„Dass wir uns in der Kunst bestehenden Boden wieder zurück erkämpfen müssen“ Max Ortner, Schauspieler _ Wien 18.1.2022

Lieber Max, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Die aktuelle Krise hat natürlich meinen Tag verändert. Auch wenn ich es beim Film noch etwas leichter habe als ich es am Theater hätte, so wurden die Projekte und Drehtage spürbar weniger.

Wichtig ist, seinen Rythmus nicht zu verlieren. Man braucht einen Anker. Meiner ist der Sport. So beginnt mein Tag immer mit Sport. An Arbeitstagen gehts danach ans Set. An anderen Tage dehne ich die Sporteinheit, verbringe den Vormittag im Boxclub oder auf dem Rennrad. Danach meditiere, koche und esse ich. Am Nachmittag versuche
ich draußen zu sein, zu lesen, zu lernen.

Max Ortner, Schauspieler

Mein Beruf ist ein Handwerk. Das Gehirn ist ein Muskel. Beides gehört gefördert und gefordert, sonst wird es weniger geschmeidig. Und wenn gerade nichts da ist, dann mache ich mir selbst Arbeit, lerne Monologe oder schreibe Drehbücher. Einfach für mich.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Zusammenhalt. Corona ist ein Brandbeschleuniger für jede Dynamik. Bei all der
Angst und dem Ärger dürfen wir nicht auf die Person neben uns vergessen. Sie braucht uns vielleicht. Es ist wichtiger denn je, genauer hinzuhören und hinzusehen.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?

Es ist ein sich auf die Reise machen. Allerdings nicht zu neuem Land. Es ist eher, dass wir uns bestehenden Boden wieder zurück erkämpfen müssen. Es reicht nicht mehr nur zu sein. Wir müssen einmal mehr unseren Wert unter Beweis stellen. Wenn die Politik den Stellenwert unserer Arbeit nicht wahrnimmt, werden wir bei nächster Gelegenheit wieder durch den Rost fallen. Das gilt es tunlichst zu verhindern. Wir müssen wieder lernen, lehren, rebellieren, aufbauen, einreißen, laut sein, beißen, kratzen, mahnen, warnen, läutern
und vor allem unterhalten.

Was liest Du derzeit?

„Der Zorn des Meeres“ von Bram Stoker
und ich lese nie nicht Mascha Kaleko!

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

„Sie sägten die Äste ab, auf denen sie saßen Und schrien sich zu ihre Erfahrungen Wie man schneller sägen konnte, und fuhren mit Krachen in die Tiefe, und die ihnen zusahen schüttelten die Köpfe beim Sägen Und sägten weiter.“

Bertolt Brecht trifft fast schmerzlich exakt heutiges politisches Geschehen. Vielleicht weil es gar keine rein „heutige“ Erscheinung ist. Was aber anders wurde, ist die Akzeptanz und das Schweigen. Vielleicht wäre es wieder ein bisschen an der Zeit, uns auf unsere Stühle zu stellen, und ein paar Dinge kritisch und laut in Frage zu stellen. So ein kleiner Funken Revolution hält nämlich auch frisch und jung! Und abschließend, auch von ihm: „So wie es ist, bleibt es nicht!“

Max Ortner, Schauspieler

Vielen Dank für das Interview lieber Max, viel Freude weiterhin für Deine großartigen Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute! 

Vielen Dank!

5 Fragen an Künstler*innen:

Max Ortner, Schauspieler

www.maxortner.at

Fotos_Jeanne Degraa

3.1.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com

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