gut an, oder Vorstellungen fallen aus und Gagen werden gestrichen (wie in Coronazeiten).


Sehr spannend finde ich an dem Film auch das Phänomen, dass Betrogene die Nähe zu dem Mann/der Frau suchen, mit der sie betrogen wurden, obwohl sie sich dadurch nur schlechter fühlen.



Die problembehafteten Verstrickungen jeder/jedes Einzelnen führen dazu, dass die Menschen in ihrem Unglück versinken, sich gegenseitig unglücklich machen.





Gab es Berührungspunkte zu Werk und Leben Romy Schneiders in Deinen bisherigen Schauspielprojekten?
Nein.

Romy Schneider wechselte nach großen Schauspielerfolgen in den 1950er das Filmgenre wie das Land. Wie siehst Du die Möglichkeiten persönlichen Entwicklungsweges im Schauspielberuf?
Alles ist möglich. Immer. Meist schränken wir uns nur selbst in unserem Kopf ein. Das kann ganz schön heimtückisch sein. Wenn man da immer wieder einen Weg rausfindet, hat man schon viel gewonnen.









Was kann eine junge Schauspielerin von Romy Schneiders Werk und Leben mitnehmen?
Romy Schneider hatte Ruhm und Geld, nachdem sie die Rolle der Sissi verkörpert hatte. Trotz der Erwartung der Öffentlichkeit weitere Sissiteile zu drehen, hat sie dies abgelehnt und ist ihren künstlerischen Weg weiter gegangen, in dem sie Deutschland, wo sie so berühmt war, verlassen hat, sich auch von ihrer Mutter losgelöst hat und neue Wege in Frankreich eingeschlagen hat. Dafür ist sie bei der breiten Masse nicht gerade auf Verständnis gestoßen.
















Sicherheit auf’s Spiel zu setzen finde ich immer mutig und zeigt, dass es ihr um andere Werte ging als Geld und Bekanntheit.




Gibt es etwas typisch Wienerisches bei Romy Schneider?
Ich glaube, sie hatte Wien im Herzen; war jedoch sehr weltoffen, was ich an ihr mag.






Was bedeutet Dir Wien/Österreich und welche Erfahrungen hast Du hier im Schauspielberuf gemacht?
Ich liebe Österreich; wegen seinem Humor, wegen seiner Herzlichkeit, Geselligkeit, Kaffeehausatmosphäre, wegen seinen Würschtlstandln und weil man so herrlich auf österreichisch schimpfen kann.

Meine Erfahrungen als Schauspielerin auf der Bühne in Wien gehen ganz weit zurück, noch auf die Zeit vor meinem Schauspiel-Studium.

Mit meinen Anfängen verbinde ich: dreckige kleine Bühnenprobenräume, viel Ehrgeiz, Engagement, Flucht vom Alltag, meine eigene emanzipatorische Kraft, die Suche nach mir selbst.





Wie siehst Du die Möglichkeiten als junge Schauspielerin in Wien/Österreich?
Aus einer Sicht mathematischer Wahrscheinlichkeit: schlecht bis beschissen.
Aus einer Sicht entschlossenem Idealismus: passt scho, moch ma scho.






Spaß beiseite. Einfach machen! Es passiert immer was. Man muss dem Leben und auch seinen eigenen Fähigkeiten vertrauen.



Was wünscht Du Dir für den Schauspielberuf?
Dass wir uns alle da abholen, wo wir als Menschen gerade stehen und wer wir als Menschen sind, statt irgendetwas zu erfüllen, für irgendwelche Strukturen oder Geldgeber.
Auch wünsche ich mir inhaltlich relevante Themen zu bearbeiten und Geschichten von und über Menschen zu erzählen.





Was sind Deine kommenden Projekte?
„Donna Juanita“ nach Moliere unter der Regie von Niko Eleftheriadis am Neuen Theater Halle – ein Fünf-Frauen (!!) Stück: ich kann es kaum erwarten, dass die Proben beginnen.


Was möchtest Du Schauspielstudenten*innen mitgeben?
Macht euch bewusst, warum ihr das tut, was ihr tut. Da liegt der Weg zur eigenen Persönlichkeit und eigenen Unabhängigkeit in dem Beruf.
Und macht euch sichtbar. Es kommt niemand und entdeckt euch – das passiert nur in den seltensten Fällen.



Was würdest Du Romy Schneider sagen, fragen wollen?
Ich glaube Stille sagt mehr als Worte. Ich würde gerne mit ihr schweigen können; sie in der Stille spüren können.



Darf ich Dich abschließend zu einem Romy Schneider Akrostichon bitten?
Rar

Ohnmächtig

Müde

Yrschtachaaatuschjakaltschackarrrrrrrr







Herzlichen Dank, liebe Judith, für Deine Zeit in Wort und szenischer Darstellung! Viel Freude und Erfolg für alle Theater-, Schauspielprojekte!
40.Todesjahr _ Romy Schneider, Schauspielerin (*1938 Wien +1982 Paris) _ im Gespräch und szenischem Fotoporträt:
Judith Mahler_ Schauspielerin_Performerin
Interview und alle Fotos_Walter Pobaschnig _Wien
Hotel am Stephansplatz_Wien _ 16.1.2022
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Walter Pobaschnig 1_22