
am Lebensort Ilse Aichingers (1921 – 2016), Schriftstellerin_in Wien
Schönen guten Morgen im strahlenden Sonnenschein, liebe Eva Maria Neubauer, Schauspielerin, Sängerin, hier am Lebensort der Schriftstellerin Ilse Aichinger (*1.11.1921 +16.11.2016) in Wien in den so dramatischen Lebensjahren 1930-45.
Wir stehen jetzt hier in Sonne und Wind am Balkon des Wohnhauses von Ilse Aichinger. Inwieweit bist Du in Deiner künstlerischen Arbeit mit Leben und Werk Ilse Aichingers bisher in Berührung gekommen?
Ein wenig, würde ich sagen. Ihre Biografie und ihr Werk sind mir skizzenhaft vertraut und es berührt mich auch sehr. Ihr Leben als Überleben in den 1930/1940 Jahren ist auch mir in meiner Familie vertraut.

Du wohnst hier in unmittelbarer Nähe. Welche Bezüge gibt es zum Lebensbereich unserer Stadt hier?
Ich wohne hier im angrenzenden V.Bezirk. Es ist einfach sehr bunt hier, viel buntes Leben. Der Naschmarkt ist da so eine Lebensmitte von Vielfalt und Begegnung. Es sind so viele Sprachen, Kulturen zu hören, zu sehen; es ist unkonventionell, pures Leben, ich bin wahnsinnig gerne da.

Für das Stadtareal am Naschmarkt gibt es ja derzeit Veränderungspläne. Ich kann dem viel abgewinnen, aber es sollte sinnvoll und im Dialog mit den Menschen hier passieren. Begegnung sollte im Vordergrund stehen, nicht solche designten Konsumstätten wie eine überdachte Markthalle. Auch der Flohmarkt darf da nicht verbannt werden, gerade in einer Zeit, in der wir wieder lernen müssen, einander zu begegnen und auch sozial zu interagieren, etwa zu tauschen. Und da ist es wertvoll solche Möglichkeiten in einer Stadt zu haben.
Und dass es echte Begegnungsmöglichkeiten von allen Altersgruppen gibt. Ungeregeltes Leben ohne Konsumzwang eben.

Ilse Aichinger sagte, dass Sie über das Aufschreiben des Erlebten – besonders auch in der Zeit hier im Haus, wo sie gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrer Schwester bei der Großmutter lebte – zum Schreiben, der Literatur gekommen ist.
Wie wichtig ist auch für dich der Zugang zur Kunst als gleichsam kritischer Zeitzeugenbericht? Ist das ein wesentliches Momentum?
In der Erarbeitung einer Rolle, wenn man sich so hineinfallen lässt in eine persona, eine Stimmung, in Emotionen, Gedanken, die ja nicht unbedingt die eigenen sind, da hilft es zunächst mal, das „sacken“ zu lassen. Es hilft, wenn man offen ist und auch Räume wirken lässt, für das was gerade ist. Da kann etwas von Geist, Leben einer Person überspringen. Da ist man dann nicht mehr der Kreator sondern der Überbringer, ein Instrument. Dieser Zugang zu einer Rolle gefällt mir sehr.

Wie darf man sich dieses Aufnehmen, Verarbeiten von Atmosphäre, Stimmung und Darstellen im künstlerischen Prozess vorstellen?
Natürlich gibt es einen Text, an den ist man ja mehr oder weniger gebunden. Wenn der Text jetzt autobiografisch ist, dann spürt man ja die Person stark durch. Wenn der Text von jemand anders geschrieben ist, versuche ich an die beschriebene Figur im Fühlen der Stimmung heranzukommen. Natürlich lese ich auch Biografisches und schreibe mir etwas auf, um mehr zu erfahren, das hilft. Das ist aber eher skizzenhaft, farbenhaft, bruchstückhaft. Manchmal gehe ich auch durch die Stadt. Ich flaniere da gerne und schaue was kommt oder hereinfällt (lacht).

Was ist der künstlerische Impuls im Über- und Weiterleben in so dramatischen Biografien?
Dieser Sendungsdrang – ich will, dass Leute wissen was ist, was war – das spüre ich auch sehr stark in mir. Diesen Auftrag, dass, wenn man schon Zeuge ist oder war, dann hat man auch eine Verantwortung das weiter zu tragen, und in diesem Fall, dass es sich nicht wiederholt.

Hier in diesem Haus wurde die Großmutter von Ilse Aichinger vor ihren Augen 1938 deportiert und schließlich ermordet. Wie ist es möglich dies persönlich und künstlerisch zu verarbeiten?
Das frage ich mich immer wieder, etwa auch bei Viktor E.Frankl, wie dieser Weg durch die Hölle, durch den Tod, durch das gebrochene Herz, wieder zu einem lebensbejahenden wird.
Das ist ein Prozess, den man sich nicht aussuchen kann. Ich denke der Lebenswille ist sehr stark im Menschen, im Tier, das ist ein unbändiger Drang.
Den Auftrag zu erzählen was geschah und doch das Leben genießen zu können, das ist ein Kunststück, ein Lebenskunststück für sich.

Ist das autobiographische Berichten, Erzählen immer notwendiger Teil eines österreichischen Künstler*in Lebens?
Das könnte ich so nicht sagen. Aber Kunst ist für mich persönlich, immer ein Umgang auch mit den Traumata der eigenen Biografie; mit der Lebensgeschichte zurecht- und wieder in den Fluss zu kommen. Es ist ein Weg, aber ich weiß nicht, ob es für alle so ist.

Ilse Aichinger hat zeitlebens ein offenes Wort gewählt. Wie wichtig ist diese Authentizität im künstlerischen Dasein?
Das ,,sich selbst treu sein’’, treu und ehrlich bleiben, ist ganz ganz wichtig. Was ja in einer freien Gesellschaft möglich ist ohne die Existenz zu verlieren oder ausgegrenzt zu werden. Aber mitzuspielen wenn es keine freie Meinungsäußerung mehr gibt oder von Medien und Politik ein Klima der Zensur und Bestrafung geschaffen wird, ist zwar verständlich, aber eigentlich eines Künstlers nicht würdig. Dann ist das anbiedernde, gekaufte Systemkunst, Künstler an der Leine. Wir haben das in der DDR gesehen, kennen das aus dem Faschismus. Heute haben wir ähnliche Tendenzen: Es gibt eine von Medien und Politik statuierte Erzählung, der zwar widersprochen werden kann, aber dann gibt’s halt keinen Folgeauftrag mehr. Die Arbeits- und Lebensbedingungen innerhalb so einer Gesellschaft, die sich auf eine einzige Erzählung einigt, werden so stark verengt, dass es sich nicht mehr ausgeht anders zu denken oder zu handeln. Das ist keine freie Gesellschaft auf die wir Jahrzehnte lang stolz waren.
Das offene Wort kann sich nur der leisten der in einem toleranten , offenen und echt empathischen Umfeld lebt.

Wir sind hier unmittelbar im Lebensraum Ilse Aichingers, der ja auch literarischer Werkraum ist. Welche Impulse gibt es hier für Dich zu künstlerischen Zugängen zu ihr?
Ihr Leben, ihr Wesen spricht mich sehr an. Auch ihre Zartheit und Dezenz, mit der sie das rüberbringt wie es wirklich war, ohne den Faustschlag auf den Tisch.
Ich habe „Anna und Anna“ von Hilde Spiel gemeinsam mit meiner Schwester gespielt. Ich war diejenige, die nach England ging, und meine Schwester diejenige, die in Wien blieb. Ilse Aichinger hatte ja eine Zwillingsschwester, Helga, die nach England ging und sie blieb zurück. Da ist dieses „Ein-Teil-Von-Mir“ geht weg, ein Teil der mir sehr lieb ist… und vielleicht auf nimmer Wiedersehen. Es war ja in dieser Zeit immer sehr knapp und ungewiss, ob es ein Wiedersehen geben wird oder nicht.

Wie war der künstlerische Prozess im Thema für Dich persönlich im Spiel mit Deiner Schwester?
Für mich war es sehr interessant. Auch weil meine Schwester vor mir Schauspielerin war und dann war es in meiner künstlerischen Biografie für mich auch ein Prozess des Abnabelns von dem Bild was Schauspielerei für mich war. Und das konnte ich nur ganz in mir finden, weil ich meine Schwester sehr bewundert habe. Aber meine Herangehensweise ist eine ganz andere. Nicht weniger erfüllt und ganz, nur anders. Das war ein Prozess, der nicht leicht war, aber es ist geglückt. Und es war eine wirklich schöne Erfahrung.

Wie darf man sich den künstlerischen Austausch als Geschwister, auch die Schwester von Ilse Aichinger war ja Schriftstellerin, vorstellen?
Ich bin immer von der Verve, der Wucht, mit der meine Schwester an Rollen herangeht, fasziniert gewesen. Wie ich begonnen habe, habe ich gemerkt, ich mache das ganz anders. Aufgrund dessen, dass meine Schwester dann nicht mehr in Wien war, war der künstlerische Austausch nicht da und ich habe mich sehr selbständig, eigenständig entwickelt. Heute haben wir großen Respekt voreinander.

Wir sind hier im Haus einer Kindheit. Was nimmt man aus diesem Haus in einem künstlerischen Beruf generell mit?
Bei uns war die Musik ein häuslicher Schwerpunkt. Mein Vater hat Klavier und Geige gespielt, meine Schwester Klavier, ich Geige, meine kleine Schwester Flöte, meine Mutter hat gesungen, meine Eltern wollten beide Sänger werden, konnten es aber nicht.
Da mein Vater sehr viel älter als meine Mutter war und ich ihn mit neunzehn Jahren verloren habe, war es ein ständiges Auseinandersetzen mit dem Tod seit ich „bewusstes Kind“ war. Das hat mich schon geprägt in meiner Art wie ich Dinge anschaue und erfühle, und welche Mechanismen da hochkommen, wie ich versucht habe zu verhindern, dass mein Vater stirbt, was aufgrund seines hohen Alters jederzeit passieren konnte. Das hat mich schon geprägt, auch bei Rollen.
Es passiert ganz unbewusst, dass man besetzt wird, für etwas, das man in sich trägt. Wo man den Hang oder auch die Erfahrung dazu hat. Das habe ich ganz oft erlebt. Das ist nicht so ein „out of the blue“.
Oft wenn ich besetzt oder für eine Rolle gefragt wurde, dann hatte das sehr stark mit mir selbst zu tun. Besonders bei Regisseuren, Produzenten, die ein starkes Bauchgefühl hatten und gespürt haben, ohne viel von meiner Biografie zu wissen.


Ein Haus der Kindheit wie dieses hier hat einen spezifischen Grundriss von Lebensräumen, Wänden, Licht, Schatten. Ist die künstlerische Arbeit auch eine Arbeit an diesen frühen Erfahrungen?
Ich bin in Wien geboren, dann waren wir die ersten Jahre in Triest und als wir wieder zurückkamen, zogen wir in ein modernes Haus mit Garten in Pötzleinsdorf, da war viel Natur und Freiheit.
Aber aufgrund meiner Zeit in Triest haben sich diese historischen Häuser wie dieses hier, diese Patina, bei mir eingebrannt. Ich wohne auch jetzt in einem Biedermeier Haus und merke, ich brauche diese Mischung. Diese Schönheit alter Bauwerke, in denen all die Energie und Zeit zu spüren ist und gleichzeitig dieses Gefühl von Vergänglichkeit. Das hat etwas Melancholisches und das kenne ich aus meiner Kindheit. Es ist ein Stück Heimat für mich.

Wie geht man dann in Lebensphasen mit diesen Räumen, auch Gedankenräumen, um und macht diese bewohnbar?
Bewusst lässt man es hinter sich und merkt gar nicht, wie sich das Unbewusste dann aufdrängt. Durch Gerüche – etwa Feigenduft, da bin ich selig (lacht). Ich habe einfach eine größere Affinität zu alten Gemäuern. Da ist schon etwas gewesen, das vergangen ist. Es kommt nicht mehr aber es bereichert das Jetzt.

Wie geht man wie Ilse Aichinger hier vom Haus der Kindheit in das Haus des Lebens hinein mit all den Erfahrungen?
Schwer zu sagen. Zuerst mit vollem Schwung und wehenden Fahnen und dann merkt man vielleicht, dass die Vergangenheit, das was man erlebt hat, als Rucksack da ist. Und spürt das Gewicht und fängt an sich damit zu beschäftigen. Auch Beziehungen anzuschauen, wie man mit Menschen ist, wie mit sich selbst. Und vielleicht heraus zu dividieren, was ist jetzt wirklich mein Seelenauftrag und was ist das, was ich noch lösen muss, damit ich meinen Seelenauftrag erfüllen kann.

Welche Bedeutung hat die Literatur für das Theater?
Die Literatur ist da einer der wichtigsten Bausteine. Die Worte, wie sie gewählt sind, was sie ausdrücken, was für ein Geist dahintersteht… in allen Belangen ist das bedeutsam.
Ich will von Literatur berührt werden und dass Räume, Welten aufgehen, die ich so in meinem Alltagsleben gar nicht schaffe zu öffnen.

Welche Eindrücke hast Du jetzt vom Haus hier gewonnen?
Es verbindet Altes und Neues und dieser Wandel ist spürbar, im Haus und auch in der Umgebung hier (Anm: Ausbau der Technischen Universität Wien). Es ist auch sehr funktional und es wird viel daran gebaut. Auch ein Bild der Zeit (lacht).

Welche persönliche Bedeutung hat die Kenntnis des Fundamentes österreichischer Geschichte und Gegenwart?
Es ist wichtig darüber zu erfahren, zu lesen. Das ist ein Instrument, um zu einer ganzheitlichen Wahrnehmung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu kommen.
Man kann Erfahrungen, die man selber oder die Ahnen früher hatten, vergleichen mit dem Heute. Ohne sie gleichzusetzen.
Diesen Vergleich, das ,, In Relation Setzen’’ finde ich aber wichtig, um auch Gegenwart bewerten zu können. Gerade in dieser Krise halte ich das für sehr wichtig. Sonst fehlen uns die Parameter zum Verstehen und uns dazu zu Verhalten.

Wir stehen hier im Spiel von Licht und Schatten der Herbstsonne. Wie kann der Mensch einen guten Zu- und Umgang mit Licht/Schatten eines Lebens, einer Zeit finden?
Mir geht es so, dass ich in den letzten eineinhalb Jahren sehr verzweifelt war, was da passiert mit den Menschen. Wie gespalten, blind und oft nicht mehr zugänglich. Und dann steige ich wieder auf mein Rad, spüre die Sonne und den Wind – es kann nichts Schöneres geben (lacht). Das brauche ich auch, sonst würde ich das, was ich mir bewusst anschaue und wo ich mich jetzt engagiere, gar nicht schaffen – wenn ich es nicht balancieren könnte mit etwas Gutem, Leichtem…
Das kann ich zum Glück- sehen was gut ist und was vielleicht nach diesem Umbruch Neues, Lebenswertes kommt.
Was ich an Schönem, auch sinnlich spüre, macht es mir möglich mich in die Schatten zu wagen. In die kollektiven und die eigenen.

Du hast die bunte pulsierende Welt hier in diesem Lebensraum Wiens hervorgehoben. Wie wichtig ist dies auch in dieser Zeit und Deinem Beruf?
Ganz wichtig, essentiell würde ich sagen. Weil nur ein freier, belebter Geist, eine freie, durchdrungene Seele kann im besten Sinn Künstler*in sein und das ausdrücken, was ein Kollektiv bereichern kann.
Über den eigenen Schatten zu wachsen, ist entscheidend, um nicht im eigenen Ego, dem Narzissmus zu verharren als Künstler*in. Aber auch über die Schatten des Kollektiven Bescheid zu wissen – was ist jetzt dran, welches Stück will ich jetzt spielen, was ausdrücken? Auch gerade gesellschaftlich – wonach ruft es momentan?
Ein Theaterstück zeigt ja immer eine Entwicklung und kann ein Wegweiser sein, wo es hingeht für uns alle.

Wie ist für dich als Schauspielerin der Zugang zu einem Lebensstoff wie jenem hier im Haus?
Das Leid und die Enge, die Not, vielleicht sogar die Lebensbedrohung darzustellen, das ist eigentlich etwas, was ich innerlich ganz stark spüren kann. Weil ich schon oft durch eigene Täler gegangen bin, spüre ich auch die wahnsinnige Erleichterung, wenn es vorbei ist. Die Befreiung, wenn es vielleicht doch nur ein Traum war und eine Besinnung stattfindet.

Wie siehst Du die Bedeutung des Werkes Ilse Aichingers für Österreich und Wien?
Sehr wichtig als künstlerisches Zeitzeugenwerk- und zu sehen, was es heute bedeutet.
Es geht wieder um das Menschsein. Deswegen ist es hilfreich von dieser Erfahrung der Geschichte auszugehen.
Schriftstellerinnen wie Ilse Aichinger haben heute viel zu sagen.
Es sind große Kräfte zu spüren in unserer Zeit. Sich nicht mitziehen zu lassen, ist oft schwer. Ich bin sehr empathisch. Und mich berührt und bedrückt, wenn Zartes nicht wahrgenommen oder wenn da einfach drübergefahren wird.
Aber wenn der Sturm vorbei ist, liegt alles neu da. Daran glaube ich ganz fest.


Was schätzt Du an Wien?
Wien ist meine Stadt. Ich sage oft, es ist meine Stadt, daher muss ich mich auch kümmern, um meine Stadt (lacht).
Für mich ist Wien diese gute Mischung von Bewegung und Vergangenheit.
Manchmal ist Wien etwas zu träge, zu ambivalent – „ja, wird schon m… jein… kannst eh nix machen“. Wenn das Ausdruck von Verschieben oder Wegschauen ist, und nicht von wienerischer Gelassenheit, dann ist das schwierig für mich.
Wien, Österreich hat schon ganz tolle Qualitäten, die wir jetzt hochleben lassen sollten – das Füreinander-Da-Sein.
Das Ausgrenzen Andersdenkender, das sogenannte als ,,Asozial’’ Erklären oder das heute oft salopp gelabelte ,,Unsolidarisch’’, wurde auch in der damaligen Zeit verwendet und missbraucht. Da müssen wir in der Gegenwart aufpassen.


Wie gehst Du auf die Jahreszeiten in einer Stadt zu und lebst diese?
Also wenn es so ein schöner Tag wie heute ist, das ist im Hochsommer anders, aber im Herbst und Winter hat das eine andere Dringlichkeit – da muss man raus (lacht).
Ich kann mittlerweile aber auch gut an einem sonnigen Tag zu Hause sein und genießen. Die Sonne färbt den Raum, das macht Stimmung.

Was möchtest Du Ilse Aichinger sagen?
Das was Du – wenn ich per Du wäre- durchlebt hast und wovon Du berichtest hast, das ist auch nach wie vor ein Auftrag für uns, es ins Heute zu übersetzen.

Ilse Aichinger war mit Ingeborg Bachmann befreundet und es gab viele gemeinsame Stationen, Etappen. Wie wichtig sind Freundschaften im Kunstbereich?
Freundschaften sind im Allgemeinen unentbehrlich. Im Kunstbereich ist es Nahrung und Inspiration zum Kreieren. Ich arbeite derzeit mit wunderbaren Musikern und Künstlern zusammen.
Die Auseinandersetzung, der Austausch mit anderen ist das tägliche Brot. Wenn das jetzt nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen möglich ist, ist es für eine Kulturlandschaft ein riesiger Schaden.

Ich glaube, die Kunst ist frei – Muss frei sein von political correctness oder einer äusseren Moral. Und Künstler*innen müssen frei bleiben…müssen sagen können und sein können was sie sind, wozu sie stehen. Selbst wenn das von Politik und Medien nicht gern gesehen ist.
Ilse Aichinger und Ingeborg Bachmann haben sich auch ermutigt in herausfordernden Zeiten. Wie ist das heute im Kunstbereich?
Es ist wichtig Gleichgesinnte zu treffen und mit Ihnen ohne Tabus oder Verurteilungen zu arbeiten. Wo ein freier, fördernder Geist wohnt, da gibt es spontane Einfälle, neuen Ausdruck und das bereichert und erweitert- ändert auch eine Kunstlandschaft.
Ich liebe es von Menschen zu lernen. Von wahrer Autorität etwas abzuschauen, sie zu befragen. Wer das ist, das muss aber ich selbst für mich bestimmen.

Schreibst Du auch?
Ich schreibe Songtexte, an eigenen Liedern.

Was sind Inhalte Deiner Lieder?
Es geht meist um den individuellen Weg, den man beschreiten soll, will, kann, darf. Es geht dabei um die Individuation des Menschseins aber auch um den spirituellen Aspekt – wir sind mehr als nur der Körper.
Und natürlich – Freude!


Was sind Deine derzeitigen Projektpläne in der Musik?
Momentan mache ich im Team mit Musikern ein Projekt mit französischen und italienischen Liedern – „Canzoni und chansons“ – und auch einige meiner Lieder wollen wir neu arrangieren. Wenn es gut läuft, wollen wir es ausbauen. Wollen sehen wie es sich anfühlt und ob es auch gemocht wird.

Gibt es schon Auftrittspläne?
Wir haben jetzt für 17.November einen Auftritt im Kulturverein „Frau Maier“ in Wien geplant. Das wird unsere Premiere (lacht). Alles Weitere ist noch nicht fix.


Viel Freude und Erfolg, liebe Eva Maria, für dieses wunderbare, auch kulturverbindende, Wiener Musikprojekt! Herzlichen Dank für das Gespräch und Deine Zeit hier bei Ilse Aichinger!

am Lebensort Ilse Aichingers (1921 – 2016), Schriftstellerin_in Wien
100.Geburtstag von Ilse Aichinger (1921 – 2016), Schriftstellerin, Wien.
Im Gespräch und Fotoporträt:
Eva Maria Neubauer_Schauspielerin, Sängerin_Wien
http://www.evamarianeubauer.com/
Station bei Ilse Aichinger_Wien.
Interview und alle Fotos_Walter Pobaschnig _Wien_10_2021.
Walter Pobaschnig 10_21
Wow, tolle Texte und stimmungsvolle Portraits! Danke für diese poetischen Einblicke in ZWEI Wiener Leben! 😉
Da bekomme ich gleich Lust, Ilse Aichinger zu lesen…
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So viele weise Worte! So viele schöne Fotos! Weise Fotos, schöne Worte! 😍
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