Lieber Rafael, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Derzeit probe ich gerade das Stück „Crash“ von Rupert Henning im kleinen Theater Experiment in Wien. Es ist ein fein geschriebenes Stück, welches sich nicht allzu leicht in ein Genre einordnen lässt. Ich spiele Artie Rizzo, einen jungen Start Up Unternehmer, der mit einer Instant Messaging App reich geworden ist und mit seiner Frau Trish einen Neustart am Land wagt. Alles läuft super, bis jemand an der Türe läutet.
Die Zeit zwischen den Proben verbringe ich mit Kaffee trinken, meiner Freundin und Freunden, Müsli essen, Text lernen, Sport, Vorsprechen, Job Zusagen sowie Absagen bekommen, Theater, Kino und schlafen…

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Das ist keine leichte Frage, welche sich auch vermutlich nicht pauschal beantworten lässt. Ich werde es versuchen. Heute am 27.10.21 brennt noch immer der Wald in NÖ an der Rax und die Wetterprognose für die kommenden Tage ist keine gute. Feuerwehrkommandanten sind der Meinung diese Dimension eines Brandes hat es in Österreich so noch nicht gegeben (https://noe.orf.at/stories/3127447/). Ich will darauf hinaus, dass wir alle handeln und uns den Klimawandel als Tatsache vor Augen führen müssen. Wenn ich das mache, dann passiert mir meistens ein gewisses Ohnmachtsgefühl. Weil ich oft mit der Dimension dieser Krise nicht klarkomme. Dennoch versuche ich zu handeln, auch um mich selbst zu beruhigen. Ich esse seit ein paar Jahren kein Fleisch mehr, vermeide es zu fliegen, habe kein Auto und nütze stattdessen Carsharing bei Bedarf. Ich fahre mit der Bahn, dem Bus oder mit dem Fahrrad. Ein ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz wie in Wien erleichtert einen solchen Lebensstil natürlich. Ich habe mir gestern erst das Klimaticket gekauft, welches die Nützung der Öffis innerhalb Österreichs für alle um einiges erleichtert. Mülltrennung ist natürlich auch etwas, um das Gefühl zu haben als Einzelperson handlungsfähig zu bleiben. Es gibt so viele Themen, welche für uns alle im kollektiven Sinne wichtig sind. Das brennendste (entschuldigung für diese Wortwahl in diesem Zusammenhang) ist aber vermutlich der Klimawandel. Eines noch: Als Individuum kann man viel wollen und tun, aber letztendlich sind es Entscheidungen, welche die Politik treffen muss. Daher sollten wir alle für eine bessere Zukunft wählen gehen.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?
Als freiberuflicher Schauspieler gehört es quasi zum Alltag keinen zu haben. Jedes Projekt ist ein Neubeginn. Jede gespielte Premiere ist auch ein Aufbruch. Wahrscheinlich habe ich dadurch das Privileg bei Veränderungen einen etwas geübteren Zugang zu haben als mach andere. Natürlich hat die Freiberuflichkeit auch ihr Schattensdasein. Grundsätzlich glaube ich an das Gute sowie Schöne im Leben und, dass es sich besser ohne Angst leben lässt. Wenn ich nicht weiter weiß, scheue ich mich auch nicht davor Hilfe anzunehmen. Es lässt sich immer eine Lösung finden.
Rupert Henning, der Autor des Stückes an dem ich gerade probe, hat auf die Frage: “Was nimmt das Publikum aus einem Theaterabend mit in sein privates Leben, das dieses besser machen könnte?“ geantwortet: „Wir bieten am Theater keine bessere Welt. Aber wir können uns gemeinsam mit dem Publikum einen Abend lang, vielleicht nur für ein paar Augenblicke nach einer solchen sehnen.“

Was liest Du derzeit?
Ich habe gerade „Dicht“ von Stefanie Sargnagel fertig gelesen und beginne gerade mit Elias Hirschls „Salonfähig“. Beide sehr unterhaltsam und lustigerweise beide ÖsterreicherInnen, aber das ist eher Zufall. Elias habe ich über Ecken kennen gelernt, er ist ein überaus produktiver und vielschichtiger Mensch. Ich glaube es ist sein drittes Buch. Aber ich muss gestehen, es ist das erste Buch, das ich von ihm lese. Aber er wird es mir bestimmt nachsehen.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Now I wanna dance, I wanna win, I want that trophy — so dance good.“

Vielen Dank für das Interview lieber Rafael, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Rafael Wieser, Schauspieler
Fotos_Hanna Hofstätter
29.10.2021_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.