„Romy Schneider hat für ihren Beruf gelebt“ Miriam Fontaine, Schauspielerin_40.Todesjahr_Romy Schneider _ Wien 30.1.2022

Miriam Fontaine_Schauspielerin_Wien

Liebe Miriam, welche Bezüge, Zugänge gibt es von Dir zu Romy Schneider?

Ich war immer verzaubert und fasziniert von Romy Schneider. Als Kind von ihr in den Sissi Filmen, denn, das muss ich an der Stelle unbedingt hervorheben: Auch wenn das purer Kitsch war und obwohl sie Zeit ihres Lebens versucht hat sich von Sissi zu befreien, was ja auch verständlich ist, wenn man bedenkt, dass die Leute einfach nicht begriffen haben, dass Romy Schneider nicht diese Rolle ist – sie war darin absolut hinreißend.

Dann habe ich ihre späteren Filme entdeckt, da wurde es richtig interessant – das war schauspielerisch natürlich nochmal eine ganz andere Ebene.

Ich habe viel über sie und ihr Leben gelesen und schaue mir sehr gerne Fotografien von Romy Schneider an.

Besonders gerne mag ich den Fotoessay von Will McBride. Ich liebe einfach dieses Gesicht, man kann so viel darin lesen.

Ich bin seit jeher voller Bewunderung für diese große Schauspielerin.

Gibt es einen Film von Romy Schneider, den Du hervorheben möchtest und warum?

Es gibt so viele tolle Romy Schneider Filme, aber um hier einen zu nennen: besonders gerne mag ich „Les Choses de la Vie“ von Claude Sautet.

Generell finde ich Geschichten interessant, die das Leben schreibt- so gibt es ja auch oft diese Dreierkonstellationen. Natürlich – es ist ein Drama aber ich finde, es braucht keine großen Effekte oder spektakulären Fantasiegeschichten.

Am interessantesten ist es doch immer noch Menschen zu sehen, die etwas erzählen und einen berühren.

Romy Schneider und Michel Piccoli sind einfach umwerfend zusammen als Paar. Der Film hat so etwas Pures und so eine Ästhetik, das finde ich fantastisch.

Wie ein Gemälde aber überhaupt nicht statisch, das hat primär mit Romy Schneider, ihrer ungeheuren Präsenz, ihrem Spiel zu tun.

Dazu das von ihr gesungene Chanson d´Hélène. Diese Melancholie, dieser Schmerz. Für mich ist „Les Choses de la Vie“ ein klassischer „Romy Schneider – Film“.

Dieses Unaufgeregte, das man ja von früheren Filmen kennt, nicht viel Tamtam, einfach ein Gesicht, eine Aktion, eine Reaktion, ein Blick. Auch mag ich persönlich Rückblenden als Erzählform sehr gerne.

Wie siehst Du das Spannungsverhältnis von Leben und Schauspielberuf bei Romy Schneider wie an sich?

Es erscheint mir anmaßend mich hinsichtlich Romy Schneiders Spannungsverhältnis von Leben und Beruf zu äußern.

Generell würde ich sagen, dass die Grenzen natürlich leicht verschwimmen. Man geht nicht nach acht Stunden nachhause und lässt den Job vor der Tür.

Abgesehen davon, dass es ja kaum diese geregelten Arbeitszeiten gibt, gehört ja beispielsweise Recherche, Rollenarbeit, etc. genauso dazu wie das Spielen an sich. Wo beginnt da der Beruf und wo hört er auf? Ganz zu schweigen vom emotionalen und psychischen Aspekt. Das frage ich mich wirklich sehr häufig. Neben administrativen und organisatorischen Dingen oder auch Marketing, das gehört ja alles dazu, muss man sich ständig mit sich auseinandersetzen.

Es ist permanente Arbeit an und im besten Fall auch für sich. Dass man da Privates, Persönliches einfließen lässt, lässt sich ja gar nicht vermeiden bzw.dass man viel auch mit ins private Leben (auf)nimmt ist nicht verwunderlich.

Man muss halt gut auf sich aufpassen, achtsam sein, seine Grenzen wahren, auf Ausgleich achten. Ich persönlich neige dazu mich, v.A. emotional, zu verausgaben. Diese Gefahr besteht in dem Beruf natürlich sehr.

Und ich denke, es ist auch eine Typfrage – manche können Privatleben und Beruf eher trennen, bei anderen verwischen sich die Grenzen.

Bei Romy Schneider trifft wohl letzteres eher zu. Aber sie hat ja auch für ihren Beruf gelebt. Wenn man mit Leib und Seele dabei ist lässt sich das wohl gar nicht vermeiden.

Ihre Großmutter, Rosa Albach-Retty, hat es ja ziemlich treffend auf den Punkt gebracht: „Wer sich so hemmungslos von seinen Emotionen, Leidenschaften und Begierden treiben lässt, denkt sicher nicht daran, dass eine Kerze, die man an zwei Enden anzündet, auch schneller verbrennt.“

Romy Schneider wechselte nach großen Schauspielerfolgen in den 1950er das Filmgenre wie das Land. Wie siehst Du die Möglichkeiten persönlichen Entwicklungsweges im Schauspielberuf?

Der Beruf birgt ein enormes Entwicklungspotenzial. Klar – man ist ja ständig in Situationen, die einen herausfordern, einen aus der Komfortzone holen.

Man kommt gar nicht drumrum als sich mit sich, inneren Prozessen und dem Leben auseinanderzusetzen.

Das ist quasi der Bonus, den man zusätzlich bekommt und gleichzeitig Voraussetzung – ein großes Geschenk.

Was kann eine junge Schauspielerin von Romy Schneiders Werk und Leben mitnehmen?

Die Liebe und Passion für den Beruf hat man oder nicht.

Inspirierend an Romy Schneider finde ich ihre Einstellung zum Beruf, den Wunsch sich weiterzuentwickeln, weiterzukommen, Verschiedenes, auch Schwieriges, auszuprobieren.

Sie hat französisch so gut gelernt, dass sie in Frankreich drehen konnte. Meines Wissens hatte sie auch eine große Liebe zum Theater und einen Riesenrespekt davor, wohl auch verbunden mit großen Ängsten und Nervosität. Sie hat sich dem gestellt und auch Theater gespielt.- auch auf französisch wohlgemerkt.

Darüberhinaus hat sie ja auch wirklich schwierige Rollen angenommen, die sicherlich sehr an die Substanz gingen und oft auch sehr nah an ihr als Person und ihrem Schicksal waren. Da ist natürlich wieder die Frage, ist das noch gesund?

Wo ist die Grenze zwischen Engagement, Hingabe und Selbstzerstörung?

Aber prinzipiell finde ich es sehr bewunderswert und inspirierend, dass sie sich so viel getraut hat, so mutig war und sich nicht mit dem, das am einfachsten funktioniert hat, zufrieden gegeben hat.

Und mit welcher Intensität sie ihre Rollen gespielt hat. Das begeistert mich sehr.

Man glaubt ihr alles, man fühlt alles.

In ihrem Gesicht, in ihren Augen – da ist alles da.

Gibt es etwas typisch Wienerisches bei Romy Schneider?

Ich weiß nicht, typisch wienerisch würde ich nicht sagen. Aber ich finde sie klingt teilweise nach Wien.

Obwohl sie natürlich wunderschön gesprochen hat, manchmal kann man etwas Wienerisches durchhören. Das ist aber mehr ein Gefühl als tatsächlich akustisch wahrnehmbar.

Vielleicht ist es die Sehnsucht nach ZuHause, den Wurzeln, dem Papa, der Großmutter,…

Was bedeutet Dir Wien und welche Erfahrungen hast Du hier im Schauspielberuf gemacht?

Ich liebe Wien und schätze mich glücklich hier leben zu können.

Es ist einfach eine wunderbare Stadt, ich wurde hier geboren, hab die meiste Zeit meines Lebens hier gelebt und bin insofern natürlich sehr mit der Stadt verbunden.

Die Lebensqualität ist unschlagbar, es gibt das Urbane und die Natur, gutes Wasser (sehr wichtig!) und diesen historischen Kern. Ich genieße es in einer geschichtsträchtigen Umgebung zu sein, in der man spürt, dass sich hier viel ereignet hat – das ist in Wien zweifelsfrei der Fall.

Von Würstelstand – und Beiselkultur über K.u.K-Vergangenheit, Moderne Architektur, Wiener Schmäh,…dieses bunte Potpourrie ist einmalig. Zwar bin ich auch immer wieder an dem Punkt, wo ich mal hier raus muss, manchmal geht mir dieser Wiener Grant ziemlich auf die Nerven aber ich komme immer wieder gerne zurück nachHause.

Ich habe in Wien bisher auch die meisten meiner Jobs gemacht bzw. Engagements gehabt, die Szene ist im Vergleich zu anderen Städten eher klein, was ich meist mag.

Ich habe eine Zeit lang in New York gelebt und da ist man erstmal wirklich nur eine Nummer, es ist ungeheuer schwer sich in einer solchen Umgebung zurechtzufinden, zu connecten, geschweige denn sich einen Namen zu machen. Ich finde Wien hat eine feine und vielseitige Theaterlandschaft und auch der Film hier hat sich in den letzten Jahren enorm entwickelt und auch international einen bemerkenswerten Platz eingenommen.

Wie siehst Du die Möglichkeiten als junge Schauspielerin in Wien/Österreich?

Die Szene hier ist überschaubar, das hat Vor – und Nachteile: zwar kann man sich relativ rasch vernetzen und Kontakte knüpfen andererseits gibt es einfach unglaubliche viele SchauspielerInnen – überall – auch in Wien und Österreich. Prinzipiell glaube ich, dass es hierzulande definitiv gute Ausbildungsmöglichkeiten und Lehrkräfte auf dem Gebiet gibt.

Ich habe das Gefühl, dass, v.A. in Österreich, immer EIN Typ gefragt ist. Das wechselt zwar alle paar Jahre, aber da fände ich es sehr schön, wenn es etwas mehr Diversität gäbe. Und das ist eigentlich sehr interessant, weil ja seit einiger Zeit ganz viel bezüglich Offenheit und Diversität gepredigt wird aber tatsächlich immer sehr ähnliche Typen zu sehen sind.

Es hängt also von verschiedenen Faktoren ab, abgesehen von Talent und der Bereitschaft hart zu arbeiten braucht man natürlich Glück und die „richtige Zeit“. Da Österreich aber ja ein sehr priviligiertes Land ist sind hier die Möglichkeiten prinzipiell gut, in vielen Bereichen, auch in diesem Beruf.

Was wünscht Du Dir für den Schauspielberuf?

Generell wünsche ich mir, dass es mehr Bewusstsein dafür gibt, was dieser Beruf erfordert. Hierfür finde ich das Bild des Eisbergs immer sehr passend: die Spitze ist der Erfolg, der Glanz und Glamour. Unter der Oberfläche, und das ist der Großteil, sind Zurückweisung, Unsicherheit, (Selbst)zweifel, (mitunter Existenz)ängste, harte Arbeit, Blut, Schweiß, Tränen, oft ein Gefühl des Ausgebranntseins, viel Training, Übung, Weiterbildung, schlaflose Nächte, oft umfangreiche Vorbereitung für einen Job, den man nicht bekommt,…

Ich habe so oft das Gefühl, dass Leute dazu überhaupt keinen Zugang haben. Die, die sich für dieses Metier nicht interessieren, sowieso nicht, das ist ja auch in Ordnung. Aber auch viele Kunst – und Kulturinteressierte, die vielleicht ein Abo für die Burg oder die Oper haben, haben ja meist keine Ahnung, was da so alles dazugehört.

Oder in den Medien wird höchstens von irgendwelchen Premieren berichtet, das soll natürlich auch so bleiben, aber warum nicht mal näher hinschauen? Warum nicht mal SchauspielstudentInnen zeigen, die erst ganz am Anfang stehen? Das finde ich hier in Österreich immer ein bisschen schwierig, dass man zwar so stolz ist auf die Kultur – und Kunstszene und sie so gerne vorzeigt aber dem, was es braucht, sodass sie so lebendig ist, der Weg dahin und das ganze Drumherum, dem wird kaum Beachtung geschenkt.

Für mich persönlich wünsche ich mir immer interessante, vielschichtige Rollen- vor Allem im Film aber gerne auch auf der Bühne sowie mit inspirierenden Menschen arbeiten zu können.

Wenn dann auch noch die Chemie mit KollegInnen und Regie stimmt und man beim Arbeiten ganz frei sein kann ist das überhaupt der Jackpot.

Und dass es mir gelingt noch besser mit meinen Energien haushalten zu können. Ich arbeite dran.

Was möchtest Du Schauspielstudenten*innen mitgeben?

Es fühlt sich seltsam an, hier Ratschläge an StudentInnen zu vergeben, wo ich doch selber auf der Reise und oft auf der Suche bin. Ich bin 33, klar, ich habe schon Erfahrungen gemacht aber da können andere KollegInnen bestimmt nützlichere und umfangreichere Tipps geben. Aber wenn es Eines gibt, das ich diesbezüglich sagen kann, ist es: vorausgesetzt es ist für einen absolut klar diesen Weg gehen zu wollen, zu müssen, dann diesen mit ruhiger Kraft und Beharrlichkeit zu gehen.

Was würdest Du Romy Schneider sagen, fragen wollen?

Oh, da gibt es so vieles und nicht nur eine konkrete Frage.

Am liebsten würde ich mit ihr feiern gehen – trinken und ganz ausgelassen und frei tanzen, das stelle ich mir schön vor.

Darf ich Dich abschließend zu einem Romy Schneider Achrostikon bitten?

Radikal

Obsessiv

Mysteriös

Youthful (Gilt das?)

Miriam Fontaine_Schauspielerin_Wien

Herzlichen Dank, liebe Miriam, für Deine Zeit in Wort und szenischem Porträt! Viel Freude und Erfolg für alle Theater-, Schauspielprojekte!

40.Todesjahr _ Romy Schneider, Schauspielerin (*1938 Wien +1982 Paris) _ im Gespräch und szenischem Fotoporträt:

Miriam Fontaine_Schauspielerin_Wien

http://www.miriamfontaine.com/miriam_fontaine/welcome.html

Interview und alle Fotos_Walter Pobaschnig _Wien

Hotel am Stephansplatz_Wien _ 14.1.2022

Hotel

https://literaturoutdoors.com

Walter Pobaschnig 1_22

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