
Romanschauplatz Malina _ Wien
Ich lebe jetzt schon sehr lange in Wien. Wenn ich Orten der Stadt wiederbegegne, fasziniert mich die Reichhaltigkeit von persönlicher Bedeutung, Erinnerung und das vielfältige Leben der Stadt an sich.



Es ist ein Gedankenspiel von mir, wenn ich in der Straßenbahn, Bus oder mit dem Fahrrad einen Ort passiere, dass ich mich bewusst erinnere, was dort schon alles passiert ist. Da fallen einem unterschiedliche Dinge ein, die auch prägnant für Lebensphasen sind.

Die Geschichte, die an einem Ort geschrieben wird, hallt persönlich nach. Es gibt da einen Resonanzraum von persönlicher Geschichte und Geschichte der Stadt. Das schafft Atmosphäre und das ist sehr spannend. Deswegen spiele ich das Erinnerungsspiel immer wieder (lacht).



Ich hatte hier im 3.Bezirk eine Sprachfortbildung für meinen Beruf gemacht und eine ältere Dame war meine Lehrerin. Da waren sehr viel Schönheit, Weisheit und Stil in Mensch und auch Wohnung. Ich verbinde dies mit diesem Bezirk hier (lacht).

Ich habe mir in meinem Beruf viel selbst erarbeitet, mit großer Konsequenz und auch Flexibilität. Ich bin es daher gewohnt neue Orte wie Menschen kennenzulernen und anzunehmen und auch mich einzulassen, ungefiltert und sehr schnell. Aber dies ebenso wieder nach der Projektarbeit zu verlassen. Daran habe ich mich gewöhnt. Ich habe gelernt, Orte auch wieder gehen zu lassen. Natürlich ist da Sentimentalität dabei, aber es ist ok so. Es ist auch der Lebensstil einer Schauspielerin wie ich es lebe.




Bisher habe ich beruflich noch nicht zu Ingeborg Bachmann gearbeitet. Außer jetzt bei diesem Foto-, Interviewtermin (lacht). Ingeborg Bachmann ist mir aber natürlich ein Begriff als starke, selbstbewusste Persönlichkeit, die auch den Feminismus sehr stark geprägt hat. Ich verbinde auch Leidenschaft und Zerrissenheit mit ihr.



Ingeborg Bachmann war sehr authentisch in allen Widersprüchen, die es natürlich auch im Frausein gibt. Widersprüchlichkeit kommt für mich der Wahrheit am nächsten.


Selbstdarstellung und Inszenierung waren auch für Ingeborg Bachmann ein großes Thema. Ich denke, sie hat da Mechanismen und Prozesse früh durchschaut und auch mit diesen gearbeitet. Die Darstellung des künstlerischen Ichs und das Ich „an sich“ ist ja auch ein Teil des künstlerischen Berufes. Damals wie heute. Etwa m Kontext der sozialen Medien, stellt man sich oft der Frage nach dem Ich – Wer bin ich?? Bin ich die am strahlenden Profilbild oder die still Zuhause Sitzende.


Der Roman stellt diese Frage schonungslos, radikal. Der Hintergrund gesellschaftlicher Selbstdarstellung im Spiegelbild spielte auch damals schon eine Rolle.

Ich persönlich schätze Zwischenmomente sehr. Das Gehen über Stufen, Öffnen einer Tür, bis es zum Ziel des Weges kommt. Da filtert sich für mich viel von innerer Persönlichkeit heraus, in diesen scheinbar unwichtigen Momenten.

Ingeborg Bachmann hat die Zwischenräume des Lebens, der Liebe, der Sprache gesehen und aufgenommen. Das ist fundamental. Gleichsam das Leben in der Kunst zu packen, wenn es still, laut, wahrhaftig neben dir ist.



Jeder Mensch hat Momente der Authentizität. Ich glaube es hat mit dem Mut Da-Zu-Sein zu tun.

Als Schauspielerin muss man an den eigenen emotionalen Blockaden arbeiten und sich davon möglichst befreien, um andere annehmen zu können.

Als Frau und Mutter gibt es nach wie vor von allen Seiten Kritik was den Berufswiedereinstieg betrifft – zu früh oder zu spät. Es ist ein Kampf nach wie vor.

Rollenvorbilder sind für Mädchen, junge Frauen sehr wichtig. Dies braucht es auf einem herausfordernden Weg.


In meiner Tätigkeit als Logopädin wurde ich auch stark mit dem Thema Tod konfrontiert. Ich bin sehr mit dem Leben verwoben aber der Tod, in Konfrontation und Akzeptanz, ist ein wichtiges Element des Lebens oder Bewusstseins. Der Tod ist ein unglaubliches Thema und schwer zu begreifen.

Menschen trauen sich heute mehr Bedürfnissen, Wünschen nachzugehen und vielfältige, etwa polyamoröse Beziehungen zu leben oder polygam zu sein. Ich kenne Personen, die das ausprobieren und leben für einen Zeitraum. Das ist auch die Freiheit der Generation der 1980/90er Jahre. Die Generation 2000 ist es dann schon wieder konservativer.

Eine Person muss in der Liebe nicht alles erfüllen. Dies ist eine zu schwere Last.

Sich zu sehr an eine Person zu klammern, macht unglücklich. Das ist ja auch im Roman zu sehen.


Es ist wichtig in der Liebe in Entscheidungen nicht starr zu sein und zu bleiben. Ich denke es führt unweigerlich zum Scheitern, wenn man glaubt, ein festes Konstrukt fortzuführen zu wollen.




Zeit ist Geschenk und Chance für Vielfalt. In Leben, Liebe, Kunst, in allem.


Meine Utopie ist jene einer lebenswerten Welt, Natur. Ich habe eine starke Verbindung dazu und man stirbt viele Tode im Zusehen was der Kapitalismus da anrichtet.



Ich glaube, es gibt andere Arten zu leben in Verbindung von Natur und menschengemachter Welt, Mann und Frau als Ausbeutung und Überlegenheit.


Vielleicht müssen wir wie im Roman durch Mauern gehen für ein anderes Leben. Wir sollten es tun.








Romanschauplatz Malina _ Wien
50 Jahre Malina _ Roman _ Ingeborg Bachmann _ im Gespräch und szenischem Fotoporträt:
Sophie Resch_Schauspielerin_Wien
Station bei Ingeborg Bachmann_Romanschauplatz_Malina.
Interview und alle Fotos_Walter Pobaschnig _Wien_9_2020.